Merger Arbitrage: Wie wir von einer Übernahme profitieren können

Merger Arbitrage

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Merger Arbitrage

Wann immer ein Unternehmen ein anderes übernehmen will, entstehen für uns als Investoren gegebenenfalls Gelegenheiten für einen (relativ) sicheren Return, nämlich indem wir von Differenzen zwischen Übernahmepreis bzw. Kaufpreis und Aktienkurs profitieren. Eine solche Strategie ist auch unter dem Namen Merger Arbitrage bekannt.

In diesem Artikel möchte ich euch einmal erklären, wie wir eine Merger Arbitrage Strategie umsetzen können und welches die wesentlichen Risiken sind, die wir dabei beachten bzw. verstehen müssen.


Wie läuft ein Merger bzw. eine Übernahme ab?

Bevor wir zur konkreten Merger Arbitrage Strategie kommen, möchte ich noch kurz auf den typischen Ablauf einer Übernahme bzw. eines Mergers eingehen, damit ihr den Kontext besser versteht.

Zunächst mal können wir zwischen einer freundlichen und einer feindlichen Übernahme unterscheiden.

Im Rahmen der Anbahnung einer Übernahme wird der potenzielle Erwerber typischerweise zunächst auf das Top Management des Zielunternehmens zugehen und nach Unterzeichnung einer Geheimhaltungsvereinbarung (Non-Disclosure-Agreement oder NDA) in einer ersten Verhandlungsrunde klären, ob überhaupt Interesse an einem Zusammenschluss besteht. Sollte dies der Fall sein, werden die Eckpunkte der geplanten Übernahme festgelegt und in einer Absichtserklärung (Memorandum of Unterstanding bzw. MoU) festgehalten. Dies ist typischerweise der Zeitpunkt, zu dem die geplante Transaktion öffentlich gemacht wird und wir als Investoren davon erfahren.

Können sich beide Parteien nicht auf die Eckpunkte verständigen oder lehnt das Management des Zielunternehmens eine Übernahme ab, dann kann sich der mögliche Erwerber immernoch dazu entscheiden, eine feindliche Übernahme zu initiieren bzw. den Aktionären direkt ein Angebot zu unterbreiten.

In der Regel wird nach der Unterzeichnung der Absichtserklärung sowie der nachgelagerten Zustimmung des Aufsichtsrates eine detaillierte Due Diligence, also eine tiefer gehende Prüfung der Bücher des Zielunternehmens durch den potenziellen Erwerber durchgeführt.

Nach Abschluss dieser Prüfung wird dann über den finalen Kaufpreis verhandelt und der offizielle Kaufvertrag unterzeichnet. Danach nach deren Abschluss gegebenenfalls verschiedenste Kartellbehörden die Transaktion überprüfen. Erst nach Freigabe der Behörden kann die Übernahme abgeschlossen werden. Die Zeitspanne zwischen Unterzeichnung des MoU und dem Abschluss der Transaktion kann bis zu 18 Monate (Daumenwert) betragen. In manchen Fällen kann eine Übernahme aber auch schon in ein paar Monaten abgeschlossen sein.

Je nach Ausgestaltung der Transaktion kann auch eine Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich sein. Je nach Zusammensetzung des Aufsichtsrats ist das ggf. aber eine reine Formalität. Nach dem Aktiengesetz (AktG) ist die Hauptversammlung…


Wege der Durchführung einer Übernahme

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, um ein anderes Unternehmen zu übernehmen:

  1. Kauf der Anteile über die Börse (das wäre dann in jedem Fall die feindliche Option)
  2. “All Stock” Offer: Umtauschangebot, also Aktien des Erwerbers für Aktien des zu übernehmenden Unternehmens (in einem festgelegten Verhältnis)
  3. “All Cash” Offer: Übernahmeangebot in Cash

Darüber hinaus kann es natürlich auch Kombinationen geben, also z.B. ein Übernahmeangebot, das vorsieht 50% des Kaufpreises in Cash und die restlichen 50% in Aktien zu bezahlen.


Was ist Merger Arbitrage?

Der Begriff Merger Arbitrage oder manchmal auch Risk Arbitrage genannt, bezieht sich auf den Kauf (und/oder den Verkauf) von Aktien der Unternehmen, die in eine Übernahme involviert sind (d.h. übernehmendes und zu übernehmendes Unternehmen)… und zwar nachdem das Übernahmeangebot veröffentlicht wurde.

