Equity Stub: Bewertung am Beispiel Hochtief

Inhalt

Equity Stub - Hochtief Beispiel

In meinem Artikel zum Auffinden von Unternehmen mit versteckten Assets hatte ich vor einiger Zeit zwei Strategien erwähnt, um in Unternehmen mit Investments in andere gelistete Unternehmen zu investieren. Eine dieser Strategien basiert darauf, dass wir nur in den so genannten Equity Stub investieren, d.h. in den Teil des Unternehmens, der nach Abzug der (gelisteten) Beteiligung noch verbleibt. Das Wort Stub kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie Zigarettenkippe.

In diesem Artikel möchte ich die Investmentstrategie des Investments in einen Equity Stub am Beispiel Hochtief in 2009 einmal etwas näher beleuchten.


Ausgangssituation

Hochtief, der wahrscheinlich bekannteste deutsche Baukonzern, war 2009 in 6 Divisionen organisiert, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes oder eines Infrastrukturprojekts (nämlich Projektierung, Bau, Dienstleistungen, Konzessionen und Betrieb) abdecken sollten. Das Baugeschäft war darüber hinaus nochmal regional organisiert:

  • Concessions (Betrieb von Flughäfen und anderen Infrastruktur-Assets)
  • Real Estate (Service-Sparte mit Bezug auf Immobilien)
  • Services (Facility Management für Bürogebäude, Industrie- und Infrastruktur)
  • Americas (Baugeschäft, über die Beteiligung an Turner Construction in den USA)
  • Europe (ursprüngliches Baugeschäft von Hochtief)
  • Asia Pacific (Baugeschäft, über die 54,99% Beteiligung in Leighton Holdings, eine an der australischen Börse gelistete Firma)

In 2009 gehörten der Hochtief AG also unter anderem 55% des in Australien gelisteten Bauunternehmens Leighton Holdings.

Leighton war bis dahin sehr erfolgreich gewesen und die Aktie war in 2008 – wahrscheinlich auch wegen des Mining-Booms – recht teuer geworden. Nach Ausbruch der Finanzkrise gab der Kurs zwar entsprechend nach, lag aber auch Ende September 2009 noch weit über dem historischen Durchschnitt.

Im Gegensatz dazu wurden – wie wir gleich sehen werden – die anderen Hochtief-Aktivitäten (der so genannte “Stub”) an der Börse sozusagen for free gehandelt.

Gründe hierfür gab es mehrere:

  • Zum einen machten die anderen Geschäftsfelder zu dem Zeitpunkt nur einen recht geringen Gewinn
  • Zum anderen hatte Hochtief den Börsengang seiner Flughafen- und Infrastrukturaktivitäten geplant, aber aufgrund ungünstiger Marktbedingungen zur Enttäuschung vieler Investoren abgesagt

Bevor wir hier aber zu sehr ins Detail gehen, zunächst nochmal ein paar einordnende Sätze zur Investment-Strategie.


Equity Stub: So funktioniert die Strategie

Grundsätzlich können wir von Unternehmen mit signifikanten Beteiligungen an anderen Unternehmen über zwei Strategien profitieren.

Grundvoraussetzung für beide Strategien ist zunächst mal natürlich, dass der Stub, also das Unternehmen ohne Berücksichtigung der Beteiligung, an der Börse unterhalb des fairen Wertes gehandelt wird.

Equity Stub Investment Optionen

Die konkrete Strategie hängt dann davon ab, ob die Beteiligung aus unserer Sicht unterbewertet bzw. fair bewertet oder aber überbewertet ist:

  1. Ist die Beteiligung unterbewertet bzw. fair bewertet, dann können wir einfach die Aktie kaufen (long gehen) und bekommen die Beteiligung zum fairen Wert und den Rest umsonst (oder jedenfalls zu einem sehr günstigen Kurs)
  2. Ist die Beteiligung überbewertet, dann können wir nur den so genannten Stub kaufen, indem wir die Aktie des Unternehmens kaufen und gleichzeitig die zur Beteiligung korrespondierende Anzahl Aktien der Beteiligung leer verkaufen (shorten)
Als Equity Stub wird eine synthetische Aktie bezeichnet, die das Eigenkapital repräsentiert, welches nach Abzug einer größeren Beteiligung oder auch einer größeren Barausschüttung in Folge eines Buyouts, Spin-Outs, Demergers noch im Unternehmen verbleibt.

Wir können in einen Stub investieren, indem wir die Aktie kaufen (long gehen) und die Aktie der Beteiligung im richtigen Verhältnis leer verkaufen (shorten).

