Eigenkapital EK Stammkapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Bilanzgewinn

Das Eigenkapital verstehen: Gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklage etc.

Eigenkapital EK Stammkapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Bilanzgewinn

Inhalt

Eigenkapital EK Stammkapital Kapitalrücklage Gewinnrücklage Bilanzgewinn

Das Eigenkapital wird typischerweise auf der Bilanz noch etwas weiter heruntergebrochen in gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklage etc. Wir tendieren dazu, diese Aufteilung für unsere Analyse mehr oder weniger zu ignorieren. Ein Wissen um die verschiedenen Positionen innerhalb des Eigenkapitals kann aber manchmal ganz hilfreich sein (wenn ihr übrigens eine VV GmbH habt bzw. diese plant, ist ein genaueres Verständnis der verschiedenen EK-Positionen umso wichtiger).

In diesem Artikel möchte ich euch deshalb einmal einen Überblick über die verschiedenen Unterpositionen des Eigenkapitals geben und euch die Relevanz einiger dieser Positionen für unsere Aktienanalyse erläutern.


Was du in diesem Artikel lernst

  • Wie eine typische Bilanz aufgebaut ist
  • In welche Unterpositionen das Eigenkapital entsprechend HGB unterteilt wird
  • Wie der Prozess der Gewinnverwendung genau funktioniert (EK vor, nach teilweiser und nach vollständiger Ergebnisverwendung)
  • Welche Sicht auf das Eigenkapital mit dem typischen Jahresabschluss korrespondiert
  • Wie wir typischerweise bei der Modellierung des EK in unserem Finanzmodell vorgehen

Intro: Aufbau einer typischen Bilanz

Eine typische Bilanz besteht aus einer Aktivseite und einer Passivseite. Die Aktivseite enthält eine Aufstellung der Vermögenswerte des Unternehmens, die Passivseite sagt uns, mit welchen Mitteln diese Vermögenswerte finanziert sind.

Diese Finanzierung kann über zwei Wege erfolgen:

  1. über die Bereitstellung von Mitteln durch die Anteilseigner (also die Eigentümer) des Unternehmens – das ist das so genannte Eigenkapital
  2. über die Aufnahme von Schulden bei Banken, die Ausgabe von Anleihen am Kapitalmarkt etc. – das sind die so genannten (zinstragenden) Verbindlichkeiten

Eine separate Aufsummierung der Positionen auf Aktiv- und Passivseite der Bilanz muss dabei immer zum gleichen Ergebnis führen. Oder anders ausgedrückt: Das Eigenkapital (EK) ergibt sich als Saldo aus den Vermögenswerten und den Schulden, also:

EK = Vermögenswerte – Verbindlichkeiten

Natürlich ist das Ganze in der Praxis in der Regel nicht ganz so einfach, denn es gibt natürlich noch weitere Verbindlichkeiten wie z.B. Rückstellungen bzw. Rechnungsabgrenzungspostenlatente Steuern, Pensionsverpflichtungen, Lieferantenverbindlichkeiten etc.

Bilanz mit Vermögenswerten, Verbindlichkeiten und Eigenkapital

Das alles soll uns aber in diesem Artikel nicht interessieren, denn wir wollen uns ja die Eigenkapitalposition etwas genauer anschauen.

Die oben stehende Bilanz zeigt übrigens für das Eigenkapital einen Stand nach Ergebnisverwendung. Der dargestellte Wert i.H.v. 1.775 Mio. EUR für Jahr 1 repräsentiert dabei eine Aufstellung, wie wir sie im Rahmen unseres Bewertungsmodells nutzen würden, ist allerdings nicht ganz äquivalent zum im Geschäftsbericht veröffentlichten EK (der Unterschied ist die Dividende, aber dazu später noch mehr).


Deep Dive Eigenkapital

Wie gesagt: Auch wenn wir das Eigenkapital typischerweise im Rahmen unserer Bilanzanalyse wie eine einzige Position betrachten, gibt es eine Ebene tiefer doch eine bestimmte Gliederung, die für unser Bewertungsmodell nicht ganz unwichtig ist.

