Case Study Noble Group Teil 2: Dubioses Acquisition Accounting

Inhalt

Noble Group Accounting Fraud

Im ersten Teil der Fallstudie zur Noble Group hatte ich euch erläutert, wie das Unternehmen die fairen Werte langfristiger Lieferverträge bzw. zukünftiger Abnahmeverpflichtungen ganz bewusst zu hoch ansetzte und so regelmäßig außerordentliche Gewinne, so genannte Fair Value Gains, verbuchen konnte. Tatsächlich war dies aber nicht die einzige fragwürdige Accountingtechnik, die das Unternehmen anwandte, um regelmäßig Gewinne ausweisen zu können (bzw. keine Verluste ausweisen zu müssen).

In diesem zweiten Teil der Fallstudie zur Noble Group möchte ich daher nun gerne auf einen zweiten wesentlichen Aspekt eingehen: Das doch recht dubiose Acquisition Accounting / Accounting von Beteiligungen.


Dubioses Acquisition Accounting der Noble Group

Auch dieser zweite Hebel, den die Noble Group nutzte, um ein konsistent positives Ergebnis auszuweisen (bzw. ein negatives zu vermeiden), hat in gewisser Weise etwas mit dem Fair Value Accounting zu tun. Im Speziellen geht es hier um die Behandlung und das Accounting bestimmter Beteiligungen.

Nochmal eine kurze Wiederauffrischung: Im Gegensatz zu vielen anderen Vermögenswerten – unter anderem auch langfristig angelegten Investments – werden insbesondere die Beteiligungen an assoziierte Unternehmen (euch vielleicht auch geläufig als At-Equity Beteiligungen) nicht zum beizulegenden Zeitwert bzw. zum fairen Wert, sondern stattdessen zu den fortgeführten Anschaffungskosten bewertet. Allerdings muss auch hier ein jährlicher Impairment Test zur Überprüfung der Werthaltigkeit des Goodwill und der Vermögenswerte durchgeführt werden.

Darüber hinaus gilt für eine Klassifizierung als At Equity Beteiligung die Voraussetzung, dass das beteiligte Unternehmen zu einem gewissen Grad Kontrolle über die Beteiligung ausüben kann. Dies ist typischerweise bei einem Besitzanteil zwischen 20-50% der Fall. Die Assoziierung kann aber auch bei geringeren Beteiligungen greifen, wenn bestimmte Anhaltspunkte dafür vorliegen. Solche konkreten Anhaltspunkte können z.B. eine Repräsentation im Aufsichtsrat oder eine Mitwirkung an der Geschäftspolitik der Beteiligung sein.

Die Noble Group hatte nun eine ganz Reihe an At Equity Beteiligungen auf der Bilanz. Schauen wir uns das Accounting dieser Beteiligungen einmal anhand einiger Beispiele an, speziell im Hinblick auf den angesetzten Wert der Beteiligungen und die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten.

Kleine Randnotiz: Für weitere Details zur Mechanik empfehle ich euch übrigens das Lesen des DIY Investor Artikels zum Thema At Equity Konsolidierung. Da wird alles nochmal etwas detaillierter erläutert.


Acquisition Accounting Noble Group: Beispiel Yancoal

Yancoal Australia war bzw. ist ein börsennotierter australischer Kohleförderer. Stand 2015 hielt Noble ca. 13 % an Yancoal und klassifizierte das Unternehmen in seiner Bilanz dennoch als assoziiertes Unternehmen bzw. als At Equity Beteiligung.

Dieser 13%ige Anteil kam in 2012 durch den Merger zwischen Yancoal Australia und Gloucester Coal zustande (ein Reverse Merger in dessen Zuge Yancoal Australia an der ASX gelistet wurde). Noble war bis zum Zusammenschluss mit ca. 64% (entsprach ca. 130 Mio. Aktien) der mit Abstand größte Anteilseigner von Gloucester Coal und erhielt als Kompensation eine Kombination aus neuen Yancoal-Aktien und Cash:

  • 130 Mio. Aktien aus insgesamt 994 Mio. Aktien der neuen Yancoal Australia Ltd. (= ca. 13%)
  • 3,15 AUD/Aktie für ca. 130 Mio. Gloucester Aktien = ~410 Mio. AUD in Cash

Zur Info: Der australische Dollar (AUD) – die Berichtswährung von Yancoal – und der US-Dollar (USD) – die Berichtswährung der Noble Group – waren zur damaligen Zeit ungefähr gleich viel wert, weshalb wir für die angestellten Vergleiche hier keine großen Umrechnungen durchzuführen brauchen.


