Wenn es um die Zukunft der großen Auto-OEMs geht – und im zweiten Schritt auch um deren Bewertung -, dann liegt der Fokus natürlich ganz klar auf der weiteren Entwicklung des Automobilgeschäfts (aktuell insbesondere die Bedrohung durch die chinesischen All-Electric OEMs). Dabei sollten wir allerdings nicht vernachlässigen, dass die meisten OEMs auch ein teilweise sehr substanzielles Finanzdienstleistungsgeschäft betreiben. Der Konzernbereich Finanzdienstleistungen der Volkswagen AG erzielt beispielsweise einen relativ stabilen operativen Gewinn in der Größenordnung von ~3 Mrd. EUR. Darüber hinaus steht das Geschäft mit ca. 45 Mrd. Eigenkapital auf der Bilanz (also nicht weit weg von der aktuellen Marktkapitalisierung des Gesamtkonzerns).
In diesem Artikel möchte ich mich daher einmal etwas tiefergehend mit der Volkswagen Financial Services beschäftigen… wobei sich das Wissen um das typische Geschäftsmodell einer Bank bzw. eines Finanzdienstleisters als sehr nützlich erweisen wird (soviel kann ich schonmal verraten).
Schauen wir uns das Business also einmal etwas genauer an.
Organisationsstruktur des Konzernbereichs Finanzdienstleistungen der Volkswagen AG
Der Konzernbereich Finanzdienstleistungen setzt sich zusammen aus der Volkswagen Group Mobility, der Porsche Holding Salzburg sowie der Traton Financial Services.
Die Volkswagen Group Mobility verantwortet allerdings den mit Abstand größten Teil des Bereichs (in 2024 ca. 90% der Assets und ca. 95% des operativen Gewinns).
Bei der Volkswagen Group Mobility handelt es sich nach meinem Verständnis um ein virtuelles Konstrukt, das i.W. fünf Gesellschaften umfasst:
- Die Volkswagen Financial Services AG (das europäische Geschäft): Hierzu gehören die großen Gesellschaften Volkswagen Bank GmbH und Volkswagen Leasing GmbH
- Die Volkswagen Financial Services Overseas AG (das außereuropäische Geschäft)
- Die Porsche Financial Services GmbH
- Die nordamerikanischen Gesellschaften VW Credit und VW Credit Canada

Wesentliche Kennzahlen
Der Konzernbereich Finanzdienstleistungen besitzt Assets in der Größenordnung von ca. 312 Mrd. EUR. Hierbei handelt es sich insbesondere um
- Vermietete Vermögenswerte (~79 Mrd. EUR): Dies sind die Leasingfahrzeuge im Fuhrpark der Gesellschaften (hier inkludiert sind auch die als Vorräte klassifizierten Vermietvermögen i.H.v. ~6 Mrd. EUR)
- Forderungen aus Finanzdienstleistungen (~172 Mrd. EUR): Das sind die Forderungen aus dem Kreditgeschäft, also die an Autokäufer ausgegebenen Darlehen, sowie die Forderungen aus dem Leasinggeschäft
- Finanzanlagen (Derivate, Forderungen aus Darlehen), At Equity Beteiligungen und sonstige Beteiligungen und sonstige Forderungen (Steueransprüche, Pension-Assets, gehaltenes Rückversicherungsgeschäft) (~41 Mrd. EUR)
- Cash, Wertpapiere und Termingelder (~20 Mrd. EUR)
Auf der Passivseite der Bilanz finden wir als mit Abstand größten Block die Finanzschulden (~241 Mrd. EUR), welche sich aus dem Einlagengeschäft (~57 Mrd. EUR), den begebenen Anleihen (>100 Mrd. EUR) sowie Schuldscheinen und Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten (~80 Mrd. EUR) zusammensetzen.
Darüber hinaus stehen noch ca. 25 Mrd. EUR an weiteren Verbindlichkeiten auf der Bilanz.
