Anlageklassen (Teil 4): Anleihen und festverzinsliche Wertpapiere

Inhalt

Dies ist Teil 4 meiner Artikelreihe zu den verschiedenen Anlageklassen: Festverzinsliche Wertpapiere (Anleihen, Renten, Obligationen etc.).

Ein Unternehmen finanziert sich typischerweise über Kapital von den Miteigentümern (bei einem an der Börse gelisteten Unternehmen die Aktionäre) und über Kapital von Fremdkapitalgebern, die dem Unternehmen Kredit gewähren.

Die Aktionäre tragen das gesamte Geschäftsrisiko des Unternehmens mit und bekommen deshalb ihren Anteil am Unternehmensgewinn. Je nach Geschäftsumfeld kann dieser mal hoch und mal niedrig sein. Im Falle eines Verlustes gehen die Aktionäre in der Regel leer aus. Sollte das Unternehmen sogar pleite gehen, dann ist meist auch das gesamte eingesetzte Kapital verloren.

Bei den Fremdkapitalgebern verhält sich das etwas anders. Sie tragen das Risiko nicht in dem Maße mit wie die Aktionäre und bekommen deshalb statt eines Anteils am Gewinn eine festgelegte Verzinsung, die allerdings vom Risiko abhängt. Die Fremdkapitalgeber verleihen im Wesentlichen Geld, bekommen über die Laufzeit Zinsen und am Ende der Laufzeit ihr Kapital zurück. Zum Fremdkapital gehören neben traditionellen Bankkrediten auch die festverzinslichen Wertpapiere. Gerade für große Unternehmen macht es oft mehr Sinn eine Anleihe zu begeben, als einen Bankkredit aufzunehmen. Bei Staaten ist das übrigens nichts anderes. Auch die Bundesrepublik Deutschland finanziert ihre Ausgaben zu großen Teilen über Anleihen (so genannte Staatsanleihen). Sollte ein Unternehmen oder ein Staat pleite gehen, dann werden zuerst die Fremdkapitalgeber aus der Insolvenzmasse bedient.

Die Tatsache, dass wir mit einer Investition in Anleihen nicht in dem Maße am Unternehmensrisiko beteiligt sind wie die Aktionäre, heißt aber nicht, dass es kein Risiko gibt. Im Gegenteil. Für die meisten Unternehmen oder auch Staaten (vielleicht mit Ausnahme einiger weniger Firmen und Länder wie z.B. den USA oder der Bundesrepublik) besteht immer auch ein kleines Insolvenzrisiko. Im Summe sind Anleihen aber schon als eine vergleichsweise sichere Anlageklasse zu betrachten.

Und je sicherer die Anleihe, desto niedriger typischerweise die Verzinsung. Für Staatsanleihen der Bundesrepublik erhalten wir heute fast keine Verzinsung, für griechische Staatsanleihen von auf Grund des höheren Ausfallrisikos schon einiges mehr.


Wie wird das Risiko einer Anleihe bewertet?

Um als Investor das Risiko einschätzen zu können, können wir uns die Ratings der großen Rating-Agenturen (Standard & Poors, Fitch, Moody’s) ansehen. Diese Agenturen machen nichts anderes, als Unternehmen und Staaten bzw. deren Anleihen hinsichtlich des Ausfallrisikos zu bewerten. Die Ratings unterscheiden sich leicht zwischen den einzelnen Anbietern. Grundsätzlich wird aber eine Einteilung von AAA  (höchste Bonität) bis D (Zahlungsausfall) vorgenommen. Die Bezeichnungen der verschiedenen Rating-Agenturen kannst du der folgenden Tabelle entnehmen:

Anleihen Ratingvergleich-Ratingagenturen

Quelle: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Ratingagentur)

Die Ratings der Agenturen sollten wir allerdings mit Vorsicht genießen. Es ist immer noch so, dass die Rating-Agenturen ihren größten Umsatz mit den Emittenten der Anleihen (Schuldnern) machen. Das heißt die Agenturen werden in vielen Fällen von den Unternehmen selbst für die Erstellung eines Ratings beauftragt und auch bezahlt. Da kann es logischerweise auch zu Interessenkonflikten und beschönigten Ratings kommen (siehe positive Ratings der CDOs, also der verbrieften Immobilienkredite vor der Finanzkrise 2008/09).


