Die perfekte Aktie bzw. das perfekte Unternehmen… laut Peter Lynch

Peter Lynch - Die perfekte Aktie

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Peter Lynch - Die perfekte Aktie

Wieder einmal habe ich das Buch One Up on Wall Street von Peter Lynch hervorgeholt, weil ich wissen wollte, wie Lynch ein tolles Unternehmen definiert… ich hatte gerade das Kapitel zum gleichen Thema in Charlie Tian’s Invest like a Guru gelesen und wollte das mal vergleichen. Ich stelle fest, Lynch orientiert sich etwas mehr an ganz profanen Charakteristika, während Tian offenbar ein Zahlenfreak ist. Ich nehme aber an, dass Lynch mit der Zielgruppe seines Buches im Hinterkopf bei manchen Themen bewusst etwas überspitzt geschrieben hat.

In diesem Artikel möchte ich also mal die 10 Kriterien vorstellen, anhand derer Peter Lynch ein attraktives Unternehmen festmacht.


#1: Simples bzw. fast langweiliges Business

Die Story, die uns das Management eines Unternehmens erzählt, zu verstehen und zu hinterfragen ist wesentlich einfacher, wenn wir das Geschäftsmodell des Unternehmens verstehen. Aus diesem Grund investiert Peter Lynch auch lieber in ein Unternehmen, das Strumpfhosen herstellt, als in eine Firma, die sich mit Kommunikationssatelliten beschäftigt.

When somebody says, “Any idiot could run this business,” that’s a plus as far as I’m concerned, because sooner or later any idiot probably is going to be running it.

Wenn Lynch sich zwischen einem Investment in ein gutes Unternehmen mit fähigem Management in einer komplexen und wettbewerbsintensiven Industrie und einem alltäglichen Unternehmen mit mittelmäßigem Management in einer einfachen Industrie ohne Wettbewerb entscheiden müsste, würde er letzteres wählen.

An folgenden Charakteristika können wir laut Lynch ggf. solch ein simples Unternehmen erkennen:

  • es hat einen langweiligen Namen wie z.B. Automatic Data Processing oder Bob Evans Farms – Unternehmen mit solchen Namen werden offenbar sowohl von Investoren als auch von Analysten weniger beachtet, obwohl es sich teilweise um sehr gute Geschäfte handelt
  • das Unternehmen stellt etwas langweiliges her bzw. erbringt eine langweilige oder sogar etwas abstoßende Dienstleistung wie z.B. die Herstellung von Getränkedosen oder Särgen oder die Entsorgung bzw. das Recycling von Abfällen

Ich habe mich in diesem Zusammenhang gefragt, ob ich ebenfalls unter einem solchen “Namens-Bias” leide, bin aber aktuell nicht sicher. Jedenfalls hört sich das für mich so abwegig an, dass da bestimmt etwas dran ist.


#2: Es handelt sich um ein Spinoff

Spinoffs einzelner Geschäftsfelder, Divisionen bzw. Business Units großer Konzerne in separate an der Börse gelistete Unternehmen sind in vielen Fällen sehr lukrative Investments.

Die Liste an Beispielen für Spinoffs ist lang. Hierzulande können z.B. Lanxess und Covestro (beide Spinoffs von Bayer), Osram und Healthineers (Spinoffs von Siemens) als Beispiele genannt werden. Es gibt aber unzählige andere.

In der Regel möchten große Unternehmen keine Geschäftsfelder abspalten, die nicht fit für eine solche Abspaltung sind. Denn nichts wäre für die ehemalige Mutter peinlicher, als eine vor kurzem abgespaltene Einheit mit Problemen. Typischerweise haben Spinoff-Unternehmen deshalb starke Bilanzen und sind gut auf die Eigenständigkeit vorbereitet.

Darüber hinaus haben Spinoffs in vielen Fällen folgende attraktive Charakteristika:

  • eigenständig und mit neuem Management können sie ganz anders agieren, z.B. sich am Markt platzieren oder Kapital allokieren, als das noch im Konzernkonstrukt möglich war
  • Spinoffs werden vor allem von Analysten, aber auch von institutionellen Investoren zu Beginn oft links liegen gelassen (später, wenn die Story klarer wird, springen sie dann wieder auf den Zug auf), was Druck auf den Aktienkurs ausübt
If you hear about a spinoff, or if you’re sent a few fractions of shares in some newly created company, begin an immediate investigation in buying more. A month or two after the spinoff is completed, you can check to see if there is heavy insider buying among the new officers and directors. This will confirm that they, too, believe in the company’s prospects.

Peter Lynch empfiehlt also zwei Dinge zu tun, sobald wir über einen Spinoff erfahren bzw. Aktien eines neu gelisteten Unternehmens zugeteilt bekommen haben.

Zum einen sollten wir dann direkt in die Due Diligence des neuen Unternehmens einsteigen und evaluieren, ob wir ggf. (weitere) Aktien zukaufen sollten. Zum anderen sollten wir – sozusagen als Bestätigung für unsere Investment Thesis – ca. ein bis zwei Monate nach dem Spinoff einmal schauen, ob das neue Management bzw. die zweite Führungsebene des Spinoffs ebenfalls Aktien des Unternehmens gekauft hat.