Das Nettovermögen (= Eigenkapital) ergibt sich daraus zu ca. 45 Mrd. EUR:
![Bilanzstruktur Konzernbereich Finanzdienstleistungen 2024 [Mrd. EUR]; Quelle: Geschäftsbericht Volkswagen AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_1024,h_456/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-35-1024x456.png)
Die Gewinn- und Verlustrechnung des Bereichs Finanzdienstleistungen im Konzern-Geschäftsbericht ist analog zu derjenigen des Automobilbereichs aufgebaut. Ausgewiesen werden Umsatzerlöse, COGS, VVK (Vertriebs- und Verwaltungskosten) sowie sonstige betriebliche Erträge.
Laut GuV lag der Umsatz des Geschäfts im Jahr 2024 bei ca. 59 Mrd. EUR, das operative Ergebnis des Bereichs bei ~3,1 Mrd EUR.
Schaut man in die GuVs der größten Konzerngesellschaften, dann sehen diese von der Struktur her allerdings eher wie die einer Bank aus. Hier einmal beispielhaft die GuV der Volkswagen Financial Services AG:
![GuV-Struktur VW Financial Services AG 2024 [Mio. EUR]; Quelle: Geschäftsbericht Volkswagen Financial Services AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_502,h_398/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-36.png)
Wenn wir das Geschäftsmodell des Bereichs FInanzdienstleistungen besser verstehen wollen, dann orientieren wir uns am besten an dieser GuV-Struktur.
Funktionsweise des Geschäftsmodells
Grundsätzlich kann man Folgendes sagen: Die Gesellschaften des Konzernbereichs Finanzdienstleistungen erbringen Finanzdienstleistungen rund um das Automobil. Dieses ist dabei eng mit den einzelnen Konzernmarken sowie auch den Händlerorganisationen des Volkswagen-Konzerns verzahnt.
Was machen die Gesellschaften also genau? Die obige GuV-Struktur gibt Anhaltspunkte.
Zum einen werden die verfügbaren Leasingfahrzeuge (= vermietete Vermögenswerte) von den Unternehmen der Financial Services erworben und kurz-, mittel- oder langfristig an Firmen- und Privatkunden verleast (daraus generiert Volkswagen den so genannten Leasingüberschuss). Nach ca. 2 Jahren werden die Fahrzeuge entsprechend weitervermarktet (heißt zum Restwert weiterverkauft).
Gemeinsam mit der zugegebenermaßen etwas angeschlagenen Europcar Mobility Group sollen zukünftig auch die Themen Kurzfristvermietung, Car Sharing und Auto Abo weiter ausgebaut werden.
Zum anderen werden Kredite zur Kaufpreisfinanzierung an die Autokäufer, aber auch an die Händler der eigenen Handelsorganisation vergeben (Kunden- und Händlerfinanzierung… hier verbleibt der Zinsüberschuss).
Refinanziert wird das Ganze über die Ausgabe von Anleihen, Asset Backed Securities (ABS), die Aufnahme von Bankkrediten und das von der Volkswagen Bank GmbH betriebene Einlagengeschäft.
Insgesamt lag der Vertragsbestand Ende 2024 bei ca. 26.700 Verträgen, das Geschäftsvolumen (entsprechend der VW-Definition bestehend aus den Forderungen sowie den vermieteten Vermögenswerten) bei ~240 Mrd. EUR:
![Vertragsbestand und Geschäftsvolumen Volkswagen Group Mobility [%]; Quelle: Geschäftsberichte Volkswagen AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_400/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-37.png)
Die so genannte Penetrationsrate (heißt der Anteil der durch den Konzern verkauften Fahrzeuge für den parallel eine Finanzierung abgeschlossen wird) lag im Jahr 2024 inklusive China bei ca. 34% (exklusive China vermutlich in der Größenordnung von 50%)… zwar eine Steigerung von ~1,5%-Punkten im Vergleich zum Vorjahr, in der langen Frist aber eher eine Seitwärtsbewegung:
![Entwicklung Penetrationsrate VW Group Mobility [%]; Quelle: Geschäftsberichte Volkswagen AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_349/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-38.png)
Leasing- und Finanzierungsgeschäft. Das sind also die beiden großen Batzen.
