Neben der bereits mit ein paar Beispielen abgehandelten Bewertung einer Bank mithilfe des Dividend Discount Modells (Wells Fargo Beispiel und InnoBank Beispiel) hatte ich in meiner Übersicht über die Verfahren zur Bewertung einer Bank auch das so genannte Excess Return Modell (Bewertung auf Basis der Überschussrendite) als mögliches Bewertungstool aufgeführt.
In diesem Artikel möchte ich nun also einmal auf ein konkretes Bewertungsbeispiel mithilfe des Excess Return Verfahrens eingehen… das initiale Beispiel stammt übrigens wieder von Aswath Damodaran und dreht sich um die wahrscheinlich renommierteste Investmentbank der Welt: Goldman Sachs.
Intro: Situation Goldman Sachs in 2009
Im Februar 2009 – also mitten in der Finanzkrise – lag die Marktbewertung (Market Cap) von Goldman Sachs bei ~46 Mrd. USD und damit deutlich unterhalb des Buchwerts zum Ende des GJ 2008 (dieser betrug round about 60 Mrd. USD).
Der Rückgang des Aktienkurses war insbesondere auf die stark gesunkene Rentabilität des Unternehmens infolge des Fast-Kollapses des Bankensystems zurückzuführen. Während Goldman Sachs im Jahr 2007 noch einen Nettogewinn von 11,6 Mrd. USD erzielen konnte, waren es im Jahr 2008 nur noch 2,3 Mrd. USD.
Goldman war damals also ggf. ein interessanter Turnaround-Kandidat für einen Investor im Bankensektor. Falls ihr euch erinnert: Warren Buffett hat damals 5 Mrd. USD in die Bank investiert:

Excess Return Bewertung: Generelle Logik
Bevor wir auf das konkrete Bewertungsbeispiel zu sprechen kommen, möchte ich noch kurz ein, zwei Sätze zur generellen Logik loswerden.
Wir werden im Folgenden ein Bewertungsmodell betrachten, das analog zu einem typischen DCF-Modell in mehrere Phasen unterteilt ist:
- eine explizit modellierte Wachstumsphase (Zeitraum 3-5 Jahre… oder eben so lang, wie die Wachstumsphase aus unserer Sicht anhält)
- eine “Terminal Growth” Phase, also eine Phase, in der Wachstum, EK-Rendite, EK-Kosten etc. sich auf ihre lnagfristigen Werte eingependelt haben
Das folgende Beispiel ist in diesem Kontext etwas besonders, weil über die fünf explizit modellierten Jahre zwar ein Gewinnwachstum, aber keine Wertgenerierung unterstellt wird… dies nur schonmal als kleiner Hinweis vorab.
Der Weg aus der Krise: Wertvernichtung durch geringe Kapitalrenditen in den Jahren 1-5
Als Ausgangspunkt unserer Excess Return Bewertung von Goldman Sachs schauen wir uns einmal die Eigenkapitalkosten an. Basierend auf einer Risk Free Rate von 3% (auf Basis der 10-jährigen US-Staatsanleihen, zu finden z.B. auf der Seite des US-Finanzministeriums), einem durchschnittlichen Beta von 1,5 und einer erwarteten Marktrisikoprämie von 6% ergeben sich Eigenkapitalkosten zu:
Eigenkapitalkosten = 3% + 1,5 × 6% = 12%
Wir müssen aber natürlich nicht CAPM und Beta für die Ermittlung der EK-Kosten bemühen, sondern können stattdessen auch mit einer Logik an die Abschätzung der EK-Kosten herangehen, die das “Risiko” des Geschäftsmodells besser abbildet als eine eher kurzfristige Korrelation von Aktienkursen… aber das soll hier nicht das Thema sein.
Goldman Sachs jedenfalls erzielte zwischen 2001 und 2007 eine Eigenkapitalrendite zwischen ~16% und 20%, war also sehr profitabel und konnte sehr attraktive Ãœberrenditen erwirtschaften.
Aufgrund der großen Unsicherheit gingen Marktbeobachter und auch Analysten allerdings für die Folgejahre davon aus, dass die Rendite aufs eingesetzte Kapital auf absehbare Zeit erstmal unterhalb der 10%-Marke verharren würde… also Goldman nur eine Rendite unterhalb der oben abgeschätzten Eigenkapitalkosten erzielen würde!
Wenn ihr einen der Artikel zum Thema Shareholder Value gelesen habt, dann wisst ihr vermutlich schon, was das bedeutet: Eine Kapitalrendite unterhalb der Kapitalkosten bedeutet, dass kein Wert generiert, sondern stattdessen Wert vernichtet wird.
Hier einmal die Kalkulation der Überschussrenditen (bzw. des jährlichen Wertverlustes) für ein Szenario mit einer EK-Rendite i.H.v. 9% (versus 12% EK-Kosten):

Schauen wir uns zunächst einmal den bilanziellen Teil an (obiger Teil der Darstellung).
