The Curse of the Mogul: Eine tiefgehende Analyse von Media-Businesses

Inhalt

Bruce Greenwald - The Curse of the Mogul

Bruce Greenwald ist einigen von euch vielleicht als Professor an der Columbia Business School sowie auch als Autor der Bücher Value Investing – From Graham to Buffett and Beyond und Competition Demystified ein Begriff. Die in diesen beiden Büchern enthaltenen Konzepte zu den Themen Wettbewerbsanalyse und Valuation haben mich relativ stark beeinflusst.

Darüber hinaus hat Greenwald allerdings zusammen mit ein paar weiteren Autoren – u.a. dem ehemaligen Investmentbanker und Medienexperten Jonathan Knee – das Buch “The Curse of the Mogul” veröffentlicht, in dem es um die Wettbewerbsposition verschiedener Segmente der Medienbranche geht.

Die letzte Auflage des Buches stammt zwar bereits aus dem Jahr 2009 und berücksichtigt deshalb nicht die wesentlichen Veränderungen der letzten Jahre wie z.B. die Zunahme der Relevanz von eigenem Content (z.B. Disney und seine Franchises, Netflix) sowie die zunehmend exklusive Verbreitung über eigene Distributionskanäle (siehe Disney+ und wieder Netflix).

Als Grundlage für das Verständnis der Branche, die von vielen Investmentbanken und Managementberatungen mit dem Kürzel TMT abgekürzt wird (TMT steht für Technology, Media & Telecommunications), ist das Buch allerdings Gold wert.

Im Folgenden möchte ich euch einmal einen kurzen Überblick darüber geben, was euch im Buch erwartet.


The Curse of the Mogul

Das wesentliche Theme bzw. der wesentliche Aufhänger von The Curse of the Mogul ist das historische Streben der so genannten Medienmogule, also der Murdochs, Turners und Igers dieser Welt, nach immer mehr Wachstum und immer mehr eigenem Content (“Growth is Good” und “Content is King”).

Knee und Greenwald führen in The Curse of the Mogul nun im Detail aus, warum diese Maxime in der Realität meist eher zu einer

 nachhaltigen Vernichtung von Shareholder Value 

geführt hat bzw. immernoch führt… nämlich weil die typischen Wachstumsfelder (insbesondere die Erstellung von Inhalten) über keinerlei nachhaltige Wettbewerbsvorteile oder Markteintrittsbarrieren verfügen.

Dabei bedienen sie sich übrigens in vielen Fällen der Konzepte aus Competition Demystified… wäre ich böswillig, würde ich sagen, dass die Fallstudien aus The Curse of the Mogul auch als Anhang zu Competition Demystified hätten veröffentlicht werden können… dafür ist das Buch allerdings mit seinen ca. 300 Seiten doch etwas zu dick und mit seinem Fokus auf die Medienbranche doch etwas zu spezifisch… mit anderen Worten: The Curse of the Mogul geht weit über die Anwendung etablierter Konzepte und die Verarbeitung in Fallstudien hinaus.

Nach einer übergeordneten Einführung zu Beginn des Buches (Wodurch entstehen Wettbewerbsvorteile und woran kann man sie erkennen?, Wie sieht die Wertschöpfungskette aus?, Wo gibt es differenzierende Merkmale?, etc.) beschäftigen sich die Autoren im mittleren Teil mit der individuellen Analyse einzelner Segmente der Medienbranche im Hinblick auf Eintrittsbarrieren, Erfolgsstrategien etc. Im letzten Teil werden abschließend die erfolgreichen und auch nicht so erfolgreichen M&A-Aktivitäten einzelner Mogule unter die Lupe genommen.


Das Framework

Wesentlicher Ausgangspunkt für die Analyse der Strategien im zweiten Teil des Buches ist die folgende, grobe Segmentierungslogik, die Greenwald konzeptionell bereits in Competition Demystified vorgestellt hat (Ausgangspunkt für die so genannte Industry Map):

The Curse of the Mogul - Bruce Greenwald

Wie ihr sehen könnt, besteht der erste Schritt der Wertschöpfungskette in der Erstellung der Inhalte… mit Produktionsfirmen, Schauspielern, Autoren oder Journalisten als Protagonisten. (Anmerkung: Ein diskreter Inhalt wäre z.B. ein Film oder ein Roman, ein kontinuierlicher Inhalt eine Serie, eine tägliche News- oder Sportsendung oder eine regelmäßige Kolumne).

