Recurring Revenue: Über die Attraktivität von Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Umsätzen

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Recurring Revenue bzw. wiederkehrende Umsätze

Es gibt auf dieser Welt mit Sicherheit dutzende verschiedene Arten von Geschäftsmodellen. Manche dieser Geschäftsmodelle können aus Investorensicht als überaus attraktiv, andere wiederum als nachhaltig wertvernichtend eingestuft werden. Wenn wir nun einmal ganz genau hinsehen, dann werden wir schnell feststellen, dass die attraktivsten Geschäftsmodelle nicht selten bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen. Eine dieser möglichen Gemeinsamkeiten besteht in einem hohen Anteil an wiederkehrenden Umsätzen, im Englischen als “Recurring Revenue” bezeichnet.

In diesem Artikel möchte ich einmal etwas näher auf die verschiedenen Arten sowie die typischen Charakteristika solcher “Recurring Revenue” Geschäftsmodelle eingehen.


Arten von “Recurring Revenue” Geschäftsmodellen

Auch wenn es einem als erstes ins Gedächtnis kommt: Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Umsätzen, so genannte “Recurring Revenue” Geschäftsmodelle, sind nicht allein auf Software (as a Service) Unternehmen beschränkt.

Eher im Gegenteil sind diejenigen Geschäftsmodelle mit der stärksten Kundenbindung und dem stärksten “Lock-In” Effekt oft eher im industriellen Umfeld zu finden.

Wesentlich ist allerdings, dass die regelmäßig wiederkehrenden Umsätze das vorrangige Merkmal für die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens darstellen…. schließlich weist ein Großteil der existierenden Unternehmen einen gewissen Anteil an wiederkehrenden Umsätzen auf, was sie allerdings per Definition weder besonders attraktiv macht noch vor intensivem Wettbewerb schützt.

Im Folgenden möchte ich einmal kurz auf die verschiedenen Arten von Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Umsätzen, nämlich Lizenz-, Service- und Abo-Modelle, eingehen.


Lizenzen

Ein Lizenz-Modell ist die einfachste und direkteste Form eines “Recurring Revenue” Geschäftsmodells.

Dieses Modell kommt z.B. bei vielen Softwareprodukten zur Anwendung, u.a. auch bei einigen der für diesen Blog genutzten Plugins.

Die Funktionsweise eines Lizenz-Modells ist im Grunde genommen recht simpel: Man kauft zunächst das Produkt und richtet es entsprechend ein. Um allerdings Support und regelmäßige Upgrades zu erhalten, muss man die Lizenz regelmäßig, z.B. jährlich, erneuern.

Diese Erneuerung ist zwar nicht obligatorisch, allerdings oft unvermeidbar, wenn man mittelfristig eine Inkompatibilität mit anderen Komponenten vermeiden möchte.

Heutzutage sind die Gebühren für eine Lizenzerneuerung im Vergleich zu den Gesamtkosten eines Unternehmens in vielen Fällen außerdem relativ gering, weshalb sich die Nutzer in der Regel keine Gedanken über mögliche Alternativen machen. Dies kann – zusätzlich zur Kompatibilitätsthematik – zu einer starken und nachhaltigen Kundenbindung führen.


Service- bzw. Dienstleistungsverträge

Außerhalb der Softwarebranche besteht die am weitesten verbreitete Form von “Recurring Revenue” Geschäftsmodellen in der Bereitstellung von Reparatur-, Instandhaltungs- oder anderen Dienstleistungen im Anschluss an einen Produktverkauf.

Viele Industrieunternehmen – z.B. Hersteller von Aufzügen und Fahrtreppen wie Kone oder Otis oder auch Hersteller von Flugzeugtriebwerken wie z.B. Rolls Royce oder Pratt & Whitney – haben sich über die Einführung von langlaufenden Wartungsverträgen sehr attraktive und gut planbare Erträge erschlossen.

Allerdings ist der Abschluss eines Service-Vertrags nach dem Verkauf eines Produkts kein Automatismus. Ganz grundsätzlich hat ein Käufer ganz verschiedene Optionen, um die Instandhaltung und Wartung zu organisieren. Zum Beispiel gibt es in vielen Fällen unabhängige Dienstleister, die sogar die Ersatzteilbeschaffung mit abdecken können.

