In der Vergangenheit hatte ich ja bereits das ein oder andere Mal über die Aktienfonds großer Fondsgesellschaften geschrieben… und illustriert, warum ein Investments in Aktienfonds vielleicht nicht die beste Investitionsentscheidung darstellt (von ein paar Ausnahmen einmal abgesehen natürlich… wie immer ist die Realität nicht nur schwarz und weiß).
Bisher hatte ich dabei mehr oder weniger eine Außenperspektive eingenommen und Kosten, übermäßige Diversifikation, schwierige Bewertung etc. angesehen. In diesem Artikel möchte ich nun etwas mehr aus einer Innensicht heraus an das Thema herangehen und darauf basierend zu einer Einschätzung bzgl. der Sinnhaftigkeit eines Investments in einen Aktienfonds gelangen… die Inhalte dieses Artikels habe ich übrigens größtenteils zwei Artikeln entnommen, in denen ehemalige Buy-Side Analysten bzw. Portfoliomanager ihre Erfahrungen mit großen Fondsgesellschaften schildern.
Hoher Anteil unproduktiver Zeit
Fondsmanager bei großen institutionellen Anlegern verbringen oft genauso viel Zeit mit der Administration und der Führung von Mitarbeitern / Teams wie mit der Anlage des zur Verfügung stehenden Kapitals. In diesem Zusammenhang überrascht es nicht, dass einige der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten im Grunde genommen alleine gearbeitet haben bzw. arbeiten (oder jedenfalls nur mit einem sehr kleinen Team).
Buy-Side Analysten verbringen laut der Beobachtungen offenbar im Durchschnitt außerdem viel Zeit damit, für den Portfoliomanager die tagtäglichen Veränderungen der Portfoliowerte nachzuvollziehen… also die Frage zu beantworten, warum sich der Aktienkurs eines Unternehmens denn an einem bestimmten Tag nach oben oder nach unten bewegt hat… von außen betrachtet vielleicht nicht die produktivste Art, die zur Verfügung stehenden Ressourcen einzusetzen.
Kurzfristiger Handlungsdruck
Der Druck, “etwas zu tun” ist scheinbar enorm, weshalb in vielen Fällen eher kurzfristige und auf dem Momentum der aktuellen Kursentwicklungen basierende Investitionsentscheidungen getroffen werden.
Vermutlich deshalb werden Geschäftsberichte (bzw. 10-Ks), Quartalsberichte, andere SEC Filings und Veröffentlichungen weit seltener gelesen als angenommen (jedenfalls laut der Aussage eines der angesprochenen ehemaligen Analysten). Oft gibt man sich mit der Investorenpräsentation und den Aussagen aus den Earnings Calls zufrieden… wobei die Fondsmanager ganz genau wissen, dass die meisten Interaktionen mit Vorstand und Führungskräften durch das Investor Relations Team genau choreographiert werden, was die Zuhörer auch durchaus in die Irre führen und das falsche Gefühl vermitteln kann, eine einzigartige Perspektive zu erhalten.
Gleichzeitig wird der technischen Analyse offenbar mehr Gewicht eingeräumt, als die Fondsgesellschaften nach außen transportieren (was auch immer man davon halten mag).
Starke Einschränkungen des Anlageuniversums
Fondsgesellschaften bzw. Fonds unterliegen regelmäßig einer ganzen Reihe an Einschränkungen, was das zu investierende Aktienuniversum angeht… z.B. gibt es oft
- eine Mindestanzahl an Positionen zur Diversifizierung (oft sprechen wir hier von einer dreistelligen Anzahl an Positionen in einem Fonds)
- eine Untergrenze für die Positionsgröße (bei großen Fonds und großen Investitionssummen fast unvermeidlich)
- eine Untergrenze für die Marktkapitalisierung und ggf. die Liquidität der Unternehmen, in die investiert werden darf
- eine regionale Fokussierung
- einen vorgegebenen Anlagestil (z.B. Growth oder Value, Large oder Mid Cap, etc.)
- ein vorgegebenes Maß an Abweichungen vom Benchmark-Index (limitierte Anzahl an Über- und Untergewichtungen)
- etc.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Returns für den Fall zu starker Einschränkungen fast nicht mehr von dem zugrunde gelegten Index – oder einem diesen Index abbildenden Indexfonds / ETF – abweichen (können).
Substantielle Interessenkonflikte
Es gibt eine große Anzahl an Stakeholdern, die man als Fondsmanager irgendwie zufriedenstellen muss. Dazu zählen neben den bestehenden Kunden auch die potenziellen Kunden (für diese werden Marketingmaterialien, Broschüren etc. benötigt), die Vorgesetzten und die Eigentümer der Fondsgesellschaft (diese sind vor allem an der Vereinnahmung hoher Gebühren interessiert), ggf. externe Berater und Sell-Side-Research-Firmen (hier geht es um Provisionen) und so weiter.
Alle diese Stakeholder haben unterschiedliche Motivationen und Erwartungen, die es zu erfüllen gilt. Das macht es dem Fondsmanager unglaublich schwer, sich auf die eigentliche Aufgabe, nämlich das Management des Fonds, zu fokussieren (bzw. dieser Aufgabe die entsprechende Zeit einzuräumen).
Im Grunde läuft dieser Interessenkonflikt auf eine Schlussfolgerung hinaus (hierin unterscheiden sich die Protagonisten der Fondsgesellschaften im Grunde genommen nicht von ihren Pendants in den Unternehmen, also den CEOs und CFOs dieser Welt): Anreize beeinflussen maßgeblich das Verhalten.
Meistens gibt es hier vor allem um zwei Aspekte: Vergütung und Job-Sicherheit. Erstere wird im Allgemeinen auf Basis der Performance eines Kalenderjahres bestimmt (was natürlich Auswirkungen auf die Anlageentscheidungen haben kann), für letztere darf man vermutlich im Vergleich mit dem Wettbewerb nicht zu schlecht performen… eine Abweichung nach unten hat gefühlt stärkere negative Konsequenzen, als eine Abweichung nach oben positive, weshalb man nur selten eine überdurchschnittlich gute Performance beobachten kann.
Fazit
Wenn man den Aussagen der zwei ehemaligen Analysten glauben kann, dann verbringen die Fondsmanager in den großen Fondsgesellschaften einen (zu) großen Teil ihrer Zeit mit der Administration ihrer Mitarbeiter und Teams.
Für die eigentliche Aufgabe, nämlich die Anlage der Kundengelder, bleibt in vielen Fällen zu wenig Zeit, weshalb Investitionsentscheidungen offenbar eher auf Basis kurzfristiger Überlegungen (Momentums, technische Analyse etc.) getroffen werden.
Darüber hinaus ist das zu investierende Anlageuniversum oftmals so stark eingeschränkt, dass die Fondsmanager per Definition auf eine gewisse Überrendite verzichten müssen.
Schlussendlich sehen sich die Fondsmanager mit einer Vielzahl von Stakeholdern mit unterschiedlichen Motivationen und Zielsetzungen konfrontiert (heißt mit anderen Worten: Die Incentivierung der Manager passt oft nicht zu den Interessen der Investoren bzw. Kunden, die der Fondsgesellschaft ihr Kapital anvertrauen).
1 Kommentar zu „Investieren in Aktienfonds ja oder nein? Die interne Sicht eines Buy-Side Analysten“
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