Warren Buffett innere Scorecard
Warren Buffett innere Scorecard

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Warren Buffett innere Scorecard
Credit: Flickr/Fortune Live Media, CC BY-ND 2.0

Die lukrativsten Investments sind oft diejenigen, die von der breiten Öffentlichkeit links liegen gelassen und als zu riskant abgetan werden. Die besten Value Investoren zeichnen sich nun dadurch aus, dass sie Unternehmen finden und in Unternehmen investieren, die zu Unrecht in Ungnade gefallen und deshalb zu einem Spottpreis zu haben sind. Wie aber schaffen es diese Investoren, sich von der öffentlichen Meinung unabhängig zu machen und einzig und allein auf ihre eigene Meinung zu vertrauen? Warren Buffett spricht in diesem Zusammenhang von seiner inneren Scorecard (Inner Scorecard).

In diesem Artikel möchte ich einmal kurz vorstellen, was hinter dem Konzept der inneren Scorecard steckt und wie wir dieses Konzept nutzen können, um als private Investoren erfolgreicher zu sein.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Warum wir als DIY Investoren unabhängig denken müssen
  • Wie Warren Buffett seine innere Scorecard definiert
  • Warum wir in der Realität oft Ziele außerhalb unserer inneren Scorecard verfolgen
  • Wie wir Unabhängigkeit lernen können

Unabhängiges Denken ist essentiell für erfolgreiches Investieren

It is impossible to produce superior performance unless you do something different. – Sir John Templeton

An dieser Stelle könnten auch noch zig andere Zitate stehen, denn von Andre Kostolany bis Benjamin Graham haben sich alle schonmal zur Wichtigkeit von unabhängigem Denken für den Erfolg an der Börse geäußert.

Guy Spier, erfolgreicher Investor und Autor von Die Value-Investor Ausbildung sagt z.B. im Interview bei Manual of Ideas (frei übersetzt): “Wir müssen lernen in unserem Inneren zu entscheiden, ob unsere Handlungen und Entscheidungen Sinn machen und nicht daran denken, ob es für die Öffentlichkeit Sinn macht”.

Es gibt zwar die Markteffizienzhypothese, die besagt, dass die Aktienmärkte effizient sind, d.h. dass alle verfügbaren Informationen die Zukunft betreffend bereits richtig in den Aktienkursen reflektiert sind. In der Realität gibt es aber sehr wohl ausgedehnte Phasen, in denen die Aktienkurse mehr oder weniger stark von ihrem “wahren” oder intrinsischen Wert abweichen.

Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Markt als Ganzes von einer Wirtschaftskrise nach unten gezogen wird. In 2008 sind ja nicht nur die Kurse der Bankenaktien durch die Subprime Krise stark gefallen, sondern eigentlich die Kurse aller gelisteten Unternehmen. Und das auch in den Fällen, in denen das Geschäftsmodell nur am Rande von den Auswirkungen der Krise betroffen war (z.B. im Falle der deutschen Immobilienfirmen wie Deutsche Wohnen oder TAG).

Oder aber es gibt firmenspezifische Events, die den Kurs übermäßig stark negativ beeinflussen. Zu solchen Events zählen in der kürzlichen Vergangenheit z.B. der VW-Dieselskandal bei VW oder der Ausstieg von Carl Icahn bei Apple. In solchen Fällen verkaufen viele Investoren nämlich nicht, weil sie die Auswirkungen des Events auf die zukünftigen Gewinne analysiert haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass die Aktien tatsächlich weniger wert sind. Sie verkaufen eher, weil alle anderen auch verkaufen und sie selbst nicht die Dummen sein wollen, die am Ende noch die mutmaßlich wertlosen Aktien im Depot haben. Viele Investoren handeln in einem solchen Fall also irrational.

Dem entsprechend gibt es an den Märkten an vielen Stellen Situationen, in denen es sich lohnen kann, sich ein unabhängiges, eigenes Bild zu machen und dann ggf. eine zum Markt gegenläufige Position einzunehmen.

Das ist allerdings schwieriger als wir denken. Und das nicht nur, wenn wir wie Warren Buffett stark in der Öffentlichkeit stehen und jedes unserer Investments von der Presse in Länge kommentiert und unter die Lupe genommen wird. Auch wenn wir als Privatinvestoren z.B. im Bekanntenkreis über unser neuestes VW-Investment sprechen würden, würden wir vom Großteil der Leute die gerade aktuelle (negative) Meinung aus der Presse zu hören bekommen.


Das Konzept der inneren Scorecard

If the world couldn’t see your results, would you rather be thought of as the world’s greatest investor but in reality have the world’s worst record? Or be thought of as the world’s worst investor when you were actually the best? – Warren Buffett

Was wäre dir also lieber? Wäre es dir lieber, wenn die Öffentlichkeit glaubt du wärst der beste Investor der Welt, obwohl du in Wirklichkeit den schlechtesten Track Record hast? Oder wäre es dir umgekehrt lieber: Jeder glaubt du wärst ein wirklich schlechter Investor, in Wirklichkeit aber hast du über Jahre jeden Index geschlagen?

