Buffetts Shareholder Letter: Auch in 2021 wieder guter Lesestoff!

Berkshire Hathaway Shareholder Letter 2021

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Berkshire Hathaway Shareholder Letter 2021

Am letzten Wochenende hat Berkshire Hathaway den neuesten Aktionärsbrief von Warren Buffett veröffentlicht. Interessanterweise adressiert Buffett in seinem Brief eine Reihe von Themen, mit denen ich mich selbst in den letzten Wochen in Form verschiedener Artikel auseinandergesetzt hatte. Unter anderem geht es um nicht-zahlungswirksame Gewinnbestandteile, das Pushen von Aktienkursen zur Nutzung als Übernahmewährung und – wie üblich – um die ggf. sehr wertsteigernden Effekte von Aktienrückkäufen.

Dieser Artikel enthält zwar keine umfassende Zusammenfassung des Berkshire Shareholder Letters 2021. Ich denke aber, dass ich durchaus ein paar interessante Insights aus dem Brief herausarbeiten konnte. Aber lest selbst.


#1: Über und schlechte Aktionärsbriefe

Ok, fair enough… dies ist kein Punkt, den Buffett in seinem Brief explizit adressiert. Trotzdem möchte ich mit Bezug auf meinen Artikel zum Thema Brief an die Aktionäre: Wichtiger Einstieg in die Lektüre des Geschäftsberichts nochmal auf ein paar Charakteristika eines guten Aktionärsbriefs eingehen.

Ein guter Aktionärsbrief zeichnet sich immer auch durch Ehrlichkeit und Transparenz den Aktionären gegenüber aus. Und viel ehrlicher als Warren Buffett in seinem Statement zur Wertberichtigung bei Precision Castparts kann man wohl nicht sein:

The final component in our GAAP figure – that ugly $11 billion write-down – is almost entirely the quantification of a mistake I made in 2016. That year, Berkshire purchased Precision Castparts (“PCC”), and I paid too much for the company. – Warren Buffett

Buffett sagt also ganz offen, dass die Wertberichtigung in Höhe von ca. 11 Mrd. USD (!!) vor allem auf einen Fehler zurückzuführen ist, den er in 2016 – beim Kauf von Precision Castparts (PCC) – gemacht hat. Nicht weil er sich bzgl. des Unternehmens oder des Management-Teams geirrt hat, sondern weil er schlicht und einfach das normalisierte Gewinnpotenzial des Unternehmens überschätzt hat.

Er gibt außerdem nochmal offen zu, dass er in der Vergangenheit bereits mehrere Fehler der gleichen Art gemacht hat:

PCC is far from my first error of that sort. But it’s a big one.

Aufgrund der langen Erfolgshistorie mögen es ihm seine Mitgesellschafter wohl gerne verzeihen… denn wenn sich einer einen solchen Fehler eingestehen kann, dann ist das mit Sicherheit Warren Buffett.

Viele angestellte CEOs könnten allein schon aus haftungsrechtlichen Überlegungen heraus vermutlich niemals so transparent sein bzw. hätten sich vor dem Kauf mit verschiedenen Wertgutachten zehnfach abgesichert. Umso mehr sollten wir uns vermutlich an denjenigen CEOs orientieren, die solche Entscheidungen einfach treffen können.

Und noch ein weiterer Punkt zum Thema Transparenz: Tendenziell haben Manager eher kein großes Interesse daran, signifikante nicht-operative Gewinne an die große Glocke zu hängen. Das gilt jedenfalls dann, wenn diese Gewinne nicht mit einem Zahlungsmittelzufluss bzw. einem Cash Inflow einhergehen (es sich also nur um Buchgewinne handelt). Naja, viele dieser nicht-operativen Buchgewinne resultieren vermutlich auch eher aus bewussten Täuschungsmanövern als aus guten Investitionsentscheidungen (siehe z.B. die Fallstudie zur Noble Group).

Buffett hingegen stellt gleich zu Beginn seines Briefes klar, dass es sich bei einem Großteil des Gewinns nach US GAAP nur um Buchgewinne handelt… allerdings hat er auch hierzu eine tiefergehende Sicht anzubieten.


