When the Wolves Bite: Two Billionaires, One Company, and an Epic Wall Street Battle von Scott Wapner ist ein Buch ganz in der Tradition von The Big Short, Barbarians at the Gate oder Fooling Some People All fo the Time… also eine spannende Story rund um einen realen Investment Case (in diesem Fall einen Leerverkauf), bei dem die Standpunkte der Hauptdarsteller unterschiedlich nicht hätten sein könnten.
Die Hauptdarsteller, das waren in diesem Fall keine geringeren als die Hedge Fonds Legenden Carl Icahn (auf der Long-Seite) und Bill Ackman (auf der Short-Seite).
Im Folgenden möchte ich euch einmal eine Grobzusammenfassung der Inhalte von When the Wolves Bite geben. Diese soll allerdings nur als Vorgeschmack dienen und kann natürlich in keiner Weise die doch sehr spannende Lektüre des Buches ersetzen. 🙂
Autor Scott Wapner, damals als Moderator des Halftime Reports auf CNBC direkt in das Thema involviert, hat nämlich während und nach den im Buch geschilderten Ereignissen quasi von Berufs wegen des Öfteren sowohl mit Icahn und Ackman, als auch mit vielen weiteren Protagonisten direkt gesprochen… die Schilderungen kommen also tatsächlich aus erster Hand.
Aber worum (d.h. um welches Unternehmen) ging es denn eigentlich genau?
Das Unternehmen und der Vorwurf: Herbalife ein Ponzi-Scheme?
In When the Wolves Bite geht es um eine der größten Short-Attacken in der Geschichte der Wall Street.
Ziel war Herbalife, ein MLM-Unternehmen (MLM steht für Multi-Level-Marketing), welches Nahrungsergänzungsmittel etc. über einen ausgeklügelten Direktvertrieb verkaufte bzw. immernoch verkauft.
Das Geschäftsmodell von Herbalife basierte vor allem darauf, dass die so genannten Distributoren, also im Wesentlichen die auf selbständiger Basis agierenden Vertriebler von Herbalife, auch und vor allem dafür kompensiert wurden, dass sie weitere Distributoren akquirierten und ins System holten.
Die These, auf der Bill Ackman, seines Zeichens Hauptdarsteller Nummer 1, sein Short-Engagement aufbaute, besagte nun, dass die Umsätze von Herbalife zum Großteil nicht auf tatsächliche Verkäufe an echte Kunden zurückzuführen waren, sondern dass es sich bei diesen stattdessen größtenteils um die Ersteindeckung neu angeworbener Distributoren handelte (die allerdings anschließend auf ihren Produkten sitzenblieben und diese über Ebay quasi verschenken mussten, weil es keine echten Kunden dafür gab).
Ein klassisches Schneeball-System also (im Englischen Ponzi-Scheme genannt), bei dem die ersten Distributoren sehr viel Geld verdienten (teilweise Millionen), die später hinzugekommenen allerdings oft ihr gesamtes Erspartes mit dem Erwerb quasi unverkäuflicher Produkte verloren. Handelte es sich um so ein System, dann könnte dies quasi per Definition nicht unendlich lange aufrechterhalten werden.
In der Vergangenheit wurden solche MLM-Unternehmen darüber hinaus bereits des Öfteren von der FTC (der Federal Trade Commission) ins Visier genommen und in einigen Fällen sogar aus dem Verkehr gezogen. So vermutlich mindestens teilweise auch Ackmans Kalkül bei Herbalife.
This is the highest conviction I’ve ever had about any investment I’ve ever made. – Bill Ackman
Allerdings war Herbalife seit über 30 Jahren am Markt und nie Bestandteil konkreter Ermittlungen gewesen… und wie aus anderen Fällen bekannt (siehe z.B. Einhorn’s Short von Allied Capital), folgen die zuständigen Behörden im Zweifelsfall externen Hinweisen nur sehr schleppend (wenn überhaupt).