Bewertung des Yancoal-Anteils

Der Anteil an Yancoal war am ersten Tag des Listings an der ASX – das war der 28. Juni 2012 – knapp über 160 Mio. AUD wert (130 Mio. Aktien x Aktienkurs von ca. 1,25 AUD/Aktie). Statt allerdings die Beteiligung als passives Investment zu klassifizieren und mit dem aktuellen Marktwert der Aktie in den Büchern zu führen, entschied sich Noble für eine Einordnung als Equity-Beteiligung und legte als Beteiligungsbuchwert nicht den Marktwert, sondern das Ergebnis einer internen DCF-Bewertung zugrunde.

Aktienkursentwicklung Yancoal

Aktienkursentwicklung Yancoal [AUD/Aktie]; Quelle: Finbox

Laut Geschäftsbericht betrug der Buchwert des Yancoal-Anteils Ende 2013 deshalb stolze 678 Mio. AUD… ca. das 6 bis 7-fache des Marktwertes zu dem Zeitpunkt. Nach Abzug der Verluste und Wertminderungen des Folgejahres lag der Buchwert Ende 2014 immernoch bei stattlichen 614 Mio. AUD.

Im Gegensatz dazu war der Marktwert des Noble-Anteils zwischenzeitlich auf nur ca. 10-15 Mio. AUD gesunken (Aktienkurs Anfang 2015 aufgrund der hohen Verschuldung nur noch bei ca. 0,10 AUD/Aktie). Mit anderen Worten: Es klaffte eine Lücke ca. 600 Mio. AUD zwischen Buch- und Marktwert:

Noble Group: Valuation Gap der Yancoal Beteiligung

Vergleich Yancoal: Fortgeführte Anschaffungskosten (Buchwert) versus Marktkapitalisierung des Anteils (Marktwert) [Mio. USD]; Quelle: Finbox, Iceberg Research

Diese Diskrepanz war aufgrund von zwei wesentlichen Annahmen überhaupt nur möglich:

  1. Der Yancoal Anteil wurde als At Equity Beteiligung klassifiziert und musste deshalb nicht zum Marktwert in den Büchern geführt werden
  2. Positive Annahmen im jährlichen Impairment Test (die üblichen Level 2 bzw. Level 3 Inputs: Kohlepreise, Versandmengen etc.) verhinderten entsprechende Wertminderungen

De facto was Yancoal aber mit einer Nettoverschuldung von ca. 4 Mrd. AUD hochverschuldet und die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz entsprechend hoch. Dies wurde zwar im Aktienkurs reflektiert, nicht aber in den Bewertungsmodellen der Noble Group.

Interessanterweise hatte der damalige Wirtschaftsprüfer EY die Logik zwar verstanden, den Umstand allerdings nur einen entsprechenden Kommentar vermerkt:

At initial recognition, the investment in Yancoal was measured at fair value estimated based on a discounted cash flow model. Determining the value for this investment required the Group to make certain estimates and assumptions on expected sales and production volume, future sale prices, expected future costs and expenses. Actual outcomes could differ from these estimates and assumptions. – EY im Noble Group Geschäftsbericht 2012

Einflussnahme bzw. Begründung für At Equity Klassifizierung von Yancoal

Die Klassifizierung von Yancoal als assoziiertes Unternehmen (also die Behandlung als At Equity Beteiligung) basierte auf der Annahme, dass Noble einen bedeutenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von Yancoal ausüben konnte.

Es gab jedoch einige Beobachtungspunkte, die gegen das Vorhandensein eines solchen Einflusses sprachen.

