In Commodity-Geschäften sollte man nicht aktiv sein. Das ist ja eine der wichtigsten Erkenntnisse aus vielen Jahren Management-Theorie. Wenn Produkte mehr oder weniger identisch und nicht differenzierbar sind, dann herrscht oft ein Preiskampf vor, den nur die effizientesten Unternehmen mit einigem Erfolg überleben können. So weit, so richtig. Der erste Schritt bei der Entwicklung von neuen (Wachstums-)Strategien liegt deshalb oft darin, zunächst mal ein Angebot bzw. Produkt zu definieren, das sich ausreichend stark von den Angeboten des Wettbewerbs abgrenzen, also differenzieren lässt. Über diese Differenzierung, sei es eine höhere Qualität, zusätzliche Service-Komponenten etc., soll dann eine Abschirmung vom Wettbewerb und hohe Returns erzielt werden.
Das Problem dabei ist nur, dass dieser Ansatz, nämlich der Ansatz der Differenzierung, in den meisten Fällen nicht funktioniert und nicht mit einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil oder sogar einer Markteintrittsbarriere verwechselt werden sollte.
Dieser Aspekt ist natürlich auch aus unserer Sicht als DIY Investoren ein wichtiger, denn unsere Anlagestrategie basiert oft darauf, dass wir unterbewertete Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen finden.
In diesem Artikel möchte ich einmal darauf eingehen, warum eine Differenzierung auf der Produktseite in den meisten Fällen nicht zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil führt.
Differenzierung allein eliminiert nicht Wettbewerb
Der erste und wichtigste Grund, warum Differenzierung nicht funktioniert ist folgender: Auch wenn ein Unternehmen über eine Differenzierungsstrategie in der Lage ist, das Produkt von einem reinen Commodity abzugrenzen, entkommt es dadurch nicht dem Wettbewerb und der niedrigen Profitabilität, die ein traditionelles Commodity-Geschäft normalerweise kennzeichnen. Auch wenn der Wettbewerb im Falle von differenzierten Produkten etwas anderer Natur ist.
Beispiel Luxusautos
Eins der am besten vom Wettbewerb differenzierten Produkte ist vermutlich ein Auto der Marke Mercedes-Benz. Oft auch von Staatsmännern für repräsentative Zwecke genutzt, ist ein Mercedes weit entfernt von einem Commodity-Produkt.
Ein wesentlicher Aspekt der Differenzierungsstrategie von Daimler ist natürlich die Marke, d.h. der Mercedes-Stern, die wahrgenommene Produktqualität etc.
Trotzdem ist aber Daimler, genauso wenig wie Cadillac oder andere Premiummarken in der Auto-Industrie, über Zeit nicht in der Lage gewesen, diesen Differenzierungsvorteil in überdurchschnittlich hohe Margen bzw. Returns umzumünzen. Im Gegenteil: Im Großen und Ganzen unterscheidet sich die Performance nicht großartig von einem typischen Commodity-Geschäft (EBIT-Marge < 10%, Gesamtkapitalrendite 4-5%).
Keine Markteintrittsbarrieren und deshalb zunehmender Wettbewerb
Der Grund hierfür wird relativ klar, wenn wir uns die historische Entwicklung einmal ansehen.
Zu Beginn des Auto-Booms nach dem zweiten Weltkrieg dominierten Mercedes und z.B. auch Cadillac ihre lokalen Märkte und erzielten überdurchschnittlich hohe Renditen aufs eingesetzte Kapital. Allerdings zogen diese attraktiven Renditen relativ schnell auch Wettbewerber an, die gerne an den Gewinnen teilhaben wollten.
Es stiegen immer mehr Hersteller auch in das Premium-Segment ein, z.B. Jaguar, BMW, später Audi, die Asiaten wie Acura, Lexus, Infiniti etc. Das Ganze passierte natürlich über einen längeren Zeitraum und in mehreren Wellen. Am Ende war der Markt mehr oder weniger komplett fragmentiert.