Abwandlung (auch dieses Zitat stammt soweit ich weiß von Warren Buffett selbst):

Would you rather be considered the best lover in the world but in fact are not or would you rather be the best lover to your spouse but the public thinks you’re bad? – Warren Buffett

Wäre es dir also lieber, dass alle glauben, du wärst der beste Liebhaber (oder die beste Liebhaberin) der Welt? Oder wärst du es lieber tatsächlich?

Diejenigen von uns, die jeweils die zweite Option wählen würden, haben eine innere Scorecard.

Was bedeutet das nun genau? Aus meiner persönlichen Sicht heißt das, dass wir für uns selbst definieren, nach welchen Grundsätzen wir leben und handeln möchten. Was bedeutet z.B. Erfolg für uns selbst? Was ist ein erfülltes Familienleben für uns? Was sind unsere ethischen Grundsätze (Stichwort Wertesystem)? Und so weiter.

Ich glaube intuitiv würden die meisten von uns die zweite Option wählen. Jeder, inklusive mir selbst, denkt gerne von sich, er wäre ein unabhängiger Denker. Trotzdem ist uns die “Meinung der Anderen” (um es mal laienhaft zu formulieren) oft wichtiger als wir glauben. Und das bezieht sich sowohl darauf, was andere über uns denken, als auch darauf, wie wir uns unsere Meinung bilden.


In der Realität sind wir oft alles andere als unabhängig

Vieles von dem, was wir tun passiert unterbewusst. Unser Gehirn ist so gepolt, dass wir z.B. die Meinungen bekannter Institutionen und Autoritäten zu hoch gewichten oder an unserer einmal gebildeten Meinung auch dann noch festhalten, auch wenn es bereits andere, gegenteilig lautende Informationen gibt.

Und die Meinung der Öffentlichkeit oder vielleicht auch nur einzelner Personen ist uns durchaus wichtig. Warum haben z.B. die Manager großer Fonds oft die gleichen Werte im Depot? Oder warum ähneln sich die Analystenempfehlungen in vielen Fällen so sehr? Vielleicht antworte ich hierauf mit einer Gegenfrage:

Was wäre dir lieber?

  1. Du liegst mit deiner Einschätzung falsch, aber alle anderen liegen genauso falsch?
  2. Alle anderen liegen richtig und du bist leider der Einzige, der mit seiner Einschätzung falsch liegt?

Für uns ist es emotional sehr schwierig, eine Situation zu akzeptieren, in der wir als Einzige falsch liegen. Oder wir sollten besser sagen: “falsch liegen könnten”. Denn allein die Möglichkeit, dass ein solches Ergebnis eintritt, führt bei uns schon zu Schweißausbrüchen. Aus diesem Grund schwenken wir dann auch in vielen Fällen auf die Meinung der Mehrheit ein, sei es nun in Bezug auf Aktienkurse, wirtschaftliche Themen oder andere Entwicklungen. Ich wette wir alle haben diese Erfahrungen bereits gemacht.

Kleiner Exkurs: Dies ist übrigens auch einer der Gründe, warum wir als private Investoren durchaus in der Lage sind, bessere Ergebnisse zu erzielen, als professionelle Manager. Manager großer Fonds haben in vielen Fällen einfach ganz andere Anreize und verfolgen auch andere Ziele, als nur die Maximierung der Fondsrendite.

Schon Friedrich Nietzsche hat sich im 19. Jahrhundert mit der Unabhängigkeit der eigenen Meinung befasst. Von ihm ist das folgende Zitat überliefert:

Die erste Meinung, welche uns einfällt, wenn wir plötzlich über eine Sache befragt werden, ist gewöhnlich nicht unsere eigene, sondern nur die landläufige, unserer Kaste, Stellung, Abkunft zugehörige; die eigenen Meinungen schwimmen selten oben auf. – Friedrich Nietzsche

Nehmen wir z.B. einmal die Definition von Erfolg in Zusammenhang mit unserer Inner Scorecard. Unabhängig davon, wie wir Erfolg für uns selbst definieren, begegnen uns im Laufe unseres Lebens viele Situationen, in denen wir mit externen Erfolgsdefinitionen konfrontiert werden.

Eigentlich zieht sich das durch unser gesamtes Leben: Da gibt es recht früh die Tests und Klassenarbeiten in der Schule, später die Klausuren an der Universität. Erfolg bedeutet hier im Wesentlichen gute Noten schreiben. Im Job gibt es dann die Jahresendgespräche, in denen wir erfahren, wo unsere Schwächen liegen (natürlich oft aus Unternehmenssicht). Erfolg bedeutet in diesem Fall diese Schwächen zu beheben und beim nächsten Gespräch dann eine Beförderung zu erhalten.

