Joel Greenblatt ist vermutlich einer der bekanntesten Value Investoren weltweit. Das liegt unter anderem auch daran, dass er mit You Can be a Stock Market Genius und Die Börsen-Zauberformel zwei der bekanntesten (und auch besten) Bücher zum Thema verfasst hat. Von Greenblatt gibt es nun unter anderem auch eine sehr schöne Fallstudie zur Duff & Phelps Credit Rating Company (heute Teil von Fitch Ratings). Die Fallstudie ist zwar schon etwas älter, die dargestellte Bewertungslogik hat aber aus meiner Sicht nichts von ihrer Aktualität verloren… eher im Gegenteil.
In diesem Artikel möchte ich also einmal auf die wesentlichen Schritte eingehen, auf Basis derer Joel Greenblatt seine Bewertung der Duff & Phelps Credit Rating Company erstellt hat.
Die Fallstudie stammt übrigens aus Greenblatt’s Special Situations Class an der Columbia Business School aus dem Jahr 2005.
Background Duff & Phelps Credit Rating Co.
Bevor wir uns intensiver mit der Bewertung und Analyse der Duff & Phelps Credit Rating Co. befassen, hier noch ein paar Details zur (relativ kurzen) Geschichte des Unternehmens.
Zunächst mal zu Duff & Phelps, der Muttergesellschaft, die die Credit Rating Einheit in den 1990er Jahren mittels eines Spin-Offs an die Börse brachte: Duff & Phelps ist heute ein international tätiges Beratungsunternehmen mit Fokus auf die Finanzbranche. Wesentliche Beratungsleistungen spielen sich dem entsprechend in den Bereichen Corporate Finance, Valuation Advisory, forensische Analyse etc. ab. Insbesondere seit den 1990er Jahren ist das Unternehmen stark über Akquisitionen gewachsen. Unter anderem wurde in 2018 der Wettbewerber Kroll, Inc. übernommen, dessen Namen das Unternehmen inzwischen angenommen hat. Kroll war unter anderem auch an der Aufdeckung des Bilanzskandals rund um Allied Capital beteiligt (David Einhorn’s Buch Fooling Some of the People All of the Time handelt darüber).
Aber um Duff & Phelps selbst soll es hier ja gar nicht gehen… der Fokus von Joel Greenblatt’s Bewertung liegt auf der Duff & Phelps Credit Rating Company, einem Unternehmen, das von Duff & Phelps im Rahmen eines Spin-Offs im Jahr 1994 für 7 USD je Aktie an der New Yorker Börse gelistet wurde.
Wir ihr gleich an den wesentlichen Finanzkennzahlen sehen werdet, war die Duff & Phelps Credit Rating Co. ein Small Cap mit einer geringen Liquidität.
Wie der Name schon sagt, bestand das Hauptgeschäft des Unternehmens im Wesentlichen darin, Credit Ratings für verschiedene Unternehmen zu erstellen.
Insofern war es auch nicht ganz überraschend, dass die Duff & Phelps Credit Rating Co. im Jahr 2000 von Fitch übernommen wurde, übrigens zu einem Kurs von 100 USD je Aktie.
Einstieg: Wesentliche Financials im Geschäftsbericht
Nachdem ihr nun die wesentlichen Rahmendaten gehört habt, verschaffen wir uns einmal einen ersten Überblick über die finanzielle Situation der Duff & Phelps Credit Rating Co. Dazu empfiehlt Joel Greenblatt, zunächst einmal auf die 5-Jahres-Übersicht der wesentlichen Financials im ersten Teil des Geschäftsberichts zu schauen.
Hier einmal ein Screenshot aus dem letzten Geschäftsbericht vor der Fitch Übernahme aus dem Jahr 1999:
Duff & Phelps Credit Rating Co. wesentliche Financials; Quelle: Geschäftsbericht 1999
Ohne zu sehr in die Details abzutauchen, können wir hier bereits mehrere interessante Dinge erkennen:
- Das Unternehmen ist vergleichsweise klein, das Umsatzniveau in 1999 lag nach wie vor unterhalb der 100 Mio. USD-Marke
- Der Umsatz hat sich innerhalb von vier Jahren ca. verdoppelt, was einer durchschnittlichen Wachstumsrate (CAGR) von 20% entspricht
- Der operative Gewinn ist im gleichen Zeitraum sogar um ca. 25% gewachsen, was auf ein signifikantes Operating Leverage (anderes Wort für Skaleneffekte) hindeutet. Die Nettomarge hat sich dem entsprechend von ca. 16% bis auf 20% erhöht
- Während sich der Umsatz verdoppelt hat, ist die Bilanzsumme (hier mal als Proxy für das eingesetzte Kapital) grosso modo stabil geblieben. Die inkrementelle Kapitalrendite ist also mehr oder weniger unendlich, weil das Unternehmen auch ohne Reinvestition des Kapitals wachsen kann
- Der erwirtschaftete Cash Flow wurde offenbar dazu genutzt, um Schulden zu tilgen. Wie wir gleich noch sehen werden, wurden aber in größerem Stil auch eigene Aktien zurückgekauft
Steigen wir nun einmal die die Bewertung des Unternehmens à la Joel Greenblatt ein.
