Vitaliy Katsenelson - Active Value Investing

Vitaliy Katsenelson über Positionsgröße, Einstiegszeitpunkt, Bewertung etc.

Vitaliy Katsenelson - Active Value Investing

Inhalt

Vitaliy Katsenelson - Active Value Investing

Ich habe kürzlich ein sehr interessantes Dokument von Vitaliy Katsenelson’s Investmentfirma (Vitaliy ist der Autor des Buches Active Value Investing und “Erfinder” des Absolute PE Bewertungsansatzes) gelesen, in dem vergleichsweise detailliert auf die Themen Portfoliokonstruktion, Positionsgrößen, Bewertungsansatz etc. eingegangen wird.

Ich habe aus diesem Dokument sehr viele Anregungen zur Weiterentwicklung meines Portfolios und vor allem meiner Portfoliosteuerung enthalten und möchte euch deshalb die wesentlichen Insights daraus nicht vorenthalten.


Über Portfoliokonstruktion

Das Portfolio von Katsenelson besteht in der Regel aus ca. 20 bis 30 Aktien, wobei die Positionsgröße zwischen 2% und 6% schwankt. Die meisten Positionen bewegen sich zwischen 4% und 6% (@cost).

Manchmal sind aber auch 2% oder 3%-Positionen gerechtfertigt. Das ist z.B. dann der Fall, wenn eine Industrie als Ganzes recht günstig bewertet ist, aber kein einzelnes Unternehmen klar heraussticht. In so einem Fall wird dann, um nicht in einer Entscheidungsunfähigkeit (“Analysis Paralysis”) zu enden, z.B. ein Korb von 3 Aktien mit etwas kleineren Positionen ins Portfolio genommen. Eine weiteres Szenario kann außerdem der Kauf einer Einstiegsposition sein. Bei einem weiteren Preisrückgang kann die Position dann auf 4-6% ausgebaut werden. Geichzeitig fungiert die Position aber auch als Hedge, sollte der Preis doch weiter nach oben gehen.

Die Entscheidung bzgl. der Anzahl an Aktien im Portfolio basiert auf einem Gleichgewicht zwischen Über- und Unterdiversifikation:

  • Unterdiversifikation bezieht sich auf ein sehr konzentriertes Portfolio mit nur sehr wenigen Werten. Dies ist aus Katsenelson’s Sicht kritisch, weil es keinen Platz lässt für Fehler oder unglückliche Zufälle. Trotz sorgfältiger Analyse könnte eine extrem günstig eingekaufte Aktie aufgrund eines zufälligen und unvorhersehbaren Events noch weiter fallen, was bei einer Positionsgröße von 20-30% recht schwer zu verkraften wäre (siehe z.B. Fiat Chrysler… die Aktie hat gerade durch den überraschenden Tod von Chef Sergio Marchionne fast 20% an einem Tag verloren. So eine Tragödie kann natürlich nicht vorhergesagt werden)
  • Überdiversifikation: Dies ist das andere Extrem, nämlich ein Portfolio bestehend aus einer unüberschaubar großen Anzahl an Aktien (oft beobachtet bei Aktienfonds). Erstens werden Warnsignale bei einer so großen Anzahl an Aktien gar nicht sichtbar. Zweitens wird sich selbst eine außerordentlich gute Aktienauswahl kaum bemerkbar machen (per Definition werden viele mittelmäßige Titel im Portfolio sein, die die Performance negativ beeinflussen). Umgekehrt wird ein 50% Verlust einer Position keine Bauchschmerzen bereiten. Dies kann Lerneffekte effektiv behindern, weil in der Regel keine Fehleranalyse stattfindet
Also ganz einfach zusammengefasst: Katsenelson besitzt einerseits nicht zu viele Aktien, damit auch die individuellen Investitionsentscheidungen noch relevant sind. Andererseits besitzt er aber auch nicht so wenige, dass er sich keinen Fehler mehr leisten kann.

Ein Rating-System für die Portfolio Unternehmen

Als weitere Unterstützung beim Portfolio-Management erhält jedes Portfolio-Unternehmen ein Rating basierend auf folgenden Punkten:

  • der Qualität des Business
  • der Stärke der Bilanz (schaut hier für mehr Details zu den entsprechenden Finanzkennzahlen)
  • der Vorhersagbarkeit des Gewinns bzw. des Geschäfts
  • der Fähigkeit des Managements, das Geschäft zu führen
  • der Fähigkeit des Managements, das Kapital effizient zu allokieren

Für ein Unternehmen, das einen perfekten Score erreicht, ist ein Portfoliogewichtung von 6% gerechtfertigt (in sehr seltenen Ausnahmefällen können es auch mal 8% sein). Je niedriger der Score, desto niedriger die Gewichtung im Portfolio.

