Investieren in der Krise - 3 Learnings

“Be Greedy when Others are Fearful” – Wie wir von einem Marktcrash profitieren können

Investieren in der Krise - 3 Learnings

Inhalt

Die Welt befindet sich im Krisenmodus. In den letzten 100 Jahren war das natürlich immer mal wieder der Fall, ist also nicht per sé ungewöhnlich. Inzwischen ist die Krise bzw. sind die Marktcrashs allerdings fast schon zu einem Dauerzustand geworden. Die Unsicherheit ist groß und drückt sich an den Aktienmärkten in einer teilweise extrem hohen Volatilität aus. Die Intensität und Geschwindigkeit, mit der die Aktienkurse an einem Tag in den Keller und am nächsten wieder durch die Decke gehen, ist inzwischen nur noch sehr schwer nachzuvollziehen… insbesondere, wenn man als Value Investor sozialisiert wurde, tendenziell eine langfristige Perspektive einnimmt und in der kurzen Frist von Wertstabilität ausgeht.

Ist die Panik an den Märkten also heute noch stärker ausgeprägt, als noch vor 10 oder 20 Jahren? Kann bzw. sollte uns Warren Buffett’s Zitat “Be fearful when others are greedy, and greedy when others are fearful.” nach wie vor als Richtschnur dienen? Mit anderen Worten: Ist jetzt ggf. ein guter Zeitpunkt, um zu investieren? Und wie sollten wir in einem Marktcrash eigentlich konkret vorgehen ohne in Panik zu geraten?

Diese und andere Fragen möchte ich in diesem kurzen Artikel einmal aus meiner Perspektive adressieren.


Intro: Die “typische” Krise… gibt es sowas?

Wir wissen zwar alle, dass ein Blick in den Rückspiegel nicht besonders viel über die Entwicklung der Zukunft aussagt. Nichts desto trotz kann ein Verständnis der historischen Entwicklungen ja oft sehr hilfreich sein… mindestens jedenfalls, um herauszufinden, dass wir uns bzgl. einer schnellen Markterholung vielleicht nicht allzu viele Hoffnungen machen sollten… oder vielleicht doch?

Wirtschaftskrisen können sich lange hinziehen, auch an den Börsen. Wenn wir uns einmal die Entwicklung z.B. nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 oder nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 ansehen, dann stellen wir fest, dass durchaus schonmal 4 oder mehr Jahre vergehen können, bis die Kurse wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen.

Im Falle der Dot-Dom Bubble dauerte es ganze 80 Monate, bis der Markt wieder das Niveau vom August 2000 erreicht hatte. Im Falle der Finanzkrise waren es immerhin 65 Monate…

In der letzten Jahren können wir allerdings zwei Veränderungen beobachten:

  1. Wir haben – jedenfalls gefühlt – öfter mit großen Krisen zu tun, als in der Vergangenheit (ich beziehe mich hier hauptsächlich natürlich auf Krisen, die in den weltweiten Aktienkursen stark spürbar gewesen sind)
  2. Diese Krisen gehen – jedenfalls an den Aktienmärkten – inzwischen fast so schnell vorüber, wie sie gekommen sind

Insbesondere letzterer Aspekt spielt natürlich ggf. im Hinblick auf die Zeit, die uns für den Einstieg bleibt, eine nicht ganz unwichtige Rolle.

Wenn wir uns einmal die Corona-Krise (2020) sowie auch die initialen Einflüsse des Ukraine-Kriegs (2022) anschauen, dann stellen wir nicht nur fest, dass das initiale Tief schneller erreicht wurde, als in den Krisen zuvor (nämlich in 2 bis 10 Monaten), sondern auch, dass die Kurse viel schneller wieder das Vorkrisenniveau erreichten (nämlich in 5 bis 14 Monaten)… und das teilweise trotz substanzieller Veränderungen auf den Zinsmärkten (heißt obwohl gestiegene Zinsen manchmal gar keine so hohen Bewertungen mehr rechtfertigen).

Hier einmal die historische Entwicklung des S&P Composite Index sowie die wesentlichen Kenngrößen der Marktcrashs seit 1987 (auf Basis der Daten von Robert Shiller):

Übersicht über die Marktcrashs bzw. Krisen seit 1980 Rober Shiller
Entwicklung S&P 500 sowie Dauer und Intensität wesentlicher Krisen; Quelle: Robert Shiller, eigene Analyse

Wenn wir auf die Grafik schauen, dann wird eines denke ich sehr schnell klar: Unabhängig davon, wie lange eine Krise dauert, wird irgendwann (bisher nach spätestens ein paar Jahren) das Vorkrisenniveau wieder erreicht und im Anschluss zügig überschritten.