Im folgenden zweiten Schritt werden diese Inhalte entsprechend verpackt, d.h. z.B. in Form eines TV-Kanals oder einer Streaming-Bibliothek gebündelt (elektronisch) oder in Form eines Buches, Magazins oder einer Zeitung verpackt (physisch). Dieser Schritt beinhaltet regelmäßig auch die Vermarktung und Promotion der Inhalte bzw. die Übernahme der Großhandelsfunktion.

Schlussendlich erfolgt die Distribution zum Endkunden, z.B. national / global über Internet oder regional / lokal z.B. über Kabelnetz, Satellit, Buchläden, Musikgeschäfte, Kinos, Zeitungskioske und lokale TV- / Radiosender.

Ebenfalls ein wichtiger Aspekt: Wirkliche Wettbewerbsvorteile sind eher in kontinuierlichen Inhalten (stärkere Kundenbindung), physischen Produkten und lokaler Distribution zu finden (hohe Fixkosten und damit Economies of Scale).

Natürlich – und darauf gehen die Autoren ebenfalls ein – gibt es in der Realität im Grunde genommen keine reinrassigen Content-Ersteller oder -Distributoren, schon gar nicht mit singulärem Fokus auf spezifische Darreichungsformen oder Vertriebskanäle. Wohl aber bestehen in vielen Fällen deutliche Schwerpunkte, die die übergeordnete Wettbewerbsposition und Profitabilität stark beeinflussen. Die “Packaging”-Funktion wird in vielen Fällen übrigens entweder von den Erstellern der Inhalte oder aber den Distributoren übernommen. Es gibt hier nur wenige unabhängige Unternehmen.

Um einmal beim Film- und Fernsehgeschäft zu bleiben: Historisch gesehen haben die großen Filmstudios immer gleichzeitig auch ein paar TV-Kanäle betrieben. Viele US-Kabelnetzbetreiber waren von Beginn an jedenfalls zum Teil auch an den entsprechenden Kabelkanälen beteiligt (siehe z.B. John Malones TCI und das daraus hervorgegangene Liberty Media).

In Deutschland produziert z.B. ProSiebenSat1 einen Teil seiner Inhalte selbst, einen anderen Teil kauft das Unternehmen von externen Produzenten ein. Die Programme werden zum einen traditionell über das Kabelnetz bzw. über Satellit (extern), zum anderen neuerdings aber auch über Joyn, den eigenen vMVPD (steht für “virtual Multichannel Video Programming Distributor”), im Internet vertrieben.


Segmente und Strategien

Im zweiten Teil des Buches gehen Knee, Greenwald und Seave ganz konkret auf einzelne Subsegmente sowie deren Wettbewerbspositionierung ein.

Folgende Themen sind bei mir nach der Lektüre des zweiten Buchteils hängen geblieben (decken aber nur einen Bruchteil dessen ab, was ihr im Buch an Wissen vermittelt bekommt):

Content

  • Content is Not King: Unternehmen, deren Geschäft darin besteht, diskrete Inhalte herzustellen und zu vermarkten – das wären z.B. Filme, Musikalben, Bücher – haben aufgrund der Macht der wesentlichen Protagonisten, also der guten Regisseure, Schauspieler, Musiker, Autoren etc. – keine besonderen Wettbewerbsvorteile
  • Das pure Verwalten und Vermarkten einer vorhandenen Content-Bibliothek ist in vielen Fällen ein besseres Geschäftsmodell, als die regelmäßige Produktion neuer Inhalte (quasi keine Investitionen und sichere Erträge versus (sehr) hohe Investitionen und (sehr) unsichere Erträge)
  • Entgegen der Meinung vieler Kreativer funktioniert Lean Operations auch in einem traditionellen Content-Business und zwar hauptsächlich über ein effizientes Talentmanagement (regelmäßig die größte Kostenposition bei der Produktion kreativer Inhalte), ein effizientes Marketing und ein passendes Organisationsdesign. Als herausstechendes Beispiel nennen die Autoren Lew Wasserman, der mit seiner Produktionsfirma MCA/Universal über einen Zeitraum von ca. 20 Jahren im Durchschnitt eine Kapitalrendite oberhalb von 10% erwirtschaftete