Dem entsprechend gehen wir bei der Entwicklung unserer Strategie in drei Schritten vor:

  1. Wir ermitteln zunächst den aktuellen Marktwert des Stub, indem wir den Marktwert der Beteiligung vom Gesamtwert abziehen
  2. Anschließend bewerten wir den Stub mithilfe eines unserer Bewertungsverfahren. Sind wir uns sicher, dass der Stub unterbewertet ist (im Fall von Hochtief damals recht offensichtlich), müssen wir nur noch entscheiden, ob wir die Beteiligung mit erwerben oder leer verkaufen (shorten) möchten
  3. Dafür müssen wir im letzten Schritt ermitteln, ob die Beteiligung an sich unter- oder überbewertet ist. Ist auch die Beteiligung unterbewertet, dann können wir sie einfach mit erwerben, indem wir die Aktie des Gesamtunternehmens kaufen. Ist sie überbewertet, dann sollten wir die Beteiligung nicht mit erwerben (also leer verkaufen)

1. Aktuelle Marktpreise bzw. aktueller Wert des Stub

Auf Basis der Schlusskurse von Ende September 2009 und des Umrechnungsfaktors zur Berücksichtigung der Anteilsverhältnisse ergab sich ein recht interessantes Bild.

Hier zunächst die Kursinfos, damit wir die Rechnung besser nachvollziehen können:

  • Schlusskurs Hochtief (Ende September): 52,06 EUR
  • Schlusskurs Leighton (Ende Sepember): 36,17 AUD (entsprach ca. 21,80 EUR – bei einem Wechselkurs von 0,6028)
  • Aktienverhältnis: Entsprechend des Besitzanteils von 55% besaßen 66,5 Mio. Hochtief-Aktien 163,8 Mio. Leighton-Aktien (Faktor 2,46)

Daraus ergab sich der Wert des Leighton-Anteils zu ca. 53,60 EUR je Hochtief-Aktie:

21,80 EUR/Leighton-Aktie x 2,46 Leighton-Aktien/Hochtief-Aktie = 53,6 EUR/Hochtief-Aktie

Der implizite Wert des restlichen Hochtief-Geschäfts lag also zu dem Zeitpunkt bei ca -1,5 EUR/Aktie, war also negativ:

Wert restliches Hochtief-Geschäft (Stub) = Gesamtwert Hochtief – Wert Anteil Leighton = 52,1 EUR – 53,6 EUR = ~ -1,5 EUR

Damit ist schon relativ klar, dass das restliche Hochtief-Geschäft mit hoher Wahrscheinlichkeit unterbewertet war. Trotzdem schauen wir uns das Ganze nochmal etwas genauer an. Wir möchten ja auch verstehen, ob wir eher über eine Sicherheitsmarge von 10% oder doch eher über 50%+ sprechen.


2. Bewertung des Hochtief-Geschäfts ohne Leighton Anteil

Um es nicht zu kompliziert zu machen, schauen wir uns ein paar Bewertungs-Multiples im Vergleich zur restlichen Industrie an. Genauer gesagt schauen wir auf EV/Umsatz und EV/EBITDA:

Beispiel Hochtief Equity Stub

Quelle: Panta Capital

Wie wir sehen, lag die Bewertung praktisch aller Wettbewerber in den einzelnen Segmenten damals oberhalb der Hochtief-Bewertung ohne das Asia Pacific-Geschäft.

Je nachdem, welches Multiple wir für die Bewertung verwenden und ob wir einen Konglomeratsabschlag berücksichtigen (damals in der Größenordnung von ~10%) erhalten wir als Resultat der Sum-of-the-Parts (SOTP) Bewertung einen Wert für den Stub von ~9 bis 25~ EUR/Aktie, also signifikant oberhalb der damaligen Marktbewertung von -1,5 EUR/Aktie.

