Für uns als Privatinvestoren ist es natürlich interessant zu erfahren, mit welchen Tätigkeiten ein Portfolio Manager, ein professioneller Investor oder auch ein (Buyside) Analyst seinen (Arbeits-)Tag typischerweise so verbringt. Ich denke dabei natürlich insbesondere an mögliche Erkenntnisse, die wir daraus für unsere eigene Planung gewinnen können. Investieren wir in bestimmte Themen vielleicht zu viel Zeit? Oder noch schlimmer: Tun wir bestimmte Dinge vielleicht gar nicht, auf die ein professioneller Investor überdurchschnittlich viel Wert legt?
Im Folgenden gehe ich einmal etwas detaillierter auf den typischen Tagesablauf von Edgar Wachenheim III ein. Wachenheim war lange Zeit Portfolio Manager bzw. Managing Director von Greenhaven Associates und hat in seinem Buch Common Stocks and Common Sense einen seiner Arbeitstage relativ detailliert beschrieben… falls ihr das nochmal im Original nachlesen möchtet.
Einige Punkte können wir bestimmt übernehmen, andere sind für uns entweder nicht umsetzbar oder ggf. auch gar nicht relevant. Die größte Schwierigkeit besteht für uns ja in den meisten Fällen darin, dass wir die Arbeit eines ganzen Tages (analog eines professionellen Portfoliomanagers oder Hedge Fonds Analysten) in nur wenigen Stunden morgens oder abends (bzw. am Wochenende) erledigen müssen.
Take Aways: Der typische Tagesablauf eines professionellen Investors
Der im folgenden illustrierte Tagesablauf von Edgar Wachenheim lässt sich ganz grob in 5 verschiedene Abschnitte unterteilen, wie ihr der folgenden Grafik entnehmen könnt:
Wichtig ist hierbei anzumerken, dass es sich eher um einen idealtypischen Tagesablauf handelt. D.h. insbesondere der Vormittag kann an anderen Tagen auch ganz anders aussehen.
Bevor wir in die Details einsteigen… was sind nun aus meiner Sicht die wesentlichen Take Aways aus dieser Darstellung? Folgende Punkte sind mir aufgefallen bzw. halte ich für relevant:
- Im Grunde beschäftigt sich Wachenheim den gesamten Tag lang (vom Aufstehen bis zum Schlafengehen) mit seinem “Job”
- Es gibt ausgedehnte Pausen bzw. natürliche Unterbrechungen. So dauert beispielsweise das Lunch fast 2 Stunden, der “offizielle” Teil des Arbeitstages ist bereits um ca. 16 Uhr beendet
- Die Trades werden am Morgen auf Basis der am Vortag getroffenen Entscheidungen durchgeführt (allerdings optional… an vielen Tagen wird gar nichts gehandelt)
- Es gibt eine Mischung aus ungestörter Beschäftigung mit einem Thema und Interaktion mit anderen (Management Interviews, Austausch mit Analysten und anderen Managern)
- Am beschriebenen Arbeitstag beschäftigt sich Wachenheim mit drei verschiedenen Unternehmen bzw. Investment-Optionen (mit FedEx, 3M und verschiedenen Bau- / Immobilienfirmen)
So, genug der Vorrede. Hier nun die etwas detailliertere Beschreibung eines typischen Tages von Edgar Wachenheim III bei Greenhaven Associates. Start ist morgens früh um ca. 5 Uhr.
Tagesabschnitt 1: Ab 5 Uhr morgens bis ca. 7 Uhr
Direkt nach dem Aufstehen um ca. 5 Uhr morgens beginnt Wachenheim den Tag mit einem typischen Ritual, welches Rasieren, Trainieren, Duschen und Anziehen beinhaltet… wie bei den meisten von uns auch. 🙂
Anschließend wandert Wachenheim den Flur entlang zu seinem Home Office, das mit einem Bloomberg Terminal ausgestattet ist (bei uns wäre das vermutlich der Rechner mit einem TIKR– oder Finbox-Zugang). Dieses Bloomberg-Terminal nutzt Wachenheim als allererstes, um zu sehen, welche wesentlichen Neuigkeiten es seit dem Vortag so gibt (generelle Wirtschafts- und Politik-News).
Anschließend schaut Wachenheim nochmal ein von ihm am Vorabend gegen 21:30 Uhr fertiggestelltes Prognose- bzw. Finanzmodell durch (in diesem Beispiel für FedEx), welches er aber noch nicht weiter überprüft hatte.
Nachdem er nochmal über die Annahmen und Abschätzungen nachgedacht hat, macht er ein paar nebensächliche Anpassungen.