Dieses Bewertungssystem, kombiniert mit den erwarteten Returns, hilft dabei, die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen und erzeugt ein “natürliches Bias” hin zu Qualitätsaktien. Im Grunde genommen handelt es sic hier um nichts anderes als eine Checkliste mit hinterlegtem Punktesystem.


Über den richtigen Einstiegszeitpunkt

Den richtigen Einstiegszeitpunkt abzupassen, ist extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich (schaut euch hierzu auch unseren Artikel zur technischen Analyse und zur Definition des richtigen Einstiegszeitpunktes an).

Um den richtigen Einstiegszeitpunkt (oder auch Aussteigszeitpunkt) abzupassen, müssen Trader in der Lage sein, die kurzfristigen Bewegungen von Aktienmarkt, Zinssätzen, Wirtschaftsdaten etc. zu prognostizieren. Im Gegensatz dazu schaut sich Vitaliy Katsenelson individuelle Aktien an und bewertet diese. So simpel wie es sich anhört: Katsenelson kauft Aktien, wenn sie aus seiner Sicht unterbewertet sind und verkauft sie wieder, wenn sie ihren fairen Wert erreicht haben.

Das hat auch einen Einfluss auf die Cash-Anteil des Portfolios. Gibt es nicht genügend Investitionsgelegenheiten, die den strengen Auswahlkriterien genügen, dann ist der Cash-Anteil in der Regel höher.


Über die richtige Verkaufsdisziplin

Die disziplinierter Ansatz für den Verkauf von Aktien ist essentiell für Katsenelson:

An investment process without a well-defined sell discipline is as functional as a highway with only on-ramps but no off-ramps. – Vitaliy Katsenelson

Im Grunde genommen gibt es drei Gründe, die dazu führen, dass eine Aktie verkauft wird:

  1. Irgendetwas ist falsch gelaufen. Zum Beispiel können sich einige Annahmen der ursprünglichen Aktienanalyse im Nachhinein als falsch herausstellen und somit den gesamten Investment Case zunichte machen. Das muss aber nicht immer der Fall sein. Idealerweise ist die Sicherheitsmarge groß genug, um auch bei einer etwas schlechteren Performance noch einen ausreichenden Return zu erzielen. Ist dies nicht der Fall und die Aktie kann nicht mehr als günstig betrachtet werden, verkauft Katsenelson umgehend
  2. Es gibt ein anderes potenzielles Investment mit besseren erwarteten Returns (risiko-adjustiert natürlich). In diesem Fall wird dann einfach eine Aktie gegen die andere getauscht. Grundsätzlich steht jedes Portfoliounternehmen im Wettbewerb mit allen anderen Unternehmen und wird auf Basis des Zusammenhangs zwischen potenziellen Returns und Downside Risiko von “gut” bis “nicht ganz so gut” geordnet
  3. Eine Aktie hat ihr volles Potenzial erreicht. Weil Value Investing eher eine Kunst denn eine Wissenschaft ist, verkauft Katsenelson nicht einfach bei Erreichen eines bestimmten Preises. Stattdessen wird ein Preisband definiert, welches regelmäßig auf Basis neuer Informationen aktualisiert wird. Aktien, die besonders gut performt haben, zu verkaufen, ist psychologisch besonders schwierig. Um diese Hürde zu überwinden, folgt Katsenelson einer strikten Verkaufsdisziplin: Sobald der Aktienkurs das untere Ende der Preisspanne erreicht, wird die Hälfte der Position verkauft. Erreicht die Aktie auch das obere Ende der Spanne, dann geht auch der Rest raus

Über Käufe und Verkäufe

Obwohl Katsenelson seine Strategie als “Aktives” Value Investing bezeichnet, sind er und sein Team beileibe keine kurzfristig orientierten Trader. Das Wort “Aktiv” soll eben die oben angesprochene Verkaufsdisziplin hervorheben. Katsenelson ist dem entsprechend kein “Buy-and-Hold Forever” Investor. Damit eine Aktie auf längere Zeit im Portfolio bleibt, muss sie weiterhin ein attraktives Risiko-Return-Profil aufweisen.

Durchschnittlich beträgt die jährliche Fluktuation im Portfolio laut Katsenelson so um die 30%. Viele Unternehmen verbleiben länger als 5 Jahre im Portfolio, einige wenige schaffen nichtmal ein Jahr.


Über Marktvolatilität und Risiko

Der gängigen Meinung folgend, ist Marktvolatilität gleichzusetzen mit Risiko (Stichwort Effizienzmarkthypothese). Katsenelson hat wie Warren Buffet auch (5 Kriterien für die Abschätzung des Investitionsrisikos) eine andere Sicht. Das wahre Risiko liegt nicht in der Volatilität der Märkte, sondern eher im permanenten Verlust von Kapital. Für jemanden, der ein Unternehmen nicht im Detail untersucht hat, ist meist nicht direkt klar, ob es sich um einen temporären oder einen permanenten Rückgang des Aktienkurses handelt.

