Der Jahresabschluss: Eine kleine Einführung

Inhalt

Der Jahresabschluss ist sozusagen der Kern jeder Unternehmensanalyse. Nicht nur, weil wir aus dem Jahresabschluss den Gewinn ablesen können, sondern auch, weil wir aus der Auswertung der Zahlen interessante Rückschlüsse auf die speziellen Charakteristika eines Unternehmens bzw. Geschäftsmodells ziehen können. Und Jahresabschlüsse zu lesen und zu verstehen erfordert keinen Doktortitel oder ein Studium der BWL mit Schwerpunkt auf Jahresabschlussanalyse.

Dieser Artikel soll dir dabei helfen, ein grundlegendes Verständnis darüber zu erhalten, wie du einen Jahresabschluss lesen und analysieren kannst. Zu jedem Bestandteil des Jahresabschlusses habe ich ein Beispiel aus einer meiner Aktienanalysen beigefügt (siehe Abbildungen). Die Tatsache, dass einige Felder keine Werte enthalten bedeutet nur, dass diese vom Unternehmen nicht detailliert aufgeschlüsselt wurden. Der genaue Aufbau z.B. einer Gewinn- und Verlustrechung unterscheidet sich nämlich von Firma zu Firma.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Warum ein Jahresabschluss erstellt wird
  • Aus welchen Bestandteilen der Jahresabschluss besteht
  • Wie die einzelnen Bestandteile des Jahresabschlusses (i.W. Bilanz, GuV, Kapitalflussrechnung) aufgebaut sind
  • Wie du den Jahresabschluss mit ein paar ausgewählten Finanzkennzahlen analysieren kannst

Und nur um Verwirrungen vorzugreifen: Hier geht es hauptsächlich um die heute in vielen Ländern für kapitalmarktorientierte Unternehmen vorgeschriebenen Abschlüsse nach IFRS (bzw. US GAAP in den USA). Der Jahresabschluss nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) hat zwar grundsätzlich die gleichen Bestandteile, die Struktur z.B. der Gewinn- und Verlustrechnung ist aber nochmal etwas anders.

Welche Bestandteile enthält also ein Jahresabschluss genau?


Sinn und Zweck des Jahresabschluss

Ganz allgemein geht es beim Jahresabschluss darum, aktuellen oder potenziellen Investoren einen Überblick über die Finanzen des Unternehmens zu geben. Und ganz einfach gesprochen geht es für uns Investoren darum, zu verstehen, wo sich das Vermögen eines Unternehmens befindet (d.h. wo es investiert ist, in Gebäude, Produktionsanlagen, Büroausstattung etc.), wie ein Unternehmen dieses Vermögen finanziert hat (z.B. über die Eigentümer, Banken oder andere Gläubiger) und wie das Vermögen im Unternehmen genutzt wird (z.B. aus Vormaterialien werden mithilfe der Produktionsanlagen Produkte hergestellt, die dann eine Weile im Lager liegen, bevor sie an die Kunden verkauft und ausgeliefert werden).

Ein Jahresabschluss hat vier Hauptbestandteile (dazu kommt noch ein Anhang mit detaillierten Erläuterungen):

In der Bilanz finden wir Informationen darüber, welche Vermögenswerte ein Unternehmen besitzt und wieviel Geld das Unternehmen den kreditgebenden Banken oder anderen Gläubigern schuldet. Die Bilanz wird immer für einen festen Zeitpunkt, den so genannten Bilanzstichtag, erstellt. Sie stellt also eine Momentaufnahme der Vermögenswerte eines Unternehmens dar. Der Bilanzstichtag ist typischerweise identisch dem dem Abschluss des Geschäftsjahres eines Unternehmens (oft der 31.12.). In Ausnahmefällen werden Bilanzen auch halbjährlich angefertigt.

