Beneish M-Score

Der Beneish M Score: Jahresabschluss-Manipulationen erkennen

Beneish M-Score

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Beneish M-Score

Der Beneish M Score ist eine empirische Formel bestehend aus 8 Finanzkennzahlen, die es erlaubt, Manipulationen des Jahresabschlusses zu erkennen.

Die meisten von uns haben bereits von den Skandalen um Enron, WorldCom etc. gehört, in denen hoch angesehene Firmen mithilfe ihrer Wirtschaftsprüfer ihre Jahresabschlüsse manipuliert und stark geschönt hatten. Dies alles war natürlich höchst illegal und hat den Beteiligten teilweise hohe Haftstrafen und Geldbußen eingebracht.

Allerdings gibt es auch im Rahmen der allgemein akzeptierten Rechnungslegungsgrundsätze wie IFRS oder US GAAP durchaus Spielräume, um die Zahlen etwas besser aussehen zu lassen, als sie eigentlich sind. Und das ist erstmal nicht illegal.

Um zu erkennen, ob die Zahlen einer Firma geschönt sind, hat Professor Messod Beneish 1999 eine empirische Formel (den so genannten Beneish M Score) entwickelt (hier der Link zum Original-Paper und hier zum Download). Diesen möchte ich in diesem Artikel kurz vorstellen.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Was wir unter Gewinnqualität bzw. -manipulation verstehen
  • Wie der Beneish M Score berechnet wird
  • Praktische Anwendungsmöglichkeiten des M Score

Was verstehen wir eigentlich unter Gewinnqualität bzw. Gewinnmanipulation

Die verschiedenen Begriffe sind hier nicht eindeutig abgegrenzt. Im Wesentlichen geht es aber darum, dass Unternehmen auch im Rahmen des gesetzlich Erlaubten – nämlich der offiziellen Rechnungslegungsstandards IFRS bzw. US GAAP – die veröffentlichten Gewinne beeinflussen, also gewissermaßen manipulieren können.

Der Begriff Gewinnqualität meint in diesem Zusammenhang die Aussagekraft des Jahresabschlusses im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens.

Ist die Gewinnqualität hoch, dann

  • reflektiert der Gewinn die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Entwicklungen und Einflussgrößen
  • ist der Gewinn ein guter Indikator für die Cash Flows
  • ist der Gewinn konservativ berechnet bzw. gut prognostizierbar

Wesentliche Ursachen für eine schlechte Gewinnqualität sind

  • Umsatz
    • Buchen von Umsätzen wenn noch nicht realisiert
    • Ausweis fiktiver Umsätze, z.B. Umsätze mit anderen internen Einheiten
    • Nutzung von Einmaleffekten bzw. nicht-operativen Umsätzen, um den Gewinn zu erhöhen
  • Kosten bzw. Aufwendungen
    • Verschieben von Aufwand bzw. Kosten in spätere Perioden
    • Ausweis zu niedriger Aufwendungen, z.B. über zu niedrige Abschreibungen (als Resultat zu lang angesetzter Nutzungsdauern von Maschinen etc.) oder Pensionsrückstellungen
    • Klassifizierung operativer Kosten als nicht-operativ
  • Bilanz
    • Ausserbilanzielle Finanzierungen bzw. Schulden (z.B. bestimmte Arten von Leasingverträgen, Stichwort Operatives Leasing)
    • Höhe des Goodwill
  • Kapitalflussrechnung
    • Klassifizierung von operativen Cash Flows und Capex bzw. Investitionen
    • Ignorieren von Cash Flows, z.B. bei bestimmten Leasingverträgen
    • Managen von Cash Flows über die Verlagerung von Ausgaben in Folgeperioden

Wie wir sehen, gibt es eine Reihe von Stellschrauben, an denen das Management einer Firma drehen kann, um den Gewinn in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen. Auch wenn wir als Investoren nicht in die Tiefen der Buchhaltung abtauchen können und wollen, sollten wir doch die wesentlichen Warnsignale erkennen können.

Hierbei hilft uns der Beneish M Score.


Der Beneish M Score

Der Beneish M Score (oder das Beneish Modell) ist ein mathematisches Modell, welches 8 Finanzkennzahlen und Variablen nutzt, um einen Score (den M Score) auszurechnen, der uns Aufschluss über die Gewinnqualität gibt bzw. uns sagt, wie stark die Jahresabschlüsse “manipuliert” wurden.

Es gibt übrigens auch eine Version mit nur 5 Variablen.

