Was uns der Cash Conversion Cycle über ein Unternehmen verrät

Cash Conversion Cycle

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Cash Conversion Cycle

Der Kapitalumschlag (Asset Turnover) und damit zusammenhängend der Cash Conversion Cycle (die Geldumschlagsdauer) sind Kennzahlen, die uns viel über die Kapitaleffizienz eines Unternehmens verraten. Aber auch über das Geschäftsmodell eines Unternehmens und ggf. die Qualität des Managements.

Mithilfe des Cash Conversion Cycle versuchen wir zu bestimmen, wie lange ein Unternehmen braucht, um vorhandenes Cash in noch mehr Cash zu verwandeln indem es zunächst in (Vor-)Produkte investiert, diese dann lagert und ggf. weiterverarbeitet, anschließend an den Kunden verkauft und wieder Cash als Bezahlung erhält.

In diesem Artikel möchte ich einmal der Frage nachgehen, was für Erkenntnisse wir aus der Betrachtung der Geldumschlagsdauer gewinnen können.


Was du in diesem Artikel lernst


Recap: Cash Conversion Cycle (Geldumschlagsdauer)

Die Geldumschlagsdauer bzw. der Cash Conversion Cycle setzt sich zusammen aus den drei Kennzahlen Debitorenlaufzeit, Lagerdauer und Kreditorenlaufzeit. Der Cash Conversion Cycle gibt Aufschluss darüber, wie schnell ein Unternehmen seine Investition in den Lagerbestand wieder in Bargeld umwandeln kann.

Geldumschlagsdauer = Debitorenlaufzeit + LagerdauerKreditorenlaufzeit = DSO + DIODPO
Cash Conversion Cycle

Die drei Formelbestandteile Debitorenlaufzeit, Lagerdauer und Kreditorenlaufzeit sind folgendermaßen definiert:

Die Debitorenlaufzeit (Days Sales Outstanding bzw. DSO) bezeichnet die durchschnittliche Anzahl an Tagen, die es dauert, bis die Kunden ihre ausstehenden Rechnungen bezahlen:

Debitorenlaufzeit = Durchschnittl. Forderungen / Umsatzerlöse x 365

Äquivalent dazu bezeichnet die Kreditorenlaufzeit (Days Payables Outstanding bzw. DPO) die durchschnittliche Anzahl an Tagen bis zur Zahlung der Rechnungen durch das Unternehmen:

Kreditorenlaufzeit = Durchschnittl. Verbindlichkeiten aus Lieferungen & Leistungen / Gesamtkäufe x 365

Sollten die gesamten Käufe nicht verfügbar sein, dann können wir als Annäherung die Cost of Goods Sold (COGS) bzw. den Materialaufwand verwenden. Cost of Goods Sold bezeichnet die Kosten des Umsatzes oder Umsatzkosten, also alle Kosten, die mit der Herstellung der verkauften Produkte in Zusammenhang stehen (ohne Vertriebskosten, Verwaltungskosten und andere Betriebskosten).

Die Lagerdauer (Days Inventory Outstanding bzw. DIO) bezeichnet den durchschnittlichen Lagerumschlag, das heißt die Anzahl an Tagen in denen der gesamte Lagerbestand einmal verbraucht bzw. verkauft wird.

Lagerdauer = Durchschnittlicher Lagerbestand / COGS x 365

Geldumschlagsdauer und Geschäftsmodell

Kauft ein Unternehmen Vormaterial für die Produktion oder für den Weiterverkauf ein, dann werden in der Regel die Lieferanten nicht direkt bezahlt. Analog dazu erhält ein Unternehmen meistens nicht direkt sein Geld, wenn es ein Produkt verkauft hat (meistens haben die Kunden ein paar Wochen Zeit, um die Rechnung zu bezahlen).

Die Debitorenlaufzeit sollte in etwa dem Industriestandard entsprechen. Darüber hinaus können die Zahlungsbedingungen eines Unternehmens ein hilfreicher Indikator sein, um diese Kennzahl zu interpretieren. Als Faustformel sollte die Debitorenlaufzeit kleiner als die Kreditorenlaufzeit sein. Das heißt, ein Unternehmen sollte das Geld von seinen Kunden schneller einsammeln, als es die Rechnungen seiner eigenen Lieferanten bezahlt. Ist die Situation umgekehrt, dann muss ein Unternehmen erstens die Rohstoffe bzw. Lagerbestände aus eigener Tasche bzw. über Banken vorfinanzieren. Zweitens erhöht sich natürlich die Gefahr, mal in einen Liquiditätsengpass zu laufen – es sind ja schon mehrere eigentlich finanziell gesunde Firmen deshalb pleitegegangen (siehe Walter Bau vor ein paar Jahren).

