Ein Tag im Leben einer Hedge Fonds Analystin

Inhalt

Tagesablauf Hedge Fonds Analystin

Es scheint so zu sein, dass Analysten bzw. Portfolio Manager bei einem Hedge Fonds ziemlich oft die Frage nach einem typischen Tagesablauf gestellt bekommen. Zugegebenermaßen ist das auch etwas, was mich einmal interessieren würde.

Glücklicherweise kann uns das Internet auch hier weiterhelfen, denn es gibt tatsächlich ein paar gute Beschreibungen von Menschen, die eine Zeit lang bei einem Hedge Fonds gearbeitet haben oder dort immer noch arbeiten. In diesem Fall kommt die Beschreibung von einer anonymen Analystin bei einem US-amerikanischen Hedge Fonds. Zwar hatte ich hier erst kürzlich den Tagesablauf von Edgar Wachenheim III von Greenhaven Associates vorgestellt. Ihr werdet aber sehen, dass hier nochmal ein paar zusätzliche Aspekte in den Tagesablauf mit reinkommen.


Take Aways: Der typische Tagesablauf einer Hedge Fonds Analystin

Analog zum letzten Beitrag über den typischen Tagesablauf von Edgar Wachenheim hier die Zusammenfassung der wesentlichen Tätigkeiten unserer anonymen Analystin:

Tagesablauf Hedge Fonds Analystin

Wie ihr der Grafik entnehmen könnt, ist das Ganze insbesondere am Morgen ähnlich kleinteilig wie bei Wachenheim. Grundsätzlich verwendet die Analystin viel Zeit mit dem Aufbau von Bewertungsmodellen und dem Nachdenken darüber, auf welchen Wegen eine Investment Thesis nach einem möglichen Investment aufgehen könnte.

Was mir außerdem aufgefallen ist:

  • Grundsätzlich scheint der hier beschriebene Hedge Fonds einen etwas kürzeren Anlagehorizont zu haben
  • Der Anteil der tiefergehenden inhaltlichen Arbeit ist nichts desto trotz vergleichsweise hoch
  • Die Analystin verbringt viel Zeit mit der Tages- und Wochenplanung wie auch mit der Analyse ihrer eigenen Fehler (genauso wie ihre Counterparts auf der Seite der Portfolio-Manager)

Tagesabschnitt1: News lesen zwischen ca. 6 und 7 Uhr

Nach dem Aufwachen und den üblichen damit zusammenhängenden Tätigkeiten besteht die erste “professionelle” Handlung darin, sich mit den wichtigsten Nachrichten der vergangenen Nacht zu beschäftigen… und zwar sowohl ganz generell, als auch mit konkretem Fokus auf den Handel in Asien und Europa (wie ihr seht, arbeitet diese Analystin mutmaßlich bei einem US-amerikanischen Hedge Fonds 🙂 ).

Darüber hinaus beschäftigt sich die Analystin etwas mit dem Beta, also den generellen Marktbewegungen resultierend aus Neuigkeiten zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen, Aktivitäten der Zentralbanken, Inflationsdaten etc., und den daraus resultierenden Effekten auf das Portfolio (je nachdem, ob dieses aktuell netto long oder netto short ist).

All das vorgenannte findet größtenteils bereits auf dem Weg ins Büro statt…


Tagesabschnitt 2: Portfolio Review zwischen ca. 7 und 8 Uhr

U ca. 7 Uhr, nach der Ankunft im Büro, wirft die Analystin zunächst einmal einen Blick auf das “Aktienuniversum” des Fonds. Damit sind im Wesentlichen die ca. 250 Titel gemeint, die sich entweder im Portfolio, oder aber mindestens auf der Watchlist des Fonds befinden… und für die bereits ein Bewertungsmodell existiert.

Sie überprüft jede Investment Thesis im Hinblick auf die neuen Marktbedingungen. Hat sich irgendetwas geändert? Muss etwas angepasst werden? Folgende Fragestellungen sind hier wichtig:

  • Sollten bestimmte Positionen verkleinert bzw. ausgebaut werden?
  • Sind irgendwelche neuen Handelsmöglichkeiten entstanden?