Das Modell entstand mithilfe von Unternehmensdaten aus den Jahren 1982 bis 1988 und wurde anschließend mit Daten aus den Jahren 1989 bis 1992 validiert. 

Die Stichprobe für die Entwicklung des Modells bestand aus ca. 70 Unternehmen, die ihre Zahlen manipuliert hatten (diese identifizierte Beneish u.a. über eine detaillierte Presserecherche) sowie ca. 2000 weiteren Firmen, die Beneish anhand von Industriecodes ausgewählt hatte.


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Die M Score Formel

Hier die resultierende Berechnungsformel für den Beneish M Score

M  = -4.84 + 0,920 DSRI + 0,528 GMI + 0,404 AQI + 0,892 SGI + 0,115 DEPI – 0,172 SGAI  – 0,327 LVGI + 4.679 TATA  

mit

  • DSRI – Days’ Sales in Receivable Index
  • GMI – Gross Margin Index
  • AQI – Asset Quality Index
  • SGI – Sales Growth Index
  • DEPI – Depreciation Index
  • SGAI – Sales and General and Administrative Expense Index
  • LVGI – Leverage Index
  • TATA – Total Accruals to Total Assets

Die Faktoren der Formel wurden über eine multivariate Regression, also eine Regression mit mehreren Variablen, hergeleitet.

Mithilfe der Formel konnte Beneish 58-76% der manipulierenden Firmen aus der unabhängigen Stichprobe richtig identifizieren. Auf der anderen Seite identifizierte die Formel nur 7,6-17,5% der nicht-manipulierenden Firmen inkorrekt.

Ein M Score größer als -1,78 zeigt eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Gewinnmanipulation an.

Nun aber zu den 8 Variablen im Detail. Das t in den Formeln steht übrigens für das letzte Geschäftsjahr, t-1 für das Jahr davor.


Die 8 Variablen im Detail

Days Receivable Index (DSRI)

DSRI = (Forderungen t / Umsatz t) / (Forderungen t-1 / Umsatz t-1)

Forderungen sind bereits korrigiert um zweifelhaft Forderungen.

Forderungen und Umsätze sollten sich gleichförmig bewegen. Eine starke Zunahme dieses Index könnte auf eine Änderung der Kreditrichtlinie hindeuten (also eine Verlängerung des Zahlungsziels), z.B. um Umsätze in einem umkämpften Wettbewerbsumfeld zu steigern.


Gross Margin Index (GMI)

GMI = Bruttomarge t-1/ Bruttomarge t

Wenn der GMI größer als 1 ist, dann ist die Bruttomarge im Vergleich zum Vorjahr geschrumpft. Dies wird als negatives Signal für die zukünftige Entwicklung einer Firma verstanden. Firmen mit einer zurückgehenden Bruttomarge werden eher ihre Gewinne manipulieren, deshalb sollte es einen positiven Zusammenhang zwischen sinkender Bruttomarge und Gewinnmanipulation geben.


Asset Quality Index (AQI)

AQI = [1 – (Umlaufvermögen t + Sachanlagen t + Finanzanlagen t) / Gesamtvermögen t] / [1 – ((Umlaufvermögen t-1 + Sachanlagen t-1 + Finanzanlagen t-1) / Gesamtvermögen t-1)]

Für die Finanzanlagen können wir die gesamte langfristigen Investments ansetzen.

Der AQI misst den Anteil langfristiger Vermögenswerte (ohne Sachanlagen) am Gesamtvermögen, d.h. den Anteil der Vermögenswerte, die potenziell nicht zur Umsatzgenerierung genutzt werden können (wie Goodwill etc.). Ein Index größer als 1 deutet auf eine Verlagerung von Kosten hin und ist als Zeichen für eine Gewinnmanipulation zu werten.


Sales Growth Index (SGI)

SGI = Umsatz t / Umsatz t-1

Umsatzwachstum an sich ist erstmal kein Anzeichen für eine Manipulation. Allerdings ist es so, dass speziell Wachstumsunternehmen mit hohem Kapitalbedarf einen Anreiz haben, ihr Wachstum und ihre Gewinne höher aussehen zu lassen. Dies kommt vor allem auch durch den Druck auf das Management, die Gewinnziele zu erreichen.