Darüber hinaus ist der Konzern noch im Versicherungs- und Servicegeschäft tätig (Überschuss aus Serviceerträgen und Versicherungsgeschäften) und generiert Erträge mit verschiedenen Zusatzleistungen wie Kontoführungsgebühren etc. (Provisionsüberschuss). Konkret vermarktet die Volkswagen AG Kfz-Versicherungen und Serviceverträge (heißt Wartungs- und Reparaturverträge sowie Garantieverlängerungen) an die Leasingnehmer und Autokäufer.
Wie man anhand der Penetrationsrate schon erahnen kann, hängt das Geschäftsvolumen des Konzernbereichs Finanzdienstleistungen quasi unmittelbar mit den im Automobilgeschäft erzielten Umsätzen zusammen. Steigt also der Umsatz im Automobilgeschäft, dann kann man von einem wachsenden Finanzierungsgeschäft bzw. steigenden Zinsüberschüssen ausgehen. Dieser Zusammenhang lässt sich auch quantitativ belegen, wie die folgende Grafik zeigt:
![Zusammenhang zwischen Automobil- und Finanzdienstleistungegeschäft [Achsen in Mio. EUR]; Quelle: Geschäftsberichte Volkswagen AG, eigene Analyse](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_506/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-39.png)
Auf der Basis können wir mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass sich das Finanzdienstleistungegeschäft entsprechend der Umsatzentwicklung des Automobilbereichs entwickeln wird.
Ein weiterer wesentlicher Punkt sind die für die Erwirtschaftung der Überschüsse anfallenden Verwaltungskosten. Ob eine Bank bzw. ein Finanzdienstleister hier effizient wirtschaftet, lässt sich anhand des so genannten Cost Income Ratios (CIR) ermitteln. Das CIR entspricht dabei dem Verhältnis aus den aufgelaufenen Verwaltungsaufwendungen und den erwirtschafteten Überschüssen (Zinsüberschuss, Provisionsüberschuss, Leasing etc.).
Die Volkswagen Financial Services AG als größte Gesellschaft des Konzernbereichs Finanzdienstleistungen scheint hier relativ gut unterwegs zu sein (laut verschiedenen Studien bzw. Veröffentlichungen kann ein Wert unter 50% für eine Bank / einen Finanzdienstleister als sehr solider Wert angesehen werden):
![Entwicklung Cost Income Ratio Volkswagen Financial Services AG [%]; Quelle: Geschäftsberichte VW Financial Services AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_317/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-40.png)
Auf Basis der Entwicklung über die letzte Dekade scheint es hier auch deutliche positive Skaleneffekte zu geben. Dem Unternehmen kommt hier also seine Größe zu Gute.
Diese Entwicklung ist auch an der erzielten Eigenkapitalrendite erkennbar, welche über die letzten 10+ Jahre größtenteils um die magische 10%-Marke herum bewegt hat:
![Eigenkapitalrendite vor Steuern Konzernbereich Finanzdienstleistungen [%]; Quelle: Geschäftsberichte Volkswagen AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_338/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-41.png)
Alles in allem sprechen wir hier also im Status Quo offenbar über ein ganz gut gemanagtes Geschäft.
Zur info: Die beiden Corona-Jahre 2021 und 2022 waren durch Sondereffekte geprägt und können daher nicht als Maßstab für die zukünftige Performance herangezogen werden.
