“The Ride of a Lifetime” ist das neue Buch von Bob Iger, dem ehemaligen CEO der Walt Disney Company. Obwohl es sich laut eigener Aussage um ein Buch über die Themen Management und Leadership handelt, kann Iger doch ohne seine eigene Geschichte und ohne die von Disney nur wenig über Leadership berichten. Aus diesem Grund handelt es sich bei The Ride of a Lifetime denn auch vor allem auch um die sehr spannende Story eines der größten Medienunternehmen der Welt – gespickt mit Ãœbernahmen und anderen strategischen Moves, die rückblickend das Gesicht von Disney komplett verändert haben.
Alles in allem würde ich das Buch deshalb jedem sehr ans Herz legen, der sich mit Investments in Medienunternehmen, der Funktionsweise von Großunternehmen oder aber auch den Eigenschaften fähiger Manager befasst oder befassen möchte.
Key Take Aways
Hier einmal meine wesentlichen Take Aways aus dem Buch (nur eine kleine Auswahl):
- Kulturelle Aspekte sind bei Übernahmen essentiell, speziell wenn es sich um Übernahmen von Unternehmen handelt, deren wesentliche Assets aus Ideenreichtum und Kreativität etc. bestehen (eigentlich bei allen größeren durch Disney übernommenen Unternehmen der Fall)
- Eine 10-jährige Historie in der Geschäftsführung (als Nummer 2) bei gleichzeitig immer schlechter werdender Performance bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Person kein guter CEO sein kann (Bob Iger hat ja über die letzten ca. 15 Jahre das Gegenteil bewiesen)
- Bei Disney hat die stark zentralisierte Unternehmensstruktur über die Zeit zu einer Erosion bzw. zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in vielen Geschäften geführt. Ein Delegieren der unternehmerischen Verantwortung in die Geschäfte hinein kann quasi über Nacht zu einer signifikanten Verbesserung der Performance und auch der Zufriedenheit der Manager führen
- Eine Akquisition kann entsprechend der traditionellen Metriken sehr teuer erscheinen, sich aber aus unternehmensstrategischer Sicht um ein Vielfaches bezahlt machen
- Die regelmäßige Disruption des eigenen Geschäftsmodells ist eine der Grundvoraussetzungen für die langanhaltende Verteidigung von Wettbewerbsvorteilen
Im Folgenden möchte ich nun einmal grob auf die wesentlichen Entwicklungsschritte eingehen, die ABC bzw. Disney unter Bob Iger genommen hat. Das Buch bietet aber natürlich noch viel viel mehr Details und Anekdoten.
Die frühen Jahre: Tom Murphy und die Übernahme von ABC durch Cap. Cities
Bob Iger startete seine Karriere bei der American Broadcasting Company oder kurz ABC, einem der drei großen TV-Netzwerke in den USA (die anderen beiden waren bzw. sind CBS und NBC). Später arbeitete er dann beim zugehörigen Sportsender ABC Sports.
Die Übernahme von ABC durch das eigentlich kleinere Cap Cities Communications, damals geleitet von Tom Murphy und Dan Burke, erfolgte im Jahr 1985. (Murphy und Burke werden übrigens auch im sehr empfehlenswerten Buch The Outsiders von Will Thorndike portraitiert.)
Interessanter Aspekt: Die Mitarbeiter bei ABC waren im Vorfeld der Ãœbernahme durch Cap Cities sehr besorgt um ihre hierarchische Unternehmenskultur, die sehr stark auf dem Status der Mitarbeiter (Ansehen, teure Reisen etc.) und deren Kreativität (“wenn die Produktion außergewöhnlich ist, spielt das Geld keine Rolle”) aufbaute. Cap Cities war im Gegensatz dazu ein auf Kosteneffizienz fokussiertes Unternehmen, das sehr viel Wert auf flache Hierarchien legte.
Murphy und Burke jedenfalls erkannten die Fähigkeiten von Bob Iger und begannen, diesen über die Zeit zu fördern und mit immer exponierteren Aufgaben zu betrauen… ganz bewusst übrigens Aufgaben, die erstmal noch zu groß für Iger erschienen.
Weiterverkauf an Disney und Ablösung von Mike Eisner
In 1996 verkauften Tom Murphy und Dan Burke Cap Cities/ABC dann an Disney weiter. Disney wurde zu dem Zeitpunkt von Michael Eisner geleitet, der sich auf eine starke zentrale Einheit mit Namen “Strategic Planning” stützte, für die zeitweise über 60 Leute arbeiteten. Ãœber die Zeit hatte sich Strat Planning zu einem so zentralen Baustein für Eisner entwickelt, dass ohne die Abteilung in der Firma quasi gar nichts mehr ging. Als Resultat wurden auf der Ebene der operativen Geschäfte quasi keine unabhängigen und unternehmerischen Entscheidungen mehr getroffen.
They were a completetly centralized and process-oriented company. – Bob Iger
Bob Iger musste direkt zu Beginn seiner Zeit bei Disney (er war zu der Zeit Chef von ABC) seine eigene leidvolle Erfahrung damit machen, als Strat Planning versuchte, die Herausgabe eines kleineren Magazins, über das er bereits entschieden hatte, zu hinterfragen bzw. auch zu untersagen. Als Resultat war die substantielle Verkleinerung der Abteilung und Fokussierung auf ein paar wenige Themen eine der ersten Amtshandlungen von Iger in seiner späteren Rolle als CEO… mit unglaublichen Effekten wie er selbst im Buch beschreibt.
Aber nochmal ein paar Schritte zurück: Nachdem sich die Performance über die Zeit eher noch verschlechterte, entfachten erste Diskussionen um die Position von Michael Eisner. Diese wurden unter anderem angeheizt durch ein paar im Verwaltungsrat von Disney vertretene Mitglieder der Gründerfamilie Disney. Beim schlussendlichen Abschied von Eisner im Jahr 2005 war Bob Iger bereits mehrere Jahre als dessen zweiter Mann in die Leitung des Unternehmens involviert.
