Robert Hagström, Autor von The Warren Buffett Way und The Warren Buffett Portfolio (Affiliate Links), war einer der Speaker auf der diesjährigen VALUExBRK-Konferenz, welche im Vorfeld des jährlichen Berkshire Hathaway Shareholder-Meetings stattfand und von Organisator Guy Spier dankenswerterweise auch auf YouTube übertragen wurde (Link siehe unten).
Hagströms Thema an dem Tag: Moderne Portfoliotheorie (MPT) versus “Focus Investing” oder “Concentrated Big Bet and Low Turnover Investing”… oder wie auch immer man das nennen mag. Ohne vorab zuviel zu verraten: Hagström kann – wie auch viele andere Value Investoren – nicht unbedingt als Verfechter der MPT bezeichnet werden. 🙂
Also… im letzten DIY Investor Artikel hatte ich ein paar bekannte Asset Allocations vorgestellt (das “All-Weather Portfolio”, das “Permanent Portfolio” etc.), welche i.W. aus der Perspektive eines Verfechters der modernen Portfoliotheorie formuliert wurden.
Hauptzielgruppe: Passive Investoren mit Verlustaversion bzw. institutionelle Investoren mit der Auflage zu diversifizieren. Im Artikel kommt auch Larry Fink (CEO von Blackrock) zur Sprache, der aktuell insbesondere das Thema Alternative Investments bzw. Private Equity-Investments als Beimischung in den Portfolios von Privatinvestoren ins Spiel bringt.
Hier nun also die alternative Sicht eines Value Investors (mit ein paar Ergänzungen durch Buffett und Munger themselves).
Moderne Portfoliotheorie: Risiko = Preisschwankung📈
Ausgangspunkt von Hagströms Argumentation ist eine bekannte Frage von Charlie Munger:
Wenn das Berkshire-System so erfolgreich ist – warum wurde es bisher nur von so wenigen Fondsmanagern übernommen?
Um die Frage zu beantworten, zeichnet Hagström kurz die Ursprünge der modernen Portfoliotheorie nach: Nach dem Crash von 1973 / 74 kam aus der Wissenschaft der Vorschlag, das “Risiko” einer Investition in den Aktienmarkt durch eine ausreichende Diversifikation zu reduzieren. Die Grundlage hierfür bildete die Dissertation des jungen Harry Markowitz, in der er den Begriff des “Risikos” mit der Volatilität (also i.W. den Preisschwankungen) der Wertpapiere gleichsetzte – im Gegensatz zur klassischen Sicht von Benjamin Graham, der Risiko immer im Sinne einer Überbewertung verstanden hatte.
Hagström sieht in dieser begrifflichen Umdeutung (Risiko = Preisschwankung) einen zentralen Denkfehler… der bis heute die ganze Branche prägt.Risk is not price volatility, it’s buying something for more than it’s worth. – Robert Hagström
Verstärkender Faktor: Aktives Management oft mit unterdurchschnittlichen Ergebnissen📉
Der Run auf die passiven Investment-Vehikel (ETFs etc.) und die Diversifikation entsprechend der MPT hat aber auch mit der im Durchschnitt unterdurchschnittlichen Performance vieler aktiver Portfoliomanager zu tun:
I looked at large cap funds whose benchmark was the S&P 500 and who had been managing money for 10 years. There were 658 survivor funds out of which 89% underperformed the market. – Robert Hagström
Laut Hagström liegt das Problem allerdings nicht unbedingt im aktiven Management selbst begründet, sondern hängt eher mit dessen (unterdurchschnittlichen) Umsetzung zusammen: Viele Fonds sind selbst zu stark diversifiziert, zu benchmarknah und handeln zu häufig… was natürlich Performance kostet (und zusammen mit den Fees oft zu einer Performance unterhalb des Benchmarks führt).