Die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt, wie viel Geld ein Unternehmen mit Produktverkäufen oder der Erbringung von Dienstleistungen eingenommen hat und welche Kosten diesem Umsatz gegenüber gestanden haben (also Gewinn = Umsatz – Kosten). Die Gewinn- und Verlustrechnung wird für das Geschäftsjahr, also den Zeitraum zwischen zwei Bilanzstichtagen, sowie auch für jedes Quartal des Geschäftsjahres aufgestellt.

Bei der Kapitalflussrechnung geht es um Zuflüsse und Abflüsse von Barmitteln zwischen den Bilanzstichtagen. Die Sichtweise auf die Zahlen ist eine etwas andere als bei der Gewinn- und Verlustrechnung: Große Mittelzuflüsse (z.B. nach einer Kapitalerhöhung, der Begebung einer Anleihe oder der Auszahlung eines Kredits durch die Bank) bzw. -abflüsse (z.B. die Investition in eine neue Produktionsanlage oder ein neues Gebäude) tauchen in der GuV zunächst nicht direkt auf. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass ein Unternehmen immer ausreichend Bargeld zur Verfügung hat, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten.

Der vierte Bestandteil des Jahresabschlusses, die so genannte “Veränderung des Eigenkapitals”, zeigt, wie sich das Eigenkapital im Vergleich zum letzten Bilanzstichtag verändert hat.

Im Folgenden gehen wir einmal auf die drei wesentlichen Jahresabschlussbestandteile im Detail ein.


Die Bilanz

Eine Bilanz liefert detaillierte Informationen über die Vermögenswerte eines Unternehmens, die Verbindlichkeiten und das Eigenkapital.


Vermögenswerte bzw. Aktiva (Assets)

Vermögenswerte oder Assets sind die Dinge, die ein Unternehmen besitzt. Dinge, die einen Wert haben. Dieser Wert drückt sich entweder darin aus, dass die Vermögenswerte gegen Geld verkauft werden können oder darin, dass sie verwendet werden können, um Produkte oder Dienstleistungen daraus herzustellen und zu verkaufen. Das Vermögen umfasst zunächst mal materielle Vermögensgegenstände wie z.B. Gebäude, LKWs, Maschinen oder auch den Lagerbestand an Rohstoffen und Fertigprodukten. Es kann aber darüber hinaus auch immaterielle Vermögenswerte wie Marken oder Patente enthalten. Bargeld selbst ist natürlich auch als Vermögenswert anzusehen. Genauso wie Investitionen in Finanzanlagen oder andere Unternehmen.


Verbindlichkeiten bzw. Passiva (Liabilities)

Verbindlichkeiten sind Geldbeträge, die ein Unternehmen einem Dritten schuldet, also z.B. einer Bank. Dies können alle Arten von Verpflichtungen sein, wie z.B.

  • ein Bankkredit, um ein neues Produkt zu entwickeln
  • Mieten für die Nutzung eines Gebäudes
  • ausstehende Rechnungen für Rohstofflieferungen eines Lieferanten
  • ausstehende Lohnzahlungen an die Mitarbeiter
  • Umweltkosten oder Steuern, die ein Unternehmen dem Staat schuldet

Die Verbindlichkeiten umfassen auch zukünftige Verpflichtungen gegenüber Kunden über die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen.


Eigenkapital (Shareholders’ Equity)

Das Eigenkapital wird manchmal auch einfach nur Kapital genannt. Es ist das Geld, das übrig blieben würde, wenn ein Unternehmen alle seine Vermögenswerte verkaufen und gleichzeitig alle Schulden abbezahlen würde. Das Eigenkapital ist also die Differenz aus dem aggregierten Wert der Vermögenswerte und dem aggregierten Wert der Schulden und gehört den Aktionären bzw. Eigentümern des Unternehmens.