Am besten funktionieren solche Service-Modelle im industriellen Kontext also dort, wo zusätzliche meist kritische Anforderungen an den Service gestellt werden. Mögliche Aspekte können hier z.B. sein:

  • Die Funktion des Produkts ist sicherheitsrelevant, sodass ein Nutzer einen Produktausfall durch schlechte Wartung oder nicht originale Ersatzteile nicht leisten kann. Je größer der Schaden bei einem möglichen Ausfall, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Nutzer auf Originalersatzteile und -service verlässt (Beispiel Flugzeugtriebwerke)
  • Reguläre Ãœberprüfungen können von Gesetzes wegen vorgeschrieben sein. Eine schlechte oder unzureichende Wartung kann deshalb Risiken für den Betreiber bedeuten
  • Der mögliche wirtschaftliche Schaden bei einem Ausfall des Produkts ist hoch. Wenn das der Fall ist, wird ein Besitzer bzw. Betreiber vermutlich bereit sein, ein Premium für guten und vorausschauende Instandhaltungs-Services zu bezahlen (Schiffsmotoren sind hier ein gutes Beispiel)

Sowieso spielt die vorausschauende Instandhaltung (“Predictive Maintenance”) bei solchen Geschäftsmodellen eine immer größere Rolle.

Über die Auswertung großer Datenmengen sind die OEMs (die Original Equipment Manufacturer, also die Hersteller des Produkts) immer öfter in der Lage, einen bevorstehenden Ausfall im Vorfeld zu erkennen und dem Betreiber somit Kosten zu sparen (ein Ausfall bzw. Stillstand ist in vielen Fällen sehr kostspielig).

Neben den oben genannten Aspekten kann dies ein sehr starkes Argument für die Vergabe des Service-Vertrages an den OEM sein.


Abo-Modelle

Eine weitere Form eines Geschäftsmodells mit wiederkehrenden Umsätzen ist das so genannte Abo-Modell (im Englischen “Subscription” Modell).

Wesentlicher Unterschied zu den zuvor beschriebenen Modellen: Die installierte Basis wird hier nicht durch ein echtes bzw. virtuelles Produkt im eigentlichen Sinne, sondern stattdessen über die Anzahl an Nutzern bzw. Abonnenten definiert.

Die wiederkehrende Komponente dieser Geschäftsmodelle besteht dem entsprechend in der regelmäßigen Erneuerung bzw. Verlängerung des Abos.

Die Attraktivität eines solchen Geschäftsmodells hängt dem entsprechend sehr stark von der Stärke des so genannten “Lock-In” Effekts ab.

Beispiel: Ein Mobilfunkvertrag stellt im Wesentlichen ein undifferenziertes Angebot dar. Gleichzeitig entstehen für den Nutzer bei einem Anbieterwechsel im Grunde genommen keinerlei Kosten (die so genannten Wechselkosten bzw. Switching Cost sind also sehr niedrig). Dies führt dazu, dass die Wechselbereitschaft bei Vorhandensein eines günstigeren Alternativangebots sehr hoch und der Lock-In Effekt damit sehr gering ausfällt.

Nichts desto trotz können Abo-Modelle auch attraktiv sein, wenn sie entweder ein differenziertes Angebot beinhalten oder aber in ein automatisiertes System eingebunden sind.

Ein differenziertes Angebot funktioniert logischerweise am besten, wenn es keine direkten Wettbewerber gibt: Das Abonnement eines in einer entsprechenden Nische positionierten (Online-)Magazins ist hierfür ein gutes Beispiel. Auch Angebote wie Netflix oder Disney+ passen in diese Kategorie, weil die Inhalte selbst größtenteils proprietär und deshalb nirgendwo anders verfügbar sind.


Charakteristika von Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Umsätzen

Viele “Recurring Revenue” Modelle haben gewisse Charakteristika gemeinsam, die zur hohen Attraktivität für einen Investor beitragen können.

Einige dieser Eigenschaften sind insbesondere im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Value Creation interessant bzw. relevant:

  • geringe Working Capital-Anforderungen (Net Working Capital in vielen Fällen sogar negativ)
  • Geringe Kapitalintensität (jedenfalls für den wiederkehrenden Teil)
  • Positive Netzwerkeffekte (die lokale Dichte der “Installed Base” kann kosten- und auch service-seitig eine große Rolle spielen)
  • Stabile und gut prognostizierbare Erträge (oft losgelöst von den Zyklen von Gesamtwirtschaft und Branche)

Schauen wir uns die einzelnen Charakteristika aber nochmal etwas detaillierter an.