Bewertung des Bereichs Finanzdienstleistungen
Zu Beginn dieses Artikels hatte ich die aktuelle Marktbewertung des Gesamtkonzerns in Relation zum Buchwert der Finanzdienstleistungssparte gesetzt und diesen auf ca. 45 Mrd. EUR taxiert.
In diesem Kapitel möchte ich nun einmal der Frage nachgehen, ob wir uns im Hinblick auf die Bewertung eigentlich am Buchwert der Sparte orientieren können.
Dazu kurz ein paar theoretische Überlegungen. Den Wert eines typischen Industriegeschäfts kann man am besten auf Basis der für die Zukunft erwarteten Cash Flows ermitteln. Die auf der Bilanz vorhandenen Vermögenswerte (Produktionsanlagen etc.) sind i.d.R. nur etwas wert, wenn damit auch entsprechende Erträge erwirtschaftet werden können.
Ein Stahlwerk beispielsweise, welches mit 2 Mrd. EUR in den Büchern steht, kann komplett wertlos sein, wenn damit in Europa nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Kosten produziert werden kann und es deshalb stillgelegt werden muss.
Bei einem typischen Finanzdienstleister – und dazu gehört auch der Dienstleistungsbereich der Volkswagen AG – verhält sich das nun etwas anders. Auf der Aktivseite der Bilanz finden wir verschiedene Arten von relativ gesehen sehr liquiden und leicht veräußerbaren Vermögenswerten:
- Forderungen aus dem Kreditgeschäft (das sind die Beträge, die im Rahmen von Autokrediten an die Autokäufer oder Händler ausgezahlt wurden) sowie aus dem Leasinggeschäft (das sind die zukünftig noch zufließenden Leasingraten)
- Vermietete Vermögenswerte (das sind die Fahrzeuge, die im Rahmen des Leasinggeschäfts an Firmen- und Privatkunden verliehen bzw. vermietet werden – in Zukunft ggf. auch sehr kurzfristig). Hierzu gehört auch das in der Bilanz des VW-Konzerns in der Kategorie Vorräte geführte kurzfristige Vermietvermögen (~6 Mrd. EUR)
- Cash, Wertpapiere, Termingelder
- Sonstige Vermögenswerte (Steueransprüche, Rückversicherungsgeschäft, Plan Assets, Derivate, Forderungen aus Darlehen)
- At Equity- und Finanzbeteiligungen
Im Hinblick auf die Bewertung des Geschäfts ist nun also wichtig zu verstehen, welche Risiken oder welche Umstände dazu führen können, dass die Vermögenswerte substanziell weniger werthaltig sind, als auf der Bilanz angezeigt.
Beginnen wir einmal umgekehrt mit den etwas kleineren unteren Kategorien. Der Wert von Cash, festverzinslichen Wertpapieren und Termingeldern entspricht 1-zu-1 dem Face Value. An diese Kategorie können wir also einen Haken machen.
Auch bei den sonstigen Vermögenswerten (Steueransprüche, Derivate, etc.) sehe ich kein größeres Risiko für Wertminderungen… der Wert der Derivate hängt zwar vom Kurs des jeweiligen Unterlying ab, nach meinem Verständnis dienen die Derivate allerdings ausschließlich zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken etc. Wenn es hier allerdings eine “Black Box”-Kategorie gibt, dann ist es genau diese.
Dann die (At Equity-)Beteiligungen. Bis auf die Beteiligungsliste, die allein bei der Gesellschaft Volkswagen Financial Services AG ca. 45 Unternehmen umfasst, und ein paar Infos zu den wesentlichen At-Equity Beteiligungen geben die Geschäftsberichte der zwei großen Gesellschaften ehrlicherweise nicht besonders viel her.
