Viele Unternehmen speziell aus der “Old Economy”, d.h. Unternehmen aus den traditionellen Verarbeitungsbranchen (z.B. Auto, Chemie, Anlagenbau, Rohstofferezeugung), müssen heutzutage sehr schlank aufgestellt sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben, speziell wenn sie einen großen Teil ihrer Produktionsanlagen noch hierzulande betreiben. Aus diesem Grund legen sie in regelmäßigen Abständen Kostenprogramme auf, mithilfe derer sie effizienter werden möchten.
Daher liegt es auch nahe, dass wir aus Investorensicht einmal verstehen möchten, wie erfolgreich ein Unternehmen mit seinen Sparmaßnahmen eigentlich ist bzw. ob das Management die richtige Unternehmenskultur etabliert hat, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Hier bietet nun das Buch Double Your Profits in 6 Months or Less von Bob Fifer einen sehr guten Anhaltspunkt, wobei ihr den Titel allerdings nicht missverstehen solltet! Dieses Buch richtet sich nicht primär an kleine Unternehmen oder vielleicht sogar an Startups. Im Gegenteil.
Nach der Veröffentlichung im Jahr 1995 wurde Double Your Profits schnell zur Kosten-Bibel für viele Fortune 500 Unternehmen, inkl. des damals von Jack Welch geleiteten General Electric. Jack Welch persönlich soll damals mehr als 100 Exemplare des Buchs gekauft und an seine Manager verteilt haben. Noch heute nutzen Private Equity Firmen wie z.B. 3G Capital dieses Buch mutmaßlich als Blueprint für die erste Zeit nach der Übernahme einer neuen Beteiligung.
In diesem Artikel möchte ich euch einmal einen kurzen Überblick über die wesentlichen Inhalte des Buches geben.
Double Your Profits: Übersicht
Das Tolle an Double Your Profits ist, dass es sich dabei nicht um ein wissenschaftliches Buch handelt, sondern im Gegenteil eher um ein eher leicht geschriebenes, typisch amerikanisches Businessbuch… heißt in zwei bis drei Tagen habt ihr das durch. Das allerdings sehe ich zumindest aus der Investorenperspektive eher als Vorteil an.
Konkrete Tools zur Kostensenkung in der Produktion wie z.B. Ichikawa oder SMED (Single Minute Exchange of Dies) sucht ihr dem entsprechend in diesem Buch auch vergebens.
Stattdessen ist Double Your Profits in 78 plakative Schritte eingeteilt, die ein Management-Team auf dem Weg zum schlank aufgestellten Unternehmen durchlaufen sollte. Diese 78 Schritte werden im Buch drei größeren Abschnitten zugeordnet (und zwar in genau der Reihenfolge):
- Die richtige Unternehmenskultur etablieren (Creating the Culture)
- Kosten senken (Cutting Cost)
- Umsätze steigern (Increasing Sales)
Im Folgenden möchte ich einmal ein paar der wesentlichen Learnings zusammenfassen, die mir vom Lesen noch in Erinnerung geblieben sind.
Die richtige Kultur etablieren
Hierbei geht es unter anderem darum, welche grundsätzliche Haltung in eine Organisation kommuniziert werden soll bzw. welche kulturellen “Enabler” erforderlich sind, um nachhaltig eine günstige Kostenstruktur zu gewährleisten.