Die folgende Formel fasst einmal zusammen, was uns die Bilanz zeigt:

AKTIVA = PASSIVA + EIGENKAPITAL

In der Bilanz sind die Vermögenswerte eines Unternehmens IMMER gleich der Summe aus Verbindlichkeiten (Passiva) und Eigenkapital. Verbindlichkeiten und Eigenkapital zeigen uns, wo das Kapital herkommt, die Vermögenswerte, wie das Kapital verwendet wird.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, die Bilanz darzustellen:

  • Vermögenswerte auf der linken, Verbindlichkeiten und Eigenkapital auf der rechten Seite
  • Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Eigenkapital untereinander

Vermögenswerte werden in der Regel basierend darauf aufgelistet, wie schnell sie in Bargeld umgewandelt werden können. Kurzfristige Vermögenswerte sind Werte, die ein Unternehmen innerhalb eines Jahres in Bargeld verwandeln kann. Ein gutes Beispiel für einen kurzfristigen Vermögenswert ist der Lagerbestand. Innerhalb eines Jahres sollte dieser leicht zu verkaufen sein. Langfristige Vermögenswerte sind hingegen nicht oder nur schwer innerhalb eines Jahres in Bargeld umzuwandeln. Zu den langfristigen Vermögenswerten gehören vor allem die Sachanlagen. Das sind die Vermögenswerte, die benötigt werden, um das Geschäft zu betreiben und die deshalb eigentlich nicht für den Verkauf bestimmt sind. Zu den Sachanlagen gehören z.B. Anlagen für die Produktion der Produkte oder LKWs für deren Auslieferung an den Kunden.

Die Verbindlichkeiten sind in der Regel auf der Grundlage ihres Fälligkeitsdatums aufgeführt und können ebenfalls entweder kurzfristiger oder langfristig Natur sein. Kurzfristige Verbindlichkeiten sind Verpflichtungen bzw. Schulden, die ein Unternehmen im Laufe der nächsten 12 Monate tilgen bzw. zurückzahlen muss. Langfristige Verbindlichkeiten sind Verpflichtungen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig werden.
Das Eigenkapital ist das, was die Aktionäre ursprünglich in das Unternehmen investiert haben zuzüglich aller Gewinne (oder abzüglich aller Verluste), die das Unternehmen seit seiner Gründung gemacht hat. Manchmal schütten Unternehmen ihre Gewinne auch als Dividenden an die Eigentümer bzw. Aktionäre aus und behalten sie nicht ein. In diesem Fall erhöht sich das Eigenkapital in der Bilanz dann logischerweise nicht.

Jahresabschluss: Bilanz

Wie bereits kurz erläutert, stellt die Bilanz eine Momentaufnahme der Vermögenswerte, der Schulden und des Eigenkapitals eines Unternehmens am Ende des Berichtszeitraums dar. Die Bilanz gibt uns allerdings keinen Aufschluss über die Geldströme während des Berichtszeitraums. Das heißt wir können aus den Bilanzen nicht direkt ablesen, was zwischen den Bilanzstichtagen passiert ist. Dafür gibt es die Gewinn- und Verlustrechnung.


Gewinn- und Verlustrechnung (GuV)

Die Gewinn- und Verlustrechnung als Bestandteil des Jahresabschluss ist ein Bericht, der uns als Investoren aufzeigt, wie viel Umsatz ein Unternehmen über einen bestimmten Zeitraum erwirtschaftet hat (in der Regel über ein Geschäftsjahr bzw. die vier Quartale des Geschäftsjahres). Die Gewinn- und Verlustrechnung zeigt außerdem die Kosten und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erwirtschaftung dieses Umsatzes aufgetreten sind.

In der Gewinn- und Verlustrechnung erfahren wir als Investoren typischerweise auch etwas über das Ergebnis je Aktie (oder EPS = Earnings per Share). Das Ergebnis je Aktie ist nichts anderes, als der Nettogewinn geteilt durch die Anzahl an Aktien in Umlauf. Das Ergebnis je Aktie zeigt uns, wie viel Geld die Aktionäre für jede Aktie erhalten würden, wenn das Unternehmen den gesamten Nettogewinn für den Berichtszeitraum an die Eigentümer verteilen würde. Die meisten Unternehmen schütten aber fast nie ihren gesamten Gewinn aus. In der Regel wird mindestens ein Teil des Gewinns in das Geschäft reinvestiert.

