Im Laufe der Zeit habe ich bereits so einige Bücher zum Thema Investing gelesen (und natürlich auch viel darüber in meinem Studium für die CFA Charter gelernt). Für mich war immer klar, dass Value Investing die intelligenteste und spannendste Art des Investierens ist. Das kann ich direkt verstehen. Wir investieren eigentlich in Unternehmen, deren Geschäftsmodelle, die Menschen, die dort arbeiten etc. Nicht ganz so klar waren für mich aber immer die ganzen anderen Ansätze wie Momentum- oder Growth Investing… und vor allem die Abgrenzung zum Value Investing.
Ich glaube eine der besten und klarsten Beschreibungen der verschiedenen Investment-Stile kommt von Howard Marks, dem Gründer von Oaktree Capital. In seinem Buch The Most Important Thing Illuminated widmet er dem Thema ein kleines Kapitel.
In diesem Artikel habe ich einmal die wesentlichen Unterscheidungen und Definitionen aus Howard Marks’ Buch für euch zusammengefasst.
Technische Analyse versus Fundamentalanalyse
Etwas vereinfacht können zunächst mal alle Investment-Ansätze grob einer von zwei Schulen zugeordnet werden:
- der Analyse der Charakteristika eines Unternehmens oder “Fundamentals”
- der Analyse des Preisverhaltens des dem Unternehmen zugehörigen Wertpapiers (also des Aktienkurses)
Mit anderen Worten: Wir als Investoren haben im Wesentlichen zwei Optionen. Wir können erstens den intrinsischen Wert eines Unternehmens ermitteln und eine Aktie kaufen bzw. verkaufen, wenn der Preis von diesem intrinsischen Wert nach oben oder nach unten abweicht. Oder wir können unsere Kaufentscheidungen zweitens auf Basis unserer Erwartungen über die zukünftige Entwicklung des Aktienkurses treffen.
Technische Analyse
Die technische Analyse, so wird das Treffen von Entscheidungen auf Basis der historischen Aktienkursentwicklung auch genannt, ist allerdings laut Marks in etwa so, als würden wir eine Münze werfen: Auch wenn der Münzwurf die letzten 10 mal “Kopf” angezeigt hat, ist die Wahrscheinlichkeit für “Kopf” beim nächsten Wurf nach wie vor “nur” bei 50%.
Das heißt mit anderen Worten: Die Ergebnisse der Vergangenheit bestimmen nicht das Ergebnis der Zukunft.
Oder auf den Aktienkontext übertragen: Die historische und die zukünftige Preisentwicklung sind voneinander unabhängig und wir können nicht das eine nutzen, um das andere zu prognostizieren.
In diesem Zusammenhang verweist Marks auf die Random Walk Hypothese von Professor Eugene Fama. Dieser hatte bereits in den 1960er Jahren empirisch gezeigt, dass zwischen historischen und zukünftigen Preisbewegungen kein statistischer Zusammenhang besteht.
Momentum Investing
Eine weitere Unterart der technischen Analyse ist das Momentum Investing. Eine Aktie, deren Preis bereits längere Zeit angestiegen ist, wird weiterhin steigen. So die Annahme der Momentum Investoren.
Mit dieser Annahme liegt die Theorie des Momentum Investing meiner Meinung nach nicht ganz so falsch. Tatsächlich ist es ja so, dass unser Herdentrieb und andere menschliche Verhaltensmuster oft dazu führen, dass Preise so weit steigen, dass dafür eigentlich keine fundamentale Logik mehr besteht (weil wir unbedingt dabei sein wollen und nicht die einzigen sein wollen, die eine tolle Gelegenheit verpassen). So entstehen dann Blasen.
Und hier liegt laut Marks auch die große Problematik des Momentum Investing: Wie entscheidet ein Momentum Investor, wann er aussteigen soll?
Aus dieser Logik heraus entstand auch das so genannte Day Trading, bei dem Investoren mehrmals am Tag Aktien kaufen und wieder verkaufen (und eigentlich nie über Nacht halten).
Ein erfolgreicher Day Trader würde eine Aktie für 10 EUR kaufen und für 11 EUR am gleichen Tag wieder verkaufen. Eine Woche später würde er die gleiche Aktie vielleicht für 29 EUR zurückkaufen und für 30 EUR wieder verkaufen. Und so weiter. So kann es dann passieren, dass ein Day Trader z.B. 2 EUR Gewinn mit einer Aktie macht, die eigentlich um 20 EUR angestiegen ist.
Dies scheint aus Howard Marks’ Sicht nicht besonders sinnvoll zu sein. Da macht es schon viel mehr Sinn, sich die Fundamentaldaten eines Unternehmens anzusehen.
