Ich hatte ja kürzlich bereits über die Wettbwerbssituation von Disney und die Entwicklungen in der Entertainment- und Medienbranche geschrieben. Allerdings hatte ich Disney insgesamt sozusagen nur “Standalone” angesehen, also ohne die Übernahme von Fox in den Zahlen zu berücksichtigen. Da es aktuell so etwas wie einen Bieterwettstreit zwischen Disney und Comcast um die Fox Assets gibt, besteht die Gefahr, dass Disney zu viel für Fox bezahlt und so der Wert der Aktie nach Übernahme geschmälert wird. Aus diesem Grund habe ich mir einmal ein vereinfachtes Merger Model in Excel gebastelt, um die wesentlichen Effekte der Übernahme abzubilden.
In diesem Artikel möchte ich euch dieses einfache Merger Model einmal vorstellen und auch darauf eingehen, wie wir die Pro-Forma Financials des kombinierten Unternehmens zusammenstellen. Die Übernahme von 21st Century Fox durch Disney soll dabei nur als Beispiel dienen.
Merger Model aufbauen in 4 Schritten
Wenn wir in Excel ein vereinfachtes Merger Model erstellen wollen, dann müssen wir im Wesentlichen 4 Schritte nacheinander abarbeiten. Wir müssen
- die Details zur Transaktion bzw. zum Merger zusammenstellen (Synergien, Bewertung, Ausgabe neuer Aktien, Aufnahme neuer Schulden etc.)
- die wesentlichen Financials beider Unternehmen zusammenstellen (und normalisieren)
- Pro Forma-Kennzahlen für kombiniertes Unternehmen ermitteln
- das kombiniertes Unternehmen bewerten
#1: Details zur Transaktion
Im ersten Schritt stellen wir einmal die wesentlichen Details zur Übernahme zusammen. Im Wesentlichen interessieren uns die folgenden Infos:
- Wie hoch ist das Übernahmeangebot (in Mio. EUR oder Mio. USD sowie in EUR bzw. USD je Aktie)?
- Wie soll der Kaufpreis finanziert werden? Hierfür gibt es vier Optionen:
- Wie hoch sind die erwarteten Synergien durch die Übernahme und über welchen Zeitraum sollen diese gehoben werden (speziell wichtig: wie hoch sind die erwarteten Synergie-Effekte im ersten Jahr nach Zusammenschluss?)
- Zu welchem Zinssatz kann das Unternehmen neue Schulden aufnehmen bzw. zu welchem Zinssatz kann es verfügbare Barmittel anlegen?
Hier einmal die Zusammenstellung der transaktionsrelevanten Infos für unser Merger Model für den Disney-Fox Case:
Das aktuelle Gebot von Disney liegt bei insgesamt 71,3 Mrd. USD (oder umgerechnet ca. 38 USD/Aktie) für die Entertainment Assets von 21st Century Fox. Beim aktuellen Angebot handelt es sich um ein 50/50-Angebot bestehend aus neu auszugebenden Disney-Aktien und Cash (wobei der Cash-Anteil von Disney mithilfe der Aufnahme neuer Schulden finanziert werden soll).
Hier sollten wir schonmal aufpassen! Disney bietet also nicht für das gesamte 21st Century Fox, sondern nur für einen gewissen Teil, nämlich die “RemainCo” im folgenden Schaubild:
Das sollten wir nicht verwechseln, vor allem weil das Disney-Angebot (38 USD je 21st Century Fox Aktie) eigentlich bereits höher ist, als die Marktbewertung von 21st Century Fox insgesamt vor dem aktualisierten Angebot war.
Eine weitere, von mir hier nicht berücksichtigte Komplikation ist die geplante Übernahme von Sky Plc durch Fox. Aktuell gehören bereits 39% von Sky zu Fox, die Firma soll aber komplett übernommen werden bzw. es liegt ein Übernahmeangebot vor.
Disney CEO Bob Iger rechnet durch den Disney-Fox Zusammenschluss außerdem mit Synergien in Höhe von ca. 2 Mrd. USD innerhalb von 2 Jahren (offenbar sollen hierfür auch insgesamt 5.000 bis 10.000 Jobs abgebaut werden). Ich habe einfach mal angenommen, dass von den erwarteten Synergien im ersten Jahr ca. 40% tatsächlich gehoben werden können.
Den Zinssatz für neue Schulden habe ich einmal mit 3% angenommen. Vorgesehen ist eine Finanzierung mittels vorrangiger unbesicherter langfristiger Verbindlichkeiten sowie mit Commercial Paper.
#2: Wesentliche Financials von Disney und Fox (RemainCo)
Im nächsten Schritt müssen wir nun die für die Bewertung und das Verständnis der Transaktionseffekte wesentlichen Financials von Disney und Fox (RemainCo) zusammenstellen.