Natürlich können wir auch im Vorfeld eines erwarteten Übernahmeangebots auf ein genau solches spekulieren… das ist aber ggf. das Thema eines anderen Artikels. 🙂

Wie der Name Arbitrage bereits suggeriert, nutzen wir dabei Preisdifferenzen im Markt aus. Genauer gesagt profitieren wir davon, dass der aktuelle Marktpreis des Zielunternehmens unterhalb des angebotenen Übernahmepreises liegt. Diese Differenz wird auch als Spread bezeichnet.

Wie genau wir die Merger Arbitrage durchführen, hängt nun von der Art des Angebots ab:

  1. All Cash Offer: Handelt es sich um ein “All Cash” Offer, dann können wir einfach die Aktie des Zielunternehmens kaufen, die Aktien nach Abschluss der Transaktion dem Erwerber andienen und dafür Cash erhalten
  2. Zahlung des Kaufpreises ganz oder teilweise in Aktien: Handelt es sich um einen Stock Deal, dann haben wir wiederum zwei Möglichkeiten
    • Wir kaufen die Aktie des Zielunternehmens und nehmen nach Abschluss der Transaktion die Aktien des übernehmenden Unternehmens in Empfang – Dies erfordert allerdings ein Verständnis über die intrinsischen Werte bzw. die (relative) Bewertung beider Unternehmen
    • Wir kaufen die Aktie des Zielunternehmens und verkaufen gleichzeitig die dem Umtauschverhältnis entsprechende Anzahl an Aktien des Erwerbers leer (d.h. wir “shorten” die Aktie des Erwerbers)

Auch wenn diese Strategien sich grundsätzlich sehr einfach anhören und auch recht einfach umsetzen lassen, gibt es doch ein paar wesentliche Risiken, die wir soweit wie möglich ausschließen sollten.


Risiken der Merger Arbitrage

Wir als Arbitrageure (so werden Investoren genannt, der von einer Merger Arbitrage profitieren möchten) gehen mit dem Kauf der Aktien bzw. bei der Durchführung einer Merger Arbitrage im Wesentlichen zwei Risiken ein:

  1. Realisierungsrisiko: Der Deal könnte aus verschiedenen Gründen nicht zustande kommen. Z.B. könnten die Kartellbehörden der Merger bzw. die Übernahme verweigern oder nur unter strengen Auflagen genehmigen. Zum anderen könnten Finanzierungsprobleme, signifikante Veränderungen im Marktumfeld des Unternehmens, neue Erkenntnisse während der Due Diligence oder auch einfach die Inkompatibilität der handelnden Personen den Deal zum Scheitern bringen
  2. Timing Risiko: Es könnte zu lange dauern, bis der Deal über die Bühne gebracht wird. Je nach Industrie kann es zwischen einem und 18 Monaten dauern, bis der Merger bzw. die Übernahme abgeschlossen ist. Je länger der Prozess dauert, desto länger ist das Kapital gebunden und desto niedriger wird der annualisierte Return ausfallen

In beiden Fällen könnte unser aufs Jahr hochgerechnete Return sehr unattraktiv werden bzw. der Kurs auf das Niveau von vor der Bekanntgabe zurückfallen. Das Kursniveau vor Bekanntgabe der Transaktion können wir übrigens für eine Abschätzung eines Risiko-Return-Ratios verwenden.

Merger Arbitrage kann allgemein als für den Privatinvestor recht schwierige Investmentstrategie bezeichnet werden. Das liegt vor allem daran, dass es recht viele professionelle Investoren in diesem Business gibt, die erstens sehr schnell handeln können, wenn eine Opportunität entsteht und zweitens die Professionalität besitzen, die Rahmenbedingungen richtig einzuschätzen (rechtlich, Industrie-spezifisch, wahrscheinliches Andienungsquote etc.). Dies ist übrigens auch die Schlussfolgerung, zu der Joel Greenblatt in seinem Buch You Can be a Stock Market Genius kommt.

Solltet ihr euch trotzdem für die Umsetzung einer Merger Arbitrage Strategie entscheiden, dann ist eine detaillierte Analyse der Übernahmesituation bzw. der Risiken unerlässlich.