Da es während dieser Zeit kontinuierlich bergab ging, war der Verwaltungsrat sehr zurückhaltend, einen ehemaligen Gefolgsmann von Eisner zum CEO zu ernennen. Es folgte also zunächst ein langwieriger Interviewprozess, in dem Iger mit quasi jedem Verwaltungsratsmitglied stundenlange Gespräche führen musste… im Grunde genommen sehr ungewöhnlich für den Recruiting-Prozess eines CEO. Trotzdem wurde Iger – offenbar gegen den Willen einzelner Verwaltungsratsmitglieder – zum CEO ernannt.
3 wesentliche Prioritäten als CEO
Bereits im Vorfeld seiner Wahl zum CEO hatte Bob Iger die wesentlichen drei Prioritäten heruntergeschrieben, die ihn als CEO lenken sollten:
- Fokus eines Großteils der Ressourcen auf die Erstellung von hochqualitativen Inhalten und die Pflege bzw. den Aufbau bekannter Marken
- Fokus auf technologische Innovationen erstens zur Erstellung hochqualitativer Inhalte und zweitens zur besseren Verbreitung dieser Inhalte
- Aufbau einer wirklich globalen Unternehmung. Obwohl Disney bereits in 2005 eine globale Firma war, wurden speziell die bevölkerungsreichsten Länder wie China und Indien nicht ausreichend stark beachtet und entwickelt
Igers Kernthese: In einer Zeit, in der immer mehr und mehr Inhalte produziert werden, würden die Konsumenten eine Hilfestellung in Form bekannter und vertrauenswürdiger Marken benötigen, um zu entscheiden, worauf sie ihre Zeit und ihr Geld verwenden sollen.
Übernahmen als wesentlicher Veränderungshebel
Iger’s wesentlicher Vorschlag in seiner ersten Verwaltungsratssitzung als CEO bestand dann zunächst darin, die Ãœbernahme von Pixar ins Spiel zu bringen… wohl wissend, dass die Beziehungen zwischen Disney und Pixar bzw. zwischen Steve Jobs und Michael Eisner zuvor auf einem neuen Tiefpunkt angelangt waren und ein Verkauf extrem unwahrscheinlich schien.
Die Probleme mit Pixar sowie auch die gleichzeitig sehr schlechte Performance von Disney Animation zählten allerdings auch zu den wesentlichen Problemen, die es im ersten Schritt zu lösen galt.
Nachdem Iger also das widerwillige OK des Verwaltungsrates eingeholt hatte, setzte er sich wiederholt mit Steve Jobs zusammen, um über einen Verkauf von Pixar zu verhandeln. Überraschenderweise war Jobs der ganzen Idee gegenüber weit aufgeschlossener, als Iger vorher erwartet hatte.
Einer der wesentlichen Anforderungen von Steve Jobs an einen Verkauf von Pixar an Disney: Die Unternehmenskultur von Pixar und damit der kreative Geist etc. musste unbedingt erhalten bleiben und es musste verhindert werden, dass dieser von der aus Jobs’ Sicht zerstörerischen Kultur bei Disney aufgezehrt werden würde. Natürlich war es in Iger’s eigenem Interesse, die Assets von Pixar zu schützen und die Kultur innerhalb des Unternehmens zu bewahren. In gewisser Weise bereitete die Pixar-Ãœbernahme so den Weg für weitere Akquisitionen.
Während die Logik der ersten großen Ãœbernahme in der Revitalisierung des Animantionsgeschäfts lag, ging es bei den folgenden Akquisitionen, nämlich Marvel, Lucasfilm (Star Wars) und 21st Century Fox hauptsächlich um den Ausbau des Markenuniversums bzw. der “Content-Bibliothek” von Disney… die Disney-Themenparks, die Merchandise-Maschinerie und zukünftig auch das eigene Streaming-Angebot müssen ja mit immer neuen Inhalten und Marken gefüttert werden.
Fazit
The Ride of a Lifetime ist ein wirklich gut geschriebenes und leicht zu lesendes Buch über den Berufsweg von Bob Iger, der für die letzten ca. 15 Jahre an der Spitze der Walt Disney Company stand.
Was das Buch besonders interessant macht: Während dieser Zeit hat Iger das Gesicht von Disney massiv verändert und die Firma mithilfe von vier großen Übernahmen (Pixar, Marvel, Lucasfilm, 21st Century Fox) zum weltweit größten Inhaber von Medieninhalten transformiert.
Die Ãœbernahmen selbst wie auch die Integration stellten sehr hohe Anforderungen an das Verhandlungsgeschick sowie auch die Glaubwürdigkeit von Iger selbst. Und hier schließt sich der Kreis… am Ende ist das Buch nämlich doch ein Buch über Management und Leadership. 🙂
Ãœber den Autor
Bob Iger (geboren am 10. Februar 1951 in London) ist aktuell der Executive Chairman der Walt Disney Company. Von 2005 bis 2020 war er der CEO von Disney. Bevor er für Disney arbeitete, war Iger von 1994 bis 1995 Präsident von ABC Television und von 1995 bis zur Übernahme des Unternehmens durch Disney 1996 Präsident / COO von Capital Cities / ABC, Inc.
Weitere Ressourcen
Im Rahmen der Vorstellung des Buches hat Bob Iger auch ein interessantes Interview mit Tim Ferriss geführt, welches ihr euch auf der Podcast-Seite von Tim Ferriss anhören könnt.
1 Kommentar zu „Disney CEO Bob Iger: “The Ride of a Lifetime”“
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