Hier eine Checkliste mit den wichtigsten Punkten, die die Analystin pro Unternehmen überprüft:

  • Gibt es diese Woche Gewinnmitteilungen?
  • Irgendwelche Produktveröffentlichungen?
  • Irgendwelche neuen Sell-Side-Berichte? Herabstufungen/Hochstufungen?
  • Gibt es Gerüchte über Fusionen und Ãœbernahmen?
  • Irgendwelche Ankündigungen von Veränderungen im Management?
  • Revisionen der Prognosen?
  • Irgendwelche juristischen Vorgänge?

Ob nach der Überprüfung direkt auch eine Portfolioanpassung vorgenommen wird, geht aus den mir vorliegenden Schilderungen leider nicht hervor. Einerseits wäre es irgendwie naheliegend, andererseits ist ca. eine Stunde auch nicht gerade viel Zeit für die oben beschriebenen Tätigkeiten.


Tagesabschnitt 3: Tages- bzw. Wochenplanung ab 8 Uhr

In diesem Abschnitt des Tages befasst sich die Analystin mit der konkreten Tages- bzw. Wochenplanung. Dies ist interessanterweise ein Block, der im Tagesablauf Edgar Wachenheim nicht wirklich vorkommt, der mir grundsätzlich aber sehr sinnvoll erscheint.

Es geht hier im Wesentlichen darum, die wesentlichen Ereignisse bzw. Events der kommenden Woche bzw. des aktuellen Tages zu planen. Zu diesen Ereignissen bzw. Events gehören insbesondere:

  • Investorentage (Capital Market Days)
  • Analystencalls bzw. Earnings Calls (Quartals- und Jahresergebnisse)
  • Roadshows
  • Abendessen mit Investor Relations Managern
  • Field Trips, d.h. organisierte Unternehmensbesuche für Buy-Side Analysten und institutionelle Investoren (in den USA meist von Banken wie Goldman Sachs o.Ä. organisiert)
  • Kapitalmarktkonferenzen (z.B. die JP Morgan Energy Conference etc.)

Die Analystin trägt also alle wesentlichen Termine in den Kalender ein und plant ihren restlichen Tag um diese Events herum.


Tagesabschnitt 4: Team-Meeting und Pre-Mortems zwischen 9 und 10 Uhr

Kurz vor Eröffnung der Börsen findet dann eine kurze Teambesprechung statt. Analysten und Portfolio-Manager setzen sich zusammen und diskutieren, ob die Nachrichten der letzten Nacht die Investmentthesen der offenen Positionen beeinflussen bzw. verändern.

Anschließend widmet sich die Analystin einer später am Tag stattfindenden Veranstaltung (also z.B. einem Earnings Call oder einem Capital Markets Day). Konkret beschäftigt sie sich mit dem präsentierenden Unternehmen und dem zugehörigen Zahlenwerk. Sie notiert eine Reihe von offenen Fragen.

Anschließend führt sie ein so genanntes Pre-Mortem zu einer möglichen neuen Position durch. Bei einem Pre-Mortem handelt es sich um ein Konzept, welches von dem Psychologen Gary Klein entwickelt und von keinem geringeren als Michael Mauboussin (bekannter Autor und ehem. Banker bei Credit Suisse) in den Investment-Kontext übertragen wurde.

Im Großen und Ganzen ist ein Pre-Mortem vergleichbar mit dem Kill the Company-Ansatz von Bruce Berkowitz.


Tagesabschnitt 5: Teilnahme Earnings Call von 10 bis 11 Uhr

Bei ca. 250 Unternehmen im Universum (also im Portfolio und auf der Watchlist) wird es im Grunde genommen keinen Tag geben, an dem nicht mindestens ein relevantes Unternehmen eine Gewinnmitteilung veröffentlicht (also einen Quartals- oder Jahresbericht abliefert). Aus diesem Grund gehört das Verfolgen der entsprechenden Earnings Calls quasi zu jedem gewöhnlichen Arbeitstag der Analystin mit dazu.

Ja nach Unternehmen kann diese Veröffentlichung bzw. dieser Call übrigens auch vor der Eröffnung der Börsen (vorbörslich) oder nach deren Schließung (nachbörslich) erfolgen.

Der Ablauf eines Earnings Calls ist im Grunde genommen immer gleich:

  • Zunächst fasst der Vorstandsvorsitzende (der CEO) die wesentlichen Entwicklungen des abgelaufenen Quartals oder Geschäftsjahres zusammen (natürlich mit einem Fokus auf die positiven Highlights und die erreichten Ziele)
  • Danach präsentiert der Finanzvorstand (der CFO) das Zahlenwerk
  • Zum Abschluss erhalten dann die Analysten die Gelegenheit, ein paar Fragen zu stellen

Das Gros der Fragen wird dabei von den Sell-Side Analysten eingebracht (also von denjenigen Analysten, die bei den großen Banken arbeiten und regelmäßig die öffentlich zugänglichen Research Reports verfassen). Die Analysten der Käuferseite (also von Hedge Fonds und anderen institutionellen Investoren) sind da meist eher zurückhaltend.