Um zu verstehen, wie eine Gewinn- und Verlustrechnung aufgebaut ist, können wir uns eine Reihe von Treppenstufen vorstellen. Wir fangen ganz oben mit dem Gesamtumsatz an, den das Unternehmen in der Berichtsperiode gemacht hat (sozusagen der maximale Gewinn, wenn es keine Kosten geben würde). Dann gehen wir Schritt für Schritt weiter und ziehen jedes Mal einen weiteren Kostenblock ab. Zuerst die Materialkosten, dann die Personalkosten usw. Nachdem wir unten angekommen und alle Kosten abgezogen sind, sehen wir, wie viel das Unternehmen während der Abrechnungsperiode tatsächlich verdient hat (die so genannte “Bottom Line”).


Die Einzelbestandteile der Gewinn- und Verlustrechnung

Umsatz. Der Gesamtumsatz ist das, was ein Unternehmen aus dem Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen erwirtschaftet hat. In der Gewinn- und Verlustrechnung wird dieser Posten in manchen Fällen noch unterteilt. Die oberste Zeile in der GuV wird in diesem Fall als Bruttoeinnahmen oder Verkäufe bezeichnet. In der nächsten Zeile bzw. den nächsten Zeilen werden dann Umsätze aus anderen Einkunftsarten bzw. Zahlungsausfälle, Rabatte oder Retouren dargestellt. Wenn wir diese Erträge und Rabatte etc. von den Bruttoeinnahmen subtrahieren, gelangen wir zu den Nettoeinnahmen des Unternehmens.

Umsatzkosten. Nach dem Nettoumsatz werden zunächst die so genannten Umsatzkosten (im Englischen Costs of Goods Sold oder COGS) ausgewiesen. Dazu gehören alle Kosten, die zur Herstellung der verkauften Produkte bzw. Dienstleistungen benötigt werden, also im Zweifel dem Produkt auch direkt zugerechnet werden können. Manchmal, allerdings nicht immer, werden einzelne Kostenbestandteile auch separat ausgewiesen. Wesentliche Positionen hier können sein: Materialaufwand, Personalaufwand und Abschreibungen bzw. Amortisation.

Sonderfall Abschreibungen und Amortisation. Die Abschreibungen werden meist als Teil der Umsatzkosten betrachtet, manchmal jedoch erst nach dem Bruttogewinn ausgewiesen. Die Abschreibung berücksichtigt den Verschleiß von langfristig eingesetzten Vermögenswerten wie Maschinen, Werkzeugen oder Büromöbeln. Unternehmen verteilen die Anschaffungskosten dieser Vermögenswerte über die Zeitspanne, über die die Vermögenswerte planmäßig verwendet werden sollen. In der GuV tauchen diese verteilten Kosten, also z.B. 1/10 des Anschaffungspreises bei einer planmäßigen Nutzungsdauer von 10 Jahren, dann als Abschreibungen auf. Dem entsprechend sind die Anschaffungskosten selbst kein Bestandteil der Gewinn- und Verlustrechnung (wohl aber der Kapitalflussrechnung, da sie ja einen Barmittelabfluss bedeuten), denn sonst würden wir die Kosten ja doppelt zählen (im Anschaffungsjahr sowie als Abschreibung in den Jahren der Nutzung).

Erstes Zwischenergebnis: Bruttogewinn. In der nächsten Zeile werden die Umsatzkosten dann vom Nettoumsatz abgezogen. Als Ergebnis erhalten wir den so genannten Bruttogewinn. Brutto deshalb, weil noch nicht alle Kosten für die Gewinnermittlung berücksichtigt wurden.