Kurzer Disclaimer: Greenblatt nimmt die Bewertung in seiner originalen Fallstudie auf Basis der Zahlen des Jahres 1998 vor. Um konsistent zu bleiben, werde ich das hier genauso machen, obwohl im mir vorliegenden Geschäftsbericht bereits das Jahr 1999 enthalten ist.
Ausgangspunkt der Bewertung: Earnings Power
Wenn wir uns den detaillierten Jahresabschluss im hinteren Teil des Geschäftsberichts (zu finden hier) einmal ansehen, dann können wir den EBITDA, also den operativen Gewinn vor Abschreibungen, zu 31,25 Mio. USD (wohlgemerkt für 1998) ermitteln:
EBITDA = Operativer Gewinn + Abschreibungen = 28,422 + 2,828 = 31,25 Mio. USD
Ziehen wir davon den CapEx in Höhe von 1,715 Mio. USD ab, erhalten wir als Annäherung für den freien Cash Flow vor Steuern bzw. den EBIT Adjusted einen Wert von 29,5 Mio. USD:
Freier Cash Flow vor Steuern = EBIT Adjusted = 31,2 – 1,7 = 29,5 Mio. USD
Beachtet, dass der freie Cash Flow to Firm und der freie Cash Flow hier im Wesentlichen äquivalent sind, da das Unternehmen keine Schulden auf der Bilanz hat und dem entsprechend keine Zinsen zahlen muss.
Wir könnten nun eine erste Bewertung, beispielsweise auf Basis des EV/EBIT Adj. Multiples durchführen, was Greenblatt in einem “No Growth” Szenario üblicherweise auch tut.
Hier allerdings verhält sich das etwas anders, weil das Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit ein substantielles Wachstum vorzuweisen hatte (+25% pro Jahr für den operativen Gewinn). Die Frage war allerdings, wie nachhaltig das Wachstum sein würde.
Wachstumsannahme Duff & Phelps Credit Rating Co.
Bezogen auf das Wachstum rechnete Greenblatt mit drei verschiedenen Wachstumsszenarien für den EBIT (Adjusted). Die konservativste Annahme lag bei ca. 8% pro Jahr über einen Zeitraum von 5 Jahren, die aggressivste bei 20%.
Hier einmal beispielhaft mit dem konservativen Ansatz weitergerechnet:
EBIT Adj.Jahr 5 = EBIT Adj.Jahr 0 x (1 + Wachstumsrate)Anzahl Jahre = 29,535 x 1,085 = 43,40 Mio. EUR
Unterstellen wir ein EBIT bzw. Cash Flow Wachstum von 8% pro Jahr für 5 Jahre, dann sollte der operative Gewinn nach 5 Jahren bei ca. 43 Mio. USD liegen.
Korrigiert um die Steuern – Greenblatt geht konservativ vom damaligen Grenzsteuersatz von 40% aus – ergibt sich ein normalisierter Nettogewinn bzw. freier Cash Flow nach Steuern von ca. 26 Mio. USD:
Normalisierter Nettogewinn = EBIT Adj. x (1 – Steuersatz) = 43,40 x (1 – 40%) = ~26 Mio. USD
Beachtet wieder, dass wir hier aufgrund der besonderen Situation keine Fremdkapitalzinsen abziehen müssen – das Unternehmen hat (1) keine Schulden und (2) immer einen hohen positiven Cash Flow bei gleichzeitig geringen CapEx-Anforderungen, sodass auch keine neuen Schulden aufgenommen werden müssen.
Für die Übersetzung des Cash Flows im Jahr 5 in einen inneren Eigenkapitalwert nutzt Greenblatt ein Price-Earnings Ratio bzw. KGV von 13 (entspricht einem Yield bzw. einer ewigen Rente von ca. 7,7%).
Aus den Informationen zur Fallstudie geht nun nicht hervor, auf welcher Basis Greenblatt das faire KGV in 5 Jahren abgeleitet hat, es deutet jedoch einiges darauf hin, dass er von einem konstanten KGV ausgeht, also über die Zeit keine Aufweitung oder Kontraktion gegenüber dem KGV zum Zeitpunkt der Analyse unterstellt.
Darüber hinaus gibt Greenblatt nur den Hinweis, das Multiple mit dem relevanten Anleihezins zu vergleichen… die Special Situations Class fand allerdings wohlgemerkt vor der Finanzkrise und der dadurch hervorgerufenen Nullzinsphase statt.
Auf Basis dieser Annahmen ergibt sich ein innerer Wert von ca. 340 Mio. USD:
Fairer Eigenkapitalwert = Nettogewinn x KGV = ~26 x 13 = ~340 Mio. USD
Bevor wir nun allerdings den inneren Wert in einen konkreten Aktienkurs umrechnen können, müssen wir uns überlegen, was das Unternehmen mit den freien Cash Flows der Jahre 1 bis 4 anstellt.