Welche Rendite lässt sich mit Anleihen erwirtschaften?

Das Deutsche Aktieninstitut DAI hat einmal ermittelt, dass die Rendite für Anleihen langfristig je nach Risiko irgendwo zwischen 2% und 10% liegt, wobei am unteren Ende die Staatsanleihen von Ländern mit hoher Bonität (z.B. Deutschland oder die USA) und am oberen Ende die Junk-Bonds (Anleihen mit einem Rating unterhalb BBB-) mit höherem Ausfallrisiko. Da die Anleiherendite stark vom Marktzins abhängt, werden die Renditen heute aufgrund des niedrigen Leitzinses eher niedriger sein. Deutsche Staatsanleihen haben z.B. derzeit eine Rendite von nahe 0%, sind also ähnlich unattraktiv wie unser Sparbuch.


Wie berechnen wir die Rendite einer Anleihe?

Um die Rendite zu bestimmen, müssen wir zunächst mal wissen, dass viele Anleihen auch an der Börse gehandelt werden, d.h. es gibt immer einen tagesaktuellen Kurs. Dieser Kurs hängt von mehreren Faktoren ab:

  • vom Kupon (der Zinssatz, den wir jedes Jahr vom Emittenten erhalten). Der Kupon wird berechnet aus einem risikofreien Zins plus einem Risikoaufschlag
  • von der Laufzeit (die Anzahl an Jahren, bis der Nennbetrag zurückgezahlt wird)
  • vom Nennwert (der Wert der einzelnen Anleihe, wird oft in % angegeben, Nennwert 100%)
  • vom derzeitigen Zinsniveau (das Zinsniveau des Marktes, muss nicht zwangsläufig gleich dem Kupon sein)
  • von den Erwartungen des Marktes (Marktteilnehmer haben manchmal bestimmte Erwartungen bzgl. einer Anleihe, die den Preis stark beeinflussen können

Verknüpft werden die einzelnen Faktoren theoretisch über eine Barwertrechnung. Das heißt der theoretische Kurs der Anleihe heute ist nichts anderes als die zukünftig zu erwartenden Zahlungen umgerechnet auf den heutigen Zeitpunkt. Mithilfe dieser Rechnung können wir auch überprüfen, ob der Markt eine Anleihe zu hoch oder zu niedrig bewertet:

Theoretischer-Anleihekurs

wobei t = 1 bis n Jahre Laufzeit, Z = Kupon- und Tilgungszahlung zum Zeitpunkt t, i = Marktzins zum Zeitpunkt t.

Die Differenz zwischen dem theoretischen Kurs und dem tatsächlichen Kurs sagt uns dann, ob eine Anleihe über- oder unterbewertet ist.

Um die tatsächliche Rendite einer Anleihe zu berechnen, müssen wir nur die obige Formel etwas umstellen. Der Zinssatz i ist nun die Variable und anstelle des theoretischen Kurses setzen wir den tatsächlichen Kurs ein:

Tatsächlicher-Anleihekurs

wobei i hier den Effektivzins darstellt. Die Lösung dieser Gleichung muss allerdings iterativ oder mit einem Programm wie Excel (mit der IRR Funktion) oder Google Sheets erfolgen.

Ich nutze einmal ein paar konkrete Beispiele, um die Berechnung des theoretischen Preises für eine Anleihe zu demonstrieren. Der tatsächliche Kurs wird natürlich von den Anlegern bestimmt, die die Anleihe über die Börse handeln.

Beispiel:

Wir schauen uns eine Anleihe mit 5-jähriger Laufzeit und einem Kupon von 2% an. Der Nennwert der Anleihe beträgt 100 EUR.


Fall 1: Marktzins = Kupon

Bei der Erstemission der Anleihe können wir zunächst mal davon ausgehen, dass die Anleihe einen marktgängigen Zinssatz hat. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Anleihe am Markt zu ihrem Nennwert gehandelt werden.

Anleihen-Preisberechnung1

Fall 2: Marktzins < Kupon

Wenn der Marktzins kleiner als der Kupon der Anleihe ist, dann ist die Anleihe für uns eigentlich mehr wert als ihr Nennwert. Das heißt wir wären in diesem Fall bereit, mehr für eine Anlagemöglichkeit zu zahlen, die uns höhere Zinszahlungen bringt. Unsere Alternative wäre ja eine Anleihe mit einem niedrigeren Kupon oder eine andere Festzinsanlage.