Betriebskosten. Der nächste Abschnitt befasst sich mit den Vertriebskosten, den Verwaltungskosten sowie den anderen Betriebskosten. Hierbei handelt es sich um Kosten, die für die “unterstützenden” Funktionen angefallen sind, also z.B. Kosten des Vertriebs inkl. der Marketingkosten, Forschungs- und Entwicklungskosten oder allgemeine Verwaltungskosten (IT, Finanzen & Controlling etc.). Die Betriebskosten unterscheiden sich insofern von den Umsatzkosten, als dass sie nicht direkt den einzelnen Produkten oder Dienstleistungen zugeordnet werden können.

Zweites Zwischenergebnis: Operativer Gewinn oder EBIT. Wenn wir alle betrieblichen Aufwendungen vom Bruttogewinn abziehen, erhalten wir das operative Ergebnis vor Zinsen und Ertragsteuern (Earnings before Interest and TaxesEBIT). Dies wird oft auch als “operativer Gewinn” bezeichnet. Wie der Name schon sagt, müssen wir jetzt nur noch Zinsen und Ertragssteuern abziehen, um unseren Nettogewinn zu erhalten. Wenn wir zum EBIT die Abschreibungen und die Amortisation wieder hinzurechnen, erhalten wir den EBITDA (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization), eine weitere Kennzahl, die oft ausgewiesen wird.

Dieses Zwischenergebnis wird auch operativer Gewinn genannt, weil es nicht durch den Fremdkapitalanteil oder die lokale Steuergesetzgebung beeinflusst wird und sich deshalb für Vergleiche z.B. mit externen Wettbewerbern in der Regel besser eignet, als der Nettogewinn.

Zinsergebnis (Zinserträge und Zinsaufwendungen). Das Zinsergebnis besteht meistens aus zwei wesentlichen Positionen:

  • den Zinsaufwendungen, d.h. Zinsen die ein Unternehmen für geliehenes Kapital an Banken oder andere Gläubiger zahlen muss
  • den Zinserträgen, d.h. Zinsen die ein Unternehmen einnimmt, weil es z.B. seine Barreserven zu einem gewissen Guthabenzinssatz auf einem Geldmarktkonto anlegt oder andere Finanzanlagen tätigt

Es kann allerdings auch vorkommen, dass beide Positionen in der GuV zusammengefasst dargestellt werden.

Drittes Zwischenergebnis: Vorsteuergewinn oder EBT. Den Vorsteuergewinn erhalten wir, indem wir das Zinsergebnis, also die Summe aus Zinserträgen und Zinsaufwendungen, vom operativen Gewinn abziehen. Der EBT wird nicht in allen Gewinn- und Verlustrechnungen ausgewiesen.

Ertragssteuern. Schließlich werden noch die Ertragssteuern abgezogen. Der Steuersatz liegt im Normalfall in Summe irgendwo zwischen 30 und 40%.

Endergebnis: Nettogewinn. Nach Abzug der Zinsen und der Ertragssteuern kommen wir schließlich zum Endergebnis, dem Nettogewinn (wenn der Umsatz höher war als die Kosten) bzw. dem Nettoverlust (wenn die Kosten höher waren als der Umsatz). Der Nettogewinn wird im deutschen Sprachgebrauch auch Jahresergebnis, Jahresüberschuss oder Nettoergebnis genannt. Im Englischen gibt es u.a. die Begriffe Net Profit und Net Income. Der Nettogewinn ist der Wert, der uns sagt, wie viel ein Unternehmen tatsächlich während der Abrechnungsperiode verdient hat.

Jahresabschluss: GuV

Ergebnis je Aktie oder EPS

Die meisten Gewinn- und Verlustrechnungen enthalten ganz unten noch die Berechnung des Ergebnisses je Aktie oder EPS (Earnings per Share). Diese Berechnung zeigt uns, wieviel Gewinn auf jede Aktie bzw. auf uns als Einzelaktionäre entfallen würde.

Die Berechnung des Gewinns je Aktie ist denkbar einfach: Wir nehmen einfach den Nettogewinn und teilen diesen durch die Anzahl an ausgegebenen Aktien.