Allerdings ist die Größenordnung der At Equity-Beteiligungen des Finanzdienstleistungsbereichs insgesamt auch eher überschaubar:
![Übersicht über die wesentlichen At Equity-Beteiligungen der Volkswagen Financial Services AG und der Volkswagen Financial Services Overseas AG 2024 [Mio. EUR]](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_273/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-42.png)
Wir sprechen hier von einem At Equity Buchwert i.H.v. ~1,4 Mrd. EUR und einen Ergebnisbeitrag (vor Steuern) i.H.v. knapp über 100 Mio. EUR (auf 100% Basis). Bis auf die Beteiligung in der Türkei (VDF Servis ve Ticaret A.S.) erwirtschaften darüber hinaus alle Beteiligungen ein ordentlich positives Ergebnis (ROE zwischen ~11 und 13%).
Fokussieren wir uns im Folgenden also auf die vermieteten Vermögenswerte sowie die Forderungen aus dem Kredit- und Leasinggeschäft. In der grauen Theorie sollten die Kreditbeträge ja irgendwann in voller Höhe zurückfließen sowie die vorhandenen Fahrzeuge am Gebrauchtwagenmarkt zum in den Büchern stehenden Restwert veräußert werden können.
Forderungen aus dem Kreditgeschäft: Kreditrisiko
Im Hinblick auf die Forderungen aus dem Kreditgeschäft ist als wesentliches Risiko das Kreditrisiko zu nennen. Vereinfacht gesprochen handelt es sich hierbei um das Risiko, dass ein Kreditnehmer das ihm zur Verfügung gestellte Kapital nicht wieder zurückzahlen kann und der Kredit deshalb ausfällt.
Um dieses Risiko zu managen, werden im Zuge der regelmäßigen Risikovorsorge entsprechende Rückstellungen gebildet (und später ggf. wieder aufgelöst). Im Falle der Volkswagen Group Mobility betrug das so genannte Credit Loss Ratio über die Zeit im Durchschnitt ca. 0,3%:
![Provision Ratio versus Credit Loss Ratio Volkswagen Group Mobility [%]; Quelle: Investorpräsentationen VW FS](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_421/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-43.png)
Die obenstehende Grafik enthält i.W. zwei wesentliche Informationen. Zum einen ist die Kredit-Ausfallrate selbst zu Krisenzeiten (globale Finanzkrise 2008 / 09) nicht übermäßig angestiegen, was auf eine recht konservative Kreditvergabepraxis schließen lässt. Zum anderen wurden die Kreditausfälle immer ausreichend von den Provisionsüberschüssen abgedeckt.
Darüber hinaus werden die finanzierten Fahrzeuge im Falle eines Zahlungsausfalls i.d.R. als Sicherheit herangezogen (oft wird der Fahrzeugbrief bzw. die Zulassungsbescheinigung Teil II bei der finanzierenden Bank hinterlegt), sodass mindestens ein Teil des Kreditbetrags über eine Verwertung des Fahrzeugs wieder hereingespielt werden kann.
Das Kreditrisiko würde ich auf dieser Basis daher als überschaubar und die Forderungen auf der Bilanz damit als wertthaltig ansehen.
Vermietete Vermögenswerte: Restwertrisiko
Definition: Ein Restwertrisiko entsteht dadurch, dass der prognostizierte Marktwert bei Verwertung des Leasing- oder FInanzierungsgegenstands zum Vertragsende geringer sein kann als der bei Vertragsabschluss kalkulierte Restwert, bzw. der Verkaufserlös geringer ist als der Buchwert des Fahrzeugs im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung.
Die vermieteten Fahrzeuge werden im Falle von Operating-Leasing-Verträgen zu Anschaffungs- bzw. Herstellkosten aktiviert und anschließend linear über die Vertragslaufzeit bis auf den kalkulierten Restwert abgeschrieben. Dieser kalkulierte Restwert basiert logischerweise auf Prognosen bzgl. der Restwertentwicklungen… die natürlich auch falsch sein können. Jedenfalls werden die vermieteten Vermögenswerte vierteljährlich auf Basis eines entsprechenden Werthaltigkeitstests durch die Gesellschaft (also intern) überprüft.