Im Jahr 1 erwirtschaftet Goldman hypothetisch einen Gewinn in Höhe von 5,941 Mrd. USD, was genau 9% des zu Beginn des Jahr auf der Bilanz stehenden Eigenkapitals ausmacht. Von diesem erwirtschafteten Gewinn werden ca.17%, d.h. ~1,013 Mrd. USD in Form einer Dividende an die Anteilseigner ausgeschüttet. Die verbleibenden 4,928 Mrd. USD werden einbehalten und erhöhen zum Jahresende das Eigenkapital auf der Bilanz auf 70,940 Mrd. USD:
EKJahresende = EKJahresanfang + Nettogewinn x (1 – Ausschüttungsquote) = 66,012 + 5,941 x (1 – 17,05%) = 70,940 Mrd. USD
Die Berechnung für die Folgejahre funktioniert ganz äquivalent.
Die Berechnung der Überschussrendite (unterer Teil der Darstellung) ist ähnlich simpel:
Den absoluten Wert der EK-Rendite haben wir ja bereits ermittelt. Dieser beläuft sich auf 5,941 Mrd. USD und entspricht – logisch – dem erwirtschafteten Nettogewinn.
Die Kapitalkosten auf der anderen Seite erhalten wir, indem wir das Eigenkapital zu Jahresbeginn (66,012 Mrd. USD) mit den Kapitalkosten i.H.v. 12% multiplizieren:
Eigenkapitalkosten (absolut) = EKJahresanfang x EK-Kosten (%) = 66,012 x 12% = 7,921 Mrd. USD
Wenn wir im nächsten Schritt einfach die Differenz aus generiertem EK-Wert und EK-Kosten bilden, dann stellen wir fest, dass das Unternehmen im Jahr 1 einen Wert i.H.v. ~1,980 Mrd. USD vernichtet hat. Die Überschussrendite ist also wie erwartet negativ:
ÃœberschussrenditeJahr1 = EK-Rendite – EK-Kosten = 5,941 – 7,921 = -1,980 Mrd. USD
Diese Überschussrenditen können wir nun für jedes einzelne der fünf Jahre unseres explizit modellierten Betrachtungshorizonts ausrechnen. Bevor wir diese allerdings im letzten Schritt zu einem aggregierten Wert aufsummieren, müssen wir zunächst den Barwert der Überschussrenditen ermitteln.
Dies können wir einfach bewerkstelligen, indem wir die Überschussrendite mit dem Abzinsungsfaktor des jeweiligen Jahres multiplizieren.
Der Abzinsungsfaktor für das Jahr 1 beispielsweise ergibt sich folgendermaßen:
AbzinsungsfaktorJahr 1 = 1 / (1 + EK-Kosten)1 = 1 / (1 + 12%)1 = 0,8926
Alternativ können wir auch einfach den Bruch weglassen und den Excess Return direkt durch (1 + 12%)1 = 1,12 teilen… so habe ich es im obigen Beispiel gemacht.
Für das Jahr 1 ergibt sich nach dieser Logik der Barwert der Überschussrendite zu 1,768 Mrd. USD:
Barwert der ÃœberschussrenditeJahr 1 = Ãœberschussrendite x Abzinsungsfaktor = -1,980 x 0,8926 = -1,768 Mrd. USD
Insgesamt summieren sich die negativen Ãœberschussrenditen in den Jahren 1-5 also zu einem Wert i.H.v. -8,154 Mrd. USD auf:
Summe Ãœberschussrenditen (Barwerte) = -1,768 – 1,697 – 1,628 – 1,562 – 1,499 = -8,154 Mrd. USD
Terminal Value: Wertgenerierung in der langen Frist
Nach Ablauf der fünfjährigen “Wachstumsphase” unterstellen wir ein nachhaltiges Gewinnwachstum i.H.v. 3%, welches sich aus einer normalisierten Eigenkapitalrendite von ~12% und einem Payout Ratio von 75% ergibt:
g = ROE x (1 – Ausschüttungsquote) = 12% x (1 – 75%) = 3,0%
Bei konstanten Eigenkapitalkosten haben wir hier nun also ein Szenario, in dem zukünftig kein zusätzlicher Wert mehr generiert werden wird (weil ROE = EK-Kosten). Die Anteilseigner werden also über die Zeit ihre Zielrendite i.H.v. 12% aufs Eigenkapital erhalten… und dieses wird – wie auch der Gewinn – in jedem der Folgejahre um ca. 3% anwachsen.
Aber ich greife schon wieder etwas vor. Schauen wir uns nochmal die Kalkulation für die lange Frist sowie die finale Bewertung an.
Zu diesem Zweck habe ich die obige tabellarische Darstellung einmal um zwei weitere Jahre sowie die finale Bewertung erweitert (hierbei ist das mit “LT” bezeichnete Jahr i.W. nur dazu gedacht, die langfristige Wachstumsrate i.H.v. 3% zu überprüfen… für die Berechnung des Terminal Value können wir auch das mit “Ãœbergang” bezeichnete Jahr verwenden).

