Non-controlling Interest

Non-Controlling Interest: So berücksichtigen wir Minderheitsanteile in unserer Bewertung

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Non-controlling Interest

Wenn wir uns die Jahresabschlüsse einiger Unternehmen ansehen, dann stoßen wir irgendwann zwangsläufig auf nicht-beherrschende Anteile bzw. Minderheitsanteile (im Englischen Non-Controlling Interest bzw. Minority Interest).

Was Non-Controlling Interest genau ist und wie wir im Rahmen unserer Unternehmensbewertung damit umgehen können, darauf möchte ich in diesem Artikel einmal etwas detaillierter eingehen.


Was ist non-Controlling Interest?

Generell ist es so, dass ein Unternehmen von demjenigen Eigentümer kontrolliert wird, der die Mehrheit der Anteile an diesem Unternehmen – also in der Regel mindestens 50% plus eine Aktie – besitzt. Die Begriffe Non-Controlling Interest bzw. Minority Interest werden in den Konzern- bzw. Jahresabschlüssen nun speziell für diejenigen Eigentümer verwendet, die den verbleibenden Minderheitsanteil (also weniger als 50%) repräsentieren:

Non-Controlling Interest

Die Logik dahinter ist ganz einfach: Besitzt ein Unternehmen die Mehrheit an einem anderen Unternehmen, dann muss es dieses in seinem Jahresabschluss voll konsolidieren.

Das bedeutet, dass 100% der Umsätze und 100% der Kosten des kontrollierten Unternehmens in das Ergebnis einfließen, obwohl ggf. noch weitere Unternehmen oder Einzelpersonen an der Tochtergesellschaft beteiligt sind und einen Anspruch auf den ihrem Eigentumsanteil entsprechenden Gewinn haben. Gleichzeitig werden dem entsprechend 100% der Vermögenswerte und 100% der Schulden des kontrollierten Unternehmens in der Bilanz aufgeführt.

Dabei werden alle Transaktionen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft im Rahmen der Konsolidierung bzw. der Erstellung des Konzernabschlusses eliminiert, um Doppelzählungen zu vermeiden.

Bei entsprechenden vertraglichen Regelungen kann auch ein Eigentumsanteil von weniger als 50% zu einer Beherrschung und damit einer Konsolidierung der Anteile führen.

Entstehung und Umfang des Minority Interest

Ein Non-Controlling Interest kann ganz generell auf zwei unterschiedlichen Wegen entstehen:

  1. Ein Unternehmen sichert sich im Zuge einer Akquisition zwar die Mehrheit an einem anderen Unternehmen, kann oder will aber (noch) nicht die vollen 100% übernehmen. Als Beispiel kann hier die Übernahme von MAN durch VW im Jahr 2011 genannt werden
  2. Ein Unternehmen bringt im Rahmen eines IPO einen Minderheitsanteil einer Tochtergesellschaft an die Börse, behält aber nach wie vor die Mehrheit. Siemens beispielsweise hatte im Rahmen des Börsengangs von Healthineers einen Anteil von 15% der Anteile an Minderheitsaktionäre verkauft

Je nach Konstellation und Kaufpreis kann es sein, dass Vermögenswerte und Schulden jeweils auf den beizulegenden Zeitwert (also den fairen Wert) angepasst werden müssen. Gegebenenfalls muss – für den Fall, dass der Kaufpreis sogar über dem fairen Unternehmenswert liegt – außerdem ein zusätzlicher Geschäfts- oder Firmenwert, landläufig auch bekannt als Goodwill, angesetzt werden.

Für die Berechnung der Höhe dieses Goodwill sowie in dem Zusammenhang auch des Non-Controlling Interest gibt es nun – jedenfalls nach IFRS – zwei Möglichkeiten:

  • Die Full Goodwill Methode (einzige erlaubte Methode nach US GAAP)
  • Die Partial Goodwill Methode

Ohne jetzt hier ins Detail zu gehen: Bei der Full Goodwill Methode wird der Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill) inkl. des Anteils der Minderheitseigentümer dargestellt. Bei der Partial Goodwill Methode wird nur der Goodwill-Anteil des Erwerbers berücksichtigt. Dem entsprechend unterscheidet sich auch die Höhe der in der Bilanz ausgewiesenen Minderheitsanteile je nach Methode um den Goodwill-Anteil.

Eigentumskonstellationen mit Minderheitsanteilen können außerdem zwar für einen langen Zeitraum bestehen bleiben und auch von vornherein so angelegt sein. In vielen Fällen bildet eine Teilübernahme bzw. ein Teilverkauf aber nur den ersten Schritt hin zu einer Komplettübernahme bzw. einem vollständigen Exit. Aus diesem Grund verändert sich das in GuV und Bilanz dargestellt Non-Controlling Interest über die Zeit oft substantiell.


