Crash Landing GPA

Buch Review: Crash Landing – An Inside Account of the Fall of GPA

Crash Landing GPA

Inhalt

Ihr wisst ja vielleicht, dass ich mich in der Vergangenheit schonmal etwas intensiver mit dem Thema Flugzeugleasing als Geschäftsmodell auseinandergesetzt habe (auf DIY Investor gibt es zwei Case Studies zu Air Lease, die ich mir einmal aus einer Bewertungssicht und einmal – im Zusammenhang mit Corona – aus der Liquiditätsperspektive angesehen hatte).

In diesem Kontext gibt es nun auch ein interessantes und aus meiner Sicht auch sehr spannendes Buch, welches ich euch einmal vorstellen möchte, nämlich Crash Landing: An Inside Account of the Fall of GPA von Christopher Brown.


Historie von GPA

Das Buch handelt, wie der Name schon sagt, im Grunde genommen vom Niedergang der Firma GPA (Guinness Peat Aviation). Das Unternehmen wurde 1975 von der irischen Fluggesellschaft Air Lingus, der Londoner Guinness Peat Group und dem Air Lingus Manager Tony Ryan gegründet.

Tony’s inspiration for setting up Guinness Peat Aviation was said to have come from his experiences as an Aer Lingus manager, tasked with leasing a B747-100 to Air Siam, now long defunct, in the early 1970s. He apparently saw the potential for shorter term aircraft leasing and, again it was said, with a borrowed $50,000 and the backing of Guinness Peat Bank, started out alone in 1975 with a select group of aviation industry stalwarts to help him. – Christopher Brown in Crash Landing

(Tony Ryan war übrigens im Jahr 1984 auch Mitgründer von Ryanair und gründete außerdem im Jahr 1990 die Firma Shannon Aerospace, heute Teil von Lufthansa Technik… aber das nur als Randnotiz.)

GPA war in den 1980er Jahren neben ILFC (International Lease Finance Corporation) und GECAS (GE Capital Aviation Services) eine der weltweit größten Flugzeugleasing-Companies.

Wie heutzutage Air Lease oder AerCap hatte GPA damals Anfang der 1990er Jahre die Orderbücher der großen OEMs (Airbus, Boeing, McDonnell Douglas) komplett übernommen und hatte innerhalb von fünf Jahren den Gewinn ca. verzwanzigfacht.

Five years ago when I joined GPA by invitation, there were 40 staff in total; the last annual profit had been $12 million. Today those figures are 200 plus and $250 million. – Christopher Brown in Crash Landing

Als Resultat hatte GPA im Jahr 1992 einen Börsengang geplant, der – hätte er stattgefunden – der größte in der irischen Geschichte geworden wäre. Parallele Listings waren in New York und London vorgesehen.

Der IPO wurde schlussendlich allerdings sehr kurzfristig abgesagt (am gleichen Tag), was mit einem ungünstigen Marktumfeld, insbesondere in den USA, begründet wurde (weitere Infos dazu findet ihr in einem ganz guten Artikel der Irish Times aus 2002).

Kurz nach dem gescheiterten Börsengang wurden die ersten Risse in der Fassade von GPA erkennbar. Durch die einsetzende Rezession wurde offensichtlich, dass GPA in seinem Bestreben nach Wachstum im Gegensatz zu ILFC und GECAS zu wenig Fokus auf die finanzielle Stabilität der eigenen Kunden gelegt hatte, was zu massiven Zahlungsausfällen und Flugzeugrücknahmen führte (ohne dass diese Flugzeuge irgendwo anders hätten platziert werden können).

Im Unterschied zu den Leasing-Unternehmen heutzutage hatte GPA damals keinerlei Geschäft mit den großen Airlines:

GPA has virtually no business with these mega carriers. American Airlines, British Airways, Lufthansa, Delta, Singapore Airlines, Air France and so on—basically they do not need us. – Zitat aus Crash Landing

Ein Jahr später, gegen Ende 1993, musste GPA dann einen Teil seiner Flotte an den Wettbewerber GECAS abgeben, um seine unbesicherten Kredite abzulösen und eine Insolvenz zu vermeiden. In diesem Zuge übernahm GECAS auch das operative Management der Flotte sowie einen Großteil der Technik- und Marketing-Abteilung. Darüber hinaus sicherte sich GECAS außerdem eine Kaufoption auf 90% der GPA-Anteile.