Wie bei der Debitorenlaufzeit sollte auch die Lagerdauer im Bereich des Industriestandards liegen. Eine zu lange Lagerdauer kann auf eine zu hohe Kapitalbindung in Rohstoffen und Halbfertig- bzw. Fertigteilen hindeuten. Auf der anderen Seite kann eine zu niedrige Lagerdauer ein Anzeichen für zu niedrige Lagerbestände sein. Dies kann u.a. einen negativen Einfluss auf die Umsätze haben, weil ggf. Lieferzeiten nicht mehr eingehalten werden können. In Branchen, wo die Lieferzeit wichtig ist (z.B. Just-in-Time in der Automobilindustrie), werden wir deshalb vermutlich etwas höhere Lagerbestände und damit Lagerdauern entlang der Wertschöpfungskette sehen.

Soviel zu Theorie und Definitionen.

Grundsätzlich können wir festhalten, dass eine hohe Geldumschlagsdauer in der Regel nicht gewollt ist. Wenn der Cash Conversion Cycle zu lang ist, dann bedeutet das eigentlich, dass ein Unternehmen zu viel Kapital im Verkaufsprozess gebunden hat.


Beispiele für die Geldumschlagsdauer bzw. den Cash Conversion Cycle

Um besser zu verstehen, was der Cash Conversion Cycle uns genau über ein Unternehmen, das Geschäftsmodell und die Effizienz des Business erzählen kann, macht es Sinn, dass wir uns einmal ein paar Beispiele ansehen.

Ich habe dafür mal die drei Unternehmen Apple, Microsoft und Nucor (ein amerikanisches Stahlunternehmen) ausgewählt.

Fangen wir einmal mit Apple an.


Beispiel Apple (AAPL)

Wenn wir uns die Daten für Apple (AAPL) anschauen, dann fällt als erstes auf, dass der Cash Conversion Cycle mit ca. -30 bis -40 Tagen konsistent negativ ist.

Schauen wir genauer in die Zahlen, dann entdecken wir Folgendes:

  • Lagerdauer (DIO): Apple hat die Produkte im Durchschnitt nur für ca. 6 Tage im Lager bzw. in den Büchern (vom Einkauf des Vormaterials bis hin zum Verkauf des fertigen Produktes an den Kunden). Heißt die Produktionsprozesse sind extrem gut aufeinander abgestimmt und die Auftragsfertiger (Foxcomm, Qualcomm etc.) liefern die Produkte schnell aus
  • Debitorenlaufzeit (DSO): Die Kunden bezahlen im Durchschnitt nach 50 Tagen das Produkt. Durch das enge Netzwerk an Einzelhändlern bezahlen die Kunden hauptsächlich in bar oder mit Kreditkarte
  • Kreditorenlaufzeit (DPO): Im Durchschnitt bezahlt Apple seine Lieferanten erst nach ca. 100 Tagen. Hier sieht man die große Macht, die Apple bei seinen Lieferanten hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Firmen ist Apple dazu in der Lage, für sich sehr attraktive Kreditkonditionen zu verhandeln

Rein logisch heißt das, dass Apple von seinen Kunden viel eher bezahlt wird, als Apple selbst seine Lieferanten bezahlen muss. Das Business funktioniert also mehr oder weniger ohne Cash, weil die Lieferanten den Geschäftsbetrieb über die langen Zahlungsdauern quasi zinslos finanzieren.


Beispiel Microsoft (MSFT)

Der Cash Conversion Cycle von Microsoft (MSFT) unterscheidet sich schon recht stark von dem von Apple. Weil es sich bei MSFT ebenfalls um eine Tech-Firma handelt, hätte ich jedenfalls erstmal etwas ähnlichere Zahlen zu denen von Apple erwartet.

Wie wir der unten stehenden Tabelle entnehmen können, hat sich die Geldumschlagsdauer von noch -15 im Jahr 2010 stetig bis auf zuletzt ca. 30 erhöht. Inzwischen sind Debitoren- und Kreditorenlaufzeit ungefähr gleich und damit muss Microsoft einen Teil seiner Käufe zunächst zwischenfinanzieren.

Während Debitorenlaufzeit und Lagerdauer sich über die Zeit zwar geringfügig erhöht haben, scheint der große Treiber für die Erhöhung des Cash Conversion Cycle die stark verkürzte Kreditorenlaufzeit zu sein (von ca. 113 im Jahr 2010 auf 77 im Jahr 2016).

Das heißt, dass Microsoft seine Lieferanten heute früher bezahlen muss als noch vor 6 Jahren. Das kann z.B. mit einem veränderten Einkaufsverhalten bzw. einem anderen Produktmix zu tun haben. Wenn Microsoft z.B. heute viel stärker im Cloud-Geschäft wachsen möchte, dann muss die Firma mehr Datencenter bauen. Die Lieferanten in diesem Segment haben ggf. andere Anforderungen und Zahlungsziele (ist aber nur eine erste Hypothese).

