David Einhorn: Warum Short Seller nicht unbedingt Kursmanipulatoren sein müssen

Inhalt

David Einhorn - Leerverkauf

Vielleicht war es Zufall, dass ich das Buch von David Einhorn, Fooling some of the People all of the Time, gerade zu der Zeit gelesen habe, als die Short Attacke auf Wirecard das beherrschende Thema in den Finanzmedien (speziell natürlich in der Financial Times) war. Ohne nun zu wissen, ob wirklich noch mehr hinter dem Wirecard-Skandal steckt als bisher recherchiert wurde… das Buch von David Einhorn zeigt eindrucksvoll, dass dies durchaus im Bereich des Möglichen liegt, auch wenn Journalisten, Analysten und auch Regulatoren das Ganze inzwischen als eher kleinen Vorfall mit begrenztem finanziellen Schaden betrachten. Die Entscheidungen von Leerverkäufern basieren nämlich oft auf sehr fundierten Analysen.

In diesem Artikel möchte ich euch deshalb einmal das Buch von David Einhorn, Fooling some of the People all of the Time, ans Herz legen und ein paar Highlights daraus mit euch teilen.

Take Aways: Warum ihr das Buch von David Einhorn unbedingt lesen solltet

David Einhorn hat das Buch “Fooling some of the People all of the Time” vor allem deshalb geschrieben, weil er einer breiteren Masse einmal die Sicht eines Hedge Fonds bzw. Short Sellers näher bringen wollte.

Hedge Fonds sind nämlich nicht immer zwangsläufig die gierigen Spekulanten, als die sie von der Mehrheit der Pressevertreter und Unternehmenslenker – meist aus Eigeninteresse – dargestellt werden. Dass die Hedge Fonds mit ihren Leerverkaufspositionen auch Geld verdienen möchten ist klar. Trotzdem nehmen sie eine wichtige Regulierungsaufgabe wahr, indem sie Bilanzmanipulationen und Betrügereien in Unternehmen aufdecken. Das wird am Beispiel von Allied Capital sehr deutlich.

Hier meine wesentlichen Take Aways:

  • Short Seller sind nicht unbedingt “Kursmanipulatoren”, sondern haben im Zweifel die Finanzzahlen ihres Zieles im Detail analysiert
  • Die offiziellen Accounting Standards geben den Unternehmen teilweise viel Spielraum bzgl. der Auslegung und Bewertung bestimmter Vorgänge (Stichwort “legale” Bilanzmanipulation)
  • Es kann Jahre dauern, bis (illegale) Manipulationen von Finanzdaten tatsächlich öffentlich untersucht werden und auch das Ausmaß eines Betrugs klar wird… wenn es überhaupt geschieht
  • Dem entsprechend gehen Leerverkäufer ein hohes Risiko ein, denn Recht zu haben allein reicht bei weitem nicht aus, um einen attraktiven Return zu erzielen
  • Selbst Untersuchungen der Regulierungsbehörden gehen im Zweifel aufgrund ineffizienter interner Prozesse und anderer Probleme nicht ausreichend ins Detail
  • Auch staatliche Institutionen (oder einzelne Personen innerhalb dieser) können einen starken Anreiz haben, dass bestimmte Dinge nicht ans Licht kommen
  • Positive Berichte von Analysten, Journalisten, Regulierungsbehörden müssen nicht zwangsläufig richtig sein, genauso wenig wie der pauschale Vorwurf an die Leerverkäufer, doch nur den Kurs manipulieren zu wollen
  • Selbst nach Skandalen wie Enron und WorldCom schienen Bilanzmanipulationen in den frühen 2000ern keine Seltenheit gewesen zu sein. Ggf. wird die Anzahl an Unternehmen, die ihre Zahlen auch illegal manipulieren, stark unterschätzt
  • Manager sind teilweise sehr gut darin, den Blick der Investoren auf bestimmte Sachverhalte hin (bei Allied Capital nämlich die stabile Ausschüttung) und von anderen weg zu lenken
  • Manager können durch gezieltes Signaling, z.B. über Insiderkäufe (allerdings mit vernächlassigbaren Beträgen) die Marktteilnehmer in die Irre führen
  • Pflichtveröffentlichungen negativer Entwicklungen können in Quartals- und Jahresberichten durchaus an schwer auffindbaren Stellen platziert werden

Dies sind wohlgemerkt nur einige der Themen, die David Einhorn in seinem Buch aufgreift.


Kurzer Blick ins Buch

In Fooling some of the People all ot the Time geht es um eine Short Position von David Einhorn’s Greenlight Capital Hedge Fonds, die dieser zwischen 2002 und 2008 an Allied Capital gehalten hat. Einhorn hat also darauf spekuliert, dass die Aktie signifikant an Wert verlieren würde.