Fundamentalanalyse oder Value vs. Growth
Die Fundamentalanalyse basiert, wie der Name schon sagt, auf der Analyse der Fundamentaldaten eines Unternehmens. Auch hier können wir zwischen zwei Unterarten unterscheiden:
- dem Value Investing. Investoren versuchen den aktuellen intrinsischen Wert eines Unternehmens abzuschätzen und kaufen, wenn der aktuelle Preis (signifikant) unter diesem Wert liegt
- dem Growth Investing. Investoren versuchen, diejenigen Aktien zu identifizieren, deren Wert in der Zukunft stark zunehmen wird. Diese Wachstumsaktien können auf Basis des derzeitigen Wertes relativ hoch bewertet sein. Viele machen keinen oder nur einen geringen Gewinn und haben z.B. P/E Ratios von 30-50. Growth Investoren glauben also, dass die Gewinne (und somit der Wert) in Zukunft stark genug steigen wird, um zu einer substantiellen Preissteigerung zu führen
Die wirkliche Unterscheidung besteht laut Howard Marks deshalb nicht zwischen Value Investing und Growth Investing. Stattdessen geht es um die Einschätzung des Wertes heute (Value Investor) und in Zukunft (Growth Investor).
Allerdings ist auch diese Trennung nicht ganz scharf, denn auch der Value Investor muss sich Gedanken über die zukünftige Entwicklung des analysierten Unternehmens machen.
Auch Warren Buffett sieht Wachstum nur als ein Puzzleteil, um den intrinsischen Wert abzuschätzen. Anstatt eine Aktie vereinfachend als “Growth” oder “Value” zu klassifizieren, sollten Investoren laut Buffett eher einen ganzheitlichen Investment-Ansatz verfolgen und jeden Aspekt einer Investment-Gelegenheit beleuchten.
Value Investing
Value Investoren suchen ja wie gesagt nach unterbewerteten Aktien. Also nach Unternehmen, deren intrinsischer Wert (weit) unter dem Marktwert (dem Aktienkurs) liegt. Den intrinsischen Wert bestimmen Value Investoren mithilfe einer Analyse der Fundamentaldaten – Geschäftsmodell, Wettbewerbsvorteil, Qualität des Managements, finanzielle Position etc.
Value Investing macht sich in vielen Fällen die Irrationalität bzw. die Ineffizienz des Marktes zunutze. Speziell die Tatsache, dass der Markt oft überzogen auf negative Neuigkeiten oder Quartalsberichte reagiert, eröffnet oft gute Investment-Gelegenheiten.
Im Gegensatz zum Growth Investing kann ein Investor deshalb mit dem Value Investing Ansatz laut Marks konsistent gute Ergebnisse erzielen… was natürlich nicht heißt, dass es einfach wäre.
It’s simple but not easy. – Warren Buffett
Zum einen hängt der Erfolg des Value Investors stark von der Genauigkeit der Abschätzung des intrinsischen Wertes ab. Gibt es keine akkurate Abschätzung des intrinsischen Wertes, dann werden wir typischerweise eher zu viel als zu wenig für eine Aktie bezahlen. In solchen Fällen braucht es dann schon ein besseres Marktumfeld, einen überraschenden Wertzuwachs oder einen noch weniger wählerischen Investor, um uns rauszuhauen.
Zum anderen ist es auch nicht gerade einfach, eine einmal auf Basis des Value Ansatzes entwickelte Meinung über den Wert einer Aktie aufrecht zu erhalten. Denn zum richtigen Ergebnis zu kommen heißt in der Welt des Investierens noch lange nicht, dass wir auch direkt erfahren, ob wir tatsächlich richtig liegen. Oft können Monate, ja sogar Jahre vergehen, bis unsere Value Investing Strategie sich entfaltet.
Oft kaufen wir sogar gerade in der Mitte eines Negativtrends, der noch weitergeht. Das heißt schon bald sind ein paar Verluste aufgelaufen. Die Aktie, die wir für 60 EUR gekauft und mit 80 EUR bewertet hatten, ist auf einmal nur noch 50 EUR wert. Was tun?
Being too far ahead of your time is indistinguishable from being wrong.
Neben einer starken Überzeugung, dass die Ergebnisse der eigenen Analyse richtig sind, ist also vor allem ein langer Atem gefragt.
Fazit
Alles in allem kommt Howard Marks zu dem Schluss, dass Value Investing die einzig wahre Art des Investierens ist. Als Value Investoren nehmen wir erstens die Position eines Miteigentümers eines Unternehmens ein und können zweitens bei konsequenter Verfolgung des Value Investing Ansatzes konsistent gute Ergebnisse erzielen.
Nichtsdestotrotz ist Value Investing nur von der Theorie her einfach. Die Abschätzung des intrinsischen Wertes und auch die innere Stärke und Überzeugung, dass die eigene Meinung die richtige ist, sind die größten Hürden für erfolgreiches Value Investing.