Margin of Safety – Das Konzept der Sicherheitsmarge

Margin of Safety

Inhalt

Margin of Safety - Sicherheitsmarge

Das Konzept der Sicherheitsmarge ist eins der wichtigsten Konzepte des Value Investing und wurde zuerst im Jahr 1934 im Buch “Security Analysis” von Benjamin Graham vorgestellt. In Graham’s zweitem bekannten Buch “The Intelligent Investor” (im deutschen “Intelligent Investieren”) widmet Graham der Sicherheitsmarge ein ganzes Kapitel (Kapitel 20) und nennt sie frei übersetzt das “zentrale Konzept des Investierens”. Praktisch alle bekannten und erfolgreichen Value-Investoren haben das Konzept der Sicherheitsmarge übernommen. Wie Warren Buffett so schön sagte:

Rule No. 1: Never lose money. Rule No. 2: Never forget rule No. 1 – Warren Buffett

Was du in diesem Artikel lernst

  • Was die Sicherheitsmarge ist
  • Warum Margin of Safety und Diversifikation eng zusammenhängen
  • Wie hoch deine Sicherheitsmarge sein sollte bzw. wie du die Höhe der Sicherheitsmarge festlegst

Was ist die Sicherheitsmarge?

Ben Graham beschreibt die Sicherheitsmarge zunächst am Beispiel einer Anleihe, also eines festverzinslichen Wertpapiers: Um hier ein Investment Grade Rating zu erhalten, muss ein Unternehmen nicht einfach nur seine Zinsen in der Vergangenheit immer gezahlt haben. Es gibt darüber hinaus Anforderungen, die z.B. besagen, dass das Unternehmen regelmäßig das x-fache (z.B. wie in Graham’s Buch das 5-fache) seiner Zinsen erwirtschaften muss, damit die Sicherheit als ausreichend hoch angesehen werden kann, um anzunehmen, dass das Unternehmen nicht in Zahlungsschwierigkeiten kommen wird (Investment Grade).

Intelligent Investieren - Benjamin Graham

Alternativ werden auch oft Unternehmenswert und Schulden miteinander verglichen: Wenn ein Unternehmen ca. 30 Mio. EUR wert ist, z.B. weil es recht neue Produktionsanlagen hat, aber nur 10 Mio. EUR Schulden hat, dann können wir auch von einer Sicherheitsmarge sprechen. Die Schulden können im Zweifel mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Verkauf der Maschinen komplett getilgt werden.

Natürlich spielt hier auch die Unsicherheit über die zukünftigen Erträge eines Unternehmens eine Rolle. Wüssten wir mit großer Sicherheit, wie die Gewinne in Zukunft aussehen werden, dann könnten wir mit einer viel geringeren Sicherheitsmarge leben.


Die Sicherheitsmarge für eine Aktie

Analog beschreibt Ben Graham die Sicherheitsmarge für Aktien. Er spricht von einer Sicherheitsmarge, wenn es einen vorteilhaften Unterschied zwischen dem Aktienkurs eines Unternehmens und dem vom Investor abgeschätzten Unternehmenswert bzw. dem inneren Wert (Intrinsic Value) der Aktie gibt. Vorteilhaft bezieht sich natürlich auf die Konstellation, in der der Aktienkurs unter dem Unternehmenswert liegt.

Um den inneren Wert einer Aktie abzuschätzen, gibt es verschiedenste Möglichkeiten. Diese reichen von der reinen Bilanzanalyse z.B über Kurs/Buchwert- oder Kurs/Net Cash-Verhältnisse bis hin zu Gewinn-basierten Analysen über KGVs oder DCF-Bewertungen.

Die Sicherheitsmarge ist also dazu da, um die negativen Effekte von Fehlern in unserer Kalkulation oder unserer Einschätzung oder auch einfach die Effekte ungünstiger Marktbewegungen aufzufangen.