Insbesondere die abnehmenden Restwerte der Elektrofahrzeuge – der rasante technologische Fortschritt und die hohen Kaufpreis-Incentives haben die Restwerte vieler alter BEVs stark negativ beeinflusst – können hier zu einem Abwertungsrisiko führen.
Buchhalterisch schlagen sich solche Restwertanpassungen in außerordentlichen Abschreibungen oder – sofern das Fahrzeug vor einer entsprechenden Wertberichtigung verkauft wurde – in Veräußerungsverlusten nieder.
Bei der VW Financial Services AG schwankten die Sonderabschreibungen auf den Fahrzeugbestand in den vergangenen Jahren zwischen ~0,3 und ~2,7% vom vorhandenen Fahrzeugbestand:
![Sonderabschreibungen auf den Fahrzeugbestand / vermietete Vermögenswerte VW Financial Services AG [%]; Quelle: Geschäftsberichte VW Financial Services AG, eigene Berechnung](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_304/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-44.png)
Auch hier kann man ggf. einen Zusammenhang zum Gesamtmarkt erkennen: Beispielsweise haben wir in den Jahren 2020 bis 2022 vergleichsweise starke Preisanstiege bei den Gebrauchtwagen gesehen… in den VW-Daten reflektiert in abnehmenden Sonderabschreibungen. Im Jahr 2023 dann wieder abnehmende Preise einhergehend mit einer höheren Abschreibungsquote (eine quantitativ nachweisbare Korrelation lässt sich aus den Daten der letzten 10 Jahre allerdings wohlgemerkt nicht erkennen).
Absolut betrug die außerplanmäßige Abschreibung im Jahr 2023 insgesamt ~740 Mio. EUR, der Gebrauchtwagenpreis im freien Handel ging in dem Jahr um ca. 15% zurück, im privaten Bereich um ~10% (Quelle: Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe). Selbst in dem Jahr konnte inkl. der Sonderabschreibungen allerdings noch ein Überschuss aus dem Leasinggeschäft i.H.v. 5,2 Mrd. EUR erwirtschaftet werden.
Weitere ganz passende Info aus dem Geschäftsbericht: Entsprechend einer internen Sensitivitätsanalyse würde sich der Gewinn der VW Fin. Services AG nach Steuern bei einer 10%igen Veränderung der Restwerte um ca. 450 Mio. EUR verändern (gilt in beide Richtungen).
Meine Schlussfolgerung daher: Selbst wenn die Gebrauchtwagenpreise nochmal um ca. 20% runtergehen würden (eine Größenordnung, die jedenfalls in Deutschland in den letzten 10 Jahren nicht vorkam), sollte der negative Effekt bzw. Schaden unterhalb der Marke von 1 bis 1,5 Mrd. EUR bleiben… immernoch genug, um einen positiven Überschuss aus dem Leasinggeschäft zu erwirtschaften und den bilanziellen Wert nicht substanziell zu beeinträchtigen.
Vermietete Vermögenswerte: Auslastungsrisiko
Das Auslastungsrisiko reflektiert die mögliche Nichtvermietung von Fahrzeugen. Dies ist ein eher operatives Risiko, welches das Unternehmen im Rahmen des tagtäglichen Geschäftsbetriebs über die Preisgestaltung managen muss. Durch die immer kurzfristiger werdenden Vermietungen (die vor kurzem akquirierte Europcar vermietet tendenziell tage- bzw. wochenweise, während die VW Leasing eher mehrere Monate oder sogar Jahre vermietet) nimmt das Risiko natürlich in der Zukunft zu.
An der Performance der Europcar Mobility Group (~170 Mio. EUR Verlust im ersten Halbjahr 2024 und Invest-Bedarf im Rahmen der Restrukturierung von ~400 Mio. EUR) lässt sich darüber hinaus direkt beobachten, wie schwierig es sein kann, einen profitablen Mobilitätsanbieter zu schaffen, der sozusagen alle “Fristigkeiten” (von stunden- bis jahreweise) profitabel abdeckt.