Anschließend – und jetzt wird es interessant – druckt er die Ergebnisse einmal aus und schreibt ein einseitiges Memo, welches die wesentlichen Schlussfolgerungen bzgl. der Gewinn- bzw. Cash Flow Entwicklung sowie die Bewertung des Unternehmens kurz zusammenfasst.
Nach einem ersten Korrekturlesen packt Wachenheim dann seine Aktientasche und eine Schüssel mit Müsli zusammen und macht sich auf den Weg zum Büro von Greenhaven Associates, welches sich ca. 15 Minuten von seinem Haus entfernt befindet (ob zu Fuß oder per Auto wird aus der Erläuterung nicht ganz klar).
Tagesabschnitt 2: Ca. 7 Uhr bis ca. 12 Uhr
Im Büro angekommen (so kurz nach 7 Uhr), übergibt Wachenheim die Kopie seines FedEx-Memos an seine Assistentin, damit diese das Memo an die drei Wertpapieranalysten (einer davon ist er selbst, ein anderer sein Sohn Chris) sowie den Wertpapierhändler der Firma verteilt.
I wish to keep my associates fully informed about my thinking. – Ed Wachenheim
Seine eigene Kopie legt Wachenheim in einem Ordner ab (ich nehme an, er meint physisch), damit er später immer darauf zurückgreifen kann, wenn er wieder an einer Analyse des Unternehmens arbeitet.
Anschließend schaut Wachenheim eine Reihe an Presseartikeln und Broker Reports durch, die vom Trader der Firma auf seinem Schreibtisch platziert wurden. Er überfliegt die Artikel und Reports kurz und schaut nach interessanten neuen Ideen… an diesem Tag sowie auch an den meisten anderen sind da allerdings keine dabei.
I scan the hard copies for any relevant new news or ideas. There is none. There rarely is. – Ed Wachenheim
Allerdings ist er sehr interessiert an der Meinung der Wall Street Analysten. Nicht weil diese seine eigenen Investitionsentscheidungen direkt beeinflussen würden, sondern weil sie im Kollektiv die konventionelle Sichtweise bzgl. eines bestimmten Wertpapiers repräsentieren und ihm dabei helfen zu verstehen, warum eine Aktie auf dem Niveau handelt auf dem sie handelt.
Nach dem Scannen der Presseartikel und Analystenreports schaut Wachenheim in Bloomberg nach den aktuellsten News der (potenziellen) Portfoliounternehmen von Greenhaven.
Anschließend (dann ist es typischerweise ~7:30 bis 7:45 Uhr), setzt er sich mit den anderen beiden Analysten zusammen und diskutiert jedes Thema, welches einer der drei gerne diskutieren möchte (das können Themen bzgl. aktueller Arbeiten, Neuigkeiten oder Ideen, Kauf- oder Verkaufsempfehlungen für den Tag etc. sein).
An manchen Tagen dauern die Meetings nur etwa 15 Minuten, an anderen kann es auch eine Stunde oder mehr sein. An diesem bestimmten Morgen gibt es eine längere Diskussion über FedEx, weil das Unternehmen für mehrere Quartale die Erwartungen von Greenhaven zwar nicht erfüllt, kürzlich aber eine deutliche Verbesserung gezeigt hat.
Die große Frage nun: Beginnt die Investment Thesis von Greenhaven sich zu materialisieren?
Die Diskussion geht bis etwa um 8:30 Uhr.
Danach schaut Wachenheim für ca. 15 Minuten die Portfolios aller ca. 150 Kundenaccounts durch und gibt die Anweisung, dass alle Portfolios mindestens zu 9,5% aus FedEx-Aktien bestehen sollen (wenn ausreichend Cash vorhanden ist). Wo erforderlich wird also etwas nachgekauft (das übernimmt der Trader der Firma).
Weil Greenhaven einen Großteil der Positionen für einen Zeitraum von 2 bis 5 Jahren hält, wird an den meisten Tagen kein einziger Trade ausgeführt.
Anschließend befasst Wachenheim sich mit Unternehmen, die vom erwarteten Boom des Immobilienmarktes profitieren und eine gute Ergänzung des bzw. der Portfolios darstellen könnten. Hierbei nutzt er einen Screener, um passende Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung zwischen 3 und 5 Mrd. USD herauszufiltern (weil Greenhaven zum damaligen Zeitpunkt ca. 5,4 Mrd. USD AUM – Assets under Management – hatte, investierte die Firma vorrangig in Unternehmen mit einer Market Cap oberhalb von 5 Mrd. USD). Nachdem Wachenheim ca. 5 Unternehmen als möglicherweise attraktive Investments herausgefiltert hat, schaut er sich für eins davon den 10-K an. Er startet mit einer Analyse der Bilanz und liest die Beschreibung der Geschäftsaktivitäten.