Bei Investitionen mit großer Sicherheitsmarge ist zwar die Wahrscheinlichkeit eines Gewinn höher. Trotz Sicherheitsmarge können bei einzelnen Aktien aber natürlich trotzdem Verluste auftreten. Schlussendlich werden wir immer wieder Fehler machen und Unternehmen falsch einschätzen, einen Risikofaktor übersehen oder Ähnliches. Die Sicherheitsmarge ist dazu da, das Risiko eines solchen Verlustes zu begrenzen.

Investing is built on estimates and uncertainty, a wide margin of safety ensures that the effects of good decisions are not wiped out by errors. – Warren Buffett

Sicherheitsmarge und Diversifikation

Deshalb ist die Sicherheitsmarge eng mit dem Konzept der Diversifikation verknüpft. Diversifikation bedeutet nichts anderes, als das Risiko zu streuen, indem wir nicht nur “auf ein Pferd” setzen. Unser Verlustrisiko wird geringer, wenn wir mehrere Aktien mit großer Sicherheitsmarge im Portfolio kombinieren. Ben Graham nutzt in seinem Buch das Beispiel eines Spielers am Roulette-Tisch:


Beipiel: Ein Spieler setzt am Roulette-Tisch im Kasino 1 EUR auf eine bestimmte Zahl. Wenn die Kugel auf seiner Zahl liegen bleibt, bekommt der Spieler einen Gewinn von 35 EUR. Da wir aber 37 Zahlen zur Auswahl haben (in der amerikanischen Version des Roulette 38), beträgt die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns nur 1/37, das heißt rein statistisch gesehen bleibt die Kugel nur alle 37 Würfe einmal auf jeder Zahl liegen. Das heißt je Gewinn von 35 EUR verliert der Spieler 37 EUR (weil er 37 mal 1 EUR setzen muss).

Hier haben wir also im übertragenen Sinne eine negative Sicherheitsmarge. Das heißt die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes ist höher als die eines Gewinns.

Hier hilft auch Diversifikation dem entsprechend nicht weiter. Wenn der Spieler nämlich diversifiziert, d.h. nicht nur auf eine, sondern gleich auf mehrere Zahlen setzt, dann wird das Verlustrisiko noch weiter anwachsen. Bei vollständiger Diversifikation, das heißt, wenn der Spieler immer gleichzeitig auf alle 38 Zahlen setzt, wird er für jeden eingesetzten EUR immer 2 EUR verlieren.

Ganz anders sieht das Ganze aus, wenn die Sicherheitsmarge positiv ist. Nehmen wir einmal an, der Spieler bekommt nun 39 EUR Gewinn, wenn die Kugel auf seiner Zahl liegen bleibt. In diesem Fall wird die Gewinnchance immer größer, auf je mehr Zahlen der Spieler gleichzeitig setzt. Bei vollständiger Diversifikation würde der Spieler dann regelmäßig 2 EUR Gewinn je eingesetztem EUR bekommen.


Wie viele Aktien benötigen wir nun für eine ausreichende Diversifikation? Joel Greenblatt, Erfinder der Börsen Zauberformel, hat in seinem Buch “You can be a Stock Market Genius” (die deutsche Ausgabe heißt “Auch Sie haben das Zeug zum Börsengenie”) ein paar interessante statistische Auswertungen dazu vorgestellt:

Der Gesamtmarkt oder ein großer Investment Fonds mit ca. 50-500 Aktien im Portfolio erreichte eine durchschnittliche Rendite von ~10%. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 66% lag der Return zwischen -8 bis +28%.

Wurde das Portfolio auf 5 Aktien reduziert, blieb die durchschnittliche Rendite mit 10% i.W. unverändert, lediglich die Spanne wurde mit -11 bis +31% etwas breiter.

Bei einer folgenden Erhöhung der Aktienanzahl auf 8 Aktien änderte sich am durchschnittlichen Return nach wie vor nichts. Die Spanne betrug -10 bis 30%.