In den wenigsten Fällen deckt sich das mit unserer eigenen Definition von Erfolg. Trotzdem haben wir mit der Zeit gelernt, extrem hart daran zu arbeiten, diese externen, also außerhalb unserer eigenen Scorecard liegenden Kriterien zu erfüllen. Und in vielen Fällen müssen bzw. wollen wir das auch! Wir wollen ja einen guten Abschluss machen und im Job weiterkommen. Oder haben wir in diesem Fall einfach keine innere Scorecard?


Wie wir lernen unabhängig zu denken

Verstehen wo wir einer von außen definierten Scorecard folgen

Um zu verstehen, inwieweit wir unserer eigenen inneren Scorecard folgen und uns selbst anhand dieser Scorecard bewerten, müssen wir zunächst einmal unser eigenes Bewusstsein für die Unterschiede schärfen. Wir sollten uns klar machen (oder am besten aufschreiben), an welchen Stellen wir extern bewertet werden und inwieweit diese Bewertung mit unserer inneren Scorecard übereinstimmt.

Wir müssen für uns also im Wesentlichen die folgenden Fragen beantworten:

  • Wie und anhand welcher Kriterien bewerten wir uns selbst?
  • Und wie und anhand welcher Kriterien bewertet uns unsere Umgebung (also z.B. unser Arbeitgeber, unsere Kunden, andere Investoren, die Öffentlichkeit, unser Partner etc.)?
  • Wo gibt es Übereinstimmungen und wo gibt es Abweichungen?

Anschließend sollten wir uns einmal fragen, wie wir uns fühlen, wenn wir etwas tun, das zwar zu unserer eigenen inneren Scorecard passt, aber von externen Bewertungsschemata abweicht. Vielleicht ist ein Gefühl von Unwohlsein noch eine der harmloseren Umschreibungen. Verstehen wir also unsere Motivation bestimmte Dinge zu tun wirklich gut genug?

Im Idealfall sollten wir in einer Umgebung arbeiten und wirken, in der

  • entweder die externe Scorecard deckungsgleich ist mit unserer inneren Scorecard
  • es keine externe Scorecard gibt (was sehr unwahrscheinlich ist) oder
  • die externe Scorecard so weit von uns entfernt ist, dass wir uns gut davon distanzieren können

Auch Warren Buffett bewegt sich in einem Umfeld, in dem es eine externe Scorecard gibt. Z.B. schreiben viele Journalisten regelmäßig über seine Person, bewerten seine Investitionen und kommentieren seine Entscheidungen. Buffett ist aber ausreichend weit von diesen Einflüssen entfernt, sodass diese ihn nicht in seiner Unabhängigkeit beeinflussen. Buffett hat es geschafft, immer das zu tun, von dem er glaubte, dass es richtig war.


Den Investmentprozess entsprechend ausrichten

In Bezug auf das Investieren können wir externe Einflüsse durch einen gut aufgesetzten und konsequent befolgten Investmentprozess jedenfalls teilweise vermeiden. Als Investmentprozess bezeichne ich hier den Standardablauf im Vorfeld einer Investitionsentscheidung. In diesem Ablauf definieren wir, wie wir konkret Schritt für Schritt vorgehen, um eine Investitionsidee zu analysieren.

Um uns z.B. nicht zu früh von externen Einflüssen und Meinungen über ein Investment beeinflussen zu lassen, können wir in unserem Investmentprozess festlegen, dass wir Analystenmeinungen oder Foren wie Wallstreet-Online, der Aktionär, SeekingAlpha etc. erst lesen, wenn wir uns selbst auf Basis der harten Daten und Fakten eine eigene Meinung über das Investment gebildet haben.

Auch das ist nicht immer einfach, weil wir regelmäßig einem Überfluss an Informationen ausgesetzt sind und weil wir solche Foren und Portale natürlich auch nutzen, um Investmentideen zu finden.


Kurze Zusammenfassung

Um am Aktienmarkt überdurchschnittliche Erfolge erzielen zu können, müssen wir unabhängig denken und teilweise Entscheidungen entgegen der öffentlichen Meinung treffen können.

Die Fähigkeit dies zu tun hat Warren Buffett als seine innere Scorecard bezeichnet.

Allerdings ist es nicht so, dass es ausreicht, diese innere Scorecard zu haben. Auch wenn wir z.B. unsere eigene Definition von Erfolg haben, heißt das noch lange nicht, dass wir unsere Handlungen auch danach ausrichten. Im Gegenteil verfolgen wir auch oft von anderen definierte Ziele, in vielen Fällen sogar, ohne dies direkt zu merken.

Wir müssen uns also  regelmäßig bewusst machen, welche unserer Ziele eigentlich innerhalb und welche außerhalb unserer Scorecard liegen und idealerweise unseren Investmentprozess so definieren, dass wir erst möglichst spät andere Meinungen über ein Investment lesen.

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