Dabei haben Investoren wie Warren Buffett, Charlie Munger, Nick Sleep oder auch Lou Simpson über lange Jahre gezeigt, dass konzentrierte Portfolios mit (sehr) geringem Turnover über lange Zeiträume den Markt schlagen können – trotz höherer Volatilität und Tracking Error.
Eine Studie von Prof. Martin Kacperczyk bestätigte diese eher anekdotischen Belege später mit wissenschaftlichen Methoden: Fonds mit hohem „Active Share“ erzielen überdurchschnittliche Renditen.
Daher auch Bill Miller’s Kommentar:
It’s not that active management doesn’t work. It’s the strategies used by most managers that don’t work. – Bill Miller (ehem. CIO Legg Mason Value Trust)
Neue Option: Private Equity für Privatanleger?💰
Ein weiterer Fokus von Hagströms Vortrag lag auf der aktuell diskutierten bzw. voranschreitenden Öffnung des Private Equity Markts für Retail-Investoren (Hagström meint die Private Equity im eigentlichen Sinne, nicht Infrastructure oder Private Credit als Unterkategorien).
Wenn sich mit den entsprechend der modernen Portfoliotheorie zusammengebauten Portfolios also nur mittelmäßige Returns erwirtschaften lassen (weil Diversifikation natürlich Return kostet), warum dann nicht weitere Assetklassen zum Mix hinzufügen?
In diesem Zusammenhang: Große Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard oder Franklin Templeton arbeiten aktuell gemeinsam mit PE-Häusern wie Blackstone oder KKR daran, verstärkt Kapital aus den US-amerikanischen 401(k)-Plänen anzulocken. Hier eine entsprechende Werbeanzeige von Blackrock auf Institutional Investor:

Meine Ergänzung: Darüber hinaus gibt es inzwischen eine ganze Reihe an Start-ups, die PE-Investments in kleineren Losen (und manchmal auch in einer liquiden Form) anbieten (NAO, Moonfare, Partners Group etc.).
Hagström warnt jedoch vor zu großen Erwartungen: Aus seiner Sicht bewegen sich die PE-Renditen längst nicht mehr auf dem Niveau früherer Jahrzehnte – im Schnitt liegen sie heute “nur” bei ~7%. Der vielfach beworbene Illiquiditätsaufschlag ist faktisch verschwunden.
Besonders kritisch sieht Hagström die scheinbar geringe Volatilität von PE-Fonds: Diese entsteht nämlich nicht durch eine besonders hohe Stabilität der Anlageklasse selbst, sondern eher durch mangelnde Transparenz in der Bewertung – ein Effekt, den Cliff Asness in einem Essay aus 2023 als “Volatility Laundering” bezeichnete.
Buffett und Munger: Private Equity = Mittelmäßige Returns und hohe Fees
Bzgl. Private Equity verweist Robert Hagström auch auf die bekannte Haltung von Buffett und Munger zu dem Thema: Mittelmäßige Renditen, hohe Gebühren, eingeschränkte Liquidität – bei gleichzeitigem Verzicht auf bessere Chancen in den Public Markets.
Unternehmen wie Apple, Mastercard oder Nvidia erwirtschaften sehr attraktive Kapitalrenditen. Plus: Anteile können über die Börse – jedenfalls von Zeit zu Zeit – günstig erworben werden. Gelegenheiten, die sich auf dem Private Equity Markt nur sehr selten bieten (wenn überhaupt).

Hier ein paar konkrete Punkte von Buffett und Munger aus einem Berkshire Hathaway Shareholder-Meeting der Vergangenheit:
Punkt 1: Private Equity Fonds erscheinen aus Sicht der beiden Altmeister wie ein Geschäftsmodell zur Gebührenmaximierung (für dessen Funktionieren ein guter Verkäufer meist wichtiger ist, als ein guter Investor):
If you can raise $10 billion in a fund and get 1.5%, and lock people up for 10 years, you and your grandchildren will never have to do a thing – even if you were the dumbest investor in the world. – Warren Buffett
Besonders kritisch sehen Buffett und Munger außerdem die folgenden Punkte:
Die Angebots-Nachfrage-Situation ist seit längerem nachteilig: Auf der einen Seite haben PE Fonds extrem viel Kapital eingeworben (Buffett: „At least a trillion dollars committed to buying businesses“). Auf der Angebotsseite gibt es allerdings nur wenige passende Kaufoptionen… weshalb um diese Unternehmen oft ein Bieterwettstreit unter PE-Häusern entbrennt (was schlussendlich in überhöhten Kaufpreisen und aufgrund dessen reduzierten Renditen mündet).
