Air Lease: Sicherstellung der Liquidität in der Krise

Inhalt

Liquidität - Air Lease

Vor einiger Zeit hatte ich euch Air Lease, einen US-amerikanischen Flugzeugvermieter, als Investment Idee vorgestellt. Meine damalige Investment Thesis basierte im Wesentlichen auf dem erwarteten Wachstum der Flugzeugflotte, welches sich aus den bei Airbus und Boeing platzierten Orders ableiten ließ. Aufgrund der aktuellen Corona-Krise und des damit verbundenen Umsatzeinbruchs der Fluggesellschaften hat sich der Fokus sowohl des Unternehmens als auch der Investoren verständlicherweise nun erstmal auf die kurzfristige Liquidität verschoben.

Wie der zwischenzeitliche Einbruch des Aktienkurses auf unter 10 USD zeigt, sieht der Markt auch eine Zahlungsunfähigkeit der Flugzeugvermieter als Möglichkeit in Betracht.

In diesem Artikel möchte ich deshalb einmal die Liquiditätssituation von Air Lease analysieren und prüfen, ob der Markt hier nicht doch etwas überreagiert. Denn mittel- bis langfristig sollte sich das Marktumfeld aus meiner Sicht wieder normalisieren und die Luftfahrtbranche – und damit auch Air Lease – auf ihren sekulären Wachstumstrend zurückkehren.


Kapitalmarkt sieht Problem mit der Liquidität

Im Zuge der Verschärfung der Coronakrise wurden die Aktien von Air Lease im Gleichklang mit allen anderen Unternehmen der durch die Krise betroffenen Luftfahrtbranche stark abverkauft.

Stellenweise rutschte der Aktienkurs sogar unter die 10 USD Marke. Air Lease war damit nur mit grob 25% des Buchwertes bewertet. Und das, obwohl die Sachanlagen zum überwiegenden Teil aus relativ leicht zu vermarktenden Flugzeugen bestehen. Zum Vergleich: Zum Zeitpunkt meiner damaligen Analyse stand die Aktie bei ca. 35 USD, Anfang Januar 2020 bei ca. 50 USD.

Der Kapitalmarkt ging also offenbar kurzzeitig davon aus, dass

  1. die vorhandene Liquidität von Air Lease nicht ausreicht, um die Umsatzrückgänge durch Corona abzufedern und dass
  2. die Flugzeuge zum jetzigen Zeitpunkt bzw. im jetzigen Umfeld nicht zu einem angemessenen Preis verkauft werden können, um Liquidität sicherzustellen

Wenn Mr. Market hier falsch liegt, könnte sich also eine exzellente Kaufgelegenheit ergeben.


Insolvenzwahrscheinlichkeit von Air Lease durch fehlende Liquidität

Mit den verschiedenen Liquiditäts- und Stabilitätskennzahlen wie dem Current Ratio oder dem Quick Ratio können wir zwar grob einschätzen, ob ein Unternehmen in einem normalen Marktumfeld ausreichend Liquidität besitzt. Für eine Situation aber, in der große Teile des Umsatzes kurzfristig wegbrechen (wie es jetzt gerade als Resultat der Coronakrise für viele Unternehmen passiert), sind diese Kennzahlen nicht besonders aussagekräftig.

Um die Insolvenzwahrscheinlichkeit abzuschätzen, bleibt uns also nichts anderes übrig, als einmal den konkreten Liquiditätsbedarf für das laufende Jahr zu ermitteln und der vorhandenen Liquidität gegenüberzustellen.


Liquiditätsbedarf von Air Lease

Um nun herauszufinden, ob Air Lease in dieser Krise tatsächlich vor einem Liquiditätsproblem stehen könnte, habe ich mir zunächst einmal die wesentlichen erwarteten Kapitalflüsse – inkl. der erwarteten Einflüsse der Coronakrise – für das laufende Jahr angesehen:

  • Cash-Umsätze: Das Umsatzniveau im abgelaufenen Jahr lag bei ca. 2,0 Mrd. USD, bereits angepasst um Gewinne aus Flugzeugverkäufen (-82 Mio. USD), Amortisationen und Vorauszahlungen. Zu Beginn des Jahres 2020 ist die Flugzeugflotte nun um 25 Flugzeuge größer (55 Käufe – 30 Verkäufe in 2019), was den Planumsatz um ca. 150 Mio. USD auf dann ca. 2,15 Mrd. USD erhöhen sollte (je Flugzeug wird ein durchschnittlicher Umsatz von ca. 6 Mio. USD pro Jahr erwirtschaftet)
  • Umsatzeinbußen durch Covid-19: Der tatsächliche Umsatz wird vermutlich aufgrund der Corona-Krise geringer ausfallen. Nehmen wir einmal an, dass 80% der Kunden ihre Leasingraten für bis zu 6 Monate aussetzen müssen, dann würde das den Umsatz um ca. 800 Mio. USD verringern
  • Operative Cash-Kosten: Auf der Kostenseite gibt es im Wesentlichen zwei relevante Kostenblöcke: Die Zinszahlungen (die Verpflichtungen für 2020 liegen laut Geschäftsbericht bei ca. 446 Mio. USD) und die Vertriebs- und Verwaltungskosten in Höhe von ca. 125 Mio. USD. Daneben gibt es noch ca. 700 Mio. USD an Abschreibungen und 20 Mio. USD an Aktien-basierter Vergütung… beide sind nicht zahlungswirksam und deshalb hier erstmal irrelevant
  • Veränderung des Working Capital: Working Capital im klassischen Sinne benötigt Air Lease bis auf etwas Cash eigentlich nicht. Es gibt keine Lagerbestände, keine Forderungen aus LuL etc. Im Zusammenhang mit der Coronakrise könnte es allerdings sein, dass die Leasing-Zahlungen einzelner Airline-Kunden aufgeschoben werden müssen, was zu einem Anstieg des Working Capital führen würde (es müsste ein aktiver Abgrenzungsposten bzw. eine Forderung namens “Accrued Revenue” oder so ähnlich gebildet werden). Der Einfachheit halber berücksichtige ich diesen Effekt aber mithilfe eines Abschlags auf den Cash-Umsatz
  • Investitionen: Auf der Investitionsseite erwartet Air Lease die Auslieferung von 46 neuen Flugzeugen mit einem Gesamtwert von ca. 3,884 Mrd. USD (das entspricht ca. 85 Mio. USD je Flugzeug)
  • Finanzierung: Darüber hinaus müssen Schulden in Höhe von 1,4 Mrd. USD entweder zurückgezahlt oder refinanziert werden. In 2019 wurde außerdem eine Dividende von ca. 70 Mio. USD an die Halter der Stamm- und Vorzugsaktien ausgeschüttet

Summa summarum ergibt sich daraus ein Liquiditätsbedarf von ca. 4,8 Mrd. USD, wie der folgenden Abbildung zu entnehmen ist:

Liquidität - Liquiditätsbedarf Air Lease

Grobe Abschätzung des Liquiditätsbedarfs von Air Lease


Exkurs Avolon: Reaktion des Wettbewerbs auf Corona

Air Lease selbst hat sich zwar bis auf eine kurze Mitteilung hinsichtlich der Inanspruchnahme des Revolvers (der revolvierenden Kreditlinie) noch nicht zu den Auswirkungen der Krise geäußert. Dafür ist aber der irische Wettbewerber Avolon in seiner Pressemitteilung umso konkreter geworden. Folgende Auswirkungen bzw. Gegenmaßnahmen wurden kommuniziert:

  • 80% der Airline-Kunden (repräsentieren mehr als 90% des Umsatzes) haben nach einer Aussetzung, Stundung etc. der Leasingraten gefragt. Mit einer ganze Reihe an Kunden hat Avolon Vereinbarungen getroffen, die eine Aussetzung der Zahlungen für durchschnittlich 3 Monate beinhalten. Avolon rechnet allerdings mit weiteren Anfragen und auch Zahlungsausfällen
  • Die Zusagen für den Kauf weiterer Flugzeuge bei den OEMs für den Zeitraum bis 2023 wurden um 40% reduziert (von 284 auf 165 Flugzeuge)
  • Die revolvierende Kreditlinie in Höhe von 3,2 Mrd. USD wurde aus Vorsichtsgründen komplett gezogen
  • Im ersten Quartal wurden bereits 16 Flugzeuge verkauft. Weitere 21 Flugzeuge sollen im Laufe des Jahres für insgesamt ca. 750 Mio. USD an den Sapphire 2020-1 Fonds verkauft werden
  • Es wurde eine neue Anleihe begeben, Größenordnung 1,75 Mrd. USD. Teilweise wurden damit andere Schulden vorzeitig getilgt

Es lässt sich nun nicht 100%ig sagen, ob die Flugzeugverkäufe eine Reaktion auf die Coronakrise darstellen oder ob es sich schlicht und einfach um ganz normale und geplante Geschäftsvorgänge handelt. Jedenfalls lässt sich aus der Reaktion schon einiges für den Air Lease Fall ableiten.