Allied Capital war eine so genannte Business Development Company (BDC), also im Wesentlichen eine gelistete Private Equity Firma / Beteiligungsgesellschaft mit Beteiligungen an einer Vielzahl an Unternehmen. Das Unternehmen wurde in 2010 von Ares Capital übernommen, nachdem sich der Aktienkurs aufgrund der Insolvenz einer wesentlichen Beteiligung (BLX bzw. später umbenannt in Ciena Capital) mehr als halbiert hatte.


Einhorn’s Präsentation bei der Sohn Investment Conference

Die ganze Story nahm ihren Anfang in 2002, als David Einhorn auf der Sohn Investment Conference seine Short Position in Allied Capital vorstellte. Im Vorfeld hatte Greenlight die Investment Thesis bereits mit dem CFO von Allied Capital sowie dem Head of Investor Relations diskutiert (was im Nachhinein vom Management abgestritten wurde).

Investment Thesis Allied Capital

Einhorn’s Investment Thesis beruhte auf der Einschätzung, dass Allied Capital bzgl. der Bewertung einzelner Assets viel zu optimistisch war und quasi wertlose Beteiligungen erst viel zu spät oder gar nicht abschrieb.

Darüber hinaus generierte Allied Capital einen immer größeren Teil seines Gewinns über Beteiligungsverkäufe und nicht aus dem operativen Geschäft heraus (“Selling the winners, keeping the losers”). Dies war ein kritischer Aspekt, da Allied regelmäßig einen Großteil seines Gewinns in Form einer Dividende ausschüttete, was für viele Investoren der wesentliche Grund für das Halten der Aktie war.

Ins Zentrum der Diskussionen rückte später eine Beteiligung namens BLX (Ciena Capital), die Kredite an Kleinunternehmer wie Tankstellenbetreiber oder auch Krabben-Fischer vergab. Um die Umsätze zu erhöhen, vergab BLX im großen Stil quasi ungeprüft Kredite an nicht kreditwürdige Kunden. Diese Praxis wurde von der zuständigen staatlichen Behörde genannt SBA über Jahre nicht in Frage gestellt, obwohl diese zum großen Teil für die entstehenden Zahlungsausfälle gerade stehen musste.

Einhorn ging nun davon aus, dass früher oder später entweder die SEC den Betrug aufdecken würde oder aber das Unternehmen selbst zugeben müsste, dass die Zahlen massiv geschönt waren. Dies würde den Aktienkurs auf Talfahrt schicken und Greenlight erlauben, sich zu günstigen Kursen einzudecken und die Leerverkaufspositionen glattzustellen.

Die Präsentation schickte den Aktienkurs von Allied Capital über Nacht auf Talfahrt und die Aktie verlor ca. 20% an Wert. Das kam für David Einhorn sehr unerwartet und war anschließend der Auslöser für eine Untersuchung der SEC im Hinblick auf mögliche Marktmanipulationen.


Antwort des Managements und Rolle von Analysten und Presse

Die Erholung des Aktienkurses ließ allerdings nicht lange auf sich warten, denn das Management von Allied Capital war in der Lage, die von Einhorn aufgeworfenen Bedenken bzgl. der Bewertung verschiedener Beteiligungen zunächst zu verwerfen. Dies tat speziell der CEO, indem er den Investoren genau das sagte, was sie hören wollten und gleichzeitig die Leerverkäufer als Kursmanipulatoren brandmarkte.

Darüber hinaus taten die Analysten der Wall Street und auch die Journalisten der großen Tageszeitungen (Wall Street Journal, NY Times etc.) ihr Möglichstes, um die Bedenken von Greenlight zu zerstreuen. Im Grunde genommen, nahm sich eigentlich niemand die Zeit, um die von Einhorn in den Raum gestellten Vorwürfe im Detail zu prüfen bzw. zu recherchieren.

Dabei liegt die Vermutung nahe, dass die Hauptursachen dafür einerseits in der mangelnden Neutralität der Analysten (für Merrill Lynch z.B. war Allied Capital ein großer Kunde) und andererseits in der eher auf die erwarteten Reaktionen der Leser ausgerichteten Berichterstattung der Presse zu suchen waren (die öffentliche Meinung ist seit jeher sehr kritisch gegenüber Hedge Fonds).

Der Aktienkurs erholte sich und erreichte im Laufe der Zeit sogar regelmäßig neue Höchststände. Es sollte bis zum Ausbruch der Finanzkrise in 2008 dauern, bis Allied Capital schlussendlich kollabierte.


Tiefgehender Research durch Greenlight

Um den Betrug bzw. die Bilanzmanipulation aufzudecken, vertraute David Einhorn nicht ausschließlich auf die von Allied Capital bereitgestellten Informationen und Daten. Tatsächlich ging Greenlight mit seinem Research weit darüber hinaus.

