In einem meiner früheren Artikel bin ich ja schonmal auf das Thema Aktienrückkäufe bzw. Share Buybacks eingegangen. Dabei hatte ich mich vor allem auf die Analyse der Sinnhaftigkeit und Motivation von Aktienrückkäufen durch das Management fokussiert sowie auch das Thema aus einer Kapitalallokationssicht betrachtet. Allerdings bin ich bisher noch nicht auf die konkreten Auswirkungen von Share Buybacks auf die Financial Statements bzw. unser Finanzmodell eingegangen und habe das Thema noch nicht aus Investorensicht betrachtet.
In diesem Artikel möchte ich deshalb nun einmal die reine Mechanik von Share Buybacks, d.h. die Auswirkungen auf GuV, Bilanz und Kapitalflussrechnung sowie auch auf den Return des Investors, illustrieren.
Recap: Wie funktionieren Share Buybacks aus Investorensicht?
Stellt euch einmal vor, ihr seid einer von 20 Miteigentümern eines Waschsalons in eurer Heimatstadt, von denen jeder einen Anteil von 5% am Geschäft besitzt. Der Gewinn dieses Waschsalons im abgelaufenen Geschäftsjahr betrug ca. 1 Mio. EUR.
Kapitalallokation: Verwendung des Bilanzgewinns
Nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses trefft ihr euch mit euren Miteigentümern zur jährlichen Hauptversammlung, um über die Verwendung des Bilanzgewinns zu diskutieren und dahingehend einen Beschluss zu fassen.
Bzgl. der Gewinnverwendung gibt es nun eine ganze Reihe an Möglichkeiten. Ihr könntet den Gewinn z.B. zur Schuldentilgung verwenden oder diesen für weitere Investitionen (vielleicht die Eröffnung eines weiteren Waschsalons) in der Firma belassen.
Dividendenpolitik bzw. Ausschüttung
Ihr könnt den Gewinn allerdings auch entsprechend der Eigentumsanteile an die Miteigentümer auszahlen. In diesem Fall würde jeder Miteigentümer eine Zahlung (d.h. eine Dividendenausschüttung) in Höhe von 50.000 EUR erhalten. Die Entscheidung für die Auszahlung einer Dividende wird auf Basis eines Mehrheitsentscheids getroffen, d.h. auch diejenigen Miteigentümer, die eigentlich keine Ausschüttung erhalten möchten (z.B. weil sie das Kapital nicht benötigen, oder weil sie das Geld aus steuerlichen Gründen lieber im Unternehmen belassen würden) erhalten die zu versteuernde Dividende.
Rückkaufpolitik bzw. Share Buybacks
Eine weitere Möglichkeit der Gewinnverteilung besteht darin, dass einige Eigentümer wiederum andere Eigentümer aus dem Unternehmen herauskaufen. Eigentümer, die aktuell nicht auf ihre Ausschüttung des aktuellen Gewinns angewiesen sind, können also darauf verzichten und im Gegenzug einen höheren Anteil am zukünftigen Gewinn erhalten.
Sagen wir mal, dass Waschsalons aktuell zum ca. 10-fachen Gewinn (KGV) gehandelt werden. Der gesamte Salon wäre also ca. 10 Mio. EUR wert, jeder Eigentümer hätte also einen Anteil von 500.000 EUR.
Der Gewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres (zur Erinnerung: 1 Mio. EUR) könnte also dazu verwendet werden, um 2 Eigentümer aus dem Geschäft herauszukaufen… sofern sich zwei Eigentümer finden, die aussteigen wollen und alle restlichen Eigentümer auf ihre Ausschüttung verzichten können.
In einem solchen Fall würde sich der Eigentumsanteil der verbliebenen 18 Eigentümer auf jeweils 5,55% erhöhen (von 5% vor dem Share Buyback).
Wenn der Gewinn im folgenden Geschäftsjahr nun von 1 Mio. auf 1,1 Mio. EUR ansteigt (also +10%), dann beträgt der Gewinnanteil jedes verbliebenen Eigentümers 61.111 EUR, was gegenüber dem Gewinnanteil des Vorjahres (50.000 EUR) sogar einen Anstieg von 22,2% bedeutet.