Ich habe hier bereits mit normalisierten Werten gearbeitet, also einer Umsatzprojektion für das folgende Jahr (Jahr 1) sowie einer normaliserten EBIT-Marge.
Die Financials für die Fox Entertainment Assets habe ich übrigens aus dem Merger-Prospekt abgeleitet bzw. abgeschätzt. Im Summe verbleiben ca. zwei Drittel des gesamten Fox-Umsatzes in der RemainCo.
Wichtigste Erkenntnisse: Die EBIT-Marge des bei Fox verbleibenden Teils von 21st Century Fox scheint um ein paar Prozentpunkte höher zu sein, als der Teil, den Disney übernehmen möchte. Darüber hinaus verbleiben quasi die gesamten Schulden bei der RemainCo, wobei die New Fox bei Separation noch eine Dividende in Höhe von ca. 6,5 Mrd. USD an die RemainCo überweisen wird (daher auch der ziemlich hohe Barmittelbestand).
Im Vergleich sind die hier abgebildeten Zahlen (EBIT, FCF) übrigens etwas konservativer als z.B. auf Gurufocus bzw. als die Konsensprognosen der Analysten. Dafür gibt es mehrere Ursachen, u.a.:
- Für zukünftige Gewinne verwende ich den tatsächlichen US-Steuersatz von 21% (Analysten arbeiten entweder mit dem historischen Durchschnitt oder dem Steuersatz des letzten Quartals bzw. Geschäftsjahres)
- Bestimmte nicht-zahlungswirksame Bestandteile (Non-Cash Items) wie Aktienoptionen addiere ich nicht wieder hinzu, um den freien Cash Flow zu ermitteln (analog zu Warren Buffett’s Owner Earnings Ansatz)
- Die Reinvestmentrate bestimme ich auf Basis des Durchschnitts der letzten Jahre wohingegen Analysten meist die tatsächlichen Abschreibungen des letzten verfügbaren Geschäftsjahres hinzurechnen und die Investitionen des letzten verfügbaren Geschäftsjahres abziehen
Auf die Zusammenstellung der Financials möchte ich hier nicht tiefer eingehen. Für mehr Details schaut ihr euch am besten meine Artikelreihe zur DCF-Bewertung bzw. allgemein zu den intrinsischen Bewertungsverfahren einmal an.
#3: Finanzierung der Transaktion
Viel wesentlicher ist hier aus meiner Sicht ein Verständnis der wesentlichen Effekte auf die Gewinn- und Verlustrechnung, die Bilanz und die Finanzkennzahlen.
Hier also mein kleines Merger Model nochmal erweitert um die entsprechenden Effekte aus der Transaktion:
Die letzte Spalte repräsentiert im Wesentlichen die Addition der Kennzahlen von Disney und Fox (RemainCo), allerdings unter Berücksichtigung der zusätzlichen Effekte aus der Transaktion.
Gehen wir die Effekte einmal einen nach dem anderen durch.
Synergien
Da wären zunächst mal die Synergien in Höhe von ca. 800 Mio. USD im ersten Jahr (2 Mrd. USD insgesamt x 40% Umsetzung). Dabei handelt es sich z.B. um Kosteneinsparungen durch Zusammenlegung bestimmter Funktionen (vermutlich speziell im Bereich SG&A) oder um die gemeinsame Vermarktung bestimmter Inhalte. Die Synergien sollten wir aber erfahrungsgemäß eher nicht zu stark gewichten (lest dazu auch den DIY-Artikel zum Nicht-Erfolg von Akquisitionen).
Diese 800 Mio. USD addieren wir im ersten Schritt einfach zum EBIT der beiden Einzelunternehmen hinzu.
Aufnahme neuer Schulden
Laut Pressemitteilung sollen ca. 50% des Kaufpreises für Fox in Höhe von 71,3 Mrd. USD in Form einer Barabfindung für interessierte Aktionäre gezahlt werden. Da Disney nur über ca. 6 Mrd. USD an überschüssigen Barreserven verfügt, muss der Betrag komplett finanziert werden.
Wir addieren also 35,7 Mrd. USD zu den zinstragenden Schulden (und damit zur Nettoverschuldung) hinzu. Insgesamt steigt die Schuldenlast damit auf ca. 80 Mrd. USD an. Welchen Effekt dies auf die Stabilitätskennzahlen des “neuen” Disney haben wird, das werden wir später noch sehen.
Zunächst aber nochmal zu einem weiteren sehr direkten Effekt: Mit dem Anstieg der Schuldenlast um 35,7 Mrd. USD steigen auch die jährlichen Zinszahlungen um ein gewisses Maß an. Ich habe hier einen Fremdkapital-Zinssatz von 3% unterstellt, was 1,071 Mrd. USD an zusätzlichen Zinszahlungen bedeutet. Diese ziehen wir zusätzlich vom EBIT ab.