Die geschrumpfte GPA schaffte es dann im Jahr 1996 über einen Verkauf von 229 Flugzeugen an ein Special Purpose Vehicle (ALPS – Aircraft Lease Portfolio Securitization) wieder in die Gewinnzone (der Verlaufserlös lag bei ca. 4,5 Mrd. USD). Das Kapital wurde anschließend dazu genutzt, um den Großteil der Bankschulden und anderen besicherten Verbindlichkeiten von GPA zu tilgen.

1998 wurde die Mehrheit des dann wieder profitablen Unternehmens an den Private Equity Investor Texas Pacific Group (TPG) verkauft und die Firma in AerFi umbenannt. Die GE-Kaufoption aus 1993 reduzierte sich in dem Zuge auf ca. 23% der Anteile.

Nach einigen weiteren Transaktionen und Namenswechseln (am Ende hieß die Firma debis Air Finance) übernahm in 2005 schließlich mit Cerberus ein weiterer PE Investor das Unternehmen und benannte es in AerCap um… AerCap übernahm dann in 2013 zunächst ILFC und ist aktuell dabei, auch GECAS zu akquirieren (hier laufen Stand Oktober 2021 noch einige Kartellprüfungen)… so kommt schussendlich also alles wieder zusammen.

Die existierenden Aktionäre von GPA (damals übrigens größtenteils selbst GPA-Mitarbeiter) verloren bereits bei der ersten Transaktion mit GECAS ca. 60-70% ihrer Anteile. Lediglich das Top Management rund um Gründer Tony Ryan wurde offenbar im Rahmen der Transaktion attraktiv vergütet (was Christopher Brown im Buch übrigens stark kritisiert, weil er in der “Wachstum um jeden Preis”-Strategie von Ryan die eigentliche Ursache für die Probleme von GPA sah).


Was euch in Crash Landing erwartet

Das Buch deckt nun den Zeitraum zwischen ca. 1990 und 1995 ab, während derer GPA zunächst den IPO plante und kurzfristig absagte sowie anschließend ins Straucheln geriet und (größtenteils) von GE Capital übernommen wurde.

Das Besondere an Crash Landing ist, dass es sich quasi um ein Tagebuch handelt, in dem sehr viele unternehmensinterne Informationen verarbeitet werden. Auf diese Weise kann der Leser genau nachverfolgen, was sich damals innerhalb von GPA abspielte.

Ein großer Vorteil ist in diesem Zusammenhang, dass Autor Christopher Brown, ein Vertriebler, innerhalb der GPA-Organisation recht hoch angesiedelt war und deshalb per Definition einen regen Kontakt zur obersten Führungsriege pflegte (vielleicht mit Ausnahme von Chairman Tony Ryan, dem kurzzeitigen CEO Maurice Foley und Vice-Chairman Jim King). Viele der dokumentierten Treffen und Gespräche fanden übrigens entweder im Flugzeug oder in der Flughafen-Lounge statt.

Spannend für den Leser sind aus meiner Sicht neben der eigentlichen Story auch die Einschätzungen von Brown zur Qualität und Integrität des Top Managements, insbesondere zu Tony Ryan. Da geht es unter anderem um die Verleugnung bestimmter ökonomischer Realitäten, um Selbstbereicherung und um fehlendes Verantwortungsgefühl. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat Brown mit der Veröffentlichung seines Buches unter anderem auch deshalb bis 2002 gewartet, um rechtliche Probleme diesbezüglich zu vermeiden.

Das Buch enthält außerdem Hintergründe zu einigen hochrangigen Mitarbeitern und deren mutmaßlicher finanzieller Situation. Viele GPA-Manager hatten sich nämlich damals für den Erwerb von Mitarbeiteraktien hoch verschuldet und nach Absage des IPO quasi alles verloren.

Brown war zwar ebenfalls einer von diesen Mitarbeitern… hatte allerdings seine Käufe glücklicherweise nicht (oder nur zu einem sehr kleinen Teil) mit Fremdkapital gehebelt. Trotzdem ist es etwas irritierend zu lesen, wie schnell Brown selbst nach Ausfall einer einzigen GPA-Dividende dazu gezwungen war, auf zwei seiner Autos (u.a. einen Range Rover) und sein Ferienhaus zu verzichten… und wie hoch der Lebensstandard und wie exzessiv das Ausgabeverhalten der GPA-Führungskräfte zu der Zeit war.


Crash Landing: Ausgewählte Insights

Bezeichnenderweise stammt Browns erster prophetischer Tagebucheintrag bereits aus dem Frühjahr 1990 – also fast drei Jahre (!!) vor dem GECAS-Bailout – und liest sich folgendermaßen:

Last Friday was a bad day. I really felt there was no way out for GPA ultimately. What will bring us down? First, we have ordered a huge number of aircraft – too many. Some types will not be leased easily.
Second, recession could well be coming, or at least enough of one to affects us. I am worried about our corporate debt facility, lately set up to fund our aircraft purchases. True, a huge sum of money has been raised – $2.5 billion – but the terms have been negotiated on our side by financial people with very little airline experience. The trouble with GPA is that we are greedy.

