Vor Kurzem hatte ich euch den Investment-Ansatz von Bruce Berkowitz vorgestellt und war dabei am Rande auch auf das Sears Investment eingegangen. Für Berkowitz, der zwischen ca. 2006 und 2018, also mehr als 10 Jahre lang, in Sears investiert war, eins der größten und vor allem medienwirksamsten Fehlinvestments in der Geschichte seines Fairholme Fonds.
Selbst in 2017, ca. ein Jahr bevor Sears Insolvenz nach Chapter 11 beantragte, taxierte Berkowitz den Netto-Wert der Sears-Assets auf 90 bis 100 USD je Aktie (schaut euch dazu das Bloomberg-Interview an, ist wirklich sehens- und hörenswert)… der Aktienkurs war zu dem Zeitpunkt bereits unter die 10 USD-Marke gefallen.
In dieser Fallstudie möchte ich einmal den Ausgangspunkt zum Zeitpunkt des Sears Investments, Berkowitz’ Investment Thesis sowie die späteren Entwicklungen etwas näher beleuchten. Idealerweise schaffe ich es auch, die wesentlichen Warnsignale herauszuarbeiten, die es zwischenzeitlich ja durchaus gegeben hat.
Recap: Deep Value Investing
Ich möchte hier nicht im Detail das wiederholen, was ich bereits in meinen Artikeln zum Thema Net Net bzw. Deep Value Investing geschrieben hatte, sondern stattdessen nur auf die für die Sears Fallstudie relevanten Aspekte eingehen.
Ein klassisches Value Investment basiert vor allem auf der Einschätzung, dass der aktuelle Aktienkurs signifikant unterhalb des aktuellen intrinsischen Wert des Eigenkapitals liegt. Der Wert des Eigenkapitals wird dabei in der Regel auf Basis einer individuellen Bewertung der bilanziellen Assets (also Produktionsanlagen, Immobilienvermögen, Lagerbestände, Forderungen etc.) ermittelt.
In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich bei solchen klassischen Value Investments um Unternehmen, die mit signifikanten, manchmal sogar mit lebensbedrohlichen Problemen konfrontiert sind.
Je länger sich die Problemlösung nun hinzieht und ein Unternehmen beispielsweise einen negativen Cash Flow verzeichnet, desto stärker der Wertrückgang über die Zeit und desto kürzer das Zeitfenster für ein profitables Investment:
Um nochmal Bruce Berkowitz zu zitieren:
You have a price and you have a value. And you know that over time the price is either going to go up to the value or the value is going to come down to the price. Most likely they’ll meet somewhere in the middle. – Bruce Berkowitz
Der Fall Sears ist insofern etwas außergewöhnlich, weil viele Investoren selbst nach mehr als 10 Jahres des Niedergangs des operativen Geschäfts noch substantielle Vermögenswerte (vor allem Immobilien) in der Firma sehen.
Background: Sears Mitte der 2000er Jahre
Sears war bzw. ist eine US-amerikanischer Einzelhändler, dessen Kerngeschäft im Betrieb so genannter Department Stores in Nordamerika liegt. (Anmerkung: Ein Department Store ist am ehesten mit dem deutschen Kaufhaus a là Kaufhof und Karstadt vergleichbar.)
Im Jahr 2005 wurde Sears für ca. 11 Mrd. USD vom Wettbewerber Kmart übernommen.
Zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses mit Kmart betrieb das kombinierte Sears nicht nur ca. 3.500 Läden, die einen EBITDA oberhalb von 3 Mrd USD erwirtschafteten. Das Unternehmen besaß darüber hinaus ca. 40% seiner Immobilien selbst und hatte eine ganze Reihe an mutmaßlich werthaltigen Beteiligungen (u.a. an Sears Canada, Restoration Hardware, Orchard Supply, Lands’ End) sowie ein Sammelsurium bekannter Eigenmarken, unter anderem “Craftsman” und “Kenmore”, in seinem Besitz:
Übersicht der wesentlichen Eigenmarken von Kmart und Sears; Quelle: CNN Money
Allerdings, und das muss fairerweise auch gesagt werden, waren weder Kmart noch Sears operativ in einer besonders guten Verfassung. Kmart war erst in 2003 aus der Insolvenz heraus quasi neu entstanden, Sears hatte mit der nachlassenden Frequentierung seiner großen und oftmals abgelegenen Malls zu kämpfen.