Übernahmesituation einschätzen

Um die oben genannten Risiken beherrschbar zu machen, ist es also essentiell, dass wir sowohl die Realisierungswahrscheinlichkeit der Übernahme, als auch den wahrscheinlichen zeitlichen Ablauf mit hinreichender Genauigkeit einschätzen.

Hierfür können bzw. sollten wir uns die folgenden Fragen stellen (für mehr Details solltet ihr euch einmal das Buch How to Profit from Special Situations von Maurice Schiller durchlesen):

  • Wie hoch ist das Risiko in dieser Übernahmesituation?
  • Zielunternehmen: Welcher Eigentumsanteil wird von den Aufsichtsratsmitgliedern kontrolliert, die dem Deal bereits zugestimmt haben (sofern bereits geschehen… bei einem feindlichen Übernahmeangebot eher nicht der Fall)?
  • Welcher Anteil der restlichen Aktien befindet sich in den Händen von Aktionären aus dem Umfeld der Unterstützer der Übernahme (Closely Held Stock), welcher Anteil gehört komplett unabhängigen Personen?
  • Gibt es offenkundige Widersprüche gegen den Plan? Wenn ja, auf welcher Basis bzw. mit welcher Begründung? Was ist die Intention der Opponenten (besseren Kurs erzielen, Übernahme verhindern, …)?
  • Welcher Anteil der Stimmen ist erforderlich, um die Übernahme auf der Hauptversammlung zu beschließen (wenn ein Beschluss überhaupt erforderlich ist)?
  • Über welchen Zeitraum wird die Übernahme sich voraussichtlich hinziehen?
  • Werden während dieses Zeitraums voraussichtlich Dividenden ausgeschüttet (von beiden Unternehmen)?
  • Wie ist das Verhältnis der Aktienkurse der beiden Unternehmen zueinander?
  • Wie hoch ist der intrinsische Wert der beiden Unternehmen bzw. Aktien?
  • Sind die Footprints der beiden Unternehmen (geografische Abdeckung, Wertschöpfungskette, Produktionsstätten, Distribution etc.) komplementär und erhöhen dadurch die Attraktivität der Übernahme?
  • Gibt es bereits Aussagen von Kartellbehörden oder anderen Behörden in Bezug auf die Übernahme bzw. den Zusammenschluss? Sind die Reaktionen eher positiv oder kritisch?

Alles in allem kann es eine Vielzahl von Gründen geben, aus denen eine geplante Transaktion nicht zustande kommt. Und wie gesagt… hiervon hängt am Ende der Return der Strategie ab, obwohl rein mathematisch alles recht einfach und gut zu kalkulieren ist… wie ihr am folgenden Beispiel seht.


Beispiel Zeal Network – Lotto24

Am 19. November legte der Online Lottoanbieter Zeal Network ein Übernahmeangebot für den deutschen Konkurrenten Lotto24 vor. Für Zeal scheint die Übernahme in jedem Fall sinnvoll zu sein, da speziell das deutsche Zweitlotteriegeschäft von Zeal (Tipp24) großen regulatorischen Risiken ausgesetzt ist. Zeal bietet eine Zeal-Aktie je 1,6 Aktien von Lotto24. Da bereits ca. 65% des Aktienkapitals den Deal unterstützen, scheint die Übernahme wahrscheinlich.

Vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebots handelte die Aktie von Zeal Network bei 23,96 EUR je Aktie, die Aktie von Lotto24 stand bei 12,64 EUR (Schlusskurse vom 18. November). Bei einem Umtauschverhältnis von 1,6 Anteilen lag damit der gebotene Wert je Lotto24-Aktie bei 23,96/1,6 = 14,98 EUR, was einem Premium auf den aktuellen Kurs von ca. 19% entsprach:

Premium = (14,98 – 12,64) / 12,64 = 18,5%

Nach Bekanntgabe des Übernahmeangebots passierten zwei Dinge:

  1. Der Kurs von Lotto24 stieg von 12,64 am Vortag auf 13,20 EUR an
  2. Gleichzeitig sackte der Kurs von Zeal Network von 23,96 auf 21,56 EUR je Aktie ab

Folglich sah die Relation nach Veröffentlichung des Übernahmeangebots so aus: Der Kurs der Lotto24-Aktie lag bei 13,20  EUR je Aktie, das Angebot von Zeal Network bei 21,56/1,6 = 13,48 EUR. Das Premium lag also nur noch bei um die 2%.