Brown hat also bereits früh die Zeichen richtig gedeutet, nämlich

  • Erstens: Dass GPA’s Orderbuch zu groß geworden war und auch eine ganze Reihe veralteter Flugzeugtypen enthielt (nicht mehr “State-of-the-Art”)
  • Zweitens: Dass viele dieser Flugzeuge nicht leicht zu verleasen sein würden (es sei denn, an Kunden mit fragwürdiger Kreditwürdigkeit)
  • Drittens: Dass viele bestehende Leasingverträge früher oder später ausfallen und die Flugzeuge teilweise nicht wieder verleasbar sein würden (u.a. noch alte Fokkers und DC-10s)
  • Und viertens: Dass die hohe Verschuldung und auch die “unglückliche” Ausgestaltung der Finanzierungen, insbesondere der Covenants, GPA irgendwann zum Verhängnis werden würde

Brown war Anfang der 1990er Jahre ziemlich viel in Afrika unterwegs und kannte die Situation der Fluggesellschaften dort deshalb wie seine Westentasche. Er war aber auch über die Situation in anderen Regionen sehr gut informiert. Über die spanischen Kunden schreibt er beispielsweise:

Already within the last year Spantax and Hispania have collapsed. Canafrica and Air Sur cannot be far behind.

Das Buch beinhaltet viele viele weitere Beispiele kleiner Fluggesellschaften, die aufgrund ihrer limitierten finanziellen Mittel größtenteils mit geleasten Flugzeugen operieren mussten und Anfang der 90er Jahre von der Zahlungsunfähigkeit bedroht waren.

Brown gesteht GPA zwar zu, dass das Geschäftsmodell grundsätzlich durchaus tragfähig war:

GPA had a viable business. This was no fly-by-night scheme. The company made huge profits. The staff participated. For anyone employed by GPA in an executive capacity and for the non- executive directors, it was simply the best financial opportunity in several lifetimes. – Zitat aus Crash Landing

Aus Brown’s Sicht war IFLC allerdings das viel bessere Beispiel für ein nachhaltig profitables Aircraft Leasing Modell:

GPA’s greatest competitor, ILFC, based in Century City, Los Angeles, showed there was a right way to do it. Begun around the same time as GPA by two Hungarian Americans, it continues today as the world’s longest existing, most successful aircraft leasing company, expanding intelligently with the industry, riding the downturns and earning its owners billions annually. – Zitat aus Crash Landing

(Nur zur Info: Steven Udvar-Hazy, einer der damaligen Gründer von ILFC, gründete in 2010 auch Air Lease und ist bis heute Chairman des Unternehmens.)

Unglücklich aus Sicht von GPA war auch die Kopplung der Flottenauslastung an den “Leasing-Status” des Gesamtunternehmens:

I have heard that we are actually in breach of our bank covenant. Apparently the criterion is 15 per cent of the fleet on the ground at any time, by value of the fleet. We are now operating on a 30 day waiver while we try to sort out a different covenant everyone can live with.

Offenbar hatte GPA mit den kreditgebenden Banken eine Mindestauslastung der Flugzeugflotte von 85% vereinbart. Weil dieser Covenant nun Anfang der 1990er Jahre durch GPA nicht mehr eingehalten wurde (oder werden konnte), war das Unternehmen nur noch zahlungsfähig, weil die Banken einer temporären Lockerung der Kreditbestimmungen (einem Waiver) zugestimmt hatten.


Fazit

Bei Crash Landing: An Inside Account of the Fall of GPA von Christopher Brown handelt es sich um ein Tagebuch, in dem der Niedergang von Guinness Peat Aviation, einer der größten Flugzeugleasing-Companies der 1980er und 90er Jahre, detailliert nachgezeichnet wird.

Neben den konkreten Ereignissen, die zur (Teil-)Übernahme von GPA durch GECAS führten, geht Brown insbesondere auf die Entwicklungen hinter den Kulissen ein und befasst sich detailliert mit den Verschiebungen der Machtverhältnisse innerhalb des Top Managements.

Aus meiner Sicht ist das Buch unter anderem auch deshalb eine Empfehlung, weil es sehr gut illustriert, wie groß der Informationsvorsprung von Unternehmens-Insidern tatsächlich ist und wie wertvoll z.B. ein Interview mit Ex-Mitarbeitern aus Investorensicht sein kann.

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