#2: Über “echte” und “falsche” Gewinne

Insgesamt konnte Berkshire Hathaway in 2020 einen Nachsteuergewinn von über 42 Mrd. USD verbuchen. Davon entfielen “nur” ca. 22 Mrd. USD auf das operative Geschäfts von Berkshire Hathaway. Den Rest machen realisierte und nicht-realisierte Kapitalerträge (i.W. Kursgewinne der Unternehmen im Berkshire Aktienportfolio) sowie einige außerplanmäßige Abschreibungen bzw. Wertminderungen aus:

Nachsteuergewinn Berkshire Hathaway [Mrd. USD]; Quelle: Warren Buffett’s Shareholder Letter 2020

Buffett wird dabei nicht müde zu betonen, dass er die operativen Gewinne für die wesentlichste Komponente des Gewinns hält und dass sein Fokus bei Berkshire darauf liegt, dieses Segment über die Zeit noch weiter auszubauen:

Operating earnings are what count most, even during periods when they are not the largest item in our GAAP total. Our focus at Berkshire is both to increase this segment of our income and to acquire large and favorably-situated businesses. – Warren Buffett

Nur zur Info: Bei den operativen Geschäften geht es im Wesentlichen um die ganz oder mindestens mehrheitlich zu Berkshire gehörenden Unternehmen, beim geplanten Ausbau des Segments also um die Akquisition von Großunternehmen mit starken Geschäftsmodellen. In dem Zusammenhang ist es nicht ganz überraschend, dass Berkshire mindestens in 2020 keine passenden Ergänzungen für das Portfolio gefunden hat (also keine wesentliche Akquisition getätigt hat).

Bezüglich der realisierten und vor allem der nicht realisierten Wertzuwächse im Aktienportfolio sagt Buffett im Grunde genommen zweierlei. Zum einen, dass die Investoren nicht zu viel auf die Wertschwankungen des Aktienportfolios geben sollten:

The two GAAP components pertaining to capital gains or losses (whether realized or unrealized) fluctuate capriciously from year to year, reflecting swings in the stock market.

Zum anderen aber, dass er auch zukünftig von signifikanten Kapitalerträgen im Investmentportfolio ausgeht:

Whatever today’s figures, Charlie Munger, my long-time partner, and I firmly believe that, over time, Berkshire’s capital gains from its investment holdings will be substantial. – Warren Buffett

Buffett’s positive Erwartungshaltung diesbezüglich hat jedoch nichts mit irgendwelchen Prognosen über die Kursentwicklung bestimmter Aktie zu tun, sondern basiert vor allem auf den aus seiner Sicht sehr wertgenerierenden Reinvestitionen der einbehaltenen Gewinne:

From an accounting standpoint, however, our portion of their earnings is not included in Berkshire’s income. Instead, only what these investees pay us in dividends is recorded on our books. Under GAAP, the huge sums that investees retain on our behalf become invisible. What’s out of sight, however, should not be out of mind: Those unrecorded retained earnings are usually building value – lots of value – for Berkshire. – Warren Buffett

Nach der Logik der Rechnungslegungsvorschriften tauchen in Berkshire’s Zahlen  – neben den bereits angesprochenen Buchgewinnen in der GuV – zwar nur die zugeflossenen Dividenden im operativen Cash Flow auf. Langfristig gesehen sollten intelligente Investitionsentscheidungen (und damit zunehmende Gewinne) aber auch in den Aktienkursen der Beteiligungen reflektiert werden.


#3: Buffett über die schlechte Reputation von Konglomeraten

In Shareholder Letter 2021 gibt Buffett außerdem einen Einblick in seine Sicht auf die so genannten Konglomerate, also Unternehmen bzw. Holdinggesellschaften, die eine Vielzahl an – meist voneinander unabhängigen – Tochtergesellschaften besitzen.

Weil der negativ besetzte Begriff Konglomerat (Einschätzung Buffett) auch öfter mal mit Berkshire Hathaway in Verbindung gebracht wird, arbeitet Buffett insbesondere die Unterschiede zwischen seiner Firma und einem typischen Konglomerat (“prototype conglomerate”) heraus.

Wie sieht also der Prototyp eines Konglomerats aus? Laut Buffett lässt sich die Entwicklung folgendermaßen beschreiben (passt übrigens ggf. auch sehr gut auf andere über Akquisitionen wachsende Unternehmen):

Im Laufe der Zeit haben sich Konglomerate in der Regel darauf beschränkt, Unternehmen in ihrer Gesamtheit zu erwerben. Diese Strategie brachte jedoch zwei große Schwierigkeiten mit sich:

  • Deal-hungrige CEOs mussten sich auf Unternehmen mit bestenfalls durchschnittlichen Geschäftsmodellen ohne langfristige Wettbewerbsvorteile konzentrieren, da sich die wirklich starken Unternehmen typischerweise nur ungern übernehmen lassen
  • Für diese “mittelmäßigen” Unternehmen mussten die Konglomerate teilweise trotzdem schwindelerregende Kontroll-Prämien (Control Premiums) zahlen