Kapitalflussrechnung (Cash Flow Statement)

Die Kapitalflussrechnung, der dritte Bestandteil des Jahresabschluss, enthält Informationen über die Zuflüsse und Abflüsse von Barmitteln über den Berichtszeitraum. Dies ist auch für uns als Investoren wichtig, weil ein Unternehmen immer die nötige Liquidität (also i.W. Barmittel) haben muss, um den laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Viele Unternehmen gehen nämlich nicht pleite, weil sie überschuldet sind, sondern weil sie in einen Liquiditätsengpass geraten. Das kann z.B. passieren, wenn ein großer Kunde seine Rechnung nicht zahlt. Während die Gewinn- und Verlustrechnung Informationen darüber enthält, ob ein Unternehmen einen Gewinn erwirtschaftet, enthält die Kapitalflussrechnung Informationen darüber, ob das Unternehmen ausreichende liquide Mittel generiert bzw. zur Verfügung hat.

Eine Kapitalflussrechnung zeigt also die Veränderungen der Cash-Position im Zeitablauf. Im Wesentlichen werden in der Kapitalflussrechnung nur Positionen aus GuV und Bilanz neu (anders) angeordnet.

Die Kapitalflussrechnung besteht aus drei Hauptteilen:

Jahresabschluss: Kapitalflussrechnung

Ganz unten in der Kapitalflussrechnung sehen wir die Netto-Zunahme bzw. Abnahme des Barmittelbestandes. Diese Änderung sollte auch den Unterschied der jeweiligen Positionen in der Bilanz erklären.


Betriebliche Tätigkeit

Der erste Teil einer Kapitalflussrechnung analysiert den Cash Flow eines Unternehmens aus dem Nettogewinn bzw. -verlust bzw. aus dem operativen Geschäft. Dieser Abschnitt der Cash Flow Betrachtung stellt die Verbindung des Nettogewinns (wie in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen) zu den tatsächlichen Barmittelzuflüssen und -abflüssen her. Das heißt wir gehen zunächst vom Nettogewinn aus und machen Anpassungen für alle nicht-liquiditätswirksamen Positionen (d.h. wir addieren z.B. die Abschreibungen wieder hinzu), bis wir schließlich den Cash Flow aus betrieblicher Tätigkeit erhalten.


Investitionstätigkeit

Der zweite Teil einer Kapitalflussrechnung zeigt den Cash Flow aus Investitionstätigkeit. Investitionen beziehen sich in der Regel auf Käufe oder Verkäufe von langfristigen Vermögenswerten wie Sachanlagen bzw. Finanzanlagen. Wenn ein Unternehmen z.B. eine neue Maschinen kauft, dann wird die Kapitalflussrechnung dies als Mittelabfluss aus Investitionstätigkeit zeigen, weil das Unternehmen die Maschine ja mit Barmitteln bezahlt. Wenn auf der anderen Seite das Unternehmen einige der gehaltenen Finanzanlagen verkauft, dann wird der Erlös aus dem Verkauf als Mittelzufluss aus Investitionstätigkeit gezeigt.


Finanzierungstätigkeit

Der dritte Teil einer Kapitalflussrechnung zeigt den Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit. Barmittelzuflüsse aus Finanzierungstätigkeit kommen typischerweise durch Kapitalerhöhungen, die Begebung von Anleihen oder die traditionelle Kreditaufnahme bei Banken zustande. Äquivalent dazu bedeutet die Rückzahlung eines Darlehens oder der Rückkauf eigener Aktien einen Barmittelabfluss für das Unternehmen.


Den Anhang lesen

Den Anhang bzw. die Erläuterungen / Fußnoten zum Jahresabschluss sollten wir als Investoren nicht außer Acht lassen. Der Anhang enthält typischerweise eine Fülle an nützlichen Detailinformationen, die auch für die abschließende Beurteilung eines Unternehmens als Investment von unschätzbarem Wert sein können. Hier einige Beispiele:

Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden: Unternehmen sind verpflichtet, alle relevanten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden offen zu legen. In vielen Fällen geben die Rechnungslegungsstandards (also IFRS bzw. US GAAP) den Unternehmen gewisse Freiräume bzgl. bestimmter Wertansätze. Hier ist oft das Management gefordert und muss teilweise recht komplexe und subjektive Entscheidungen treffen. Der Abschnitt über die Bewertungsmethoden hilft uns zu verstehen, wie das Unternehmen hierbei vorgegangen ist.