Die Frage ist also nur: Gibt es einen Grund, warum es diesmal anders sein sollte?

Was wir gerade vor uns haben ist ja ein Handelskrieg in einer noch nie dagewesenen Ausprägung – jedenfalls in der neueren Geschichte (Zölle auf alles von überall). Bleiben die Zölle auf Seiten der USA bestehen und kontern andere wesentliche Regionen (China, EU etc.) mit ähnlichen Handelshemmnissen, dann wird das vermutlich zunächst entweder einen Preisanstieg für die Verbraucher und damit ein reduziertes Konsumverhalten und / oder sinkende Gewinne bei den Unternehmen nach sich ziehen.

Es wird allerdings recht schnell auch Gegenbewegungen geben, die zu einer Normalisierung der Situation führen könnten bzw. sollten:

  • Hersteller bzw. Importeure werden im ersten Schritt ggf. Wege finden, um Handelsbeschränkungen zu umgehen. Waren werden dann ggf. auf Umwegen in die USA gelangen oder anders deklariert werden (hierfür gibt es eine ganze Reihe an historischen Beispielen – um Bewehrungsstähle ohne Zoll in die EU einführen zu können, haben die Chinesen diese beispielsweise lange mit etwas Bor legiert, um in eine andere Kategorie zu fallen)
  • Hersteller werden ggf. ihre Produktion weiter “lokalisieren”, d.h. im ersten Schritt zusätzliche Kapazitäten in den USA aufbauen und die Wertschöpfungskette im Hinblick auf die “Local Content”-Anforderungen anpassen (in der Automobilindustrie gibt es diesen Trend tatsächlich schon etwas länger… schaut euch hierzu einmal den DIY Artikel zur Expansion der japanischen Autohersteller in der EU an… auch hier gab es über Jahre eine ganze Reihe an Handelshemmnissen)

Sobald deutlich wird, dass die Zölle insbesondere den USA eher schaden als nützen (was aus meiner Perspektive nur eine Frage der Zeit sein kann), dann könnte die Regierung außerdem schnell zu beidseitig akzeptablen Verhandlungslösungen (“Deals”) übergehen. Fakt ist jedenfalls, dass sich bereits eine Reihe prominenter US-Manager und -Investoren gegen den überbordenden Protektionismus ausgesprochen hat (u.a. Elon Musk, Jamie Dimon, Dan Loeb, Bill Ackman etc.).

Buffett’s Zitat gilt deshalb aus meiner Sicht nach wie vor… und erinnert uns daran, dass genau diese Phasen typischerweise die besten Einstiegschancen für langfristig orientierte Investoren bieten.

Be fearful when others are greedy, and greedy when others are fearful. – Warren Buffett


Meine Learnings aus vergangenen Aktienmarktcrashs

Inzwischen habe ich als aktiver Investor bereits 3 1/2 ausgewachsene Krisen miterlebt (die Finanzkrise in 2008, die Corona-Krise in 2020 sowie die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs ab 2022… das Platzen der Dot-Com Bubble habe ich am Rande mitbekommen) und daraus einige hilfreiche und ich denke auch universell übertragbare Erkenntnisse gewonnen.

Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Verkaufen, wenn die Violinen spielen. – Carl Meyer Freiherr von Rothschild

In diesem Beitrag möchte ich einmal insbesondere auf vier Themen bzw. Learnings eingehen:

  • Learning #1: Fear of Missing Out (FOMO) – Wir sollten uns von unserem Umfeld, der Doomsday-Presse, den fallenden Kursen etc. nicht verrückt machen lassen. Auf der anderen Seite sollten wir auch keine Angst davor haben, beim Einstieg vielleicht die absoluten Tiefstkurse zu verpassen
  • Learning #2: Ein grobes Screening mit zu starkem Fokus auf den Preis ist nicht ausreichend für eine nachhaltig profitable Invest-Entscheidung
  • Learning #3: Rechtzeitig bzw. kontinuierlich eine “Best Business Models”-Watchlist erstellen und nach und nach durchanalysieren (unabhängig von einer Krise)
  • Learning #4: Nicht direkt “All-in” gehen und versuchen das absolute Tief zu treffen… andererseits aber auch nicht zu lange mit einem Einstieg warten

Und hier noch ein paar weitere Details.