Non-Controlling Interest im Jahresabschluss

Wie ihr weiter oben bereits gelesen habt, werden Mehrheitsbeteiligungen in der Regel im Jahresabschluss voll konsolidiert.

Um nun Transparenz bzgl. der Ansprüche der Minderheitseigentümer zu schaffen, werden die Anteile am Gewinn und an den Vermögenswerten sowie auch ggf. entstehende Mittelabflüsse in Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnung entsprechend dargestellt:

  • Den Gewinnanteil des Non-Controlling Interest finden wir in der Regel ganz am Ende der Gewinn- und Verlustrechnung
  • In der Bilanz wird das Non-Controlling Interest meist als separate Position des Eigenkapitals ausgewiesen, weil ein Teil einer Tochtergesellschaft ja von externen Eigentümern mitfinanziert wird (Ausnahme: Redeemable Non-Controlling Interest, dazu aber weiter unten noch mehr)
  • In der Kapitalflussrechnung finden wir ggf. an die Minderheitsaktionäre gezahlten Dividenden als Mittelabfluss (ein Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit)

Hier einmal beispielhaft die Informationen zum Thema Non-Controlling Interest aus dem Geschäftsbericht der Freenet AG:

Non-Controlling Interest Freenet AG

Quelle: Geschäftsbericht der Freenet AG für 2019

Wie ihr am Beispiel der Freenet AG sehen könnt, muss der Gewinnanteil der Minderheitsgesellschafter nicht zwangsläufig positiv sein. Wie es scheint, hat Freenet bei einer verlustbringenden Beteiligung (der Exaring AG) Minderheitsaktionäre mit im Boot.


Weitere relevante Aspekte in Bezug auf Minderheitsanteile

Bisher haben wir uns vor allem mit den Grundzügen des Non-Controlling Interest, d.h. der Definition, der Entstehung und der Bahandlung im Jahresabschluss befasst. Darüber hinaus gibt es aber noch ein paar weitere relevante Aspekte, auf die ich hier gerne einmal grob eingehen möchte, bevor ich zum Umgang mit Minderheitsanteilen im Rahmen der Unternehmensbewertung komme.


Direktes versus indirektes Minority Interest

Grundsätzlich können wir zwischen zwei Arten von nicht beherrschenden Anteilen unterscheiden:

  • Direktes Minority Interest
  • Indirektes Minority Interest

Am besten illustrieren lässt sich der Unterschied an einem kleinen Beispiel. Wie ihr an der folgenden Abbildung erkennen könnt, kontrolliert Unternehmen A 80% von Unternehmen B, welches wiederum 60% von Unternehmen C kontrolliert:

Minority Interest - Direkt versus indirekt

Rechnen wir das einmal durch, dann liegt der Eigentumsanteil von Unternehmen A an Unternehmen C nur bei 48% (80% x 60%), der Anteil des Minderheitsgesellschafter allerdings bei 52% (40% direktes Non-Controlling Interest an Unternehmen C + 20% x 60% indirekt über Unternehmen B).

Nichts desto trotz kontrolliert (und konsolidiert) Unternehmen A auch das Unternehmen C in seinem Jahresabschluss. Maßgebend für die Kontrolle ist nämlich immer die direkte Beteiligung. Weil Unternehmen A Unternehmen B kontrolliert und B wiederum C kontrolliert, kontrolliert A auch C.


Ãœbertragung von Mitteln bzw. Dividendenzahlungen

Solange kein Gewinnabführungsvertrag bzw. Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) zwischen dem herrschenden und dem beherrschten Unternehmen abgeschlossen wurde, können erwirtschaftete Gewinne nur über die Dividende an den Mehrheitseigentümer fließen.

Aufgrund der Eigentumsverhältnisse ist der Beschluss einer Dividende auf der Hauptversammlung zwar einfach möglich. Ein entsprechender Anteil fließt dann aber natürlich auch an die Minderheitsaktionäre der Tochtergesellschaft.

Dieses so genannte  „Cash Leakage“ ist einer der Gründe, warum Unternehmen oft eine 100%-ige Beteiligung anstreben und versuchen, die Bildung von Non-Controlling Interests zu vermeiden (ggf. auch über einen späteren Squeeze-Out).


Sonderfall: Redeemable Non-Controlling Interest

Eine weitere Besonderheit ist das so genannte Redeemable Non-Controlling Interest (übersetzt vielleicht rückzahlbare Minderheitsanteile), welches in der Bilanz in der Regel nicht als Bestandteil des Eigenkapitals, sondern als Verbindlichkeit aufgeführt wird.

Der Grund ist das Vorhandensein einer Option, die es den Minderheitsgesellschaftern erlaubt, ihre Anteile zu einem festgelegten Zeitpunkt (und oft auch zu einem vorab festgelegten Preis) an den Mehrheitseigner zu verkaufen (also i.W. eine Put-Option).