Produktverkauf vorab

Um zu funktionieren, benötigen viele Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Umsätzen zunächst den Verkauf eines entsprechenden Produkts. Das gilt insbesondere dann, wenn es um Service-Verträge geht, wenn also die wiederkehrenden Umsätze über die Wartung eben dieses Produkts erzielt werden sollen.

Ideal ist es dabei, wenn die Industrie so strukturiert ist, dass das Unternehmen aufgrund eines Wettbewerbsvorteils (z.B. eines Alleinstellungsmerkmals) bereits beim initialen Verlauf einen attraktiven Return erzielen kann. Dies war z.B. für die großen Softwareunternehmen in den 1990er und 2000er Jahren (wie z.B. SAP und Microsoft) der Fall.

Allerdings können auch herausfordernde Economics beim Erstverkauf eine wirksame Wettbewerbshürde bzw. Eintrittsbarriere darstellen. Ein neuer Wettbewerber müsste ggf. zunächst mehrere Jahre in den Aufbau seiner “Installed Base”, also ein Netz an in Betrieb befindlichen Einheiten, investieren, bevor die positiven Effekte von Ersatzteilverkäufen und Wartungsverträgen richtig zu greifen beginnen.

Die Kehrseite der Medaille ist in diesem Fall ist natürlich die Tatsache, dass der Käufer des Produkts die verschiedenen Anbieter ggf. gegeneinander ausspielen und vorab hohe preisliche Zugeständnisse verlangen kann.


Negatives Working Capital

In vielen Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Umsätzen sind es die Kunden, die die Finanzierung übernehmen, weil sie im Grunde genommen bereits vor der eigentlichen Auslieferung des Produkts bzw. der Erbringung der Dienstleistung bezahlen.

Oder anders ausgedrückt: Umsätze werden in der Regel viel schneller in Cash umgewandelt, als bei traditionellen Geschäftsmodellen der Fall.

Aus diesem Grund können viele auf wiederkehrenden Umsätzen fußende Geschäftsmodelle mit negativem Working Capital operieren.

Dies bedeutet sozusagen, dass nur geringe bzw. keine eigenen Ressourcen “im System” gebunden sind, was zu einem im Vergleich höheren Cash Flow Niveau führt.

Exkurs: Working Capital

Das Working Capital bzw. betriebsnotwendige Kapital repräsentiert neben dem Anlagevermögen den zweiten Bestandteil des eingesetzten Kapitals (Capital Employed).

Die Alternativbezeichnung Net Working Capital spiegelt hierbei die Tatsache wider, dass es sich im Grunde um eine Nettoposition handelt.

Es findet also eine Verrechnung von „positivem“ Working Capital – also Vermögenswerten auf der Aktivseite der Bilanz – und „negativem“ Working Capital – also Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz – statt.

Geschäftsmodelle mit Recurring Revenue haben oft ein negatives Working Capital

Zu den dem Working Capital zugerechneten Assets gehören im Wesentlichen alle Vermögenswerte, die nicht dem Anlagevermögen zuzurechnen sind, bei denen es sich also nicht um Sachanlagen, immaterielle Vermögenswerte oder Finanzanlagen handelt.

Insbesondere gehören zum „positiven“ Working Capital die für die Aufrechterhaltung des operativen Geschäfts erforderlichen Barmittel, die Forderungen ggü. Kunden, die im System befindlichen Lagerbestände (Rohmaterialien, Halbfertig- und Fertigprodukte) und ggf. geleistete Vorauszahlungen, für die in Kürze noch eine Leistung in Anspruch genommen werden kann

Zu den Bestandteilen des „negativen“ Working Capital zählen insbesondere die Lieferantenverbindlichkeiten, etwaige Steuerschulden oder bereits in Anspruch genommene, aber noch nicht bezahlte andere Leistungen (z.B. IT-Leistungen, Mietleistungen oder Strom- und Energieverbräuche)

Weiteres wesentliches Charakteristikum der zum Working Capital zählenden Verbindlichkeiten: Es handelt sich – in Abgrenzung von den ebenfalls auf der Passivseite der Bilanz aufgeführten Schulden – ausschließlich um nicht verzinsliche Verbindlichkeiten, also Verbindlichkeiten für die keine regelmäßigen Zinszahlungen (das beinhaltet auch versteckte Zinszahlungen) entstehen.