Die These stand also auf etwas wackeligen Beinen… was schlussendlich auch Carl Icahn und andere auf den Plan rief.
Aber nochmal einen kleinen Schritt zurück.
Vorgeschichte
Zu den im Buch beschriebenen Ereignissen gab es auch eine relevante Vorgeschichte.
Zum einen hatte Bill Ackman einmal mit einem missglückten Investment in den Einzelhändler Target relativ viel Kapital verloren (mehr als 500 Mio. USD), welches er unter anderem auch von anderen bekannten Hedge Fonds Managern eingeworben hatte (u.a. Daniel Loeb).
Zum anderen war er in eine gerichtliche Auseinandersetzung mit Carl Icahn involviert, in der es um eine Vertragsverletzung seitens Carl Icahn und eine Kompensationszahlung in Höhe von ca. 9 Mio. USD ging (dies hatte zu tun mit einem Deal rund um Hallwood Realty).
Als Resultat waren weder Icahn noch Loeb besonders gut auf Ackman zu sprechen.
It’s no secret to the world and Wall Street that … I don’t like Ackman. – Carl Icahn
Die Herbalife Short-Idee
Die ganze Sache nahm ihren Anfang, als die spezialisierte Research-Firma Indago Group die Herbalife Short-Idee an eine Reihe bekannter Wall Street Adressen schickte, unter anderem auch an Bill Ackman.
Dieser war von Anfang an hin und her gerissen, was die Idee anging.
Als dann allerdings David Einhorn (Gründer von Greenlight Capital und außerdem Autor des Buches Fooling Some of the People All the Time) im Herebalife Earnings Call die Frage nach dem prozentualen Anteil “echter” Verkäufe, also von Verkäufen an richtige Kunden und nicht an Distributoren, stellte, entschied Ackman sich dazu, das Ganze doch noch etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Allein die Frage bzw. das Auftreten von David Einhorn im Herbalife Earnings Call führte übrigens fast unmittelbar zu einem zweistelligen Einbruch des Aktienkurses.
Ackman’s Pershing Square shortet Herbalife
Nach einer sehr umfangreichen Analyse unternahm Ackman dann im Folgenden zwei Dinge (das war im Dezember 2012):
- Er verkaufte die Herbalife Aktie im großen Maßstab leer (er ging also short)
- Er nutzte einen eigens organisierten Special Event der Sohn Conference (ein Format, bei dem bereits viele andere Hedge Fonds Manager ihre Short-Ideen präsentiert hatten, u.a. David Einhorn den Allied Capital Case), um in einer über dreistündigen Präsentation die anwesenden Investoren von seiner Idee zu überzeugen
Einhorn hatte das Thema Herbalife übrigens nicht aufgegriffen (wie von vielen – auch Ackman – erwartet), sondern als zu risikoreich empfunden und beiseite gelegt.
Vermutlich ging Ackman nach seinem Pitch bei der Sohn Conference davon aus, dass ihm unter Umständen einige andere Investoren folgen und ebenfalls eine Short Position aufbauen würden.
Loeb und Icahn mit Gegenpositionen
Tatsächlich aber war das Gegenteil der Fall, d.h. einige Investoren nutzten den durch Ackman verursachten weiteren Kursrutsch lieber zum Einstieg auf der Long-Seite.
Nachdem sich zunächst ein paar kleine Hedge Fonds positiv über Herbalife geäußert hatten und eine Long-Position eingegangen waren, war es vor allem Daniel Loeb’s Firma Third Point, die Ackman mit einer 13F-Pflichtmitteilung und einem Anteil an Herbalife von über 8% schockte (der Kaufkurs lag offenbar unterhalb der 30 USD Marke).
Kurze Zeit später wurde öffentlich, dass auch Carl Icahn eine substantielle Long-Position aufgebaut hatte und damit gegen Bill Ackman wettete.