Wenn das Multiple, also die Marktbewertung des Geschäfts, ebenfalls konstant beim 10-fachen Gewinn verbleibt, dann hat sich der Wert jedes Unternehmensanteils ebenfalls um 22% erhöht.
Im Vergleich zur Dividendenausschüttung ist der Aktienrückkauf darüber hinaus außerdem von der Abgeltungsteuer befreit.
Share Buybacks: Treiber des Total Shareholder Return
Börsennotierte Aktiengesellschaften sind von Natur aus natürlich etwas komplexer als ein einzelner Waschsalon. Grundsätzlich sind die Treiber für den aus den Share Buybacks resultierenden Total Shareholder Return aber sehr ähnlich:
- Freier Cash Flow (FCF): Ohne einen vorhersehbaren Cash Flow aus dem operativen Geschäft heraus sowie ebenfalls gut planbare Investitionen (Capital Expenditures bzw. CapEx) können Share Buybacks (wie übrigens auch Dividendenzahlungen) nicht nachhaltig durchgeführt werden
- Wachstum: Kann ein Unternehmen seinen freien Cash Flow Jahr für Jahr weiter steigern, kann es über die Zeit das Volumen der Share Buybacks erhöhen
- Kapitalallokation: die Aktienrückkäufe müssen im Kontext bzw. relativ zu den alternativen Verwendungen des Cash Flows – nämlich Schuldentilgung, Dividenden, M&A, Cash Aufbau – gesehen werden
- Managervergütung: Während der Sinn von Share Buybacks darin besteht, die Returns der verbliebenen Aktionäre durch eine Verringerung der ausstehenden Aktien zu erhöhen, wird dieser Vorteil mindestens teilweise kompensiert, wenn gleichzeitig im Rahmen einer Aktien-basierten Vergütung neue Aktien (oder Aktienoptionen) an die Führungskräfte ausgegeben werden. Unter Umständen kann sogar der gegenteilige Effekt, nämlich eine Verwässerung der Anteile, eintreten
- Bewertung des Unternehmens am Markt (d.h. Aktienkurs): Share Buybacks bei günstigen Kursen sind (viel) effektiver als bei hohen Kursen, weil für den gleichen Geldbetrag mehr Aktien am Markt zurückgekauft werden können
Charlie and I favor repurchases when two conditions are met: first, a company has ample funds to take care of the operational and liquidity needs of its business; second, its stock is selling at a material discount to the company’s intrinsic business value, conservatively calculated. – Warren Buffett im Shareholder Letter 2011
Es ist die Aufgabe des Managements, das Kapital bzw. den Cash Flow intelligent auf die alternativen Verwendungen zu verteilen und dabei auch den aktuellen Marktpreis der Aktien zu berücksichtigen. In vielen Fällen (achtet mal drauf) werden Rückkäufe allerdings bei hohen Bewertungen / Multiples ausgeweitet und bei niedrigen Bewertungen / Multiples gestoppt.
Share Buybacks: Beispiel
Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen hat einen freien Cash Flow (also OCF – CapEx) in Höhe von 1 Mrd. EUR (entspricht 1,0 EUR/Aktie), welcher jährlich um 10% wächst. Das Management wendet nun regelmäßig ca. 30% des FCF für eine Dividendenzahlung und ca. 70% für Share Buybacks auf. Gleichzeitig nimmt die Anzahl ausstehender Aktien durch das Aktien-basierte Vergütungsmodell des Unternehmens um 1% pro Jahr zu. Der Markt bewertet das Unternehmen jeweils mit dem 20-fachen FCF.
Welchen Return (Total Return inkl. Dividende) kann ein Aktionär / Investor nun in den nächsten 15 Jahren von der Aktie erwarten?
Diese Frage lässt sich recht schnell mit einer simplen Excel-Tabelle beantworten:
Die Tabelle müsst ihr zeilenweise von links nach rechts lesen:
- Zu Beginn des Betrachtungszeitraums – der freie Cash Flow beträgt 1 Mrd. EUR bzw. 1 EUR/Aktie – werden ca. 300 Mio. EUR bzw. 0,3 EUR/Aktie als Dividende ausgeschüttet und Aktien im Wert von 700 Mio. EUR zurückgekauft.