Bzgl. der Bewertung der einzelnen Geschäftsfelder hätten wir damals die folgenden Trends berücksichtigen können:

  • Allgemein waren die die Auftragseingänge zum Zeitpunkt der Bewertung auf dem aufsteigenden Ast
  • Americas: Als Marktführer war Hochtief über die Beteiligung Turner in einer guten Position, um in den kommenden Monaten von den während der Finanzkrise aufgelegten Konjunkturprogrammen zu profitieren
  • Europe: Für das Europa-Geschäft hatte das Management ein groß angelegtes Restrukturierungsprogramm aufgelegt mit dem Ziel die EBT-Marge auf über 3% zu erhöhen
  • Real Estate: Sobald sich die Kreditmärkte wieder entspannen würden, wäre Hochtief in der Lage, Teile des aktuell als Bestandsimmobilien gehaltetenen Bestandes profitabal am Markt zu platzieren
  • Concessions: Nach Beendigung der Krise wurde eine signifikante Erholung des Luftverkehr mit positiven Implikationen speziell auf die noch unterausgelasteten und teilweise von Hochtief betriebenen Flughäfen in Osteuropa erwartet

Soweit so gut. Wir können also schonmal festhalten, dass der Stub damals stark unterbewertet war. Für die Ableitung unserer Strategie müssen wir nun nur noch verstehen, ob die Beteiligung – also Leighton Holdings selbst – damals unter- oder überbewertet war.


3. Bewertung des Leighton-Anteils

In Geschäftsjahr 2008 veröffentlichte Leighton einen Gewinn je Aktie von 2,18 AUD (also 218 australische Dollar-Cent) – bis dahin das beste Jahr der Firma. Im Jahr 2009 ging der Gewinn zwar aufgrund der Krise auf ca. 1,50 AUD je Aktie zurück. Trotzdem konnte man im Vergleich aber nicht von einem schlechten Jahr sprechen. Nehmen wir also das Jahr 2009 einmal als repräsentativ an, dann erhalten wir auf Basis des Schlusskurses vom 30.9.2009 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 24. Also trotz einsetzender Finanzkrise noch eine relativ sportliche Bewertung.

Geschäftsjahresende bei Leighton war übrigens der 30. Juni. Für unsere Bewertung war also der Jahresgewinn 2009 noch sehr aktuell.

Wenn wir nun an unsere Bewertung glauben, nämlich dass der Stub unterbewertet und auf der anderen Seite die Beteiligung überbewertet war, dann würden wir nur den Stub ins Portfolio nehmen, indem wir je gekaufter Hochtief-Aktie 2,46 Leighton-Aktien leer verkaufen (shorten).

Bevor wir solche Investments aber tatsächlich tätigen, sollten wir uns aber immer überlegen, welche potenziellen Katalysatoren – also externe oder interne Events – kurzfristig dazu führen könnten, dass die Unterbewertung des Stub (bzw. die Überbewertung der Beteiligung) vom Markt erkannt wird und als Resultat der Kurs nach oben (bzw. für die Beteiligung nach unten) geht.


Potenzielle Katalysatoren

Im Falle von Hochtief und Leighton gab es hierfür mehrere Indikatoren.

Zum einen war sich das Management von Hochtief der Situation damals offenbar bereits bewusst. Im Zwischenbericht zum ersten Halbjahr 2009 war zu lesen, dass nach strategischen Optionen für das Betreibergeschäft (immerhin mehr als 50% der damaligen Bewertung des Stub) gesucht wird. Neben einem Börsengang (IPO) kam damals auch ein strategischer Investor in Betracht. Die Tatsache, dass Hochtief bereits mit mehreren Investmentbanken bzgl. eine potenziellen Transaktion in Kontakt stand, sprachen für eine recht kurzfristige Lösung (tatsächlich wurde das Flughafen-Betreibergeschäft – heute AviAlliance – erst in 2013 verkauft).

Darüber hinaus bestand die realistische Möglichkeit, dass ACS – damals bereits Besitzer von rund 30% der Hochtief-Anteile – die Mehrheit am Unternehmen übernehmen könnte (was es in 2011 ja dann auch getan hat). Aus strategischen Gründen machte das für ACS unter anderem aus Gründen der Diversifikation Sinn, denn mit Hochtief wäre ACS in der Lage gewesen, seine Abhängigkeit von der spanischen Bauindustrie (damals ca. 80% der ACS Umsätze) merklich zu reduzieren.


Zusammenfassung

Ein Equity Stub ist eine synthetische Aktie, die das nach Abzug der Beteiligung im Unternehmen verbleibende Eigenkapital repräsentiert.

Wir können in einen Stub investieren, indem wir die Aktie des Unternehmens kaufen und die Beteiligung in der der Beteiligung entsprechenden Stückzahl verkaufen (shorten).

Eine solche Strategie ist allerdings nur sinnvoll, wenn die Beteiligung am Markt aktuell überbewertet und das restliche Geschäft (der Stub) unterbewertet sind.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere relevante Artikel zum Thema

Warenkorb
Nach oben scrollen