Der mit Abstand bedeutendste Anteilseigner von Yancoal war z.B. nicht die Noble Group, sondern  mit einem Anteil von 78%  das chinesische Staatsunternehmen Yanzhou. Noble war darüber hinaus völlig vom relevanten Informationsfluss abgeschnitten bzw. wurde in wesentliche Entscheidungsprozesse nicht einbezogen.

Im August 2013 z.B. meldete Yancoal einen Verlust von 687 Mio. AUD aufgrund von Wertminderungen und Wechselkursverlusten. Noble hatte davon offenbar keine Kenntnis, wie eine in dem Zusammenhang herausgegebene Pressemitteilung nahelegt:

Noble is unaware of the basis for those reductions and whether they properly reflect the forward curves for relevant coal prices and therefore Noble will review any of its own valuations or adjustments in that light. – Noble Group Pressemitteilung 18. August 2013

Weiteres Beispiel: In  2014 wurde Noble in die Planungen bzgl. eines verwässernden Bezugsrechtsangebots in Höhe von 2,3 Mrd. AUD nicht einbezogen… zu erkennen an der Tatsache, dass Noble sich später gegen das Angebot stellte.

Die ablehnende Haltung war aus Sicht der Noble Group nur folgerichtig, denn die Verwässerung hätte – unter der Annahme, dass Noble sich nicht mit ca. 250 Mio. AUD am Angebot beteiligen wollte – dazu geführt, dass Noble die Beteiligung nicht mehr “At Equity” hätte konsolidieren können. Dies wiederum hätte einen unmittelbaren Abschreibungsbedarf in Höhe der oben abgeleiteten Wertlücke zur Folge gehabt. Die Begebung der Anleihe scheiterte schlussendlich übrigens an der Intervention des Australian Takeovers Panel… und nicht, weil Noble seinen Einfluss entsprechend geltend gemacht hätte.

Hieraus ließ sich im Grunde genommen nur schlussfolgern, dass Noble nicht annähernd in der Lage war, Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen und die Yancoal-Beteiligung deshalb als rein passives Investment hätte geführt werden müssen.

Auch im Zusammenhang mit der Klassifizierung als At Equity Beteiligung hielt sich EY zurück und überlies dem Management die Verantwortung für die Einstufung von Yancoal:

The Group’s management determined that it exercised significant influence over Yancoal and has accounted for the investment as an associate. – EY im Noble Geschäftsbericht 2012

Dies ist aus der Sicht des Prüfers rechtlich zwar in Ordnung, allerdings nicht unbedingt hilfreich im Sinne einer Transparenzschaffung für die Investoren.


Accounting von Beteiligungen: Beispiel PT Atlas

Bei PT Atlas handelte es sich – analog zu Yancoal – ebenfalls um einen Kohleproduzenten, diesmal allerdings einen indonesischen. Die Noble Group hielt damals eine 10%ige Beteiligung an PT Atlas, welche dem entsprechend zunächst als passives Investment bzw. als “Held for Trading” Finanzbeteiligung klassifiziert wurde.

Im Jahr 2013 allerdings wurde die Beteiligung in eine At Equity Beteiligung umklassifiziert:

The group reclassified Atlas to investments in associates from held for trading financial assets following the appointment of a director of Noble as Vice President of the Board of Commissioners in March 2013. – Noble Group Geschäftsbericht 2013 (Seite 129)

Dies geschah, wie ihr dem relevanten Absatz aus dem Geschäftsbericht entnehmen könnt, aufgrund der Tatsache, dass ein Noble Direktor eine Position in einem der die PT Atlas beaufsichtigten Gremien erhielt.

Im Zuge der Umklassifizierung wurde konsequenterweise auch das Accounting der Beteiligung von einem Fair Value Ansatz (heißt Beteiligungsbuchwert bzw. Höhe des Investments entspricht dem zum Stichtag jeweils aktuellen Anteil an der Marktkapitalisierung) auf die fortgeführten Anschaffungskosten umgestellt.