Ertragsteuern: Die Fußnoten enthalten detaillierte Informationen in Bezug auf die laufenden und latenten Steuern eines Unternehmens. Die Informationen werden in der Regel weiter aufgeschlüsselt, z.B. nach Steuerbehörde, -art etc. Darüber hinaus werden die wichtigsten Elemente den effektiven Steuersatz betreffend im Detail erläutert.

Pensionspläne und andere Vorsorgeprogramme: Die Fußnoten diskutieren z.B. auch die Pensionspläne des Unternehmens und andere Vorsorgeprogramme. Die Erläuterungen enthalten spezifische Informationen über das Vermögen und die Kosten dieser Programme, und zeigen außerdem an, ob und wie stark die Pläne über- oder unterfinanziert sind. Große, ungedeckte Pensionsverpflichtungen können einem Unternehmen langfristig große Probleme bereiten und daher ein signifikantes Risiko darstellen, welches wir als Investoren verstehen müssen.

Aktienoptionen: Die Erläuterungen enthalten auch Informationen über Aktienoptionen an leitende Angestellte und Mitarbeiter, einschließlich der Methode der Bilanzierung für aktienbasierte Vergütungen und die Auswirkungen auf die berichteten Ergebnisse.


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Finanzkennzahlen bzw. Financial Ratios

Wie analysieren nun Investoren bzw. Analysten die Jahresabschlüsse der Unternehmen, die für sie von Interesse sind? Eine der am häufigsten verwendeten Arten der Jahresabschlussanalyse besteht darin, bestimmte Kenngrößen aus dem Jahresabschluss ins Verhältnis zu setzen und daraus Schlussfolgerungen z.B. über die Bonität, die Liquidität, oder die Profitabilität des Unternehmens zu ziehen. Für viele dieser so genannten Finanzkennzahlen oder Financial Ratios gibt es keine einheitliche Definition und je nach Analyst bzw. Investor gibt es leicht abweichende Berechnungsmethoden. Der Grundgedanke ist aber immer der Gleiche.

Im Folgenden stellen wir einmal ein paar der wichtigsten Finanzkennzahlen vor.


Debt-to-Equity

Das Debt-to-Equity Ratio setzt Gesamtverschuldung eines Unternehmens in Bezug zum Eigenkapital. Beide Zahlen können wir direkt aus der Bilanz entnehmen.

Debt-to-Equity-Ratio = Summe der Passiva / Eigenkapital

Wenn ein Unternehmen ein Debt-to-Equity Ratio von 2 zu 1 hat, dann bedeutet das, dass das Unternehmen für jeweils einen EUR Eigenkapital der Aktionäre 2 EUR Schulden aufgenommen hat. Mit anderen Worten: Das Unternehmen hat doppelt so viele Schulden wie Eigenkapital. Ob das viel oder wenig ist, hängt u.a. von der Industrie ab. Eine Immobilienbesitzer und -verwalter wie die Deutsche Wohnen kann aufgrund des stabilen Cash Flows und der werthaltigen Assets (der Immobilien) wahrscheinlich mit weniger Eigenkapital arbeiten, als eine Technologiefirma ohne richtige “reale” Vermögenswerte.


Lagerumschlag (Inventory Turnover)

Der Lagerumschlag vergleicht die Umsatzkosten (COGS) eines Unternehmens mit dem durchschnittlichen Lagerbestand für den entsprechenden Zeitraum. Die Umsatzkosten sind in der Gewinn- und Verlustrechnung enthalten. Den durchschnittlichen Lagerbestand erhalten wir ganz einfach, indem wir uns den Lagerbestand am Anfang und am Ende des Geschäftsjahres in den jeweiligen Bilanzen ansehen und aus den beiden Werten den Mittelwert bilden.