Neben den offiziellen Finanzberichten sowie der Teilnahme an unzähligen Conference Calls mit dem Allied Capital Management nutzte Greenlight unter anderem die folgenden Wege der Informationsbeschaffung:

  • Analyse der wenigen gelisteten Beteiligungen von Allied Capital
  • Durchforsten individueller Kreditreports im Zusammenhang mit der Kreditvergabe von BLX, um daraus eine realistische Größenordnung für die Kreditausfälle abzuleiten
  • Interviews mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern von Allied und im speziellen BLX

Dafür beauftragte Greenlight zwischenzeitlich sogar einen so genannten Info Broker, eine Firma namens Kroll. Ein Info Broker ist eine Firma, die auf das Beschaffen von Informationen spezialisiert ist (solche Firmen werden oft von ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern geführt).


Die Rolle der Regulierungsbehörden, speziell der SEC

Wie bereits angedeutet, begann die SEC zunächst wegen des Vorwurfs der Kursmanipulation gegen Greenlight Capital und David Einhorn zu ermitteln. In diesem Zusammenhang fand sogar eine Anhörung statt. Am Ende wurden die Ermittlungen aber eingestellt.

Umgekehrt versuchten Einhorn und seine Mitstreiter über die Zeit mehrmals die SEC zu einer tiefergehenden Untersuchung von Allied’s Finanzen zu bewegen. Aus dem Buch wird nicht ganz klar, aus welchen Gründen es nie zu einer groß angelegten Untersuchung von Allied Capital kam.

Unter anderem können regelmäßige Personalwechsel auf seiten der Behörden sowie die daraus resultierende Unkenntnis über die komplexen Vorgänge bei Allied Capital dazu beigetragen haben… alles in allem ist es natürlich eine schwierige Situation, wenn die SEC quasi gezwungen ist, auf die Aussagen des Managements zu vertrauen.

Darüber hinaus hatten bestimmte andere Regierungsorganisationen, im speziellen die SBA (Small Business Administration), kein Interesse daran, Allied Capital bzw. der Beteiligung BLX zu starken Schaden zuzufügen, weil dann die über die Jahre unterbliebene Überprüfungen hätten eingestehen müssen.


Das Ende von Allied Capital

Erst im Jahr 2007 wurde Allied Capital von der SEC wegen Verstoßes gegen die Wertpapiergesetze überführt. Im Wesentlichen ging es dabei um die Bilanzierung und Bewertung illiquider Wertpapiere, wie von David Einhorn bereits fünf Jahre (!!) zuvor öffentlich gemacht. Konsequenzen hatte das aber weder für das Unternehmen, noch für die handelnden Personen.

Erst die in 2008 einsetzende Finanzkrise und der daraus resultierende Bankrott der Beteiligung BLX bzw. Ciena Capital (diese hatte ja faule Kredite en masse in den Büchern) sorgten für den Kollaps von Allied Capital. Dies führte schlussendlich zu einer Übernahme durch eine andere BDC Company (Ares Capital) zu einem Kurs um die 5 USD/Aktie. Einhorn’s Einstiegskurs in 2002 hatte ungefähr bei 20 USD gelegen.


Mein Fazit

Leerverkäufer sind nicht zwangsläufig nur Marktakteure, die die Aktienkurse von stabilen und gut geführten Unternehmen manipulieren wollen, wie von den betroffenen CEOs bzw. Managern oft suggeriert. Eher im Gegenteil basieren die Entscheidungen der Short Seller oft auf sehr fundierten und detaillierten Analysen.

Trotzdem ist ein signifikanter Wissensvorsprung – speziell im Hinblick auf Leerverkaufspositionen auf Basis von (illegalen) Bilanzmanipulationen – nicht unbedingt eine Garantie für einen überdurchschnittlichen Return. Ein Einzelfall kann es für einen Short Seller sehr schwer sein, den Markt von einer vorsätzlichen Irreführung durch das Management  zu überzeugen. Analysten und Presse sind im Zweifel eher nicht auf der Seite der Hedge Fonds zu finden.


Über den Autor

David Einhorn ist Präsident und Gründer von Greenlight Capital, einem der weltweit größten und bekanntesten Long-Short-Value-orientierten Hedge-Fonds. Nachdem der Fonds über lange Jahre jeweils eine Performance oberhalb der 20%-Marke erzielt hatte, schlugen in den Jahren 2015 und 2018 größere Verluste zu Buche.

Einhorn schloss sein Bachelor-Studium 1991 mit Auszeichnung an der Cornell University ab.

Neben seiner Leerverkaufsposition in Allied Capital erlangte Einhorn große Bekanntheit, als er in 2008 die Aktie von Lehman Brothers leer verkaufte, weil er davon ausging, dass die Bank kurz vor dem Bankrott stand… was sich kurze Zeit später ja auch als richtig herausstellte.


Weitere Ressourcen

1 Kommentar zu „David Einhorn: Warum Short Seller nicht unbedingt Kursmanipulatoren sein müssen“

  1. Die Buchempfehlung geht direkt auf meine Einkaufsliste.
    Ich sehe es auch so, dass Hedge-Fonds bzw. Short-Seller eine wichtige Funktion im Markt einnehmen und die Kapitalallokation im Markt optimieren.
    Wieso sollte man Wertvernichter kaufen/belohnen?

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