Würden die Kurse nun eingefroren und sollte die Übernahme binnen 3 Monaten abgeschlossen ein (was allerdings unwahrscheinlich erscheint), dann würde ein Arbitrageur einen annualisierten Return von

(1,02 x 1,02 x 1,02 x 1,02) -1 = ca. 8,2%

erzielen (abzüglich Transaktionskosten). Ob das viel oder wenig ist und ob der Return in einem vernünftigen Verhältnis zum Risiko steht, darüber lässt sich natürlich streiten.

Nur ca. 2 Wochen später haben sich die Kurse allerdings wieder deutlich verändert. Lotto24 steht bei 13,06 EUR je Aktie, Zeal Network bei nur noch 19,84 EUR je Aktie, was einem Übernahmekurs von 19,84/1,6 = 12,40 EUR entspricht. Aus einem Premium von 2% ist also auf einmal einem Abschlag bzw. Discount von 5% geworden.

Zum jetzigen Zeitpunkt hätten wir als Arbitrageure also sogar einen Verlust zu verzeichnen, hätten wir einfach nur die Aktie des Zielunternehmens gekauft. Wir müssen unsere Position also irgendwie absichern.


Hedge: Absichern über Leerverkauf

Diese Absicherung können wir mithilfe eines Hedges folgendermaßen realisieren (sofern wir natürlich eine positive Relation zwischen den Aktienkursen haben, hier am Beispiel der Kurse direkt nach der Ankündigung der Übernahme):

  • Wir kaufen unsere gewünschte Anzahl an Aktien von Lotto24 für 13,20 EUR je Aktie (also z.B. 1.000 Aktien für 13.200 EUR)
  • Wir verkaufen je Aktie von Lotto24 genau 1/1,6 = 0,625 Aktien von Zeal Network für 21,56 EUR je Aktie leer (also z.B. 625 Aktien für insgesamt 13.475 EUR)

Das heißt wir haben erstmal einen Profit von 275 EUR bzw. ca. 2% realisiert (13.475 EUR minus 13.200 EUR).

Exkurs: Leerverkauf

Beim Leerverkauf (englisch Short Selling oder neudeutsch “shorten”) leihen wir uns die entsprechende Aktie von einem Broker und verkaufen diese dann am freien Markt. Allerdings sind wir auch verpflichtet, die Aktie zu einem späteren (festgelegten) Zeitpunkt an den Verleiher zurückzugeben.

He who sells what isn’t his’n, must buy it back or go to prison.

Wenn also der Preis über die Zeit sinkt und wir die Aktie günstiger zurückkaufen können, als wir sie zu Beginn verkauft haben, dann haben wir einen positiven Return mit der Strategie erzielt.

Aus diesem Grund werden Leerverkäufe oft genutzt, um auf sinkende Aktienkurse zu spekulieren, z.B. in Fällen, in denen wir bestimmte Aktien für überbewertet halten.

Sobald die Übernahme abgeschlossen ist und wir die 625 Aktien von Zeal Network im Austausch für unsere 1.000 Lotto24 Aktien erhalten haben, können wir diese an den Verleiher zurückgeben und die Transaktion ist für uns erledigt. Um einen akzeptablen (annualisierten) Return zu erzielen, ist es allerdings wichtig, dass die Übernahme schnell abgeschlossen wird (was natürlich beinhaltet, dass sie überhaupt abgeschlossen wird).

Womit wir wieder bei der Wichtigkeit der Risikoabschätzung wären.


Fazit

Eine Merger Arbitrage Strategie ist zwar recht schnell umgesetzt. Der Erfolg basiert allerdings zum Großteil auf zwei Faktoren, nämlich der Realisierungswahrscheinlichkeit der Übernahme sowie der Dauer des Übernahmeprozesses.

Scheitert die Übernahme oder zieht sich der Prozess zu lange hin, dann kann das den Return der Strategie stark negativ beeinflussen.

Es ist also wichtig, diese beiden Faktoren im Detail zu beleuchten. Allgemein sind so viele professionelle Investoren im Feld der Merger Arbitrage bzw. der Risk Arbitrage unterwegs, dass die erzielbaren Spreads (also die Preisdifferenz zwischen Aktienkurs und Übernahmepreis) tendenziell nur noch sehr gering sind.


Weitere Ressourcen

1 Kommentar zu „Merger Arbitrage: Wie wir von einer Übernahme profitieren können“

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