Diese Entwicklung zeigt recht klar, dass es so etwas wie Markteintrittsbarrieren oder echte Wettbewerbsvorteile im Automobilmarkt nicht wirklich gibt. Und vor allen, dass diese auch nicht durch ausreichend differenzierte Produkte hergestellt werden können.
Keine Preiserosion, stattdessen geringer Volumen und höhere bzw. steigende Kosten
Wenn nun der Premium-Automarkt ein reines Commodity-Geschäft gewesen wäre, dann wären die Preise durch den zunehmenden Wettbewerb in den Keller gegangen.
Aufgrund der Produktdifferenzierung (und auch der Differenzieung untereinander) waren (und sind) die Premium-Hersteller aber nach wie vor in der Lage, ihre Autos zu Höchstpreisen in den Markt zu bringen. Importeure unterboten die Preise grundsätzlich nicht.
Allerdings führte die breitere Verfügbarkeit von Luxuskarossen dazu, dass Firmen wie Mercedes und Cadillac über Zeit Umsätze und Marktanteile an ihre Wettbewerber abgeben mussten – und umgekehrt. Die für die Aufrechterhaltung der Premiumstrateige erforderlichen Fixkosten, also Kosten für Produktentwicklung, Marketing, Händler- und Werkstatt-Netzwerke blieben allerdings mehr oder weniger stabil.
Als Resultat erhöhten sich die Fixkosten je produziertem bzw. verkauftem Auto und die Margen gingen zurück. Mercedes verkaufte also auf einmal erstens weniger Autos und diese zweitens – aufgrund der Fixkosten – mit einer geringeren spezifischen Marge.
Und das alles trotz teils sehr deutlicher Differenzierung der Produkte vom Wettbewerb.
Der Prozess – Preise bleiben stabil, Umsätze bzw. Mengen sinken, Fixkosten je verkaufter Einheit nehmen zu – unterscheidet sich also von einem rein preisgetriebenen Commodity-Markt. Das Ergebnis, also der Effekt auf die Profitabilität, ist aber am Ende der Gleiche.
Implikationen: Effizienz ist wichtig
Im Falle reiner Commodity-Märkte wie Stahl oder Aluminium ist intuitiv bereits klar, dass Kosteneffizienz essentiell für das Überleben der Unternehmen in der Industrie ist, da der Marktpreis immer von den effizientesten Produzenten bestimmt wird.
Produktdifferenzierung erzeugt nun zusätzliche Kosten. Um ihr Angebot von dem der Wettbewerber abzugrenzen, müssen die Unternehmen ja in Werbung, Produktentwicklung, Vertriebs- und Servicemitarbeiter, spezialisierte Einkaufsabteilungen, Distributionskanäle etc. investieren. Soweit auch klar.
Wenn sie allerdings nicht in der Lage sind, diese Funktionen kosteneffizient im Unternehmen bereitzustellen, dann werden – analog zu den Commodity-Märkten – die besser aufgestellten Wettbewerber über Zeit die Nase vorn haben. Sofern diese dann weiter investieren und ihre Kapazitäten weiter ausbauen, kann das schnell zu einer Abwärtsspirale für die weniger effizienten Firmen führen, die dann im schlimmsten Fall sogar in einer Insolvenz enden kann (siehe z.B. General Motors und seine Premiummarke Cadillac).
Zusammenfassung und Fazit
Aufgrund fehlender Markteintrittsbarrieren erzielen auch Unternehmen mit stark differenzierten Produkten (z.B. Autos im Premiumsegment) keine überdurchschnittlichen Margen.
Im Gegensatz zu reinen Commodities wie Stahl oder Aluminium findet die Margenerosion für differenzierte Produkte allerdings über zurückgehende Mengen und Fixkostenprogression statt.
Kosteneffizienz ist daher für differenzierte Produkte ebenso wichtig wie für reine Commodities, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Weitere Ressourcen
Ein sehr gutes Buch zum Thema Strategie und Analyse von Wettbewerbsvorteilen kommt von Bruce Greenwald, dem Autor von Value Investing:
Die Unterscheidung zwischen Differenzierung und Markteintrittsbarrieren wird auch in seinem Buch Competition Demystified detailliert beschrieben.