Es sollte uns daher nicht überraschen, dass die neu entstandene Sears Holding im Wettbewerbsvergleich nicht besonders gut dastand, wie der EBITDA-Margenvergleich für das Jahr 2006 zeigt:
Vergleich EBITDA-Margen verschiedener Einzelhändler (2006) [%]; Quelle: Finbox
Der Merger im März 2005 war also hauptsächlich eine auf das Heben von Synergiepotenzialen ausgerichtete Turnaround-Story. Hier die wesentlichen damals definierten Hebel:
- Sears hatte bereits damit begonnen, in neue Geschäfte außerhalb der großen und abgelegenen Malls zu investieren (Name zunächst “Sears Essentials”, dann “Sears Grand”). Im Zuge des Zusammenschlusses sollte nun Hunderte von (mutmaßlich unprofitablen) Kmarts in zentraleren Lagen auf das neue Konzept umgestellt werden
- Die von beiden Unternehmen gehaltenen Eigenmarken sollten über Cross-Selling der jeweils anderen Zielgruppe zugänglich gemacht werden (Sears war bei Haushaltsgeräten, Werkzeugen etc. stark, Kmart hatte den Fokus eher auf Kleidung und Accessoirs gelegt). Die resultierenden Ertragssynergien wurden auf ca. 200 Mio. USD geschätzt
- Es wurden jährliche Kosteneinsparungen (Kostensynergien) in Höhe von mindestens 300 Mio. USD erwartet, insbesondere im Einkauf und bei den Verwaltungskosten (G&A-Kosten)
- Die Schaffung einer gemeinsamen kundenorientierten Unternehmenskultur zwischen den beiden Unternehmen sollte zu einer Erhöhung der flächenspezifischen Umsätze führen
- Die Beibehaltung von zwei Marken nach der Fusion sollte es Sears Holdings ermöglichen, sich weiterhin auf unterschiedliche demographische Zielgruppen zu konzentrieren, ohne sich zu weit vom Kunden zu entfernen
Hier das Rational für den Zusammenschluss nochmal in den eigenen Worten der beiden AR-Vorsitzenden:
We don’t want two separate cultures but to blend it into one great culture. The idea is to make the stores more competitive while staying focused on the customer. – Kmart Chariman Eddie Lampert, 2005
Sears has had a very different problem from Kmart. Our service and products are as good as our competitors but they’re not where our customers are. This now gives us the opportunity to grow off-mall locations closer to the customer. – Sears Chairman Alan Lacy, 2005
Es gab allerdings noch eine weitere Komponente: Aufgrund der Historie von Eddie Lampert als Hedge Fonds Manager sowie aufgrund seiner dominierenden Position als Initiator des Mergers und Mehrheitseigentümer von Kmart (53% Anteil) glaubten viele Beobachter bzw. Investoren, dass Lampert auch über eine geschickte Kapitalallokation und ggf. resultierende Corporate Actions (Spin-Offs, (Teil-)Verkäufe etc.) signifikante Werte für die Aktionäre heben würde.
Manche – inklusive Bruce Berkowitz – sahen in dem Merger sogar das Entstehen eines neuen Berkshire Hathaway, wie u.a. der folgende Absatz aus dem Fairholme Capital Shareholder Letter aus 2007 zeigt:
As with Warren Buffett in the late 1990s, many believe Eddie Lampert’s investment skills have faded – but it is just as unlikely that this leopard has lost his spots. – Bruce Berkowitz, Fairholme Annual Letter 2007
Wie sah aber nun die Investment Thesis von Bruce Berkowitz im Detail aus? Hierauf möchte ich nun einmal zu sprechen kommen.