Das Gebührenmodell (2/20) ist aus Buffett’s Sicht unfair. Gebühren werden außerdem oftmals bereits auf das so genannte “Committed Capital” (also die reinen Kapitalzusagen) erhoben – obwohl das Kapital noch gar nicht investiert wurde bzw. noch gar nicht “arbeitet”.
Die IRR-Berechnungen der Private Equity Fonds sind i.d.R. positiv verzerrt (heißt der Return wird zu hoch ausgewiesen), weil der Zeitraum, für den das Kapital quasi unverzinst beim Investor (Limited Partner) liegt und nicht abgerufen wird, in der IRR-Berechnung (natürlich) nicht berücksichtigt wird.
We have seen a number of proposals from private equity funds where the returns are really not calculated in a manner that I would regard as honest. – Warren Buffett
Die Bewertungen der Portfolio-Unternehmen sind oft intransparent (und werden vom Fonds selbst durchgeführt), weshalb gerade in Krisenzeiten Vermögenswerte ggf. nicht entsprechend der realen Entwicklungen abgeschrieben werden.
I think they like it because they don’t have to mark it down as much as it should be in the middle of the panics. That’s a silly reason to buy something. – Charlie Munger
Private Equity Fonds stecken oft in einer moralischen Zwickmühle, weil sie im Grunde gezwungen sind, auch schlechtlaufende Unternehmen für einen Verkauf entsprechend “aufzuhübschen” (sei es über eine geschickte Wahl des Verkaufszeitpunkts oder besonders attraktive Planungsrechnungen).
This man has this wonderful horse… but also occasionally it’s dangerous and causes enormous damage… So he goes to the vet and says, ‘What can I do?’ The vet says: ‘Next time your horse is behaving well – sell it.` Well think of how immoral that is. Haven’t I just described what Private Equity has to do? – Charlie Munger
Wesentliche Take Aways
- Die moderne Portfoliotheorie (MPT) definiert den Begriff “Risiko” fälschlicherweise als Preisvolatilität – eine Definition, mit der viele der erfolgreichsten Value Investoren nicht wirklich etwas anfangen können
- Obwohl aktiv gemanagte Fonds zum Großteil schlechter performen als der Benchmark-Index, wurde inzwischen auch wissenschaftlich nachgewiesen, dass aktiv gemanagte, stark konzentrierte Portfolios mit einem geringen Turnover im Durchschnitt den Markt schlagen (Hagström nennt Buffett, Munger und Lou Simpson etc. als konkrete Beispiele)
- Die Portfolio-Beimischung von Private Equity für Retail-Investoren ist aus Sicht von Hagström, Buffett und Munger eher nachteilig zu sehen. Die Hauptgründe: Mittelmäßige Returns, hohe Gebühren, geringe Liquidität sowie Opportunitätskosten
- Die Public Markets bieten weiterhin regelmäßig attraktive Investitionschancen – vorausgesetzt, man investiert selektiv und rational
Weitere Ressourcen
- Link zur Aufzeichnung des gesamten VALUExBRK-Meetings
- Paper von Martin Kacperczyk et. al.: On the Industry Concentration of Actively Managed Equity Mutual Funds
- Cliff Asness: Volatility Laundering
- Aufzeichnungen aller Berkshire Hathaway Shareholder Meetings seit 1994 bei CNBC: The Warren Buffett Archive