FOMO vermeiden: Marktcrashs entfalten sich i.d.R. über eine gewisse Zeit

Ein Crash am Aktienmarkt ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen werden wir in solchen Zeiten typischerweise von überdurchschnittlich vielen Negativmeldungen konfrontiert… negative Stimmen sind immer deutlicher und lauter zu hören, als die gemäßigten und positiven, was einerseits an den Präferenzen der Zuhörer- bzw. Leserschaft liegt, andererseits aber auch daran, dass kritische Stimmungsmacher i.d.R. stärker in die Öffentlichkeit drängen, als gemäßigte und überlegt vorgehende Protagonisten.

Zum anderen: Selbst wenn wir durch die Negativmeldungen hindurch bereits das Licht am Ende des Tunnels sehen können und unser Kapital “ans Arbeiten” bringen möchten. Uns fällt es in der Regel schwer, einem rationalen Prozess zu folgen. Oft hängen wir stundenlang vor dem Bildschirm, schauen und die Kurse an und versuchen irgendwie herauszubekommen, wann genau der tiefste Punkt erreicht ist.

Für einen Investor mit etwas Erfahrung würde ich sagen, ist es insbesondere die Angst, den richtigen Einstiegszeitpunkt zu verpassen, die uns übermäßig stark lähmt (jedenfalls ging es mir oft so). Dabei spielt es in der langen Frist meist dar keine so große Rolle, ob wir zum absoluten Tief oder vielleicht 10 oder 20% darüber investiert haben (ihr wisst ja, dass ein Kurseinbruch i.H.v. 50% einen anschließenden Anstieg um 100% erfordert, damit man wieder auf dem gleichen Niveau landet).

Und wenn wir über das Aufstocken bereits bestehender Positionen nachdenken: Sofern die Investment Thesis intakt ist, waren diese ja bereits vor dem Crash unterbewertet


Über ein grobes Screening hinausgehen

Der Kaufpreis einer Aktie spielt für uns als Value Investoren zwar eine sehr wichtige Rolle. Wir wissen allerdings nicht unbedingt, inwieweit die von einem Screener angezeigten KGVs (oder anderen Bewertungskennzahlen) wirklich repräsentativ sind. Daher sollten wir uns – wenn es um den nächsten Aktienkauf geht – ggf. nicht unbedingt nur an der günstigsten Bewertung orientieren und in keinem Fall einfach auf Basis der angezeigten KGVs die günstigsten Werte kaufen.

Einmal ganz davon abgesehen, dass die KGVs komplett nichtssagend sind, weil sie entweder auf historischen und ggf. von Sondereffekten beeinflussten Daten beruhen (oder auf veralteten Forecasts), ist es gegeben die möglichen Implikationen der Zölle auf die einzelnen Unternehmen quasi unmöglich, die zukünftige Gewinn- und Cash Flow Entwicklung mit hinreichender Sicherheit innerhalb von ein paar Stunden abzuschätzen… das gilt insbesondere für Unternehmen und auch Branchen, mit denen wir uns bisher noch nicht im Detail beschäftigt haben.

Da wir allerdings unter einem gewissen Zeitdruck stehen (weil wir die günstigen Einstiegskurse nicht verpassen wollen), erscheint eine der beiden folgenden Strategien sinnvoll zu sein:

  1. Wir fokussieren uns im ersten Schritt auf die  Unternehmen, die wir bereits im Portfolio haben.  Mit diesen haben wir uns in der Vergangenheit bereits beschäftigt, haben das Geschäftsmodell analysiert und vermutlich auch einen Zielkurs festgelegt… und hielten sie auch vor dem abrupten Kurssturz bereits für günstig
  2. Wir schauen uns  Unternehmen mit nachweislich starken und nachhaltigen Geschäftsmodellen,  attraktiven Langfristperspektiven und (ggf. optional) auch geringen Zoll-Auswirkungen an. Wir fokussieren uns also auf die Unternehmen, die typischerweise nur mit einem (substanziellen) Aufschlag gehandelt werden und schauen, ob wir ggf. ein Schnäppchen machen können

Was mich direkt zum nächsten Punkt bringt: Wie können wir solche Unternehmen recht schnell identifizieren?