Bruce Berkowitz’ Sears Investment Thesis
Bruce Berkowitz ist – wie in meiner Analyse seines Investment-Ansatzes herausgearbeitet – ein eher traditioneller Value Investor, welcher sich auf den Wert der Vermögenswerte fokussiert und nach konkreten Wertreibern sucht. Seine Sears Investment Thesis Mitte der 2000er Jahre basierte deshalb vermutlich im Wesentlichen auf zwei Annahmen:
- Der Netto-Wert der Assets auf der Bilanz (also unter Berücksichtigung der Verschuldung) übersteigt bei weitem den Wert des Aktienkurses -> Unterbewertung
- Der Einstieg von Hedge Fonds Manager Eddie Lampert als größter Einzelaktionär und Vorsitzender des Board of Directors (Owner-Operator) führt zu einer stark verbesserten Allokation des Kapitals und einer zügige Realisierung der versteckten Werte -> Werttreiber
Hier einmal der entsprechende Absatz aus Berkowitz’ Annual Letter aus 2006:
Sears Holdings, which is 4.53% of the Fund’s net assets, has also become significant because of Eddie Lampert, an unusual investment talent with a fabulous paper trail. While Fairholme is agnostic about the future of Sears’ retailing success, we believe Lampert will continue to redeploy the company’s extensive assets to our benefit. – Fairholme Semi-Annual Shareholder Letter 2006
Das Investment war also unter anderem auch eine Wette auf Eddie Lampert. Wichtig ist aus meiner Sicht außerdem der Halbsatz “Fairholme is agnostic about the future of Sears’s retailing success”, der mindestens einen kleinen Hinweis darauf gibt, wieviel Aufmerksamkeit Berkowitz damals dem Turnaround des eigentlichen Retail-Geschäfts geschenkt hat.
Sears SOTP-Bewertung
Über seine konkrete Bewertung zum Einstiegszeitpunkt in 2005 / 06 gibt es zwar keine Informationen. Eine SOTP-Bewertung aus dem Jahr 2015 (Basis der Zahlen ist das Q3-2015) gibt uns aber mindestens einen Einblick in die Bewertungslogik von Berkowitz:
SOTP Bewertung Sears 2015 [Mio. USD]; Quelle: Fairholme Annual Letter 2015
Wie ihr sehen könnt, lag allein der Wert der Immobilien laut Berkowitz’ Analyse beim ca. 6-fachen des damaligen Aktienkurses (der Jahresschlusskurs 2015 lag unterhalb von 20 USD je Aktie).
Hierbei ist allerdings anzumerken, dass Berkowitz von einem Immobilienbestand in der Größenordnung von über 170 Mio. Square Feet ausging, was nach meiner Kalkulation auch die geleasten bzw. angemieteten Immobilien enthalten sollte (diese machten über die Jahre in Summe immer mehr als 60% der Gesamtfläche aus – ohne Berücksichtigung der Specialty Stores und von Sears Canada).
Ein Grund also, um hier nochmal etwas detaillierter hinzuschauen.
Wert der Immobilien-Assets
Ein guter Ankerpunkt bzgl. der Bewertung des Immobilienportfolios ist der Deal mit Seritage Growth Properties Anfang 2015, in dessen Rahmen 266 Immobilienobjekte für ca. 2,7 Mrd. USD veräußert wurden:
Wesentliche Kennwerte des Seritage Growth Properties Deals; Quelle: Sears Geschäftsberichte, Web Search
(Der entsprechende Wert sollte in Berkowitz’ Rechnung nicht mehr als Teil des Immobilienwertes, sondern als Veränderung der Netto-Cash-Position bzw. Nettoverschuldung reflektiert sein.)
Zusammengefasst zahlte Seritage also in etwa 64 USD pro Square Foot für ein Immobilienportfolio, welches zum Großteil aus größeren Malls bestand, wie man an der Durchschnittsfläche erkennen kann (die Kmarts liegen durchschnittlich bei ca. 93.000 Square Feet).
Ende des Jahres 2015 basaß Sears in Summe noch ca. 1.650 Läden, wovon laut Geschäftsbericht 2015 ca. 400 in eigenen Immobilien untergebracht waren (Gesamtfläche geschätzt ca. 50 Mio. Square Feet). Nach meiner Logik würde die Untergrenze des Wertes der eigenen Immobilien also irgendwo bei 3,3 Mrd. USD liegen (= 50 Mio. Square Feet x ca. 65 USD / Square Foot)… Untergrenze deshalb, weil sich die ca. 100 kleineren Kmart Locations vermutlich in besseren Lagen befinden und deshalb einen höheren Verkaufspreis erzielen würden.