Auf der anderen Seite ist aber auch die Debitorenlaufzeit mit fast 80 Tagen bei MSFT ziemlich hoch. Dies kann mehrere Gründe haben. Unter anderem kommen eine schlechte Zahlungsmoral der Kunden (ggf. auch weil sehr mächtig), zu großzügige Zahlungskonditionen, ein schlechtes Forderungsmanagement oder auch häufige Insolvenzen unter den Kunden in Frage. Es kann aber z.B. auch sein, dass Microsoft mit seinen Kunden einen geringeren Anteil an Cash-Umsätzen generiert. Heißt die (Geschäfts-)Kunden zahlen weniger in bar oder per Kreditkarte, sondern mehr auf Rechnung.

Im Fall MSFT hilft außerdem ein Blick in die Quartalsdaten: Lagerdauer und Kreditorenlaufzeit sind auf Quartalsbasis ungefähr mit den Jahreswerten vergleichbar. Bei der Debitorenlaufzeit gibt es allerdings eine recht große Abweichung. Die Debitorenlaufzeit geht im letzten Quartal des Geschäftsjahres (2. Kalenderquartal) regelmäßig um ca. 20 Tage nach oben (weil die Forderungen nach oben gehen). Dies kann z.B. daran liegen, dass Microsoft kurz vor Geschäftsjahresende nochmal die Vertriebsmaschinerie anwirft, um Umsatz zu generieren und ggf. die Guidance zu treffen.


Beispiel Nucor (NUE)

Nucor (NUE) ist im Vergleich zu Apple oder Microsoft ein ganz anderes Unternehmen. Das erkennen wir bereits an der Bruttomarge, die nur irgendwo zwischen 5 und 10% liegt (im Vergleich zu 40-80% bei AAPL und MSFT). Aber auch der Cash Conversion Cycle ist mit ca. 45 bis 75 Tagen im Vergleich sehr hoch.

Hier die Details:

  • Lagerdauer (DIO): Die Lagerdauer liegt aktuell bei ca. 60 Tagen. Das heißt es dauert ca. 2 Monate bis die Rohstoffe in fertigen Stahl umgewandelt und verkauft worden sind
  • Debitorenlaufzeit (DSO): Die Kunden bezahlen das Produkt im Durchschnitt nach ca. 35 Tagen. Interessanterweise ist das im Vergleich zu Apple und Microsoft sogar noch schneller
  • Kreditorenlaufzeit (DPO): Allerdings muss Nucor auch seine Lieferanten bereits nach sehr kurzer Zeit bezahlen, nämlich nach ca. 18 Tagen

Was zunächst mal auffällt, ist, dass die Kreditorenlaufzeit kleiner ist als die Debitorenlaufzeit. Zusammen mit der recht langen Lagerdauer bedeutet das, dass Nucor immer mit einem recht hohen Working Capital arbeiten muss, da jeweils mindestens zwei Monate zwischen Bezahlung der Lieferanten und Erhalt der Kaufpreise von den Kunden überbrückt werden müssen.


Fazit

Der Cash Conversion Cycle oder die Geldumschlagsdauer wird berechnet aus Kreditorenlaufzeit, Lagerdauer und Debitorenlaufzeit und misst die Zeit zwischen der Investition in Lagerbestände bzw. andere Ressourcen und dem Erhalt des Geldes vom Kunden.

Je niedriger der Cash Conversion Cycle ist, desto höher ist die Kapitaleffizienz eines Unternehmens. Ist der Cash Conversion Cycle sogar negativ (wie z.B. bei Apple der Fall), dann kann das Unternehmen quasi ohne Zwischenfinanzierung funktionieren.

Als Faustformel sollte zumindest die Debitorenlaufzeit kürzer als die Kreditorenlaufzeit sein.

2 Kommentare zu „Was uns der Cash Conversion Cycle über ein Unternehmen verrät“

  1. Hallo Axel,
    erneut ein toller Artikel. Gut geschrieben und leicht verdaulich.
    Einige Anmerkungen:
    1. Sind die Berechnungen empirisch bestätigt? Die tatsächlichen Zahlungsfristen fließen ja nicht in die Berechnungen ein. Wenn ich heute eine Rechnung über 10′ erstelle und diese morgen bezaht wird, dann fließen die 10′ am Tag der Rechnungserstellung mit 365 Tagen (10’/10′ + 365) ein.
    2. Toll sind die praktischen Beispiele. Kannst du noch ergänzen, wo man die Daten in der Bilanz findet? Bei MSFt bin ich z.B. auf die Schnelle nicht fündig geworden.
    3. Die Grafik zu Nucor erscheint bei mir stets unscharf.

    Danke für den tollen Artikel und Gruß,

    Torsten

  2. Pingback: ▷ Liquiditätsmanagement: Die Werkzeuge | CCC, Liquiditätsgrade und Co | flowpilot

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