Vor allem im Gedächtnis geblieben sind mir die folgenden Themen:
- Strategische versus nicht-strategische Kosten: Grundsätzlich sollten strategische Kosten, d.h. Kosten die auf die Bottom Line einzahlen wie z.B. Vertrieb und Marketing oder auch (kommerzialisierbare) Forschung & Entwicklung, maximiert bzw. jedenfalls nicht gekürzt werden. Auf der anderen Seite sollten die so genannten nicht-strategischen Kosten, d.h. administrative Kosten, Rechtskosten, Buchhaltung, Büroausstattung, Berater etc. etc., soweit wie möglich reduziert werden. Die Verletzung dieses wesentlichen Prinzips wurde oft auch als Grund benannt, warum 3G bei Kraft Heinz bisher nicht besonders erfolgreich war
- Prozesse versus Resultate: Viele Organisationen fokussieren zu stark auf die Ausgestaltung der Ablauforganisation, d.h. im Wesentlichen auf unternehmerische Prozesse (Total Quality Management, strategische Planung etc.). Auch wenn die Prozesse an sich grundsätzlich natürlich ihre Berechtigung haben, steht der Aufwand und die Ressourcen, die in die Ausgestaltung dieser Prozesse gesteckt werden (oft auch mithilfe von externen Beratern), meist in keinem Verhältnis zum Effekt auf das, was unter dem Strich für das Unternehmen übrig bleibt
- Nicht alles Erdenkliche für den Kunden tun: Viele Unternehmen tun alles Erdenkliche, um die Bedürfnisse des Kunden zu befriedigen, denken dabei aber nicht an die zusätzlich entstehenden Kosten. Aus diesem Grund ist es essentiell, sich nur auf diejenigen Differenzierungmerkmale zu fokussieren, für die der Kunde auch tatsächlich zu zahlen bereit ist
Ich denke zu diesen Themen können wir bei genauem Hinhören Einiges aus den verschiedenen Earnings Calls und Präsentationen des Managements erfahren und uns ein Bild über die Herangehensweise des Vorstands machen.
Kosten senken und Umsätze steigern
Im zweiten und dritten Teil des Buches geht es dann um konkrete Mittel und Wege, um die oben beschriebenen nicht-strategischen Kosten zu reduzieren. Fifer gibt außerdem ein paar Ansätze zur Umsatzsteigerung.
Zu Beginn gibt Fifer ein paar generelle Hinweise zur Kostenreduktion, die mindestens erwähnenswert sind:
- Es sollte keine Ausnahmen geben bzgl. der Kosten, die reduziert werden können. Kein Kostenblock ist tabu, sei er auch noch so klein
- Im Zweifel sollten Kosten erstmal gekürzt werden, ohne alles im Detail zu hinterfragen. Viele Manager finden recht schnell gute Begründungen, warum bestimmte Kosten unter keinen Umständen gekürzt werden dürfen… Fragen kann man später immernoch stellen
- Es sollten ambitionierte Budgets für die einzelnen Funktionen festgelegt werden. Wenn ein Manager dieses aus bestimmten Gründen nicht einhalten kann, muss er persönlich beim Vorstand vorsprechen und alles detailliert darlegen
- Mitarbeiter sind in der Regel viel anpassungsfähiger als gedacht, das sollte also keine Ausrede für Veränderungen darstellen
- Jede Runde an Kostensenkungen sollte sich nahtlos an die vorherige Runde anschließen. Alle 3-5 Jahre mal ein Kostenprogramm ist für eine nachhaltige Kulturveränderung nicht ausreichend
Hier ein paar Beispiele für konkretere Themen, die in diesem Teil des Buches behandelt werden:
- Einkauf: Einer der wichtigsten Kostenhebel ist der Einkauf. Hierzu nennt Fifer eine ganze Reihe konkreter Maßnahmen, u.a. die Verhandlungsführung durch einen “Bad Guy” und nicht den Account-Manager selbst sowie regelmäßige Ausschreibungen
- R&D: Die Reduktion der Ausgaben für Forschung & Entwicklung ist ein heikles Thema. Ein wesentlicher Aspekt ist zunächst die Einteilung der Forschungsausgaben in verschiedene Blöcke (Basisforschung, verbesserte und neue Produkte, neue Prozesse, Forschung gemeinsam mit den Kunden). Die größten Beträge sollten tendenziell in die gemeinsame Forschung sowie in neue Prozesse, die geringsten in Basisforschung investiert werden