#3: Institutionelle Investoren und Analysten beachten das Unternehmen nicht

Peter Lynch sieht es als großen Vorteil an, wenn es wenige Analysten gibt, die einem Unternehmen folgen und wenn institutionelle Investoren in einem Unternehmen (noch) nicht investiert sind.

When I talk to a company that tells me the last analyst showed up 3 years ago, I can hardly contain my enthusiasm.

Dabei kann die Nichtbeachtung laut Lynch mehrere Gründe haben. Zum einen könnte es sich um Firmen in einer sehr fragmentierten bzw lokalen Industrie handeln, in der die Analysten nur den größten Unternehmen folgen. Zum anderen werden auch aktuell unpopuläre Großunternehmen von Analysten und institutionellen Investoren oft so lange unberücksichtigt gelassen, bis die Kurse wieder anziehen.


#4: Es gibt Gerüchte bzw. schlechte Presse

Oft werden Unternehmen, die in der Presse unter Beschuss stehen, am Markt übermäßig stark abverkauft. Diese Aktien verlieren typischerweise viel mehr an Wert, als das aktuell durch die Medien aufgebauschte Problem jemals vernichten könnte. Deshalb mag Peter Lynch solche Unternehmen.

Remember the dreaded casino stocks that are now on everybody’s buy list? Respectable investors weren’t supposed to touch them because the casinos allegedly were all mafia.

Vor einigen Jahren zum Beispiel drohte die Stadt Dresden dem Immobilienunternehmen Gagfah (heute Teil von Vonovia) mit einer Klage, weil angeblich die Wohnungen, die das Unternehmen in Dresden und Umgebung besitzt, nicht in ausreichendem Maße Instand gehalten wurden. Der Aktienkurs sackte damals bis auf ca. 4 EUR je Aktie ab. Später stellten sich die Klagegerüchte als übertrieben heraus und die Aktie konnte ziemlich schnell wieder bis auf ca. 8 EUR zulegen.

Das Rohstoffunternehmen Glencore wurde vor ein paar Jahren von einigen Journalisten (und auch Analysten) bereits für Bankrott erklärt, obwohl der größte Anteilseigner (und CEO) Ivan Glasenberg einen signifikanten Anteil seines privaten Vermögens zusätzlich in das Unternehmen steckte, um die Märkte zu beruhigen. Der Aktienkurs fiel kurzfristig von umgerechnet über 3 auf unter 1 EUR je Aktie. Aktuell steht der Kurs wieder bei über 4 EUR.

Oder Beispiel Dieselgate: Die Volkswagen-Aktie sackte dadurch stellenweise bis auf unter 100 EUR je Aktie ab. An der Börse wurde dadurch ein Wert von über 75 Mrd. EUR vernichtet. Inzwischen sind die meisten Gerichtskosten etc. entweder bereits angefallen oder mindestens zurückgestellt und Verkaufszahlen, EBIT etc. liegen bereits wieder auf dem Niveau von 2014 (dem Jahr vor Dieselgate).


#5: Das Unternehmen profitiert von neuen Technologien aber entwickelt sie nicht selbst

Bzgl. Investments in Tech-Unternehmen hatte Peter Lynch damals (One Up on Wall Street wurde 1989 veröffentlicht) ebenfalls eine Strategie.

Anstatt in die Computerhersteller zu investieren, die unter starkem Wettbewerb und Preiskämpfen litten (ist ja heute bei Hardware bis auf wenige Ausnahmen quasi immernoch so), investierte Lynch lieber in Unternehmen die die neuen Technologien nutzen und davon stark profitierten.

Als Beispiele nennt er Unternehmen, die Daten verarbeiten und durch die niedrigeren Preise von Großrechnern profitierten oder Supermärkte, die durch den Einsatz moderner Scanner und die damit einhergehende Effizienzsteigerung ihre Kosten auf einen Schlag um über 3% senken konnten.

Also anstatt in Unternehmen zu investieren, die neue Technologien entwickeln, investierte Lynch lieber in die Profiteure neuer Technologien.


#6: Es handelt sich um eine Industrie ohne Wachstum

Viele Investoren bevorzugen Investments in Sektoren mit hohen Wachstumsraten. Peter Lynch im Gegensatz dazu bevorzugt Investments in Unternehmen in stagnierenden oder nur leicht wachsenden Märkten. Als Beispiel nennt er Hersteller von Plastikmessern und -gabeln.

Aus Lynch’s Sicht gibt es eigentlich nichts Aufregendes an Sektoren mit hohem Wachstum… mit Ausnahme des Zusammenbruchs der Aktienkurse:

There’s nothing thrilling about a thrilling high-growth industry, except watching the stocks go down.