Depreciation Index (DEPI)

DEPI = (Abschreibungen t/ (Sachanlagen t + Abschreibungen t)) / (Abschreibungen t-1 / (Sachanlagen t-1 + Abschreibungen t-1))

Ein DEPI Index größer als 1 deutet darauf hin, dass die vorhandenen Vermögenswerte nun langsamer abgeschrieben werden als zuvor bzw. die Nutzungsdauern der Vermögenswerte verlängert wurden.


SG&A Expense Index (SGAI)

SGAI = (SG&A Aufwand t / Umsatz t) / (SG&A Aufwand t-1 / Umsatz t-1)

Ein unverhältnismäßiger Anstieg des SG&A-Anteils (Vertriebs- und Verwaltungsaufwendungen) am Umsatz kann als negatives Signal für die Zukunftsaussichten eines Unternehmens angesehen werden, was die Wahrscheinlichkeit einer Manipulation erhöht.


Leverage Index (LVGI)

LVGI = [(Kurzfristige Verbindlichkeiten t + Langfristige Schulden t) / Gesamtvermögen t] / [(Kurzfristige Verbindlichkeiten t-1 + Langfristige Schulden t-1) / Gesamtvermögen t-1]

Ein LVGI größer als 1 bedeutet eine Zunahme des Verschuldungsgrades. Typischerweise haben Unternehmen so genannte Covenants in ihren Kreditverträgen, in denen die Kredit gebenden Banken eine Begrenzung des Verschuldungsgrades o.Ä. vorschreiben. Dieser Faktor berücksichtigt also eine Situation, in der das Management die Zahlen manipuliert, um die Covenants nicht zu verletzen.


Total Accruals to Total Assets (TATA)

TATA = (Nettogewinn aus fortgeführten Geschäftsbereichen t – Operativer Cash Flow t) / Gesamtvermögen t

Der TATA Index wird verwendet, um einen Anhaltspunkt über die Abweichung des Gewinns vom Cash Flow zu geben.

In einer Welt ohne großartige Rechnungslegungsvorschriften (Einnahmen- und Ausgabenrechnung) würden Gewinn und Cash Flow sich nicht stark unterscheiden. Umsätze würden dann gebucht, wenn Bargeld eingenommen wird, Aufwand bzw. Kosten würden dann gebucht, wenn Rechnungen bezahlt werden (also Bargeld abfließt).

Im Gegensatz dazu steht das in den Rechnungslegungsgrundsätzen verankerte Konzept der Periodenabgrenzung, das von allen größeren Unternehmen genutzt wird. In diesem Fall werden Umsätze dann gebucht, wenn verdient. Aufwendungen werden gebucht, wenn sie entstehen. Dies ist unabhängig vom Zeitpunkt der eigentlichen Zahlung.

Beispiel: Ein Unternehmen kauft eine Maschine, die über die nächsten 10 Jahre genutzt wird. Anstatt die Kosten direkt als Aufwand zu buchen, wenn die Maschine bezahlt wird, werden die Kosten in Form der Abschreibung anteilig auf die nächsten 10 Jahre verteilt, um eine bessere Zuordnung der Kosten zu den mithilfe der Maschine erwirtschafteten Umsätzen zu erreichen. 

Das Konzept der Periodenabgrenzung erfordert nun vom Management einige Abschätzungen, z.B. im Hinblick auf die angesetzten Abschreibungsdauern, die Art und Weise wie Umsätze gebucht werden, ob Lagerbestände nach der LIFO- oder der FIFO-Methode aus dem Lager ausgebucht werden etc. Hier hat das Management einige Freiräume, die Gewinne in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen.

Je größer also die Abweichung des Nettogewinns vom Cash Flow, desto aggressiver ist das Management bzgl. seiner Annahmen.


Wie wir den Beneish M Score nutzen können

Obwohl die Resultate von Beneish’s Analyse darauf hindeuten, dass der M Score einen Großteil der potentiellen Manipulatoren korrekt identifiziert, so gibt es doch mehr oder weniger große Fehlerraten. Nichtsdestotrotz sprechen ein paar Gründe für die Nutzung des M Score:

  • Der M Score kann einfach auf Basis der Zahlen aus den Jahresabschlüssen der letzten zwei Jahre berechnet werden
  • Der M Score kann als erster Screeningfilter genutzt werden, um potentielle Manipulatoren vorab zu identifizieren. Im Anschluss sollte allerdings eine erweiterte Analyse durchgeführt werden, um genauer zu verstehen, ob es sich tatsächlich um eine Gewinnmanipulation oder eine andere Ursache handelt

Beneish M Score Excel-Modell zum Download

Beneish M Score Model

Hier Excel herunterladen

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