- Bürofläche: Die Büros sind oft viel zu großzügig ausgelegt, sodass durch eine Einsparung der Bürofläche viel getan werden kann. Hier sollte das Management mit gutem Beispiel vorangehen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Büros, Limousinen mit Fahrer etc. uns einen Anhaltspunkt über die Kostenkultur in einem Unternehmen geben können
- Meetings: Es sollte nur Entscheidungsmeetings und keine Diskussionsmeetings geben. Die Meetings sollten so kurz wie möglich sein und es sollten so wenig Mitarbeiter wie möglich daran teilnehmen. Ein guter Manager kann laut Fifer bis zu 30 Meetings am Tag durchführen und somit 30 Entscheidungen treffen
- Personal: Meist sind 25-50% der Mitarbeiter in den so genannten Corporate Functions (Legal, HR, Accounting, Finanzen etc.) überflüssig. Hier sollte zuerst angesetzt werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Kosten nicht durch eine Zunahme von Fremdleistungen an anderer Stelle wieder auftauchen
- Kündigungen: Kein exzellentes Unternehmen kommt ohne regelmäßige Kündigungen aus (“If you never fire an employee, you can’t have an excellent business.”), weil in der Regel weder schlechte Performance geahndet, noch gute Performance belohnt wird… gute Mitarbeiter werden über die Zeit ihre Leistung reduzieren, wenn sie sehen, dass schlechte Performance keine Konsequenzen hat. Ein Unternehmen, das Kosten senkt, ohne auch betriebsbedingt zu kündigen (z.B. ausschließlich über Altersteilzeit etc.), hat oft ein solches Problem
- Working Capital: Auch die Optimierung des Working Capital, d.h. die Reduktion von Lagerbeständen und Zahlungezielen auf der Forderungsseite werden natürlich im Buch behandelt
Zugegebenermaßen spielen sich viele der genannten Aspekte unterhalb der Sichtbarkeitsgrenze des Investors ab und sind deshalb für uns nicht wirklich überprüfbar. Es gibt aber einige relevante Informationen, die wir sehr wohl aus den Jahresabschlüssen und Finanzkennzahlen ablesen können. Dazu gehören z.B. die Entwicklung von Lagerreichweiten und Zahlungszielen (sowohl auf der Verkaufs-, als auch auf der Einkaufsseite) mithilfe des Cash Conversion Cycle.
Oft sind einzelne Anhaltspunkte übrigens symptomatisch für die gesamte Organisation.
Double Your Profits: Wesentliche Take Aways
Double Your Profits ist aus meiner Sicht ein exzellentes Buch, das einmal kurz und knapp die wesentlichen Hebel zur Kostenreduktion darstellt.
Die Inhalte sind auch mehr als 20 Jahre nach der Veröffentlichung des Buches immernoch aktuell… und in der aktuellen Situation vieler deutscher Industrieunternehmen mehr denn je relevant.
Aus Investorensicht bietet das Buch aus meiner Sicht viele Anhaltspunkte für eine “Outside-In” Überprüfung der Kostenkultur und des Management-Ansatzes.
Über den Autor
Bob Fifer war Chairman und CEO von Kaiser Associates, einer US-amerikanischen Management-Beratung, die sich sehr früh auf die Profitabilitätssteigerung in Unternehmen spezialisiert hat.
Die Philosophie von Kaiser Associates war dem entsprechend ganz simpel:
We can double the profits of any business or company in six months or less.
Zu den Klienten gehörte damals mehr als Hundert der Fortune 500 Unternehmen (inkl. Jack Welch’s General Electric) sowie unzählige kleinere Firmen, die Kaiser’s Hilfe bei der Verbesserung der Bottom Line in Anspruch nahmen.
Bob Fifer selbst wuchs in New York auf und machte seinen Abschluss in Economics am Harvard College. Im Jahr 1977 schloss er die Harvard Business School mit seinem MBA ab und arbeitete anschließend ein paar Jahre bei den Strategic Planning Associates, bevor er 1982 als vierter Angestellter bei Kaiser Associates einstieg. Drei Jahre später wurde er mit 29 Jahren zum Partner und CEO der Firma ernannt.
Im Jahr 2000 verkaufte er Kaiser Associates und gründete anschließend eine weitere Beratungsfirma.