Ergibt sich also noch eine signifikante Lücke zur Einschätzung von Berkowitz, der den Immobilienwert mit fast 16 Mrd. USD taxiert. Einen Hinweis auf die Ursache dieser Abweichung liefert ein Kommentar aus Fairholmes Halbjahresbericht 2015:
The possibilities for SHC’s owned and leased properties are endless. Redevelopment is one feasible option that the company is actively pursuing [… es folgen einige Beispiele…] Subleasing to single and multiple tenants is another option: millions of square feet have already been subleased to tenants [… es folgen wieder einige Beispiele…] Finally, some stores will remain as-is: for example, “cash cow” locations throughout the Northeast corridor, Puerto Rico, and the U.S. Virgin Islands do not require any reconfiguration. – Fairholme Semi-Annual Letter 2015
Offensichtlich spielte also die Option der alternativen Verwendung des Immobilienportfolios durch Umnutzung signifikanter Flächen eine wichtige Rolle in Berkowitz’ Investment Thesis. Mutmaßlich mehr als zwei Drittel des unter “Immobilien” aufgeführten Wertes sollten vermutlich über Umbauten und Umwidmungen sowie durch Untervermietung zu höheren Mieten gehoben werden.
Zum Leidwesen von Bruce Berkowitz und vieler anderer Investoren hat diese Umwidmung viel zu lange gedauert, wie wir nun sehen werden.
Sears Value Trap: Warum es nicht funktionierte
Die Entwicklung der Sears Holding zwischen 2005 und ca. 2018 kann i.W. in zwei Abschnitte unterteilt werden:
- Ca. 2005 bis 2010: Zurückfahren der Investitionen und Nutzung der damals noch positiven Cash Flows für Aktienrückkäufe. Am operativen Retail-Geschäft, d.h. an Umsätzen und Gewinnen, sind die zukünftigen Probleme bereits abzulesen
- Ca. 2010 bis 2018: Wegfall der Cash Flows und Verschlechterung der finanziellen Stabilität (i.W. Zinsdeckung bzw. Leverage) triggert Assetverkäufe an, um die Verschuldungssituation in den Griff zu bekommen. Operativ verschlechtert sich die Lage weiter
Das (vorläufige) Ende der Story: Sears musste im Oktober 2018 Insolvenz anmelden, nachdem ein Kredit in Höhe von ca. 130 Mio. USD nicht wie geplant abgelöst bzw. zurückgezahlt werden konnte. Die verbliebenen Sears-Assets wurden Anfang 2019 für 5,2 Mrd. USD an Eddie Lampert’s Transform SR Brands LLC (“Transformco”) veräußert, wobei der Kaufpreis wahrscheinlich bei den Gläubigern und nicht bei den ehemaligen Aktionären landete.
Ich glaube ich nehme nicht zu viel vorweg, wenn ich sage, dass der Aktienkurs sich über die Zeit nicht besonders positiv entwickelt hat:
Aktienkursentwicklung Sears [USD/Aktie]; Quelle: Finbox
Aber alles einmal der Reihe nach.
2005-2010: Cost Cutting und Share Buybacks
Ein paar Jahre vor dem Merger investierten Sears und Kmart zusammengenommen noch ca. 2,5 Mrd. USD jährlich zurück ins Geschäft.