Nach §266 Abs. 3 HGB setzt sich das Eigenkapital aus den folgenden Unterpositionen zusammen (vor Ergebnisverwendung):

  1. Gezeichnetes Kapital
  2. Kapitalrücklage
  3. Gewinnrücklagen
    • gesetzliche Rücklage
    • Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unternehmen (eigene Anteile)
    • satzungsmäßige Rücklagen
    • andere Gewinnrücklagen
  4. Gewinnvortrag bzw. Verlustvortrag
  5. Jahresüberschuss bzw. Jahresfehlbetrag

Hier einmal eine beispielhafte EK-Struktur vor Ergebnisverwendung (dies ist sozusagen der Ausgangspunkt für die Ableitung der oben gezeigten Bilanz und beinhaltet die noch auszuschüttende Dividende):

Eigenkapital (EK) vor Ergebnisverwendung

Wie bereits angedeutet gibt es drei Sichten auf das Eigenkapital, die wir berücksichtigen müssen:

  1. das EK vor Ergebnisverwendung
  2. das EK nach teilweiser Ergebnisverwendung (für den Jahresabschluss von GmbHs und AGs ist diese Sicht der Regelfall)
  3. das EK nach vollständiger Ergebnisverwendung

Diese letzten beiden Sichtweisen sind insbesondere für die zwei untersten EK-Positionen, also Gewinn- / Verlustvortrag und Jahresüberschuss, relevant. Dazu aber später noch mehr.

Gehen wir zunächst einmal die einzelnen Positionen eine nach der anderen durch.


Gezeichnetes Kapital bzw. Grundkapital

Das gezeichnete Kapital wird auch als Stammkapital oder Haftkapital bezeichnet. Über dieses zum Zeitpunkt der Gründung in das Unternehmen eingelegte Kapital hinaus muss keiner der Eigentümer persönlich und mit seinem eigenen Geld haften. Das gezeichnete Kapital dient also für den Insolvenzfall sozusagen als Sicherheit für die Gläubiger.

Das gezeichnete Kapital einer Aktiengesellschaft muss von Gesetzes wegen mindestens 50.000 EUR, das einer GmbH mindestens 25.000 EUR betragen (wie wir aus unserer Diskussion rund um die VV GmbH wissen). Es ist allerdings regelmäßig ausreichend, wenn nur 50% der Stammeinlage tatsächlich auf das Firmenkonto eingezahlt werden.

Die andere Hälfte kann sozusagen als Forderung gegenüber den Gesellschaftern / Eigentümern auf der Bilanz mitgeführt werden (als Forderungen ggü. Gesellschaftern auf der Aktivseite der Bilanz, also als Teil des Anlagevermögens).

Eine Veränderung der Höhe des gezeichneten Kapitals (Kapitalerhöhung oder Kapitalherabsetzung) muss von den Eigentümern im Rahmen der Hauptversammlung bzw. Gesellschafterversammlung beschlossen und anschließend durch die Geschäftsführung ins Handelsregister eingetragen werden.


Kapitalrücklage

Die Rücklagen (also sowohl Kapital- als auch Gewinnrücklage) dienen ihrer Definition nach vorrangig dazu, ggf. auftretende Verluste (Jahresfehlbeträge) bilanziell ausgleichen zu können, ohne das gezeichnete Kapital angreifen zu müssen.

Die Rücklagen ändern sich typischerweise von einem Geschäftsjahr aufs andere und können deshalb als eine Art „variables“ Eigenkapital angesehen werden.

Bei der Kapitalrücklage handelt es sich zunächst um eine Rücklage, die über das Grundkapital hinaus durch die Eigentümer in das Unternehmen eingebracht wird, z.B. im Rahmen eines Börsengangs, nach einem Gesellschafterbeschluss oder durch Einbringung von Assets, deren fairer Wert über das festgelegte Grundkapital hinausgeht.

Beispiel Börsengang / IPO:

Bei einem Börsengang bzw. IPO entstehen Grundkapital und Kapitalrücklage in der Regel gleichzeitig. Im Vorfeld eines Börsengangs überlegt sich das Unternehmen zunächst, wie viele Aktien zu welchem Nennwert ausgegeben werden sollen. Damit ist die Höhe des Grundkapitals erstmal festgelegt:

Grundkapital = Anzahl ausgegebener Aktien x Nennwert

Ob nun im Rahmen eines Börsengangs auch eine Kapitalrücklage entsteht (bzw. in welcher Höhe diese entsteht), hängt dann vom tatsächlichen Ausgabekurs ab. Wenn nämlich die Nachfrage nach einer bestimmten Emission größer ist als das Angebot, dann wird der Ausgabekurs entsprechend der Regeln des Marktes steigen. Die Differenz zwischen dem insgesamt tatsächlich eingesammeltem Kapital und dem Grundkapital wird in die so genannte Kapitalrücklage eingestellt.