Zu diesem Zeitpunkt ist es bereits ca. 10:15 Uhr.
Da um 11 Uhr ein Call mit dem neuen CFO von 3M stattfindet, sucht Wachenheim seine Memos und Notizen zum Unternehmen heraus, um sich auf das Management Interview bzw. den Call vorzubereiten und eine Liste mit Fragen aufzuschreiben, die einerseits hilfreich für die Analyse sein werden und die andererseits der CFO auch beantworten wird.
After decades of spreaking to managements, I have improved my skills on what questions to ask and how to ask them. – Edgar Wachenheim
Um 10:45 Uhr versammeln sich Edgar und Chris (einer der Analysten) in seinem Office, um die wesentlichen Fragen für den Call kurz durchzusprechen.
Anschließend (ab ca. 11 Uhr) sprechen die beiden ca. eine Stunde lang mit dem Manager und versuchen, möglichst viele ihrer Fragen beantwortet zu bekommen.
Exkurs: Interview mit dem CFO von 3M
- Gratulation zur Beförderung
- Background: Von der Zeit als Kind bis zur Beförderung zum CFO
- Anschließend ca. 45 Minuten Diskussion über 3M, Fokus:
- Wird das geringere Wachstum in den Ländern der entwickelten Welt zu einer Reduktion der Wachstumsziele von 3M führen? Bzw. wurde das geringere Wachstum bei der Festlegung der Ziele bereits antizipiert?
- Wird das hochprofitable Health Care Segment seine operative Marge oberhalb der 30%-Marke halten können und warum?
- Wird das Unternehmen seine Preise in Ländern außerhalb der USA anheben, wenn die dortigen Währungen ggü. dem USA nachgeben?
- Weitere Fragen zum Aktienrückkaufprogramm und zur Entwicklung der Pensionsverpflichtungen bzw. Pensionsaufwendungen
Lunchbreak: Ca. 12 Uhr bis 13:45 Uhr
Nach dem Ende des Calls um ca. 12 Uhr nehmen sich Wachenheim und einer der Analysten etwas Zeit, um sich zu den wesentlichen Learnings aus dem Call auszutauschen. Anschließend geht’s zum Mittagessen in ein nahegelegenes Restaurant mit schnellem Service.
Während des Essens diskutieren die drei Analysten / Investoren über verschiedene Branchen und Unternehmen, die möglicherweise vom erwarteten Immobilienboom profitieren könnten.
Tagesabschnitt 3: 13.45 Uhr bis ca. 16 Uhr
Die erste Tätigkeit nach der Rückkehr vom Mittagessen besteht darin, mit dem Chief Investment Officer eines Pensionsfonds zu sprechen, für den Wachenheim den Vorsitz des Investitionsausschusses übernommen hat (ist zwar eine ehrenamtliche Tätigkeit, aber man lernt typischerweise mehr als man denkt). Das Gespräch dauert ca. eine Stunde.
Um ca. 14:45 Uhr kehrt Wachenheim zu seinen 5 Unternehmen zurück. Für ca. eine Stunde schaut er sich 10-Ks und andere Informationsmaterialien an und kommt zu dem Schluss, drei der fünf Unternehmen sofort auszusortieren (eins wegen zu hoher Kosten und eines undifferenzierten Produktportfolios, zwei wegen zu schwacher Bilanzen und Cash Flows).
Anschließend packt Edgar seine Aktentasche (insbesondere die Materialien zu 3M) und fährt zurück zu seinem Haus.
Tagesabschnitt 4: Ca. 16 Uhr bis 18:15 Uhr
Zuhause angekommen, liest Edgar zunächst die Post. Anschließend macht er sich frisch und zieht sich ein paar bequeme Klamotten an. Um ca. 16:45 Uhr ist er zurück in seinem Home Office. Dort verbringt er die Zeit bis zum Dinner um ca. 18:15 Uhr mit der Reflektion des Calls vom Vormittag und fängt an, das übergeordnete Memo zum Unternehmen zu aktualisieren bzw. zu überarbeiten.
Von ca. ~18:15 Uhr bis 19:30 Uhr unterbricht er seine Arbeit für ca. eine Stunde, um zu Abend zu essen.
Tagesabschnitt 5: Nach dem Dinner bis ca. 21:45 Uhr
Nach dem Abendessen setzt sich Edgar nochmal an das 3M Memo und aktualisiert das Earnings Model. Er überprüft die Bewertung und die Hauptgründe für Greenhaven in die Aktien von 3M zu investieren.
Um ca. 21:45 Uhr beendet Wachenheim seinen (Arbeits-)Tag und bereitet sich auf das Schlafengehen vor.