Während die meisten Unternehmen zur Erzielung eines Umsatzwachstums zusätzliches Working Capital aufbauen müssen – die Kundenforderungen steigen, die Lagerbestände müssen erhöht werden, es müssen mehr Rohstoffe und Vormaterialien eingekauft werden – können Unternehmen mit einem hohen Anteil an “Recurring Revenues” ggf. sogar noch zusätzliche Vorteile generieren und noch mehr Kapital freisetzen.


Geringe Kapitalintensität

Ein weiteres typisches Charakteristikum von Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Umsätzen ist die vergleichsweise geringe Kapitalintensität für die Erzielung eines inkrementellen Umsatzwachstums.

Software-Unternehmen können ein neues Produkt-Update in der Regel mehr oder weniger auf Knopfdruck ausspielen und als Resultat neue Premiumangebote schnell und einfach erstellen.

Für zusätzliche Wartungsverträge für Aufzüge oder Flugzeugtriebwerke wird im Grunde nur zusätzliches Personal mit dem entsprechenden Know-How sowie das entsprechende Werkzeug (inklusive der Service-Fahrzeuge) benötigt. Ersatzteile können in der Regel auf bereits vorhandenen Anlagen hergestellt und ggf. in bereits vorhandenen Lagerhäusern vorgehalten werden… was uns direkt zum nächsten Punkt bringt.


Positive Netzwerkeffekte

Geschäftsmodelle mit Dienstleistungs- und Serviceverträgen profitieren in der Regel von positiven (lokalen) Netzwerkeffekten, einem Wettbewerbsvorteil, der – wenn richtig gemanagt – als sehr nachhaltig angesehen werden kann.

In vielen Fällen resultiert ein solcher Vorteil aus einem sehr engmaschigen Netz an installierten Einheiten (der so genannten “Installed Base”), weil die Instandhalter auf der einen Seite Fahrzeit zwischen den Standorten sparen, auf der anderen Seite aber auch die lokalen Gegebenheiten besser kennen und effizienter damit umgehen können (z.B. regionale Spezifika bzgl. Wartungsintervallen, regulatorischen Aspekten etc.).

Ein dichtes Netz an zu wartenden Einheiten hat also ggf. sowohl positive Effekte auf die Service-Qualität, als auch auf die Kosten bzw. den Aufwand zur Erbringung der Dienstleistung.


Stabilität in zyklischen Branchen

Hohe Anteile an wiederkehrenden Umsätzen erhöhen die Stabilität der Umsätze und Erträge und auch die Vorhersagbarkeit der Cash Flows.

Solche Vorteile gelten selbst für Unternehmen, die in ansonsten eher zyklischen Branchen aktiv sind. Zwar schwanken z.B. die Verkäufe von Aufzügen und Fahrtreppen in Abhängigkeit von der allgemeinen Bauaktivität ggf. stark. Der Service-Anteil und die damit in Zusammenhang stehenden Cash Flows fließen aber unabhängig von der wirtschaftlichen Gesamtlage unvermindert weiter.


Fazit

Es gibt verschiedene Arten von Geschäftsmodellen mit wiederkehrenden Umsätzen: Lizenz-Modelle, Modelle mit Service- bzw. Dienstleistungsverträgen und Abo-Modelle, wobei sich die Modelle hinsichtlich der Stärke des “Lock-In” Effekts stark unterscheiden können.

Viele der “Recurring Reveneue” Geschäftsmodelle sind durch gemeinsame Charakteristika gekennzeichnet… oft findet vorab ein Produktverkauf statt, das Working Capital ist negativ und die Kapitalanforderungen für die Realisierung eines Umsatzwachstums sind gering.

Darüber hinaus treten wiederkehrende Umsätze oft gemeinsam mit hohen Wechselbarrieren und positiven Netzwerkeffekten (entweder in Bezug auf die Installed Base oder das vorhandene Service-Netzwerk) auf.


Weitere Ressourcen

Weitere Informationen zum Thema Recurring Revenue (und darüber hinaus noch viele andere Charakteristika von Qualitätsunternehmen) findet ihr im Buch Quality Investing, welches Lawrence Cunningham zusammen Torkell Eide und Patrick Hargreaves, beide Portfolio Manager bei AKO Capital, verfasst hat.

Quality Investing - Recurring Revenue Beispiele

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