Ausgabe neuer DIS-Aktien
Die andere Hälfte des Kaufpreises für Fox soll in Form von neuen Disney-Aktien gezahlt werden. Für die Berechnung der Verwässerung wurde ein Kurs von 103,92 USD je Disney Aktie zugrunde gelegt. Darauf basierend ergebt sich eine Erhöhung der umlaufenden Aktien von 343 Mio Stück (35,7 Mrd. USD / 103,92 USD/Aktie), also eine Verwässerung der Anteile der existierenden Shareholder von ca. 22%.
Heißt bei konstant bleibendem Gewinn würde der Gewinn je Aktie um 22% abnehmen. Glücklicherweise steuert aber Fox ja auch etwas zum Gewinn bei. 🙂
Cash-Effekt
Ein dritter Effekt, den wir jedoch bei dieser Transaktion nicht haben, die die Finanzierung des Kaufpreises (bzw. eines Teils des Kaufpreises) mit eigenem Cash.
Diese Art der Finanzierung würde zwei wesentliche Effekte haben:
- Die überschüssigen Barmittel müssten um den entsprechenden Betrag reduziert werden
- Das Zinsergebnis müsste um die entgangenen Zinseinnahmen reduziert werden
Der Einfluss auf Net Debt und Vorsteuerergebnis bzw. Nettoergebnis (und damit EPS) ist damit sehr ähnlich wie bei der Framdkapitalfinanzierung. Allerdings gäbe es bei dieser Option keinen Einfluss auf die Verwendung des freien Cash Flows (je höher die Schuldenlast, desto mehr Priorität wird auf die Rückführung der Schulden gelegt und desto eher ist ein Einfrieren der Dividende oder ein Aussetzen der Aktienrückkäufe möglich).
#4: Wesentliche Effekte der Transaktion
Das Merger Model soll uns dabei helfen, die Effekte der Akquisition bzw. des Mergers auf die wesentlichen Kennzahlen zu evaluieren. Neben den Bewertungskennzahlen (zu denen wir später kommen) interessieren uns hier vor allem der Gewinn je Aktie (EPS), der freie Cash Flow (FCF), das Payout Ratio und Stabilitätskennzahlen wie Net Debt/EBITDA oder Zinsdeckung (Interest Coverage).
Hier nochmal das Ergebnis:
Wie wir sehen können, hat die Übernahme von Fox einige Effekte auf die Kennzahlen. Der wohl wichtigste: Der Gewinn je Aktie geht aufgrund der Verwässerung durch die Ausgabe von 343 Mio. neuer Aktien von ca. 7,3 USD auf 7,0 USD zurück. Und das obwohl der Nettogewinn an sich sich von 11,2 auf 13,1 Mrd. USD erhöht.
Allerdings sollte auch damit eine weiterhin stabile Dividendensteigerung möglich sein. Das Payout Ratio liegt auch für das “neue” Disney noch unterhalb von 25%.
Die zusätzliche Verschuldung ist ein zweischneidiges Schwert. Aufgrund des niedrigen Payout Ratios ist eine schnelle Rückführung der neuen Schulden vermutlich relativ leicht möglich. Die Zinsdeckung (EBIT/Zinsaufwand) geht durch die Fox-Übernahme allerdings von vormals über 25 auf unter 10 zurück (wobei alles zwischen 5 und 10 sich laut Charlie Tian’s Invest like a Guru in der Grauzone befindet). Ich denke aber, dass eine Herunterstufung unter Investment-Grade von den Rating-Agenturen nicht zu erwarten ist. Laut einer Tabelle von Aswath Damodaran (Autor des Little Book of Valuation) würde das Rating bei einem Interest Coverage Ratio von 6,5 immernoch A+ betragen (die Tabelle findet ihr unter anderem auch in meinem Artikel zur Abschätzung des WACC).
#5: Bewertung
Ziehen wir ein einfaches KGV zu Rate, dann können wir festhalten, dass der intrinsische Wert von New Disney durch den zurückgehenden Gewinn je Aktie (EPS) im Merger-Szenario etwas niedriger ausfallen wird, als im “Standalone” Fall.
Bei einem fairen KGV von ca. 15 (ermittelt mithilfe des Absolute PE Ansatzes von Vitaly Katsenelson, der historische 10-Jahres-Durchschnitt liegt nach meinen Berechnungen bei ca. 18) wäre der intrinsische Wert dann bei ca. 105 USD je Aktie (versus ca. 110 USD je Aktie im “Standalone” Fall).
Fazit
Ein Merger hat in den meisten Fällen signifikante Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustrechnung sowie auch auf die Bilanz des übernehmenden Unternehmens. Mit einem Merger Model können wir die wesentlichen Effekte einer Übernahme relativ einfach abbilden.
Speziell die Art der Finanzierung des Deals (also Aktientausch, eigenes Cash, Aufnahme neuer Schulden) hat große Auswirkungen auf den Gewinn je Aktie (Earnings per Share bzw. EPS), den Enterprise Value und die Stabilitätskennzahlen.