In einem Streitgespräch bei CNBC (Ackman gegen Icahn) wurde dann offensichtlich, dass die beiden nicht nur geschäftlich auf unterschiedlichen Seiten standen, sondern auch persönlich größere Differenzen existierten… laut der Aussage im Buch hatte damals während des CNBC-Interviews so gut wie kein Handel stattgefunden, weil quasi alle Händler das Interview live verfolgten.
Zu einem späteren Zeitpunkt stiegen dann noch weitere Player ein und kauften Herbalife Aktien. Insbesondere zu erwähnen ist hier der Fonds von George Soros, der einen Anteil knapp unterhalb der Meldeschwelle von 5% einkaufte.
Um Ackman’s These des Schneeballsystems zu prüfen, führte der zuständige Portfoliomanager Paul Sohn eine umfangreiche (und repräsentative) Umfrage durch, die offenbar eine substantielle “echte” Nachfrage nach den Herbalife Produkten belegte.
Bekannt wurde außerdem das folgende und vielsagende Zitat von Sohn:
George Soros broke the Bank of England […] George Soros can break the back of Ackman. – Paul Sohn
Da Herbalife zwischenzeitlich auch gleich mehrere gute Quartalsergebnisse veröffentlicht hatte, erholte sich der Aktienkurs von Herbalife entsprechend schnell, sodass Bill Ackman auf einmal einen substantiellen Papierverlust für seine Position zu verzeichnen hatte.
Loeb war inzwischen bereits wieder ausgestiegen, Icahn allerdings hielt an seiner Position fest und brachte stellenweise sogar eine Komplettübernahme von Herbalife ins Gespräch (eine von ihm bereits in der Vergangenheit des Öfteren angewandte Taktik).
FTC Ermittlung und Auflagen für Herbalife
Da das System bisher nicht von selbst in sich zusammengebrochen war (und auch keine entsprechenden Anzeichen darauf hindeuteten), bestand Ackman’s einzige Aussicht auf Erfolg im Wesentlichen darin, die Behörden (FTC, DOJ, FBI) zu einer Untersuchung der Vorgänge bei Herbalife zu bewegen.
Dem entsprechend startete er eine umfangreiche Lobbying-Kampagne, um vor allem Politiker davon zu überzeugen, der Sache nachzugehen (ein Schneeballsystem, dem viele Menschen vor allem aus unteren Einkommensschichten zum Opfer fielen, war natürlich für viele Politiker ein gefundenes Fressen).
Tatsächlich führte die Strategie nach einiger Zeit zum Erfolg und sowohl die FTC als auch das FBI leiteten Anfang 2014 eine entsprechende Untersuchung ein.
Zwar führte die FTC Ermittlung im Jahr 2016 zunächst “nur” zu einer Geldstrafe bzw. einem Vergleich in Höhe von 200 Mio. USD. Allerdings gab es darüber hinaus konkrete und harte Auflagen, die das Unternehmen zukünftig erfüllen musste.
Zu diesen Auflagen gehörte unter anderem die Erbringung konkreter Nachweise für die Existenz echter Endkundenumsätze für einen Zeitraum von 8 Jahren (inkl. externer Überwachung) sowie die Verpflichtung der Distributoren, sich vornehmlich mit Endkundenverkäufen und nicht mit der Akquise neuer Vertriebler zu befassen… Maßnahmen also, die das Kartenhaus – falls existent – mittelfristig doch noch zum Einsturz bringen könnten.
Ausstieg?
Tatsächlich ist nicht ganz klar, ob und wann Bill Ackman seine Short-Position vollständig aufgelöst hat. Nachdem andere Investments (unter anderem ein Long-Investment in Valeant Pharmaceuticals) einen immer größeren Teil seiner Aufmerksamkeit erforderten, entschied sich Ackman dazu, zu seiner Herbalife Position nicht mehr öffentlich Stellung zu nehmen.
Mit einiger Sicherheit lässt sich allerdings schlussfolgern, dass Ackman mit dem Herbalife Short substantielle Verluste für seine Investoren bei Pershing Square eingefahren hat.