Höhe der Kapitalrücklage nach IPO = # ausgegebener Aktien x tats. Ausgabepreis – Grundkapital

Nehmen wir einmal an, das Unternehmen würde 100 Mio. Aktien zu einem Nennwert von jeweils 10 EUR ausgeben wollen. Aufgrund der hohen Nachfrage waren die Investoren nun allerdings bereit, ein Aufgeld in Höhe von 2 EUR je Aktie zu zahlen, um am IPO partizipieren zu können… direkt bei Ausgabe der Aktien wurden also 12 EUR je Aktie eingesammelt.

Das Grundkapital würde in diesem Fall wie oben gezeigt 1.000 Mio. EUR (= 100 Mio. Stk x 10 EUR Nennwert), die Kapitalrücklage 200 Mio. EUR (100 Mio. Stk x 2 EUR Aufgeld) betragen.

In einer Welt ohne verdeckte Einlagen und nicht erfolgsneutralen Einlagenrückgewährungen etc. wäre  die Kapitalrücklage im Grunde genommen außerdem identisch zum so genannten steuerlichen Einlagekonto.  D.h. die Kapitalrücklage kann ohne negative Steuereffekte an die Anteilseigner ausgeschüttet werden (es wäre ja auch unfair, wenn man zuerst 100 EUR in eine Gesellschaft einbringen und diese bei Entnahme dann auf einmal versteuern müsste).

Wenn eine Gesellschaft also Dividenden aus dem steuerlichen Einlagekonto ausschüttet, dann unterliegen diese nicht der Kapitalertragssteuer bzw. der Abgeltungssteuer (eine Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto geht allerdings nur, wenn wenn vorher bereits der gesamte ausschüttbare Gewinn auf der Bilanz auch ausgeschüttet wurde).

Exkurs: Stille Rücklagen

Bei den auf der Bilanz ersichtlichen Rücklagen handelt es sich natürlich nur um die so genannten offenen Rücklagen. Diese sind also ihrer Höhe nach bekannt und können auf Sonderzahlungen der Anteilseigener oder aus einbehaltenen Gewinnen herrühren.

Bei den stillen Reserven handelt es sich im Gegensatz dazu um Unterbewertungen von Vermögenswerten auf der Aktivseite der Bilanz bzw. (seltener) auch um zu hohe Wertansätze für Verbindlichkeiten auf der Passivseite.

Solche Unterbewertungen zu erkennen, kann für sich genommen bereits eine profitable Investitionsstrategie sein.


Gewinnrücklagen

Die Gewinnrücklagen sind Rücklagen, die ein Unternehmen bilden kann, indem es Teile des erwirtschafteten Gewinns (also des Jahresüberschusses) nicht an die Aktionäre / Eigentümer ausschüttet und sozusagen für schlechte Zeiten einbehält.

Die Gewinnrücklagen können später im Rahmen der Kapitalallokation z.B. für Investitionen, Akquisitionen oder auch Aktienrückkäufe verwendet werden.

Eine Ebene tiefer gibt es zunächst die gesetzliche Rücklage. Der Gesetzgeber hat also festgelegt, dass ein gewisser Anteil des erwirtschafteten Gewinns regelmäßig in die Rücklage eingestellt werden muss. Laut § 150 AktG beträgt dieser Anteil 5% des Jahresüberschusses (ggf. korrigiert um Verlustvorträge aus dem Vorjahr) und zwar so lange, bis die Rücklage ein Zehntel des festgelegten Grundkapitals erreicht hat:

In der Bilanz des nach den §§ 242, 264 des Handelsgesetzbuchs aufzustellenden Jahresabschlusses ist eine gesetzliche Rücklage zu bilden. In diese ist der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 des Handelsgesetzbuchs zusammen den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Grundkapitals erreichen.

Dann gibt es die so genannte satzungsmäßige Rücklage. Wenn also eine Firma (z.B. eine AG oder eine GmbH) in ihrer Satzung festgelegt hat, dass über die gesetzliche Rücklage hinaus noch eine weitere Rücklage gebildet werden muss, dann wird diese unter dieser Position verbucht.

Aktienrückkäufe bzw. die Erwerbe eigener Aktien werden ebenfalls in einer separaten Position festgehalten, wohlgemerkt als negatives Eigenkapital.

Bei den anderen Gewinnrücklagen handelt es sich im Grunde um einen Sammelposten, in den alle Rücklagen eingestellt werden, die über die gesetzliche und satzungsmäßige Rücklage hinausgehen.


Gewinn- bzw. Verlustvortrag

Dabei handelt es sich um einen Gewinn aus der Vorperiode, der bisher nicht verwendet wurde, also der weder an die Aktionäre ausgeschüttet wurde noch in die Gewinnrücklage eingestellt worden ist. Wie dieser Gewinn- bzw. Verlustvortrag entsteht, werde ich am Beispiel weiter unten noch etwas genauer illustrieren.


Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag

Der Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag ist im Grunde nur eine andere Umschreibung des Nachsteuerergebnisses bzw. des Nettoergebnisses, also des Gewinns oder Verlusts nach Berücksichtigung aller Aufwendungen inklusive der Ertragsteuern.


Eigenkapital vor und nach (teilweiser) Gewinnverwendung

Kommen wir nun zum Eigenkapital vor und nach (teilweiser) Gewinnverwendung. Die Verteilung des Gewinns erfolgt typischerweise in zwei Schritten:

  1. Zunächst wird der Bilanzgewinn ermittelt: Jahresüberschuss sowie Gewinn- / Verlustvortrag aus dem Vorjahr werden um die Veränderungen von Gewinn- und ggf. Kapitalrücklage angepasst
  2. Der Bilanzgewinn wird entsprechend des Beschlusses der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung verwendet (d.h ausgeschüttet und ggf. teilweise auf neue Rechnung vorgetragen)

Der Konzernabschluss im Geschäftsbericht enthält typischerweise eine Sicht auf das Eigenkapital nach teilweiser Gewinnverwendung, also nach der Durchführung von Schritt 1.

Eigenkapital: Schritte der Ergebnisverwendung

#1: Ermittlung Bilanzgewinn: Teilweise Gewinnverwendung

Im Rahmen des ersten Schritts der Gewinnverwendung wird der so genannte Bilanzgewinn ermittelt. Der Bilanzgewinn ist der Gewinn, über dessen Verwendung die Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung (bzw. die Anteilseigner im Rahmen der Gesellschafterversammlung) – also zeitlich nach der Veröffentlichung des Jahresabschlusses – abstimmen.

Dieser Bilanzgewinn wird wie folgt ermittelt:

Ermittlung Bilanzgewinn
Bilanzgewinn = Jahresüberschuss +/- Gewinn- / Verlustvortrag + Entnahme aus Kapitalrücklage +/- Entnahme / Einstellung in Gewinnrücklage

Es wird also zunächst definiert, welcher Anteil des Jahresüberschusses in die Rücklagen eingestellt werden soll, bevor daraus der Dividendenvorschlag abgeleitet wird.

In unserem fiktiven Beispiel sieht die Ermittlung des Bilanzgewinns so aus:

Zunächst wird zum Jahresüberschuss i.H.v. 375 Mio. EUR (also der letzten Zeile des Eigenkapitals vor Ergebnisverwendung) der noch nicht verwendete Gewinn aus dem Vorjahr – in diesem Fall allerdings Null EUR – hinzugezählt.

Anschließend werden 5% dieses Gewinns, gerundet sind das ca. 20 Mio. EUR, in die gesetzliche Gewinnrücklage eingestellt. Weitere 75 Mio. EUR gehen in die satzungsmäßige Rücklage, 160 Mio. EUR zusätzlich in die weiteren Gewinnrücklagen.

Verbleibt in Summe also ein Bilanzgewinn in Höhe von 120 Mio. EUR, der im nächsten Schritt für eine Ausschüttung an die Aktionäre verwendet werden kann.

Im Ergebnis sieht die Eigenkapitalposition nach teilweiser Gewinnverwendung nun folgendermaßen aus:

EK nach teilweiser Ergebnisverwendung

Wie ihr sehen könnt, haben sich die Positionen der Gewinnrücklage entsprechend erhöht. Darüber hinaus sind der Jahresüberschuss wie auch der Gewinn- / Verlustvortag aus der Aufstellung verschwunden und wurden durch den Bilanzgewinn ersetzt.

Beachtet, dass die Rücklagen trotz eines Gewinns auch reduziert werden können und somit ein höherer Betrag als der Jahresüberschuss als Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet werden kann.

#2: Verwendung des Bilanzgewinns: Vollständige Gewinnverwendung

Im zweiten Schritt folgt die Verwendung des Bilanzgewinns, welche im Rahmen der Jahreshauptversammlung durch die Aktionäre beschlossen werden muss.

Da die Hauptversammlung ja typischerweise ca. ein bis drei Monate nach Veröffentlichung des Jahresabschluss bzw. des Geschäftsberichts durchgeführt wird, enthält dieser in der Regel zunächst die Bilanz nach teilweiser Gewinnverwendung.

In unserem fiktiven Beispiel haben die Aktionäre nun beschlossen, insgesamt 100 Mio. EUR (das entspricht genau 1 EUR je ausgegebener Aktie) an sich selbst auszuschütten:

EK Verwendung des Bilanzgewinns

Die restlichen 20 Mio. EUR werden als Gewinnvortrag ins Eigenkapital eingestellt und dann im nächsten Jahr als Teil des Bilanzgewinns verwendet (dieser Teil des Bilanzgewinns ist “auf neue Rechnung vorzutragen”).