Generelle Risiken: Liquiditätsrisko, Zinsrisiko und Währungsrisiko
Neben den sehr spezifischen Kreditausfall- und Restwertrisiken muss der Financial Services-Bereich auch noch ein, zwei weitere relevante Risiken effektiv managen.
Da wäre zum einen das Liquiditätsrisiko, welches aus unterschiedlichen Laufzeiten von ausgegebenen Krediten auf der einen und von begebenen Anleihen und Einlagengeschäft auf der anderen Seite resultiert. Das Unternehmen muss also dafür sorgen, dass immer genug Cash vorhanden ist, um ggf. auslaufende Anleihen oder Kredite zu abzulösen bzw. mit Abhebungen von Einlagen umzugehen.
Dieses Risiko ist dem entsprechend eng vebunden mit dem Zinsrisiko. Steigende Zinsen können ja – wie am Beispiel ING Diba deutlich wurde – zu starken Einlagenabhebungen führen (wenn es woanders höhere Zinsen gibt).
Hier wendet Volkswagen – laut eigener Aussage jedenfalls zu 80% – die goldene Bilanzregel an. Diese besagt, dass langfristig gebundenes Vermögen (wie Anlagevermögen) langfristig finanziert werden sollte, während kurzfristiges Vermögen (Umlaufvermögen) kurzfristig finanziert werden kann.
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der so genannten Fristenkongruenz.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch potenzielle Währungsumrechnungsrisiken. Diese sind allerdings laut der VW-Berichte durch Refinanzierungen in Landeswährung bzw. ggf. den Einsatz von Hedging-Instrumenten komplett abgesichert.
Bewertung
Nehmen wir einmal das absolute Worst-Case Szenario: Die Volkswagen AG verkauft ab morgen keine Fahrzeuge mehr und der Bereich FInanzdienstleistungen kann ab sofort quasi kein Neugeschäft mehr generieren.
In einem solchen Szenario würden die ausstehenden Forderungen aus dem Kreditgeschäft über die Zeit beglichen, die Leasing-Verträge würden nach und nach auslaufen und die Fahrzeuge durch Volkswagen auf dem Gebrauchtwagenmarkt veräußert werden.
Wenn man sich die Anzahl an neuen Vertragsabschlüssen je Geschäftsjahr in Relation zur Anzahl an Gesamtverträgen ansieht, dann sollte so eine “Abwicklung” nicht länger als 2-3 Jahre dauern:
![Gesamter Vertragsbestand und Neuverträge Konzernbereich Finanzdienstleistungen [Mio. Stk.] sowie „Replacement Rate“ [%]; Quelle: Geschäftsberichte Volkswagen AG](https://sp-ao.shortpixel.ai/client/to_webp,q_glossy,ret_img,w_856,h_358/https://diyinvestor.de/wp-content/uploads/2025/04/image-45.png)
D.h. in max. 2-3 Jahren wären die Rückzahlungen der Kredite sowie auch die Verkaufserlöse der Leasingfahrzeuge an das Unternehmen zurückgeflossen (und darüber hinaus noch die Zinszahlungen und Leasingraten über die verbleibende Vertragslaufzeit).
Meine Schlussfolgerung für die Analyse des Volkswagen-Konzerns: Den fairen Wert des Finanzdienstleistungs-Geschäfts einmal mit dem Buchwert gleichzusetzen, ist vermutlich nicht komplett falsch.
Daher unterstelle ich für die Bewertung des Gesamtunternehmens im Basisszenario einmal einen EK-Wert für den Finanzdienstleistungsbereich auf Basis des auf der Bilanz ausgewiesenen Buchwerts iH.v. ~45 Mrd. EUR.
Weitere Details könnt ihr im Gesamtreport zur Volkswagen AG nachlesen.