Annahme bzgl. der Verwendung des Excess Cash
Für die Verwendung des freien Cash Flows gibt es in diesem Szenario im Wesentlichen drei Möglichkeiten:
Das Tilgung von Schulden war zukünftig keine Option mehr, weil das Unternehmen in 1998 bereits alle Schulden getilgt hat.
An diesem Punkt hilft uns nun ein weiterer Blick in die Historie des Unternehmens. Wie ihr am folgenden Chart sehen könnt, hatte die Duff & Phelps Credit Rating Co. die Anzahl ausstehender Aktien in den vier Jahren seit 1995 durch Aktienrückkäufe bereits um ca. 1 Mio. Stück reduziert (das entspricht einer Reduktion von ca. 4,5% pro Jahr):
Entwicklung der ausstehenden Aktien Duff & Phelps Credit Rating Co. [Tsd. Stück]; Quelle: Geschäftsberichte, Joel Greenblatt Special Situations Class 2005, eigene Schätzung
Dem entsprechend geht Joel Greenblatt auch für die kommenden Jahre von einer Verwendung des freien Cash Flows für den Erwerb eigener Aktien aus.
Zur Ermittlung der Anzahl zurückgekaufter Aktien unterstellt er einen Anstieg das Aktienkurses von 8% pro Jahr, also äquivalent zum Gewinn- bzw. Cash Flow Wachstum. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Greenblatt geht von einem konstanten KGV bezogen auf die ursprüngliche Anzahl an Aktien aus.
Alles in allem führt diese Kalkulationslogik nach 5 Jahren zu einer Anzahl ausstehender Aktien von ca. 3,5 Mio. Stück. Der resultierende innere Wert des Eigenkapitals je Aktie im Jahr 5 ermittelt sich damit also zu ca. 95 bis 100 USD je Aktie:
Innerer Wert je AktieJahr 5 = Innerer WertJahr 5 / Anzahl AktienJahr 5 = 340 Mio. USD / 3,5 Mio. Aktien = ~97 USD je Aktie
Zum Vergleich: Der damalige Aktienkurs lag bei ca. 52 USD je Aktie. Bei einem unterstellten CF-Wachstum von 12% hätte sich ein innerer Wert von ~120 USD, bei 20% ein innerer Wert von ~165 USD je Aktie ergeben.
Mögliche Werttreiber bzw. Catalysts
Joel Greenblatt geht davon aus, dass sich der Aktienkurs einer Aktie bzw. eines Unternehmens in der mittleren bis langen Frist immer um den inneren Wert herum einpendeln wird (was kurzfristig nicht immer der Fall sein muss).
Dem entsprechend geht er für die Duff & Phelps Credit Rating Co. konservativ von einem durchschnittlichen Return von ca. 15% über 5 Jahre aus (was ca. der errechneten Verdopplung des Kurses entspricht).
Gleichzeitig stellt Joel Greenblatt aber auch die Frage nach einem konkreten Werttreiber (“Catalyst”), der ihm ggf. sogar eine höhere Rendite über einem kürzeren Zeitraum ermöglichen würde (wenn Greenblatt’s Zielkurs bereits nach drei Jahren erreicht wird, wären es 26% pro Jahr, nach einem Jahr sogar 100%).
Möglichkeiten für konkrete kurzfristige Werttreiber gibt es viele. Greenblatt nennt z.B. den Einstieg von institutionellen Investoren oder Hedge Fonds sowie auch eine mögliche Akquisition durch einen größeren Wettbewerber… de facto hat Fitch das Unternehmen ja bereits zwei Jahre später, also im Jahr 2000, für 100 USD je Aktie erworben.
Zusammenfassung Bewertung Joel Greenblatt
Im Rahmen seiner Special Situations Class an der Columbia Business School stellt Joel Greenblatt seine Bewertungslogik am Beispiel der Duff & Phelps Credit Rating Company vor.
Das Unternehmen war im Jahr 1994 von der Muttergesellschaft Duff & Phelps per Spin-Off für 7 USD je Aktie an die Börse gebracht worden. Im Jahr 2000 wurde die Firma für 100 USD je Aktie von Fitch übernommen.
Der von Joel Greenblatt im Rahmen der Bewertung der Duff & Phelps Credit Rating Co. ermittelte Return setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen:
- einer Prognose des Aktienkurses auf Basis des erwarteten Cash Flows sowie des zugehörigen Multiples in 5 Jahren
- einer Annahme bzgl. der Verwendung des freien Cash Flow in den Zwischenjahren (in diesem Fall beschleunigte Aktienrückkäufe).
Der erwartete Return ergibt sich aus der Kombination beider Bestandteile konservativ zu mindestens 15% pro Jahr (über 5 Jahre).
1 Kommentar zu „Case Study Duff & Phelps: Wie Joel Greenblatt über die Bewertung von Unternehmen nachdenkt“
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