Packaging / Wholesale

  • Obwohl viel weniger glamourös, haben Unternehmen, die sich mit dem “Packaging” von Inhalten befassen, in vielen Fällen ein attraktiveres Geschäftsmodell als Filmstudios oder Produktionsfirmen
  • Zwei Sonderfälle von meist unabhängigen “Packaging”-Businesses sind Netzwerke und Datenbanken, welche aufgrund der hohen Fixkosten von positiven Skaleneffekten (Economies of Scale) profitieren. Netzwerk-Geschäfte, z.B. Kabelkanäle, besitzen ein großes Netzwerk an Lieferanten- und Kundenbeziehungen, für dessen Aufbau und Pflege hohe Fixkosten angefallen sind bzw. immernoch anfallen. Bei Datenbank-Geschäften, z.B. Bloomberg, ThomsonReuters oder S&P, kommen noch die hohen Fixkosten für die (Weiter-)Entwicklung der Software-Tools hinzu
  • Ein “Packaging”-Business hat in der Regel eine Handvoll Wettbewerber, die alle von den gleichen Wettbewerbsvorteilen profitieren (“Shared Competitive Advantage”). Die Wettbewerbsvorteile müssen deshalb gemeinschaftlich gemanagt werden, allerdings idealerweise ohne wettbewerbsrechtliche Regelungen zu verletzen
  • Im Buch wird gut herausgearbeitet, wie Bloomberg in den 1980er Jahren dazu in der Lage war, das eigentlich gut abgeschirmte Geschäftsmodell des ca. 130 Jahre älteren Reuters Newsservice anzugreifen (interessant in diesem Zusammenhang auch die Historie von Reuters: Julius Reuter startete das Business in 1851, indem er u.a. Brieftauben von Aachen nach Brüssel schickte)

Distribution / Retail

  • Es ist viel schwieriger, Markteintrittsbarrieren auf globaler Ebene zu etablieren und zu erhalten. Deshalb verfolgen die profitabelsten Distributoren einen eher lokalen Ansatz
  • Skaleneffekte sind ein relatives Konzept, d.h. nicht die absolute Größe, sondern die relative Größe ist relevant. Man sollte deshalb absolute Größe und Skalenvorteile nicht vermischen (Beispiel Multiplex-Kinos versus lokale bzw. regionale Kinoketten)
  • Nach vielen Konsolidierungen und Insolvenzen sind die wenigen überlebenden Lokalzeitungen aufgrund der vergrößerten Skaleneffekte heute sogar profitabler als vor der Internet-Ära (nur sehr wenige Zeitungen überhaupt haben einen überregionalen bzw. sogar nationalen Fokus), was hauptsächlich mit der Verteilung der (quasi) konstanten Fixkosten der Distribution auf eine größere Anzahl an Lesern zu tun hat
  • Es gibt zwar eine ganze Reihe an Wegen, um elektronische Inhalte in den Haushalten verfügbar zu machen. Schlussendlich ist aber der bereits bestehende lokale Link aus ökonomischer Sicht am effizientesten. Sofern es tatsächlich zwei lokale Netzwerke geben sollte, dann wird dasjenige mit der größeren lokalen Marktdurchdringung bei gleicher Fixkostenbasis in der Regel profitabler sein und dem Wettbewerber über die Zeit weitere Kunden abjagen können. Ein dominanter lokaler Wettbewerber ist deshalb in der Regel nur sehr schwer zu attackieren. Das gilt selbst für einen viel größeren und unter Umständen sogar national / global aufgestellten Angreifer

M&A

Im dritten und letzten Teil von The Curse of the Mogul gehen Knee, Greenwald und Seave noch auf ein paar der wesentlichsten M&A-Transaktionen in der Medienbranche ein. Diese Transaktionen waren historisch der für die regelmäßige Unterperformance von Medienunternehmen verantwortliche rote Faden.

Tatsächlich gibt es sowohl unter Praktikern, als auch unter Wissenschaftlern eine große Übereinstimmung darüber, dass durch Übernahmen zum großen Teil keine zusätzlichen Werte geschaffen werden. Die von Knee et. al. analysierten Transaktionen belegen diese Einschätzung größtenteils. Unter anderem werden die folgenden M&A Transaktionen im Detail betrachtet:

  • Comcast – AT&T Broadband
  • AOL – Time Warner
  • Viacom – CBS
  • Vivendi – Universal
  • Dow Jones – CBS MarketWatch (laut Autoren eine der wenigen erfolgreichen Transaktionen)

Jedes Beispiel ist gut recherchiert und reflektiert in vielen Fällen das pure Streben nach Größe, das sich hauptsächlich in überhöhten Kaufpreisen und hohen unrealisierbaren Synergiepotenzialen ausdrückte. Auch wenn die Transaktionen nun bereits einige Jahre her sind: Spannend zu lesen ist es allemal.


Fazit

The Curse of the Mogul von Jonathan Knee, Bruce Greenwald und Ava Seave ist ein sehr empfehlenswertes Buch vor allem für alle diejenigen, die sich entweder im Detail mit der Analyse von Wettbewerbsvorteilen und Eintrittsbarrieren beschäftigen oder sich in die komplexe Medien- bzw. besser TMT-Branche einarbeiten möchten (oder beides :-)).