Es ist allerdings nicht ungewöhnlich dass im Rahmen eines Mehrheitsverkaufs die Möglichkeit einer Übertragung der restlichen Anteile als ein- oder beidseitige Option vereinbart wird. Kommt es zur Ausübung der Option, kann das allerdings einen hohen, einmaligen Mittelabfluss bedeuten.


Berücksichtigung des Non-Controlling Interest in der Bewertung

Wenn es um die Berücksichtigung des Non-Controlling Interest bzw. der Minderheitsanteile in der Unternehmensbewertung geht, dann sind im Wesentlichen zwei Aspekte relevant bzw. interessant:

  1. Die Prognose des Non-Controlling Interest in unserem Finanzmodell
  2. Die Berücksichtigung des Minority Interest im Rahmen der Berechnung des Eigenkapitalwertes

Im Folgenden möchte ich auf beide Themen einmal kurz eingehen.


Prognose des Non-Controlling Interest im Finanzmodell

Wenn wir mithilfe eines integrierten Finanzmodells (den grundsätzlichen Aufbau hatte ich ja schonmal in einem anderen Artikel beschrieben) beispielsweise den Gewinn je Aktie (EPS) in drei bis fünf Jahren ermitteln möchten, dann benötigen wir dafür den Nettogewinn sowie auch das Non-Controlling Interest.

Die einfachste Möglichkeit einer Vorhersage der Minderheitsanteile in der GuV besteht darin, den Anteil am EBITA oder am Vorsteuergewinn einfach konstant zu halten, solange wir keine weitergehenden Informationen über die erwartete Gewinnentwicklung der Beteiligung haben bzw. die Minderheitsanteile recht überschaubar sind.

Die Veränderung der Bilanzposition des Minderheitsanteils ergibt sich analog der Veränderung des Eigenkapitals aus der folgenden Gleichung:

Retained EarningsJahr 1 = Retained EarningsJahr 0 + Nettogewinn – Dividende

Die Gewinnrücklagen erhöhen sich jeweils um den Anteil des Nettogewinns, der nicht als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet wird.

Die an die Minderheitsaktionäre gezahlte Dividende können wir entweder aus den historischen Werten ableiten, oder aber eine Abschätzung aus Basis des “Reifegrades” der Beteiligung machen. Handelt es sich um ein reifes und stabiles Unternehmen mit tendenziell geringem Wachstum, dann können wir z.B. von einer Ausschüttungsquote von 50% ausgehen.


Berechnung des Equity Values aus dem Enterprise Value

Wie bereits weiter oben erläutert, werden alle kontrollierten Unternehmen zu 100% in den Konzernabschluss konsolidiert. Das bedeutet, dass im operativen Gewinn auch immer Anteile enthalten sind, die nicht den Eigentümern des Konzerns zugerechnet werden können.

Arbeiten wir beispielsweise im Rahmen unserer Unternehmensbewertung mit einem DCF-Modell auf Basis des Free Cash Flow to Firm (FCFF) oder verwenden wir ein EV/EBITDA oder EV/EBIT Multiple, dann müssen wir konsequenterweise die Minderheitsanteile (genauso wie die Schulden) vom ermittelten Enterprise Value abziehen. Mehr Details dazu findet ihr im DIY Investor Artikel zur Übersetzung des Enterprise Value in den Equity Value (also den Aktienkurs).

Der einfachste Ansatz besteht schlicht und einfach in der Verwendung des Buchwertes für die Minderheitsanteile. In bestimmten Fällen kann es allerdings auch sinnvoll bzw. ratsam sein, den fairen Wert des Non-Controlling Interest der Beteiligung zum Abzug zu bringen… falls die Tochtergesellschaft selbst börsennotiert ist, können wir beispielsweise den Marktpreis verwenden. Alternativ können wir z.B. eine vereinfachte Multiple-Bewertung vornehmen.

Schlussendlich sollte aber natürlich die Größe bzw. die Materialität des Minderheitsanteils den Ausschlag dafür geben, wie viel Zeit wir für die Bewertung dieses Anteils aufwenden.


Fazit

Ein Unternehmen, welches ein anderes Unternehmen kontrolliert, obwohl es nicht alle Eigentumsanteile selbst besitzt, muss das Unternehmen in seinem Jahresabschluss voll konsolidieren und aus Transparenzgründen den Anteil der Minderheitsaktionäre am Gewinn sowie an den Vermögenswerten separat aufführen (so genanntes Non-Controlling Interest oder Minority Interest).

Im Rahmen unserer Unternehmensbewertung können wir die nicht beherrschenden Anteile deshalb nicht unberücksichtigt lassen. Für die Prognose des Nettogewinns benötigen wir das Non-Controlling Interest genauso, wie für die Umrechnung des Enterprise Value in einen Aktienkurs.

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