Lagerumschlag = Umsatzkosten / Durchschnittl. Lagerbestand

Ein Lagerumschlag von 2 bedeutet, dass der Lagerbestand zweimal pro Jahr vollständig ersetzt wird. Auch hier kann es je nach Industrie signifikante Unterschiede geben. Wenn ein Unternehmen z.B. mit 3 Monaten Vorlaufzeit eine große Menge Eisenerz einkauft, dann ist das etwas anderes, als wenn z.B. Amazon Bücher oder CDs ins Lager nimmt.


Operative Gewinnmarge

Die operative Marge setzt den operativen Gewinn bzw. EBIT ins Verhältnis zum Nettoumsatz. Beide Zahlen können wir der Gewinn- und Verlustrechnung entnehmen.

Operative Gewinnmarge = EBIT / Nettoumsatz

Die operative Marge wird in der Regel in Prozent ausgedrückt. Die Marge zeigt für jeden umgesetzten Euro, welcher Prozentsatz davon als Gewinn (vor Zinsen und Steuern) im Unternehmen verblieben ist.


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Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bzw. Price / Earnings Ratio (P / E)

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder KGV setzt den Aktienkurs eines Unternehmens zum Gewinn je Aktie (EPS) ins verhältnis.

KGV = Preis je Aktie / Nettogewinn je Aktie

Analysten bzw. Investoren nutzen das KGV im Vergleich zum Industriedurchschnitt oder im Vergleich zum historischen Durchschnitt, um zu bewerten, ob eine Aktie günstig oder teuer ist. Wenn die Aktie eines Unternehmens gerade bei 20 EUR pro Aktie steht und das Unternehmen 2 EUR pro Aktie verdient hat, dann haben wir ein KGV von 10. Die Aktie des Unternehmens wird also am Markt für den 10-fachen Unternehmensgewinn gehandelt. Das KGV ist ein Indikator für die Bewertung eines Unternehmens an der Börse.


Working Capital

Als Working Capital wird die Differenz aus kurzfristigen Vermögenswerten und kurzfristigen Verbindlichkeiten bezeichnet.

Working Capital = kurzfristige Vermögenswerte – kurzfristige Verbindlichkeiten

Ein hohes Working Capital kann z.B. ein Indikator für zu hohe Lagerbestände sein. Diese Kennzahl sollte aber immer in Relation zu Unternehmen der gleichen Industrie gesehen werden.


Alles zusammengeführt

Obwohl wir hier jeden Bestandteil des Jahresabschlusses separat diskutiert haben, sollten wir immer im Hinterkopf behalten, dass alle 4 Bestandteile des Jahresabschluss in engem Zusammenhang stehen. Die Veränderungen bei Aktiva und Passiva, die wir z.B. in der Bilanz von Jahr zu Jahr sehen, spiegeln sich auch in den Einnahmen und Ausgaben in der Gewinn- und Verlustrechnung wieder.

Beispiel: Die Veränderung des Barmittelbestandes aus der Kapitalflussrechnung finden wir 1 zu 1 in der Bilanz wieder: Die Barmittelveränderung von 2014 nach 2015 laut Kapitalflussrechnung beträgt -1.016 Mio. USD, der Barmittelveränderung laut Bilanz beträgt 1.481 Mio. USD – 2.497 Mio. USD = – 1.016 Mio. USD.

Wir sehen also: Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Kapitalflussrechnung sind eng miteinander verknüpft. Und genauso sollten wir als Investoren die Informationen auch verstehen: Für sich allein genommen erzählen die einzelnen Jahresabschlussbestandteile nie die ganze Geschichte. Kombiniert allerdings bieten sie ein sehr umfassendes Reservoir an Informationen für uns Anleger. Und Informationen sind ja bekanntlich das beste Werkzeug des Investors, wenn es darum geht, kluge Investitionsentscheidungen zu treffen.

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