An diesem beispielhaften Tag hört sich die Analystin also zwischen 10 und 11 Uhr morgens einen solchen Analysten-Call an.


Tagesabschnitt 6: Finanzmodelle erstellen und überarbeiten zwischen ca. 11 und 16 Uhr

Nach dem Earnings Call verbringt die Analystin den Großteil des Tages – nach Abzug einer nicht genannten Mittagspause sind das vielleicht 4 Stunden – mit der Erstellung und Bearbeitung von Finanzmodellen. Dieser Tagesabschnitt stellt somit den wichtigsten Teil im Tagesablauf der Analystin dar.

Was meint die Analystin nun, wenn sie von einem Finanzmodell spricht?

Nun, im Grunde genommen ein so genanntes “3-Statement Modell”, also einer Rechnung in Excel, in der die drei wesentlichen Bestandteile des Jahresabschlusses (Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz und Kapitalflussrechnung) über die wesentlichen Zusammenhänge miteinander verknüpft werden (ich hatte hier ja schonmal über die wesentlichen Regeln für den Aufbau eines solchen Modells geschrieben).

Ein “Finanzmodell” ist nichts anderes als 3 übereinander gestapelte Kontoauszüge in Excel. – Hedge Fonds Analystin

Interessanterweise scheint es so zu sein, dass die Hedge Fonds als Startpunkt für ihre Modelle oft die Tools bzw. Excel-Files der Sell-Side Analysten verwenden (die sie von diesen käuflich erwerben).

Der Fokus der Analysen liegt dann insbesondere auf den Anpassungen der Projektionen für die wesentlichen Zukunftskennzahlen (welche das Alpha, heißt den Wettbewerbsvorteil, der Fundamentalanalysten repräsentieren).


Tagesabschnitt 7: Post-Mortems ab ca. 16:30 Uhr

Nach einer kurzen Kaffeepause nach Börsenschluss (also von ca. 16 bis 16:30 Uhr) widmet sich die Analystin dann noch einer weiteren inhaltlichen Aufgabe: Der Durchführung der so genannten Post-Mortem Analysen, um die wesentlichen Fehlentscheidungen im Detail aufzuarbeiten.

Zur Info: Beim Post-Mortem geht es darum, ein fehlgeschlagenes Investment im Nachhinein zu analysieren und die wesentlichen Gründe für die Fehleinschätzung herauszuarbeiten.

Schmerz + Reflexion = Fortschritt. – Ray Dalio

Für jeden Portfolio Manager bzw. Analysten bei einem Hedge Fonds gehören Post-Mortems zum Tagesablauf fest dazu und dürfen nicht übersprungen werden (so jedenfalls die Aussage der Analystin).

Folgende Fragen stellt sich die Analystin täglich nach Börsenschluss (vielleicht sind die zeitliche Abfolge und auch die Fragen etwas andere, wenn man etwas langfristiger investiert):

  • Gab es große Gewinner?
  • Irgendwelche großen Verlierer?
  • Warum sind die Bewegungen passiert?
  • Wurden die Veränderungen richtig vorhergesehen?
  • Wie kann in Zukunft besser antizipiert und reagiert werden?

Richtig und systematisch durchgeführt können Post-Mortems die zukünftige Performance stark steigern (wieder eine Aussage der Analystin selbst).

Nach Abschluss der Post-Mortem Analysen so gegen 19 Uhr geht’s zum Abendessen… oft allerdings eine quasi-offizielle Veranstaltung mit IR-Managern etc.


Tagesabschnitt 8: Öffnung der asiatischen Märkte um 21:30 Uhr

Kurz vor Ende des Tages schaut die Analystin sich noch die ersten Entwicklungen nach der Öffnung der asiatischen Märkte an und zieht daraus erste Schlussfolgerungen für den kommenden Tag (potenzielle Reaktionen, durchzuführende Post-Mortems etc.).

Ich würde diesen Abschnitt des Tages aber einmal als optional kennzeichnen.

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