In vielen Fällen nutzten die Konglomerate für diese überteuerten Akquisitionen ihre zuvor über geschönte bzw. manipulierte Gewinne nach oben gepushten Aktien als “Währung” (hier verweise ich passenderweise nochmal auf die Noble Fallstudie). Dieses Vorgehen drückt Buffett passenderweise so aus:

I’ll pay you $10,000 for your dog by giving you two of my $5,000 cats. – Warren Buffett

Solche “Investitionsillusionen” können laut Buffett erstaunlich lange anhalten… aus zwei Gründen:

  • Erstens: Die Wall Street liebt viele teure Deals, weil die Provisionen der Investmentbanken direkt damit korrelieren
  • Zweitens: Die Presse liebt die Geschichten um schillernde Unternehmenspersönlichkeiten und gewagte Unternehmensübernahmen… genauso wie ja auch die Leser

Ab einem bestimmten Punkt kann natürlich auch der steigende Aktienkurs der Allgemeinheit der Investoren als “Beweis” für das Funktionieren der eingeschlagenen Akquisitionsstrategie dienen (Stichwort “Self-fulfilling Prophecy”)… bis dann schlussendlich alles in sich zusammenfällt.

Den Unterschied zwischen Berkshire und einem typischen Konglomerat bringt Warren Buffett folgendermaßen auf den Punkt:

It took me a while to wise up. But Charlie – and also my 20-year struggle with the textile operation I inherited at Berkshire – finally convinced me that owning a non-controlling portion of a wonderful business is more profitable, more enjoyable and far less work than struggling with 100% of a marginal enterprise. – Warren Buffett

Insbesondere nach seiner Erfahrung mit der Übernahme des ursprünglichen Textilgeschäfts von Berkshire Hathaway ist es also aus Buffett’s Sicht viel profitabler (und darüber hinaus auch weitaus angenehmer und weniger arbeitsaufwendig), sich zu einem geringen Anteil an einem großartigen Unternehmen zu beteiligen, als 100% irgendeiner Durchschnittsfirma zu kaufen.

Kein Wunder also, dass Berkshire nicht unbedingt in jedem Geschäftsjahr große Investitionen tätigt.


Berkshire Hathaway’s Aktienrückkäufe

Im Laufe des Jahres 2020 hat Berkshire – wohl auch aufgrund der Nichtverfügbarkeit besserer alternativer Investments – eigene Aktien mit einem Gesamtwert von ca. 24,7 Mrd. USD im Rahmen eines Aktienrückkaufprogramms zurückgekauft (äquivalent zu 80.998 A Shares).

Dies entspricht einerseits einem durchschnittlichen Kurs von ca. 305.000 USD und repräsentiert andererseits einen Eigentumsanteil am Unternehmen von ca. 5,2%.

Nur zum Vergleich: Der aktuelle Kurs der Berkshire A-Aktie liegt bei ca. 381.500 USD, also ca. 25% oberhalb des durchschnittlichen Kaufkurses. In Bezug auf die B-Aktie sollte dieser durchschnittliche Rückkaufpreis daher ungefähr einem Wert von 200 USD je Aktie entsprechen (ca. konstante Bewertungsrelationen vorausgesetzt).

Buffett und Munger glauben also, dass Berkshire bei einem Kursniveau von ca. 200 USD je B-Aktie (substantiell) unterbewertet ist… und wie der folgende Kommentar zeigt, glauben die beiden darüber hinaus nicht, dass das für die Share Buybacks aufgewendete Kapital kurzfristig anderswo hätte sinnvoller eingesetzt werden können:

Following criteria Charlie and I have long recommended, we made those purchases because we believed they would both enhance the intrinsic value per share for continuing shareholders and would leave Berkshire with more than ample funds for any opportunities or problems it might encounter. – Warren Buffett

Fazit

Wie in praktisch jedem Jahr seit 1965 gibt Warren Buffett dem interessierten Leser auch in diesem Jahr (also 2020 bzw. 2021) wieder sehr interessante Einblicke in die wirtschaftliche Situation seiner Beteiligungsholding Berkshire Hathaway sowie auch in einige seiner eigenen Fokusthemen.

Aus meiner Sicht gibt es ein übergeordnetes Thema, welches sich durch praktisch den gesamten Brief durchzieht und welches ganz übergeordnet mit dem Begriff Kapitalallokation überschrieben werden kann.

In letzter Zeit schein es nämlich so zu sein, dass Buffett – vermutlich aufgrund der hohen Bewertungen für Qualitätsunternehmen – keine geeigneten Akquisitionsziele mehr findet und sich deshalb eher auf den Kauf kleinerer Beteiligungen (Aktieninvestments) bzw. Rückkäufe eigener Aktien fokussiert (je nach relativer Bewertung).

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