Anleihen-Preisberechnung2

Fall 3: Marktzins > Kupon

Wenn der Marktzins größer als der Kupon der Anleihe ist, dann ist die Anleihe für einen Anleger weniger wert als der Nennwert, einfach weil es in einer solchen Situation genügend bessere Anlagealternativen gibt. Geht die Anleihe also nicht im Preis runter, wird niemand sie kaufen.

Anleihen-Preisberechnung3

Fall 4: Marktzins < Kupon, Investoren erwarten Zahlungsausfall

Eine Sondersituation tritt dann ein, wenn Investoren für eine Anleihe einen baldigen Zahlungsausfall erwarten. Gehen wir z.B. davon aus, dass ab Jahr 4 der Anleihenlaufzeit keine Kupon-Zahlungen mehr erfolgen werden und auch die Rückzahlung des Nennbetrages nicht erfolgen wird, dann wird die Anleihe schnell auf ein sehr niedriges Niveau fallen, in unserem Beispiel auf 5,9 EUR bzw. 5,9% des Nennwertes.

Anleihen-Preisberechnung4

Im Falle eines erwarteten Zahlungsausfalls gibt es natürlich auch immer Investoren, die darauf wetten, dass der Zahlungsausfall dann doch nicht eintritt, oder dass die Schulden zu einem späteren Zeitpunkt noch beglichen werden können. Gehen solche Rechnungen auf, dann kann die Rendite natürlich enorm hoch sein.

Sollten wir keinen Zahlungsausfall erwarten, dann hängt unsere Rendite hauptsächlich von unserer Risikotoleranz ab und davon, wie die Anleihe durch den Markt bewertet wird.

Wollen wir auf Nummer sicher gehen und kaufen nur deutsche Staatsanleihen ohne Ausfallrisiko, dann wird unsere Rendite sehr niedrig ausfallen. Kaufen wir aber z.B. eine Anleihe von US Steel, einem Stahlhersteller, der permanent kurz vor der Insolvenz zu sein scheint, dann können wir auch ca. 7-9% an Rendite (natürlich bei entsprechend hohem Ausfallrisiko) erwirtschaften. Hier gibt es dann im Einzelfall recht große Unterschiede.

Neben den bereits angesprochenen Aspekten gibt es noch ein paar weitere Faktoren, die wir zu Anleihen wissen sollten:

  • Je näher wir dem Laufzeitende der Anleihe kommen, desto weiter wird sich der Preis dem Nennwert annähern
  • Neben Anleihen mit einer regelmäßigen Kupon-Zahlung (so genannte Straight Bonds) gibt es noch ein paar weitere Anleihen-Typen, nämlich
    • Zero-Coupon Bonds (oder Bullet Bonds) – Anleihen ohne Kuponzahlung bzw. mit Kuponzahlung nur am Ende der Laufzeit
    • Variabel verzinsliche Schuldverschreibungen (so genannte Floaters) – Kupon ändert sich mit dem Marktzins
    • Wandelanleihen – Anleihen, die später in Aktien umgewandelt werden können
    • Inflationsgeschützte Anleihen – Anleihen, bei denen die Kuponzahlung mit der Inflationsrate ansteigt, sodass einen stabile reale Verzinsung erreicht wird
    • Andere Sonderformen

Wann lohnt sich das Investieren in Anleihen?

Wie oben angesprochen, können Anleihen auch als Spekulationsobjekt genutzt und damit hohe Renditen erzielt werden. Grundsätzlich sind Anleihen aber gerade bei Investoren beliebt, die einen regelmäßigen und vor allem sicheren Cash Flow, also regelmäßige Zinszahlungen wünschen bzw. benötigen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn wir die Zahlungen für das Bestreiten unseres Lebensunterhalts benötigen, z.B. in unserem Ruhestand.

Im Hinblick auf die Portfolio-Struktur (im Englischen Asset Allocation) wird daher oft empfohlen, mit zunehmendem Alter einen immer höheren Anteil an sicheren, Cash Flow-generierenden Anleihen ins Portfolio zu nehmen.


Weitere Teile dieser Artikelreihe

Hier die Übersicht über die anderen Anlageklassen bzw. weiteren Teile dieser Artikelreihe:

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