Umsatzeinbußen durch Covid-19

Bevor ich auf die möglichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Liquidität eingehe, möchte ich noch kurz ein paar Details zu meinem Ansatz bzgl. der möglichen Umsatzeinbußen durch Corona eingehen. Ich glaube nämlich, dass dieser eher konservativ ist und zwar aus mehreren Gründen.

Wie man an der Aufstellung der Kosten oben bereits erkennen kann, gibt es praktisch keine über die Zinszahlungen, den Vertrieb und die Administration hinausgehenden zahlungsrelevanten Kosten. Das liegt daran, dass es sich bei den Leasingverträgen größtenteils um so genannte “Triple Net Leasingverträge” handelt. Als Bestandteil eines solchen Vertrages hat der Leasingnehmer, also die Airline, neben den Betriebskosten des Flugzeugs auch alle Instandhaltungsaufwendungen sowie Versicherungsprämien und Steuern zu tragen. Bei Air Lease bleibt also quasi nichts davon hängen.

All of our lease agreements are triple net leases whereby the lessee is responsible for all taxes, insurance, and aircraft maintenance. – Air Lease Geschäftsbericht

Darüber hinaus beinhalten die Leasingverträge bestimmte Klauseln, die eine Zahlung der Leasingrate erfordern, auch wenn ein Flugzeug – aus welchen Gründen auch immer – auf dem Boden bleibt und nicht geflogen wird:

Our leases contain provisions which require payment whether or not the aircraft is operated, irrespective of the circumstances. – Air Lease Geschäftsbericht

Analog zu Mietzahlungen bei Immobilien werden die Leasingraten also vermutlich bestenfalls gestundet, aber nicht komplett erlassen. D.h. was in der obigen Analyse als echte Umsatzeinbuße dargestellt ist, ist vermutlich größtenteils “nur” eine Verschiebung der Zahlungen auf einen späteren Zeitpunkt (u.U. sogar noch in 2020)… es sei denn natürlich eine Airline geht tatsächlich in die Insolvenz.

Dieses Risiko scheint allerdings aufgrund der staatlichen Hilfsprogramme speziell für die Airlines – siehe Lufthansa sowie das US-Hilfspaket i.H.v. 58 Mrd. USD – sowie auch der diversifizierte Kundenbasis von Air Lease (über 100 Kunden aus ca. 60 Ländern) überschaubar zu sein. Da Air Lease außerdem viele kleinere und regionale Airlines im Portfolio hat, wird das Unternehmen von der Aussetzung von Langstreckenflügen weniger betroffen sein.

In den Umsätzen ist außerdem dasjenige Umsatzwachstum unberücksichtigt, welches aus den zu Beginn des Jahres 2020 getätigten Investitionen sowie den zugehörigen Leasingverträgen herrührt.


Optionen zur Schließung der Liquiditätslücke

Nachdem ich den Liquiditätsbedarf für 2020 grob umrissen habe, stellt sich nun im zweiten Schritt die Frage, ob und mit welchen Maßnahmen dieser Bedarf grundsätzlich gedeckt werden kann (wie also eine ausreichende Liquidität sichergestellt werden kann). Im finalen Schritt wäre dann zu klären, welche Effekte die Maßnahmen auf die Solvenz bzw. das Rating des Unternehmens haben könnten.

Hier einmal eine Übersicht der möglichen Maßnahmen zur Liquiditätssicherung:

Liquidität - Schließung Liquiditätslücke Air Lease

Grobe Abschätzung möglicher Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität von Air Lease

Im Grunde genommen gibt es 6 verschiedene Möglichkeiten, um die Liquidität sicherzustellen:

  • Vorhandene Barmittel nutzen: Diese machen ca. 320 Mio. USD aus und könnten, vielleicht bis auf einen kleinen Anteil an betriebsnotwendigen Barmitteln, sofort genutzt werden
  • Dividendenkürzung: Nächster recht einfach zu ziehender Hebel ist die Kürzung der Dividende von Stamm- und Vorzugsaktien. Mit dieser Maßnahme könnten zusätzlich ca. 70 Mio. USD freigesetzt werden. Zum Ende des ersten Quartals 2020 hat Air Lease die Dividende allerdings noch gezahlt (Auszahlung im April), was dafür spricht, dass hier keine Anpassungen vorgesehen sind
  • Verzögerung von Flugzeugauslieferungen: Analog zu Avolon kann auch Air Lease die Auslieferung einzelner Flugzeuge von den OEMs auf der Zeitachse nach hinten schieben (wenn dies durch Kapazitätsengpässe und Unterbrechungen in den Lieferketten von Airbus und Boeing nicht sowieso bereits automatisch geschieht). Gehen wir einmal von 40% der geplanten Lieferungen aus, dann entspräche das einer Reduktion des CapEx von ca. 1,5 Mrd. USD
  • Verkauf von Flugzeugen: Mit einem Verkauf von älteren Fliegern könnten – entsprechend den Werten des Vorjahres – ca. 0,8 bis 1,0 Mrd. USD eingenommen werden. Analog zu Avolon verfügt Air Lease über eigene Fonds, die regelmäßig einen Teil der von Air Lease ausgemusterten Flieger übernehmen (Thunderbird I und II)
  • Refinanzierung fälliger Schulden: Die fällig werdenden Schulden könnten mit der Anfang Januar begebenen Anleihe / Schuldverschreibung in der Größenordnung von 1,4 Mrd. USD direkt refinanziert werden (vermutlich bereits geschehen, wenn man die Fälligkeiten der einzelnen Anleihen betrachtet)
  • Revolver: Schlussendlich steht noch eine revolvierende Kreditlinie in der Größenordnung von 6 Mrd. USD zur Verfügung, die bei Bedarf in Anspruch genommen werden kann. Werden allerdings alle vorher beschriebenen Maßnahmen ergriffen, dann sollte nur ein kleiner Anteil der 6 Mrd. USD für die Sicherstellung der Liquidität erforderlich sein

Wie aus den Aussagen von Avolon ersichtlich, sollte sowohl die Kürzung der Commitments bei Airbus und Boeing um 40%, als auch der Verkauf von 20-30 Flugzeugen durchaus im Bereich des Möglichen liegen, sodass die Kreditlinie nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen werden muss.


Solvenz bzw. finanzielle Stabilität

Das erklärte Ziel von Air Lease ist es, seine Kapitalstruktur an einem Debt/Equity Ratio von 2,5 auszurichten.

Zum Ende des Geschäftsjahres 2019 lag die Verschuldung bei ca. 13,6 Mrd. USD und das Eigenkapital bei 5,6 Mrd. USD, wodurch sich ein D/E Ratio von 2,4 ergibt.

Ausgehend von einem angenommenen positiven operativen Cash Flow (OCF) von ca. 730 Mio. USD sollte Air Lease aufgrund der Abschreibungen (wenn wir den Anteil von ca. 35% am Umsatz als konstant annehmen, werden diese in 2020 bei ca. 750 Mio. USD liegen) und der Aktien-basierten Vergütung ein Ergebnis nahe der Nulllinie erzielen. Das Eigenkapital sollte sich aus diesem Grund höchstens geringfügig verändern.

Auf der Schuldenseite kommen ca. 800 Mio. USD hinzu, sodass wir zum Ende des Geschäftsjahres 2020 ein D/E Ratio von ca. 2,6 erhalten sollten (14,4/5,6)… ein Wert, den Air Lease durchaus auch schonmal erreicht hat (z.B. in 2015/16).

Insofern ist auch auf der Verschuldungsseite nicht von großen Problemen mit Banken und / oder Ratingagenturen auszugehen, vor allem auch, weil die Corona-Problematik zeitlich begrenzt sein sollte.


Fazit

Der Kapitalmarkt hat als Reaktion auf die Auswirkungen der Coronakrise quasi alle Unternehmen, die in Beziehung zur Luftfahrtbranche stehen, stark abgestraft. Das gilt auch für den Flugzeugvermieter Air Lease, dessen Aktien zwischenzeitlich nur mit ca. 25% des Buchwerts bewertet waren.

Der Kapitalmarkt ging also stellenweise von einem Liquiditätsengpass aus, obwohl eine detailliertere Analyse des Liquiditätsbedarfs sowie der möglichen Gegenmaßnahmen nicht auf eine Gefahr hindeuten.


Disclaimer

Disclaimer 1: Die Inhalte dieses Artikels wurden mit größtmöglicher Sorgfalt und nach bestem Wissen erstellt. DIY Investor übernimmt jedoch keine Gewähr für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit der bereitgestellten Informationen und haftet nicht für Investitionsentscheidungen, die auf Basis dieser Informationen getroffen werden. Mit anderen Worten: Do your own research!

Disclaimer 2: Ich bin im Besitz von Air Lease-Aktien.

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