Warren Buffetts jährlicher Brief an die Aktionäre von Berkshire Hathaway ist eine der meistgelesenen Publikationen in der Finanzwelt. Auch im gerade veröffentlichte Brief für das Jahr 2024 liefert Buffett wieder interessante Einblicke in seine Denkweise, seine Einschätzung der wirtschaftlichen Lage und seine langfristige Investmentphilosophie.
Was nun allerdings zunehmend klar wird: Buffett wird das Zepter bzw. seine CEO-Rolle (und damit vermutlich auch die Verantwortung für das Verfassen des jährlichen Aktionärsbriefs) in nicht allzu ferner Zukunft an seinen Nachfolger abgeben… auch dazu hat Buffett sich im aktuellen Shareholder Letter geäußert.
In diesem Artikel möchte ich für euch einmal die zentralen Thesen aus Buffetts aktuellem Brief zusammenfassen.
Fehlerkultur: Offenheit statt Perfektion
Buffett beginnt seinen Brief mit einer wichtigen Eigenschaft, die viele CEOs börsengelisteter Unternehmen leider vermissen lassen: Der Bereitschaft, eigene Fehler einzugestehen und transparent gegenüber der Eigentümerschaft zu adressieren.
During the 2019-23 period, I have used the words “mistake” or “error” 16 times in my letters to you. Many other huge companies have never used either word over that span. Amazon, I should acknowledge, made some brutally candid observations in its 2021 letter. Elsewhere, it has generally been happy talk and pictures. – Warren Buffett
In den vergangenen fünf Jahren hat Buffett in seinen Briefen laut eigener Aussage 16-mal Begriffe wie „Mistake“ oder „Error“ verwendet – ein Kontrast zu vielen anderen Großunternehmen, die solche Begriffe in der Regel ganz vermeiden.
Besonders betont Buffett die Relevanz schnellen Handelns: Probleme dürfen nicht ignoriert und unter den Teppich gekehrt, sondern müssen im Gegenteil aktiv (und auch transparent den Shareholdern gegenüber) angegangen werden. Lediglich bei Amazon hat er eine solche Ehrlichkeit in einem Aktionärsbrief schonmal beobachtet (was ja eigentlich sehr erschreckend ist).
The cardinal sin is delaying the correction of mistakes or what Charlie Munger called “thumb-sucking.” Problems, he would tell me, cannot be wished away. They require action, however uncomfortable that may be. – Warren Buffett
Nachfolgeregelung
Buffett bestätigt in seinem Aktionärsbrief außerdem nochmal, dass sein designierter Nachfolger nach wie vor Greg Abel heißt und dieser in nicht allzu ferner Zukunft den CEO-Posten von ihm übernehmen und die Aktionärsbriefe von Berkshire Hathaway verfassen wird.
Was Buffett bzgl. dieser wichtigen Personalie vor allem wichtig ist: Greg Abel teilt Buffett’s bisherige Philosophie bzgl. der Shareholder-Kommunikation von Berkshire Hathaway zu 100%. Heißt Abel wird das Unternehmen mit derselben Transparenz und Ehrlichkeit führen, wie Buffett und Munger es die ganzen Jahre lang praktiziert haben.
At 94, it won’t be long before Greg Abel replaces me as CEO and will be writing the annual letters. Greg shares the Berkshire creed that a “report” is what a Berkshire CEO annually owes to owners. And he also understands that if you start fooling your shareholders, you will soon believe your own baloney and be fooling yourself as well. – Warren Buffett
Steuerzahlungen
Ein faszinierender Punkt in diesem Jahr: Berkshire Hathaway zahlte 2024 mehr Unternehmenssteuern an die US-Regierung als jedes andere Unternehmen zuvor – insgesamt 26,8 Mrd. USD.
Dies entspricht offenbar in etwa 5% der gesamten Unternehmenssteuereinnahmen der USA und ist mehr, als die Steuerzahlungen irgendeines der großen Tech-Giganten (Apple, Microsoft, Nvidia etc.).
Fast forward 60 years and imagine the surprise at the Treasury when that same company – still operating under the name of Berkshire Hathaway – paid far more in corporate income tax than the U.S. government had ever received from any company – even the American tech titans that commanded market values in the trillions. – Warren Buffett
Buffett nutzt diesen Punkt, um die Langfristigkeit seiner Strategie zu unterstreichen: Da Berkshire über Jahrzehnte hinweg die erzielten Gewinne immer wieder reinvestierte (und i.W. keine Dividenden ausschüttete), konnte das Unternehmen über die Zeit immer weiter wachen… was Berkshire heute in die komfortable Lage versetzt, massive Steuerzahlungen leisten zu können.
Investitionen in Japan
Wie immer widmet Buffett auch einen Teil seines Shareholder Letters den passiven Investments bzw. dem Aktienportfolio von Berkshire. In diesem Jahr geht er etwas detaillierter auf die Investitionen in Japan ein.
Kontext: Seit 2019 hat Berkshire sukzessive relevante Anteile an fünf japanischen Handelsfirmen erworben: Itochu, Marubeni, Mitsubishi, Mitsui und Sumitomo. Übrigens alles große Handelshäuser bzw. Konglomerate analog zu Berkshire selbst.