Auch wenn man natürlich auch hier die tatsächliche Einflussnahme auf die Geschäftspolitik hätte in Frage stellen können, erschien die Logik grundsätzlich erstmal nachvollziehbar. Größere Schwierigkeiten bereitete den Analysten damals da schon das Nachvollziehen des “Re-Measurement Gains” in Höhe von ca. 25 Mio. USD, den Noble im Rahmen der Neuklassifizierung verbuchte.

Noble hatte nämlich den Wert der Beteiligung – mutmaßlich ein weiteres Mal aufgrund der Ergebnisse einer mit sehr “bullishen” Inputs durchgeführten DCF-Bewertung – um 25 Mio. USD erhöht und in der GuV einen außerplanmäßigen und nicht-wiederkehrenden Gewinn verbucht (erinnert ein bisschen an die Behandlung der langfristigen Lieferverträge wie ich finde).

Gleichzeitig hatte PT Atlas allerdings für die ersten 9 Monate des GJ 2014 einen Nettoverlust von ca. 16 Mio. USD ausgewiesen (bei einem Umsatzniveau von gerade mal 27 Mio. USD). Auch die Behandlung dieser Beteiligung konnte also aus Investorensicht als nicht ganz unproblematisch bezeichnet werden.


Weitere Beteiligungen

Neben den etwas detaillierter angesprochenen Beteiligungen an Yancoal (die mit Abstand größte damalige At Equity Beteiligung) und PT Atlas hatte Noble noch ein paar weitere Beteiligungen unterhalb der 20%-Marke als assoziierte Unternehmen klassifiziert:

  • Aspire Mining: 10%
  • Resource Generation Ltd: 14%
  • Xanadu Mines: 8%
  • Inflection Energy: 17%

Auch hier gab es Fragezeichen hinsichtlich der Bewertung sowie auch der Klassifizierung als assoziierte Unternehmen.

Bewertung: Während Noble seine At Equity Beteiligungen (exklusive Yancoal) mit einem Wert oberhalb der 400 Mio. USD-Marke in den Büchern stehen hatte, lag der Marktwert der gelisteten Beteiligungen zum Stichtag Ende 2015 gerade einmal bei ca. 15 Mio. USD:

Noble Group At Equity Beteiligungen

At Equity Beteiligungen der Noble Group 2014/15; Quelle Iceberg Research, Geschäftsbericht 2016

Konsequenterweise müssten also die nicht börsennotierten Beteiligungen für einen Großteil der 400 Mio-Bewertung verantwortlich gewesen sein. Dies schien alles in allem nur schwer vorstellbar.

Weiterhin wies der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young auch hier jede Verantwortung für die Klassifizierung der Beteiligungen weit von sich und sieht die Verantwortung bei Noble bzw. dem Management:

Although the Group held less than 20% of the ownership interest and voting rights in some of the above associates, it has judged that it exercises significant influence through its material commercial and financial transactions and representation on the Board of Directors and Board subcommittees of these associates. – EY im Noble Geschäftsbericht 2013

Key Take Aways

Die Noble Group hatte Ende 2014 At Equity Beteiligungen im Wert von über 1 Mrd. USD auf der Bilanz stehen, wovon die mit Abstand größte Beteiligung (Yancoal) über 600 Mio. USD ausmachte. Mit der Bewertung dieser Beteiligungen gab es nun zwei Probleme:

  1. Die Eigentumsanteile waren in vielen Fällen so gering, dass eigentlich keine Einflussnahme unterstellt werden konnte (oft nur 10 bis maximal 15%)
  2. Die Marktwerte jedenfalls der gelisteten Beteiligungen lagen substantiell unterhalb des durch die Noble Group auf Basis eines DCF-Modells initial (also bei erstmaliger Berücksichtigung) ermittelten Buchwerts

Noble nutzte hier die Freiheiten der Rechnungslegungsvorschriften maximal aus, da Et Equity Beteiligungen im Gegensatz zu rein passiven Investments nicht zum aktuellen Marktwert bewertet werden müssen, sondern der Buchwert einfach auf Basis der ursprünglichen Anschaffungskosten fortgeführt werden kann.

Wenn wir ein Unternehmen analysieren, welches einen Großteil seines Wachstums über Akquisitionen generiert, sollten wir uns also die Beteiligungen immer etwas genauer ansehen.

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