Unmittelbar nach dem Kmart-Sears Merger jedoch fuhr Lampert die Investitionen der Sears Holding auf ein Minimum zurück, nicht nur im Vergleich zu den eigenen historischen Investitionen…
Sears Holding: Investitionen versus Abschreibungen [Mio. USD]; Quelle: Finbox
… sondern auch im Vergleich zu den wesentlichen Wettbewerbern (Walmart, Best Buy, JC Penney, Nordstrom etc.):
Sears Investitionsquote (CapEx / Umsatz) im Vergleich zum Wettbewerb [%]; Quelle: Finbox
Statt das Kapital also ins Business zu reinvestieren (mindestens jedenfalls in angemessener Höhe, um der Asset Base nicht zu schaden), kaufte Lampert in den Jahren 2005 bis 2011 eigene Aktien mit einem Gesamtwert von ca. 6 Mrd. USD zurück:
Sears Aktienrückkäufe und EPS-Entwicklung, Quelle: Finbox, Geschäftsberichte
Aufgrund der schlechten Entwicklung des operativen Geschäfts war der Effekt wie ihr sehen könnt allerdings im Gewinn je Aktie bereits damals gar nicht sichtbar… einmal ganz davon abgesehen, dass sich der Aktienkurs im gleichen Zeitraum von ca. 125 USD Ende Juni 2005 bis auf ca. 25 USD Ende Dezember 2011 fast genau gefünftelt hatte.
Bereits hier hätte man aus meiner Sicht die Sinnhaftigkeit der Allokationsentscheidungen in Frage stellen können. Allerdings war es unter Umständen aber auch bereits zu spät, um noch gegenzusteuern.
Seit Mitte 2008 nämlich hatte Moody’s die schlechte operative Performance sowie auch die signifikanten Share Buybacks angeprangert. In 2012 schließlich folgte das Rating Downgrade auf B3:
Sears’ B3 rating reflects its eroding market share — comparable store sales have declined every year since the 2005 merger of Sears and Kmart. The rating also reflects weak execution as operating margins have consistently eroded over this period as well. We expect debt/EBITDA will likely be around 9 times (incorporating Moody’s standard analytical adjustments) and that the company will not have meaningfully positive interest coverage. […] Over time ratings could be upgraded if the company demonstrates sustained improvements in operating performance, with interest coverage (EBITDA-capital expenditures/interest expense) sustained above 1.25 times while maintaining good overall liquidity. – Moody’s Januar 2012
Begründung: Das Leverage Ratio (Net Debt / EBITDA) war zu hoch geworden und die Zinszahlungen quasi nicht mehr aus dem Cash Flow zu decken (Moody’s verwendet hier den EBITDA abzüglich des CapEx als Annäherung).
2011-2018: (Erzwungene) Asset-Verkäufe
Angetriggert von der zunehmenden Nettoverschuldung und den Rating-Downgrades war Sears ab ca. 2010/11 zu regelmäßigen Assetverkäufen gezwungen.
Hier einmal die wesentlichen “Corporate Actions” in der Übersicht:
- 2012: Verkauf von 11 Immobilien an General Growth Properties für ca. 270 Mio. USD
- Anfang 2012: Listing von Orchard Supply Hardware an der NASDAQ. Sears Aktionäre erhielten jeweils eine Class A und eine Vorzugsaktie je ca. 22 Sears Aktien. Aufgrund der hohen Schuldenmitgabe durch Sears (~300 Mio. USD) ging Orchard allerdings bereits Mitte 2013 in die Insolvenz
- 2012: IPO Sears Hometown and Outlet Stores, Einnahmen für Sears ca. 450 Mio. USD (davon 100 Mio. USD Sonderdividende an Sears Holdings)
- 2012: Spin-Off von 44% von Sears Canada. Jeder Sears Aktionär erhielt ca. 0,43 Sears Canada Aktien je Aktie der Sears Holding
- 2014: Spin-Off von Lands’ End an die Anteilseigner. In diesem Zuge erhielt jeder Sears Aktionär 0,3 Lands’ End Aktien je Sears Aktie sowie Sears eine einmalige Sonderdividende i.H.v. 500 Mio. USD
- 2014: Verkauf der restlichen 51% an Sears Canada an die eigenen Aktionäre für 10 USD je Aktie (Rights Issue), Einnahmen für Sears ca. 380 Mio. USD
- 2015: Verkauf von 266 Immobilien an Seritage Growth Properties für ca. 2,7 Mrd. USD. Es handelte sich um eine Sale-Leaseback Transaktion
- 2017: Verkauf der Marke Craftsman an Stanley Black & Decker für ca. 775 Mio. USD
Mit Ausnahme des Lands’ End Spin-Offs, wovon die Anteilseigner auch heute noch direkt profitieren, mussten alle eingenommenen Verkaufserlöse für die Stabilisierung von Sears (d.h. im Wesentlichen die Schuldentilgung bzw. den Ausgleich der negativen Cash Flows) verwendet werden. Orchard und Sears Canada sind inzwischen ebenfalls insolvent und haben den Anteilseignern – sofern sie an Bord geblieben sind – keine zusätzlichen Returns gebracht. Auch der positive Effekt des Lands’ End Deals ist mit ca. 15 USD je Sears Aktie (wenn der Aktionär die Lands’ End Aktien auf Basis des Höchstkurses von ca. 50 USD verkauft hätte) überschaubar.