Entsprechend der Aussagen des Aktionärsbriefs sollten sich die Anteile mindestens bei einigen der 5 Unternehmen bereits in der Größenordnung von 10% bewegen.
Grundsätzlich ist Buffett voll des Lobes für die japanischen Handelshäuser:
We simply looked at their financial records and were amazed at the low prices of their stocks. As the years have passed, our admiration for these companies has consistently grown. Greg has met many times with them, and I regularly follow their progress. Both of us like their capital deployment, their managements and their attitude in respect to their investors. – Warren Buffett
Laut Aussage von Buffett sollen die japanischen Investments sehr langfristig gehalten und möglicherweise sogar noch ausgeweitet werden (sofern die Unternehmen einer Ausweitung über die 10%-Marke hinaus zustimmen – Buffett agiert ja in der Regel nicht gegen den Willen des lokalen Managements).
Langfristige Kapitalallokation
Im hinteren Teil seines Aktionärsbriefs geht Buffett nochmal auf die Vorzüge von Minderheitsbeteiligungen an bestimmten börsengelisteten Unternehmen ein. Firmen wie Apple, Coca-Cola oder American Express beispielsweise erwirtschaften nachhaltig hohe Kapitalrenditen und können sehr attraktive Investments / Minderheitsbeteiligungen darstellen (obwohl oder insbesondere weil sie nicht vollständig durch Berkshire übernommen werden könnten).
We own a small percentage of a dozen or so very large and highly profitable businesses with household names such as Apple, American Express, Coca-Cola and Moody’s. Many of these companies earn very high returns on the net tangible equity required for their operations. […] Understandably, really outstanding businesses are very seldom offered in their entirety, but small fractions of these gems can be purchased Monday through Friday on Wall Street and, very occasionally, they sell at bargain prices. – Warren Buffett
Trotz der hohen Cash-Bestände von Berkshire stellt Buffett klar, dass das Unternehmen weiterhin stark in Aktien investieren wird. Nach wie vor sieht Buffett nämlich in Aktieninvestments den besten langfristigen Schutz gegen eine mögliche Inflation. Im Grunde genommen warnt er sogar davor, sich zu sehr auf Barmittel oder vergleichbare Assets zu verlassen.
Berkshire will never prefer ownership of cash-equivalent assets over the ownership of good businesses, whether controlled or only partially owned.
Paper money can see its value evaporate if fiscal folly prevails. In some countries, this reckless practice has become habitual, and, in our country’s short history, the U.S. has come close to the edge. Fixed-coupon bonds provide no protection against runaway currency.
Businesses, as well as individuals with desired talents, however, will usually find a way to cope with monetary instability as long as their goods or services are desired by the country’s citizenry. – Warren Buffett
Kapitalismus und die Rolle der USA
Zum Abschluss seines diesjährigen Aktionärsbriefes reflektiert Buffett über den Kapitalismus und die wirtschaftliche Entwicklung der USA. Er bezeichnet das US-Wirtschaftssystem als das erfolgreichste der Welt, trotz aller Unzulänglichkeiten und Herausforderungen.
Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt für ihn in der klugen Nutzung von Kapital, einer langfristigen Denkweise und in kontinuierlicher Innovation.
Gleichzeitig appelliert er an die Regierung, verantwortungsvoll mit Steuereinnahmen umzugehen und eine stabile Währungspolitik zu gewährleisten.
Buffett hebt hervor, dass Kapitalismus zwar nicht perfekt sei, aber unübertroffen in der Schaffung von Wohlstand und Innovationen.
Bottom Line
Warren Buffetts Shareholder Letter 2024 liefert einmal mehr wertvolle Einsichten für Investoren:
Fehler eingestehen und schnell korrigieren – Das gilt insbesondere auch für Unternehmen und deren CEOs. Darüber hinaus ist Transparenz ggü. den Eigentümern extrem wichtig (aber nur selten praktiziert).
Steuerzahlungen sind ein Zeichen von nachhaltigem Erfolg – Berkshire zeigt, dass Unternehmen durch kluges Reinvestieren enorme Werte schaffen können.
Diversifikation und internationale Investitionen – Buffetts Engagement in Japan zeigt, dass es sich lohnen kann, über den Tellerrand hinauszublicken.
Aktien bleiben das beste Investment – Selbst mit hohen Cash-Beständen setzt Berkshire weiterhin auf Aktien als Hauptanlageklasse (einzig sind die Investitionsgelegenheiten in den Größenordnungen, in der Buffett sich bewegt, sehr begrenzt).
Weitere Ressourcen
- Die Frühen Jahre: Buffett und die Buffett Partnership
- Warren Buffett’s innere Scorecard
- Meine Top 4 Learnings aus dem Berkshire Hathaway Shareholder Letter 2017
- Lessons Learned aus dem Berkshire Hathaway Aktionaersbrief 2018
- Buffett’s Brief an die Aktionäre 2019 – Das können wir lernen
- Buffetts Shareholder Letter 2020
- Buffett’s Shareholder Letter 2023: Konsistent zu den Vorjahren