- Bei einem Aktienkurs von 20 EUR/Aktie (FCF von 1 EUR/Aktie x Multiple von 20) können entsprechend 35 Mio. Aktien zurückgekauft werden (700 / 20)
- Gleichzeitig werden im Rahmen der Managervergütung 10 Mio. neue Aktien ausgegeben (1.000 Mio. ausstehende Aktien x 1%)
- Bottom Line: Am Ende des Jahres hat sich die Anzahl ausstehender Aktien von 1.000 auf 975 Mio. Stück reduziert (1.000 – 35 + 10), gleichzeitig der Ausgangspunkt für das Folgejahr
- Während nun der freie Cash Flow im Folgejahr um 10% steigt, steigt der Gewinn pro Aktie um 12,8%
- Usw.
Der CAGR, also das durchschnittliche jährliche Wachstum des Aktienkurses bei konstantem FCF-Multiple nach 15 Jahren berechnet sich ebenfalls zu ca. 12,8%:
CAGR = (122,1 / 20)(1 / 15) -1 = 12,8%
Dazu kommt eine jährliche Dividendenrendite von ca. 1,5%, sodass über die 15 Jahre ein Total Shareholder Return von ca. 14,3% pro Jahr erzielt wird (wenn man es genau rechnet, also mit einer jährlichen Reinvestition der Dividende in die Aktie, erhält man 14,51% pa). Die Share Buybacks haben also den Total Shareholder Return nochmal um 5% gegenüber dem eigentlichen Cash Flow Wachstum erhöht.
In Ermangelung anderer Alternativen eine recht gute Verwendung des Kapitals, wie ich finde.
Wenn sich nun die einzelnen Variablen – hauptsächlich das Cash Flow Wachstum und die Marktbewertung / das Multiple – verändern, verändert sich auch der Vorteil durch die Aktienrückkäufe.
Steigt das Multiple beispielsweise stärker an als erwartet, ist der Vorteil durch die Share Buybacks – jedenfalls für die verbliebenen Aktionäre – größer (bei einer Verdopplung über die Zeit steigt der Return bspw. auf 18,2% pa an). Gleiches gilt für das Wachstum des Cash Flows. Allerdings können in einem solchen Szenario – aufgrund des höheren Multiples – substantiell weniger Aktien zurückgekauft werden. Dieser negative Effekt wird nur durch das höhere Multiple überkompensiert.
“Back of the Envelope” Abschätzung des Effekts von Share Buybacks
Neben der obigen Rechnung gibt es auch eine schnelle und einfache Annäherung, mit der wir die Effekte von Share Buybacks abschätzen können. Da es sich allerdings nur um eine sehr grobe Annäherung handelt, sollten wir diese zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen unserer Analyse noch weiter substantiieren.
Kurzfassung der obigen Rechnung: Wenn wir eine Aktie über einen langen Zeitraum halten, dann ist der CAGR umgekehrt proportional zum durchschnittlichen Multiple, zu dem die Rückkäufe getätigt werden.Oder noch einfacher: Für ein Unternehmen, welches einen Großteil des freien Cash Flows in Share Buybacks steckt, sollte der Investor auf einen längerfristig niedrigen Aktienkurs hoffen.
Genau diesen Punkt macht auch Buffett in seinem Shareholder Letter von 2011:
This discussion of repurchases offers me the chance to address the irrational reaction of many investors to changes in stock prices. When Berkshire buys stock in a company that is repurchasing shares, we hope for two events: First, we have the normal hope that earnings of the business will increase at a good clip for a long time to come; and second, we also hope that the stock underperforms in the market for a long time as well. – Warren Buffett im Berkshire Hathaway Shareholder Letter 2011
Wenn Berkshire also ein Unternehmen kauft, dass stark auf Share Buybacks setzt, dann hofft er auf zwei Dinge:
- dass die Cash Flows bzw. Gewinne noch für einen längeren Zeitraum signifikant (“at a good clip” bedeutet laut Ãœbersetzung “in scharfem Tempo”) ansteigen
- dass der Aktienkurs den Markt für einen möglichst langen Zeitraum underperformt – und das Cash Flow Wachstum erst spät im Kurs reflektiert wird
Ein starkes Cash Flow Wachstum kombiniert mit einer niedrigen Bewertung und gleichzeitigen Aktienrückkäufen stellt natürlich das “Best Case Szenario” dar. Für Buffett war in 2011 beispielsweise IBM ein Kandidat für eine solche Konstellation.