Sicherheitsmarge - Effekt der Diversifikation

Wir wissen natürlich nicht, welche 5 Aktien Greenblatt für seine Analyse genommen hat. Und außerdem beziehen sich die Zahlen auf den US-amerikanischen Aktienmarkt (wobei es auch Studien, u.a. von Tweedy Browne gibt, die zeigen, dass eigentlich alle Regionen gleich funktionieren). Trotzdem ist das Ergebnis sehr interessant. Die Schwankungen der einzelnen Returns um den Durchschnitt, also die Volatilität, scheint recht unabhängig von der Anzahl der Aktien zu sein. Die Werte sind so ähnlich, dass die Unterschiede statistisch eigentlich nicht ins Gewicht fallen. Dies besagt ja eigentlich, dass ein Portfolio mit zwischen 5 und 15 Aktien bereits ausreichend diversifiziert sein müsste.

Börsen Zauberformel Joel Greenblatt

Diese 5 bis 15 Aktien müssten wir dann allerdings sorgfältig auswählen, um erstens Klumpenrisiken zu vermeiden (heißt wir sollten uns nicht gerade 15 Rohstofffirmen ins Depot legen, wie ich es am Anfang gemacht habe) und zweitens eine ausreichend hohe Sicherheitsmarge zu garantieren. Das heißt wir müssten einige Zeit aufwenden und diese 5 bis 15 Unternehmen sehr gut verstehen und einschätzen können. Wir haben ja am Roulette-Beispiel gesehen, was bei einer negativen Sicherheitsmarge und gleichzeitiger Diversifikation passieren kann. Das Return-Potenzial sollte dann auch signifikant höher sein als die durchschnittlichen 10% bei 5-8 zufällig ausgewählten Aktien:

It’s a huge structural advantage not to have a lot of money. I think I could make you 50% a year on $1 million. No, I know I could. I guarantee that. – Warren Buffett

Sollten wir dafür aber nicht die Zeit oder Muße haben, dann macht ggf. eine passive Strategie mehr Sinn, in der wir uns über einen ETF oder einen Investment Fonds (wobei Achtung: ggf. hohe Gebühren durch Ausgabeaufschläge und Management Fees) stark diversifizieren und im Durchschnitt den Return des Gesamtmarktes erreichen (was ja auch schonmal sehr gut und wahrscheinlich besser als die meisten Alternativen ist).


Höhe der Sicherheitsmarge

Auch bzgl. der Höhe der Sicherheitsmarge gibt es denke ich keine One-Fits-All Antwort. Ben Graham spricht in seinem Buch von einer Sicherheitsmarge von einem Drittel, also 33%.

Die Höhe ist aber sehr vom Investor oder auch der Investition selbst abhängig: In manchen Fällen kann es Sinn machen, für ein sehr gutes Unternehmen (eines das stark wächst, eine hohe Profitabilität und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil hat) den fairen Wert zu zahlen. In anderen Fällen kann wiederum eine Sicherheitsmarge von 50% angemessen sein, wenn es sich um ein risikoreiches, von der Insolvenz bedrohtes Unternehmen handelt, das weit unter dem Buchwert bzw. Net Asset Value gehandelt wird. In vielen Fällen wird eine Sicherheitmarge von 25% angesetzt.


Fazit

Die Sicherheitsmarge bzw. Margin of Safety ist ein von Benjamin Graham erfundenes und im Value Investing stark verankertes Konzept. Um mögliche negative Effekte durch Marktänderungen oder eigene Fehler bei der Aktienbewertung zu berücksichtigen, belegen wir den von uns ermittelten fairen Wert der Aktie nochmal mit einem Abschlag, genannt Sicherheitsmarge bzw. Margin of Safety.

Da es natürlich nach wie vor ein Risiko gibt, dass selbst die Sicherheitsmarge nicht ausreicht und wir mit einem Investment keinen Erfolg haben, sollten wir wir zwischen 5 und 15 Aktien mit hoher Sicherheitsmarge in unser Portfolio nehmen, um durch Diversifikation unsere Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Eine Analyse von u.a. Joel Greenblatt hat gezeigt, dass  die Volatilität, also das Risiko, mit der Anzahl an Aktien im Portfolio nicht stark abnimmt und 5 bis 15 Aktien dem entsprechend bereits für eine ausreichende Diversifikation sorgen.

Ein gewisser Zeitaufwand ist allerdings nötig, um die guten, unterbewerteten Unternehmen zu identifizieren und zu analysieren.

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