Am folgenden Schaubild sieht man glaub ich ganz schön, wie der EBITDA in den Jahren ab 2011 durch die Asset-Verkäufe beeinflusst wurde:
EBITDA-Entwicklung Sears Holdings [Mio. USD]; Quelle: Finbox
Summa summarum hat Sears über die letzten 12 Jahre Cash in einer Größenordnung von ca. 5,5 Mrd. USD verbrannt. Dazu kamen Share Buybacks in Höhe von ca. 6 Mrd. USD, sodass selbst Asset Verkäufe von mehr als 8 Mrd. USD eine Insolvenz nicht verhindern konnten:
Kumulative Cash Entwickkung Sears Holding 2006 bis 2017 [Mio. USD]; Quelle: Finbox, Geschäftsberichte, eigene Berechnungen
Rückblickend fokussierte sich Berkowitz vermutlich zu stark auf den Wert der Assets. Zwar ignorierte er die Entwicklung des operativen Geschäfts nicht vollständig. Er ging aber denke ich von einer viel schnelleren und erfolgreicheren Restrukturierung aus, wie sein Kommentar aus dem Shareholder Letter von 2017 zeigt:
Sears realized billions of dollars from asset sales, as we predicted, but I did not foresee the operating losses that have significantly reduced values. Getting the asset values largely correct, but missing the company’s inability to stop retailing losses, has been hugely frustrating and fatiguing for me to watch. – Fairholme Annual Letter 2017
Fazit
Das Investment von Bruce Berkowitz in Sears basierte in hohem Maße auf seinem Glauben an die Fähigkeiten von Eddie Lampert, der in 2005 einen substantiellen Anteil an Sears übernommen hatte und fortan als Chairman des Board of Directors die strategischen Entscheidungen bei Sears maßgeblich mit beeinflusste.
Berkowitz hatte vor allem auf Lampert’s außergewöhnliche Fähigkeiten im Bereich der Kapitalallokation (der “neue Warren Buffett”) gebaut.
Leider führten unzureichende Investments in das operative Geschäft über die Zeit zu hohen negativen Cash Flows, welche regelmäßig durch den Verkauf werthaltiger Vermögenswerte kompensiert werden mussten… weshalb die Anteilseigner (inklusive Bruce Berkowitz) von den Einnahmen zu keiner Zeit profitieren konnten.
Gleichzeitig führten viele der eingeschlagenen Wege zur Rückführung von Kapital an die Anteilseigner (im Wesentlichen Share Buybacks und Spin-Offs) ins Leere: Die Rückkäufe konnten den Gewinn je Aktie nicht steigern, drei von vier Spin-Offs verschwanden recht zügig wieder vom Kurszettel.
Wesentliches Fazit aus meiner Sicht: Operative Probleme lassen sich meist nicht durch Financial Engineering lösen. Wir sollten also bei Investments dieser Art immer auch auf nachweisbare Restrukturierungserfolge achten.
Weitere Ressourcen
Hier die Links zu den entsprechenden Artikeln bzgl. der Asset Verkäufe und Spin-Offs:
- Kmart / Sears Merger Announcement 2004
- Spin-Off Orchard Hardware Supply in 2012 und Insolvenz in 2013
- CNBC Artikel zum IPO von Sears Hometown and Outlet Stores
- Erster Spin-Off von Sears Canada (ca. 44%)
- Forbes Artikel zum Spin-Off von Lands’ End
- Artikel zum Rights Issue Sears Canada in 2014
- CNN zu den Aktienrückkäufen in Höhe von 6 Mrd. USD
- Guter Business Insider Artikel über Eddie Lampert