Auswirkungen von Share Buybacks auf die Bilanz
Für den Fall, dass wir in unserem integrierten Finanz- / Bewertungsmodell auch zukünftige Aktienrückkäufe berücksichtigen wollen, müssen wir uns einmal überlegen, welche Teile der Financial Statements bzw. des Jahresabschlusses durch die Share Buybacks genau beeinflusst werden. Im Grunde genommen handelt es sich ja um eine simple Transaktion:
GuV
Mit Ausnahme des Gewinns je Aktie / der Earnings per Share (EPS) wird die Gewinn- und Verlustrechnung im Grunde durch Share Buybacks nicht beeinflusst.
Eine veränderte Aktienanzahl verändert ausschließlich den Anteil des einzelnen Aktionärs am erwirtschafteten Nettogewinn.
Bilanz
Auch die Effekte auch die Bilanz sind überschaubar.
Es wird zunächst natürlich Cash verwendet, um die Aktien zurückzukaufen. D.h. die Aktivseite der Bilanz verändert sich entsprechend. Gleichzeitig reduziert sich auf der Passivseite das Eigenkapital in gleicher Höhe. Wir sprechen hier also von einer so genannten Bilanzverkürzung (d.h. die Bilanzsumme wird durch die Transaktion kleiner).
Die zurückgekauften eigenen Aktien (die so genannten Treasury Shares) werden im Eigenkapital entsprechend ausgewiesen, solange sie nicht komplett eingezogen und das Kapital herabgesetzt wurde. Hier einmal als Beispiel die Eigenkapitalaufstellung aus der Bilanz der Salzgitter AG:
Ausschnitt aus der Bilanz der Salzgitter AG; Quelle: Salzgitter AG Geschäftsbericht 2019
Kapitalflussrechnung
Was die Kapitalflussrechnung angeht, handelt es sich bei einem Share Buyback analog zu einer Schuldentilgung (und auch zu einer Dividendenzahlung) um einen Zahlungsmittelabfluss aus Finanzierungstätigkeit.
Auch wenn wir die Finanzierungs-Cash Flows im Rahmen der DCF-Bewertung typischerweise nicht berücksichtigen, sondern uns nur die für Schuldentilgung, Dividendenzahlung, Rückkäufe und (wenn nicht bereits explizit berücksichtigt) M&A aggregiert verfügbaren Cash Flows ansehen: Arbeiten wir mit einem integrierten Finanzmodell, dann sollten wir alle wesentlichen externen Kapitalflüsse explizit berücksichtigen, weil natürlich Rückkopplungen zu den verschiedensten Kennzahlen bestehen (zum Beispiel zur Nettoverschuldung und zur Net Debt / EBITDA Kennzahl).
Fazit
Share Buybacks können den Total Shareholder Return über das eigentliche Cash Flow Wachstum hinaus erhöhen.
Dabei ist der isolierte Effekt der Rückkäufe auf den Return umgekehrt proportional zur Bewertung der Aktien im Markt, weil natürlich bei niedrigen Kursen mit dem gleichen EUR-Betrag eine größere Anzahl an Aktien zurückgekauft werden kann. Insofern ist die längerfristige Unterbewertung aus Sicht eines Unternehmens, welches ein größeres Aktienrückkaufprogramm aufgelegt hat, zu bevorzugen.
Bzgl. der Modellierung von Share Buybacks im Finanzmodell sollten wir neben dem Effekt auf den Gewinn je Aktie sowie den Bilanzeffekten (Cash geht runter, EK geht runter) auch den korrespondierenden Zahlungsmittelabfluss (in der Cash Flow Rechnung ein Abfluss aus Finanzierungstätigkeit) berücksichtigen.
Weitere Ressourcen
- Berkshire Hathaway Letter to Shareholders 2011 inkl. einer guten IBM-Fallstudie zum Thema Buybacks
- DIY Artikel zum Thema Aktienrückkauf versus Reinvestition ins eigene Geschäft
- Einführung in das Thema Aktienrückkaufprogramme (DIY Investor)
- Henry Singleton bzw. Teledyne Case Study
- Focused Compound Podcast Episode zum Thema Kapitalallokation (frei verfügbar)