“Best Business Models”-Watchlist erstellen

Gegeben die Frequenz, in der die Krisen in letzter Zeit auftreten (und die Tatsache, dass diese inzwischen auch ohne Not von irgendwelchen Politikern verursacht werden), können wir vermutlich davon ausgehen, dass uns auch in der Zukunft immer mal wieder ein größerer Marktcrash begegnen wird. Die genauen Umstände und auch der Zeitpunkt sind allerdings typischerweise hochgradig ungewiss (auch wenn bestimmt einige Beobachter der Geschehnisse argumentieren würden, dass man die aktuelle Krise hätte kommen sehen können).

Deshalb gilt eine ganz einfache Regel: Wir müssen auf eine mögliche Krise quasi immer gut vorbereitet sein.

Leider konnte ich nicht mehr ausfindig machen, von wem das folgende Zitat stammt (was aber denke ich die gemachte Aussage in keiner Weise schmälern sollte):

After a boom there is guaranteed to be a recession and after a recession there is going to be a boom, being prepared is where fortunes are made. – Unbekannt

Eine solche Vorbereitung besteht aus meiner Sicht im Wesentlichen aus dem  Aufbau und der regelmäßigen Pflege einer Watchlist (die wir über die Zeit mit Price Targets etc. anreichern können) und der Ausarbeitung einer konkreten Priorisierungslogik  (für Situationen, in denen wir ein neues Unternehmen für die Analyse auswählen wollen… aber auch für den Krisenfall).

Meiner Erfahrung nach: Wenn wir erst zum Zeitpunkt der Krise anfangen, nach den am günstigsten bewerteten Unternehmen zu screenen und uns vorab noch keine Gedanken über Kriterien und Auswahl gemacht haben, dann werden wir recht schnell den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen und nur noch stundenlang vor den Kursen hängen (been there, done that 🙁 ).

Ein weiterer Vorteil dieser Herangehensweise: Sie funktioniert nicht nur während einer Krise, sondern ist ganz universell einsetzbar (z.B. auch dann nützlich, wenn ein Unternehmen einmal durch schlechte Quartalsergebnisse, schlechte Presse oder was auch immer zu Unrecht vom Markt abgestraft wird).

Bleibt der letzte oben angesprochene Punkt: Wann sollten wir eigentlich genau einsteigen?


Bei einem Marktcrash nicht sofort “All-in” gehen

Ich glaube zunächst mal können wir festhalten, dass es sehr schwierig bis quasi unmöglich ist, den richtigen / besten Einstiegszeitpunkt zu treffen. Heißt also wir haben im Grunde genommen zwei Optionen:

  1. Wir steigen ggf. etwas zu früh ein und kaufen nochmal nach, wenn die Kurse noch weiter fallen sollten (“Averaging-Down”)
  2. Wir warten die Bodenbildung ab und steigen erst dann ein, wenn die Kurse spürbar wieder aufwärts tendieren (“Averaging-Up”)

Aus psychologischer Sicht sind zwar beide Varianten nicht ganz einfach umzusetzen. Unabhängig davon würde ich allerdings sagen, dass eine gestaffelte Vorgehensweise (d.h. ein Kauf in 2 oder 3 Tranchen) in jedem Fall einem Einmalkauf und damit einer Spekulation auf den besten Einstiegszeitpunkt vorzuziehen ist.

Die praktische Umsetzung hängt denke ich von der Präferenz des Einzelnen ab… ich für meinen Teil steige lieber etwas zu früh ein und kaufe dann zu einem späteren Zeitpunkt nochmal nach.


Bottom Line: Für den Investor ist eine Krise die größtmögliche Chance!

Fallende Kurse können beängstigend sein, insbesondere wenn sie von einer ganzen Breitseite an übermäßig negativer Presse begleitet werden. Auf der anderen Seite – und das ist, was Buffett’s und Rothschild’s Zitate im Grunde aussagen – bieten sich in Krisenzeiten typischerweise die mit Abstand besten Investitionsgelegenheiten!

Wenn wir es also schaffen, emotional stabil zu bleiben und mit Watchlist und Price Targets vorbereitet in eine Krise hineinzugehen, dann können bzw. werden wir mit einiger Sicherheit langfristig als große Gewinner daraus hervorgehen… so jedenfalls meine Einschätzung.

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