Als Hauptgrund hierfür nennt Lynch die Tatsache, dass in einer angesagten Industrie einfach zu viele Unternehmen (und MIT-Absolventen etc.) auf den Zug aufspringen und nach Wegen suchen, das neue bzw. innovative Produkt noch besser und günstiger zu machen.

Umgekehrt ist der Druck durch neu entstehenden Wettbewerb in Industrien mit einer sehr moderaten Wachstumsrate vergleichsweise gering.

Hiermit spielt Lynch in gewisser Weise auch auf die damalige technologische Entwicklung an (Elektronik, Computer, Prozessoren). Ich denke heute können wir diese Punkte in gewisser Weise relativieren. Zum einen sind einige Tech-Player inzwischen einfach zu dominant geworden. Zum anderen ist durch die voranschreitende Digitalisierung (fast) keine Industrie mehr vor disruptiven Entwicklungen gewappnet… und sei sie auch noch so unattraktiv.


#7: Es handelt sich um eine Nische

Einer der wesentlichsten Vorteile, die ein Unternehmen haben kann, ist ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Lynch nennt dies in One Up on Wall Street eine Nische.

There’s no way to overstate the value of exclusive franchises to a company or its shareholders.

Interessanterweise nennt Lynch neben Inco, einem ehemaligen kanadischen Nickelproduzenten (heute Teil von Vale) auch große Tageszeitungen wie die Washington Post (eins der bekannteren Investments von Warren Buffett) als Unternehmen mit Nischenvorteilen.

Rückblickend müssen wir natürlich sagen, dass die damals beobachteten Wettbewerbsvorteile weder für die kanadischen Nickelminen noch für die meisten gedruckten Zeitungen tatsächlich nachhaltig waren. Die grundsätzliche Logik, nämlich vor allem in Unternehmen mit Wettbewerbsvorteilen zu investieren, stimmt aber natürlich.


#8: Konsumenten müssen das Produkt immer wieder kaufen

Ein weiteres Kriterium, nach dem Peter Lynch seine Investments auswählt, ist die Regelmäßigkeit, mit der die Käufer bzw. Konsumenten ein Produkt kaufen (müssen).

Unternehmen, die Produkte wie Rasierklingen, Drogerieartikel, Getränke, Lebensmittel herstellen, also Produkte die jeder von uns regelmäßig neu erwerben muss, werden von Lynch bevorzugt… im Gegensatz zu Produkten, die nur eine einmalige Nachfrage generieren, wie z.B. Kinderspielzeuge (dia dann auch noch Second Hand weitergegeben werden).


#9: Insider kaufen die Aktie

Wenn hochrangige Mitarbeiter eines Unternehmens (so genannte Insider) ihr eigenes Geld in ihr Unternehmen stecken, dann ist das ein starkes Indiz für den Erfolg eines Investments:

There’s no better tip-off to the probable success of a stock than that people in the company are putting their own money into it.

Dabei hat das Ganze eine kurzfristige und eine langfristige Komponente. Kurzfristig ist es durch den Einstieg der Insider eine Insolvenz oder Ähnliches so gut wie ausgeschlossen. Langfristig hat das Engagement der Insider den großen Vorteil, dass die Interessen des Managements und die der Shareholder viel besser aufeinander abgestimmt sind (das Management hat einen viel höheren Anreiz, die Aktionäre zufriedenzustellen, wenn es selbst signifikante Anteile am Unternehmen besitzt).

Für weitere Infos lest auch unseren Artikel zu Jockey Stocks (Unternehmen mit ausgezeichnetem Management).

#10: Das Unternehmen kauft eigene Aktien zurück

Der letzte wesentliche Punkt ist der Rückkauf eigener Aktien durch das Unternehmen. Hierbei handelt es sich laut Peter Lynch um die einfachste und beste Methode, um die Aktionäre zu entlohnen.

Wenn ein Unternehmen z.B. die Hälfte seine umlaufenden Aktien zurückkauft, dann erhöht sich bei gleichbleibenden Gewinnen der Gewinn je Aktie (und damit auch der Aktienkurs) um den Faktor 2.

Alternativen zu Aktienrückkaufprogrammen stellen (1) eine Erhöhung der Dividende, (2) die Entwicklung neuer Produkte, (3) Investitionen in neue Anlagen und (4) die Übernahme anderer Unternehmen dar.

Gillette zum Beispiel hat laut Peter Lynch alle vier Alternativen ausprobiert, sich aber vor allem aber die letzten drei fokussiert. Jedes neue Business bzw. Produkt hatte dabei schlechtere Margen als das ursprüngliche Rasierklingen-Geschäft. Lynch’s Schlussfolgerung:

If the company had regularaly bought back its shares and raised its dividend instead of diverting its capital to cosmetics, toiletteries. ballpoint pens…, the stock might well be worth over 100 USD instead of the current 35 USD.

Langfristig sind Aktienrückkäufe also ein mächtiges Instrument, um Profite an die Anteilseigner weiterzugeben, vorausgesetzt natürlich der Rückkaufkurs ist nicht zu hoch bzw. liegt unterhalb des intrinsischen Wertes.

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