The Curse of the Mogul geht nicht nur detailliert auf die Branchenstruktur ein, sondern analysiert die einzelnen Teilbereiche der Medien-Wertschöpfungskette anhand vieler realer Beispiele. Dass die Fallbeispiele dabei in vielen Fällen aus dem Film- und TV-Segment der Medienlandschaft stammen, tut dem Lerneffekt aus meiner Sicht keinen Abbruch.

Ich möchte es nochmal betonen: Ich bin nur auf ein paar wenige Teilaspekte und Inhalte des Buches eingegangen. Ich kann euch aber versprechen, dass das Buch weitaus mehr Insights enthält. Für jeden, der gerader damit anfängt, sich mit Medienunternehmen, Kabelnetzbetreibern etc. auseinanderzusetzen, ist The Curse of the Mogul aus meiner Sicht eine unverzichtbare Informationsquelle.


Über die Autoren

Bruce Greenwald

Bruce Greenwald ist Jahrgang 1946 und Professor an der Columbia Business School und Research Director bei First Eagle Funds (laut Wikipedia).

In Columbia ist der Inhaber des Robert Heilbrunn Lehrstuhls für Finance und Asset Management und Direktor des Heiulbrunn Center for Graham and Dodd Investing. Greenwald machte seinen Bachelor 1967 am MIT, seinen master zwei Jahre später in Princeton , bevor er für seinen Phd wieder zurück zum MIT ging. An der Columbia Business School ist Greenwald seit 1991 tätig.

Neben Value Investing hat Bruce Greenwald auch das Buch Competition Demystified veröffentlicht, in dem es um einen im Vergleich zu Michael Porter’s Wettbewerbsstrategie stark vereinfachten Ansatz zur Analyse von Unternehmensstrategien geht (das Buch ist übrigens auch sehr zu empfehlen).


Jonathan Knee

Co-Autor Jonahan A. Knee ist ebenfalls Professor an der Columbia Business School und zwar für die Bereiche Public Policy, Strategie und M&A von Medienunternehmen. Er ist darüber hinaus Senior Advisor bei Evercore Partners. Bevor er 2003 als Senior Managing Director bei Evercore anfing, war Knee Managing Director und Co-Head der Media Group bei Morgan Stanley. Zuvor war er Leiter des Verlagssektors in der Communications, Media and Entertainment Group bei Goldman Sachs.

Bevor er Investmentbanker wurde, war Knee Direktor für internationale Angelegenheiten bei United Airlines und arbeitete als Adjunct Professor of Law an der Northwestern University.

Knee veröffentlicht regelmäßig Artikel und kolumnen, z.B. in The Atlantic, im Wall Street Journal, der New York Times und der Washington Post. Darüber hinaus ist er (Co-)Autor verschiedener weiterer Bücher, z.B. Class Clowns: How the Smartest Investors Lost Billions in Education und The Accidental Investment Banker: Inside the Decade that Transformed Wall Street (hab beide noch nicht gelesen, die Beschreibungen auf Amazon klingen aber sehr vielversprechend… vor allem Class Clowns, in dem es um die so genannte Edtech-Branche geht).


Ava Seave

Ava Seave ist ebenfalls eine Expertin aus der Medienbranche. Sie ist Direktorin von Quantum Media, einer New Yorker Beratungsfirma, die sich auf Marketing und strategische Planung für Medien-, Informations- und Unterhaltungsunternehmen konzentriert.

Bevor sie 1998 zusammen mit vier anderen Unternehmern Quantum Media gründete, war Seave Geschäftsführerin bei Scholastic Inc., The Village Voice und bei TVSM.

Seit 2010 lehrt Seave an der Columbia Journalism School, wo sie als Assistant Adjunct Professor tätig ist sowie auch an der Columbia Business School, wo sie den Kurs “Media & Entertainment: Strategy Consulting Projects” leitet.


Weitere Ressourcen

Ein weiteres hochinteressantes Buch zum Medien-Business namens Cable Cowboy kommt von Mark Robichaux und befasst sich mit der Entstehung des modernen Kabel-Geschäfts in den USA im Allgemeinen und mit dem Werdegang von John Malone (auch bekannt aus The Outsiders) und den von ihm über lange Jahre geleiteten Unternehmen Tele Communications Inc. (TCI) und Liberty Media im Speziellen.

Darüber hinaus empfehle ich natürlich nach wie vor die Lektüre der weiteren Bücher von Bruce Greenwald.

Cable Cowboy - John Malone
Value Investing - Greenwald
Competition Demystified - Greenwald

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