Ein Gewinnvortrag entsteht in vielen Fällen übrigens auch schlicht und einfach aus einer mathematischen Notwendigkeit heraus. Wenn der Bilanzgewinn je ausstehender Aktie nämlich nicht genau auf zwei Stellen hinter dem Komma aufgeht, kann zwangsläufig ein Teil des Bilanzgewinns nicht ausgeschüttet bzw. verwendet werden.

Beispiel: Wenn der Bilanzgewinn je Aktie genau 1,209 EUR beträgt, dann können maximal 1,20 EUR ausgeschüttet werden. Die restlichen 0,009 EUR je Aktie (bei 100 Mio. Aktien wären das z.B. 0,9 Mio. EUR) müssten quasi per Definition ins nächste Jahr vorgetragen werden.

Nach Verwendung des Bilanzgewinns, d.h. der Ausschüttung von 100 Mio. EUR an die Aktionäre, sieht die Bilanz (nach Ergebnisverwendung) folgendermaßen aus:

Eigenkapital nach Gewinnverwendung

Wie ihr sehen könnt, haben wir als vierten Bestandteil des EK nun einen Gewinnvortrag in Höhe von 20 Mio. EUR. Wie gesagt handelt es sich dabei um den Anteil am Bilanzgewinn, der bisher nicht verwendet wurde (bzw. werden konnte), also der weder an die Aktionäre ausgeschüttet noch in die Gewinnrücklage eingestellt worden ist.

Die Gesamtsumme des Eigenkapitals hat sich wie ihr sehen könnt um den Betrag der Dividende (100 Mio. EUR) auf 1.775 Mio. EUR verringert und korrespondiert nun zur ganz zu Beginn dieses Artikels gezeigten Bilanz.


Rechnung im Finanzmodell

Ganz grundsätzlich – also bei übergreifender Betrachtung des Prozesses der Ergebnisverwendung – ergibt sich die Veränderung der Gewinnrücklage von einem Jahr aufs andere aus der Differenz zwischen Jahresüberschuss und ausgeschütteter Dividende (sowie ggf. abzüglich Auszahlungen für Aktienrückkäufe):

Veränderung Gewinnrücklage = Jahresüberschuss – Dividende (- Aktienrückkäufe)

Diese etwas vereinfachte Gleichung nutzen wir in der Regel im Rahmen unseres 3-Statement Finanzmodells bzw. unserer Finanzplanung. Dies führt im Grunde genommen dazu, dass wir keinen zeitlichen Versatz mehr zwischen der Aufstellung der Bilanz (am Ende des Geschäftsjahres) und dem Beschluss der Verwendung des Bilanzgewinns (ein paar Monate später) haben.

In unserem Modell tun wir also in der Regel so, als würde die Auszahlung der Dividende zeitlich mit dem Ende des Geschäftsjahres zusammenfallen, was allerdings auf die Bewertung keinen substantiellen Effekt haben sollte.


Key Take Aways

Das Eigenkapital wird nach §266 HGB in verschiedene Positionen unterteilt. Insbesondere sind hier das Stammkapital, die Kapitalrücklage und die Gewinnrücklage zu nennen.

Die so genannte Ergebnisverwendung, ein Prozess der in zwei Schritten abläuft, umfasst in diesem Zusammenhang die folgenden Entscheidungen:

  1. Welcher Anteil des Jahresüberschusses in die Gewinnrücklagen eingestellt werden soll (bzw. welcher Anteil des Jahresfehlbetrags durch eine Entnahme aus den Rücklagen gedeckt werden soll). Dies ergibt den so genannten Bilanzgewinn. Die Entscheidung wird durch das Management getroffen
  2. Welcher Anteil des Bilanzgewinns in Form einer Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll. Die Entscheidung hierüber obliegt den Aktionären (im Rahmen der Hauptversammlung). Das Management macht einen entsprechenden Verwendungsvorschlag

Hieraus ergeben sich verschiedene Sichten auf das Eigenkapital: (1) das EK vor Ergebnisverwendung, (2) das EK nach teilweiser Gewinnverwendung und (3) das EK nach vollständiger Gewinnverwendung.

Im Geschäftsbericht einer Aktiengesellschaft wird typischerweise das Eigenkapital nach teilweiser Ergebnisverwendung dargestellt… weil der Beschluss über die Dividende ja erst auf der HV im folgenden Geschäftsjahr getroffen wird.

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