Wenn man allerdings weiß, was ein Unternehmen wert ist, dann interessiert eigentlich nur die Veränderung dieses Wertes… unabhängig vom Aktienkurs. Ein Preissturz kann dann eine gute Gelegenheit sein, um die bereits existierende Position weiter auszubauen.


Über Makrovorhersagen

In der Value Investing Community werden Prognosen des makroökonomischen Umfelds typischerweise nicht großartig beachtet. Dies ist unter anderem auch Warren Buffett zu verdanken, der einmal gesagt hat:

My decision making would not change even if I knew what the Federal Reserve will do with interest rates next month. – Warren Buffett

Hier kommt natürlich auch der kurzfristige Aspekt mit ins Spiel. Die kurzfristigen Veränderungen der Zinssätze zu prognostizieren ist für einen Value Investor ungefähr so hilfreich wie die Wettervorhersage (sagt Katsenelson). Zusätzlich würde sie extrem viel Zeit und Energie in Anspruch nehmen.

Instead of being a weatherman, we pay serious attention to “climate change” – significant shifts in the global economy that can impact your portfolio. – Vitaliy Katsenelson

Ganz außer Acht lassen sollten wir das Thema Makrovorhersagen jedoch nicht. Signifikante Veränderungen in der globalen Wirtschaft, die unser Portfolio beeinflussen könnten, sollten wir kennen (z.B. die langfristige Zins- bzw. Wechselkursentwicklung USD vs. EUR).


Über Bewertung

Katsenelson schaut in der Regel auf Gewinne und Cash Flows in 3 bis 5 Jahren. Anstatt auf die kurzfristige Gewinnsituation muss er dann auf die normalisierten Gewinne bzw. Cash Flows (Earnings Power) achten. Alle seine Bewertungsmodelle und -methoden fokussieren sich darauf, abzuschätzen, was ein Business in 3 bis 5 Jahren wert ist bzw. wert sein könnte.

Die Betrachtung des zukünftigen intrinsischen Wertes hat den positiven Nebeneffekt, dass auch weiteres Gewinnwachstum und Dividendensteigerungen dann Teil der Gleichung werden.

Wie wir bereits beim Absolute PE Ansatz gesehen haben, entspringen Returns meist aus drei Quellen:

  • Anpassungen des P/E Ratios bzw. KGVs von “unterbewertet” auf “fair”
  • Weiteres Gewinnwachstum
  • Dividenden

Wenn ein Unternehmen seine Gewinne nicht steigern kann und außerdem keine Dividenden zahlt, dann ist die Auflösung der aktuellen Unterbewertung (also z.B. die Erhöhung des P/E Ratios von niedrigen 12 auf faire 15 Punkte, also ein Return von 25%) die einzige Renditequelle des Investors. Mit einer solchen Aktie hat man die Zeit nicht auf seiner Seite. Bei einem Zeithorizont von 3 Jahren kann der durchschnittliche jährliche Return dann schon recht unspektakulär aussehen (nämlich 8% pro Jahr bei 25% Potenzial insgesamt).

Wenn das Unternehmen allerdings z.B. zusätzlich zur aktuellen Unterbewertung auch eine Dividende von 3% zahlt und ein zukünftiges Gewinnwachstum von 7% realistisch erscheint, dann sprechen wir über einen zusätzlichen Return von 10%… und das pro Jahr. Plötzlich ist die Zeit also auf unserer Seite und das Warten macht wieder Spaß.

Diese zeitliche 3- bis 5-Jahres-Perspektive berücksichtigt also den so wichtigen Wachstumsfaktor. Aktien bzw. Unternehmen ohne Wachstumsperspektive und ohne Dividendenzahlungen werden dem entsprechend von Katsenelson mit einem größeren Abschlag belegt, d.h. erfordern eine höhere Sicherheitsmarge.

Um den zukünftigen intrinsischen Wert auf den heutigen Zeitpunkt umzurechnen (und zu sehen, was er heute für die Aktie bezahlen würde), verwendet Vitaliy Katsenelson übrigens in Abhängigkeit von der Qualität des Unternehmens einen Diskontierungssatz bzw. Abzinsungsfaktor von 18 bis 40%.


What next?

Ich stelle fest, dass die wenigsten Investoren detailliert über ihre Kriterien zur Portfoliokonstruktion Auskunft geben. Habt ihr ähnliche Kriterien, nach denen ihr euer Portfolio konstruiert? Oder wisst ihr mehr über die Ansätze anderer Investoren? Schreibt mir einfach eine Email oder kommentiert unten.

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