Wie ihr sehen könnt, hat der Anstieg der Kapitalrendite im Jahr 6 zunächst mal einen relativ großen Effekt auf den erzielten Nettogewinn. Gleichzeitig wird allerdings ein Großteil dieses Gewinns in Form einer Dividende ausgeschüttet, sodass sich im Folgejahr nur ein Gewinnwachstum i.H.v. 3% einstellen kann.
Weiterer Aspekt: Da die Eigenkapitalrendite nun genau den Eigenkapitalkosten entspricht, ist die im Jahr 6 (und allen Folgejahren) erwirtschaftete Ãœberschussrendite gleich Null.
Ermittlung des Eigenkapitalwerts mittels der Excess Return Methode
Der faire Eigenkapitalwert der Bank ergibt sich also ausschließlich aus dem ursprünglich bereits vorhandenen Eigenkapital i.H.v. 66,012 Mrd. USD sowie der über den Zeitraum der ersten fünf Jahre erwirtschafteten Überschussrendite i.H.v. -8,154 Mrd. USD (Barwert).
Fairer Wert Eigenkapital = Anfangswert EKJahr 0 + ÃœberschussrenditeJahre 1-5 + ÃœberschussrenditeTV = 66,012 + (-8,154) + 0 = 57,859 Mrd. USD
Bei einer Anzahl an ausstehenden Aktien i.H.v. ca. 462 Mio. Stück, entspricht dieser Wert einem fairen Aktienkurs i.H.v. ca. 125 USD je Aktie.
Zum Zeitpunkt der Bewertung im Februar 2009 wurde Goldman Sachs zu einem Kurs von ~96 USD je Aktie gehandelt, was bedeutet, dass auch diese recht konservative Bewertung bereits auf eine substanzielle Unterbewertung hindeutet – ausgehend von der Annahme, dass sich die Rentabilität erst nach 5 Jahren wieder einigermaßen erholt… und zwar auf ein Niveau, bei dem nach wie vor keine Ãœberrenditen bzw. Excess Returns erwirtschaftet werden.
Wenn wir in einem Alternativszenario einfach nur unterstellen, dass die Bank ihre Rendite nachhaltig von 12 auf 13% steigern kann, dann ergibt sich direkt ein etwas attraktiveres Bild:

Wie ihr seht, wird die negative Überrendite der Jahre 1 bis 5 nun fast durch die in den Jahren 6 bis unendlich erwirtschaftete positive Überrendite kompensiert. Dabei kommt der konkrete Wert (6,136 Mrd. USD) folgendermaßen zustande.
In Schritt 1 ermitteln wir den Barwert der ewigen Rente der Ãœberrendite, also:
Barwert ewige RenteBezugsjahr Jahr 5 = Ãœberrendite / (EK-Kosten – Wachstumsrate) = 0,946 Mrd. USD / (12,0% – 3,3%) = 10,874 Mrd. USD
Beachtet dabei, dass sich die nachhaltig mögliche Wachstumsrate durch die Verbesserung der Kapitalrendite ebenfalls erhöht hat (von 3,0 auf 3,3%).
Im Schritt 2 zinsen wir diesen Barwert (mit Jahr 5 als Bezugsjahr) nochmal auf das Jahr 0 ab:
Barwert ewige RenteBezugsjahr Jahr 0 = BarwertBezugsjahr Jahr n / (1 + EK-Kosten)n = 10,511 / (1,12)5 = 6,136 Mrd. USD
Insgesamt ergibt sich in diesem Szenario also ein fairer EK-Wert i.H.v. ca. 64 Mrd. USD bzw. 133 USD je Aktie.
Bottom Line: Excess Return Valuation
Wie ihr am Praxisbeispiel zur Bewertung von Goldman Sachs gesehen habt, ist das Excess Return Valuation Modell recht eingängig und daher auch recht einfach nutzbar.
Was ich an diesem Bewertungstool besonders ansprechend finde, ist die direkte Verlinkung zum Konzept des Shareholder Value.
Mit anderen Worten: Wir können anhand des erwirtschafteten Gewinns und der absoluten Kapitalkosten sofort ablesen, welche Auswirkungen bestimmte Annahmen auf das Bewertungsergebnis haben werden.
Und aus der Perspektive eines Investors mit Fokus auf den Bankensektor, der zwischen den verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Tools auswählen muss: Die erwirtschafteten Überschussrenditen reflektieren im Zweifel das wahre Potenzial einer Bank zur Wertgenerierung besser, als eine Prognose auf Basis von (ggf. volatilen) Dividendenzahlungen.
Am Ende ist die Auswahl des richtigen am besten passenden Bewertungstools aber immer von der konkreten Situation (und auch den persönlichen Präferenzen des jeweiligen Investors) abhängig.