Roland Berger - Der Consultant

Buchtipp: Roland Berger – Der Consultant

Roland Berger - Der Consultant

Inhalt

Als Ex-Berater interessiere ich mich natürlich quasi per Definition für alles, was an Büchern zur Historie der großen Beratungsfirmen herauskommt (solange es nicht von vornherein darauf ausgerichtet ist, einseitig zu diskreditieren natürlich)… und wo gegebenenfalls etwas über die großen und bekannten Beratungsmandate, heißt Zusammenschlüsse und Restrukturierungen, berichtet wird. Deshalb habe ich auch direkt zugegriffen, als ich die neue Biographie über Roland Berger im Regal hab stehen sehen. Das Buch ist ja allein schon deshalb ein Kauf, weil Berger die deutsche Industrie zu Zeiten der “Deutschland AG”, heißt in den 1970er und 80er Jahren, wie fast kein anderer mitgeprägt hat.

Und man muss ja auch dazu sagen: Strategie- und Restrukturierungsberatung und Value Investing sind sich inhaltlich ja gar nicht so fern, weil unklare Strategien und Restrukturierungsbedarfe in vielen Fällen ja gerade die Ursache für eine Unterbewertung am Kapitalmarkt darstellen. Ich würde sagen, lediglich die Zielsetzungen und die Anreizsysteme von Beratern und Investoren unterscheiden sich ggf. etwas (abhängig vom konkreten Auftraggeber der Berater).

Hier einige der Dinge über Roland Berger aus dem Buch, die ich bisher noch nicht wusste (die aber eine Lektüre natürlich nicht ersetzen können):


Studium und erste Unternehmungen

Roland Berger studierte Betriebswirtschaftslehre, zuerst in Hamburg, dann in München. Schon während seines Studiums gründete (und führte) Berger zwei Unternehmen, die er beide bereits nach relativ kurzer Zeit (und jeweils für einige Hundertausend DM) wieder verkaufte:

  • eine Wäscherei mit bis zu 15 Mitarbeitern
  • einen Spirituosenladen mit Discountpreisen (wo Berger direkt importierte Spiriuosden anbot)

Roland Berger startete seine Karriere als Berater 1962 in Italien bei einer Firma namens PGA (Pietro Gennaro Associati). PGA war ein Joint Venture zwischen eben jenem Pietro Gennaro und Bruce Henderson, dem ehemaligen Berater von Arthur D. Little und zukünftigen Gründer der Boston Consulting Group (BCG).


Gründung von Roland Berger und erste große Mandate

Im Jahr 1967 machte Roland Berger sich in München mit einer eigenen Beratungsfirma selbständig, obwohl die US-amerikanischen Konkurrenten sich aufgrund der Nähe zur deutschen Industrie alle in Düsseldorf angesiedelt hatten (McKinsey startete 1964 mit dem ersten deutschen Büro in Düsseldorf).

Obwohl Roland Berger heute vor allem für die Themen Restrukturierung und Sanierung bekannt ist, startete Berger mit Beratungsaufträgen im Bereiche des Marketings (damals noch als Absatzwirtschaft bezeichnet).

Roland Bergers erste größere Mandate führten ihn zum Frankfurter Chemie-Konzern Hoechst (um mehr darüber zu erfahren, solltet ihr einmal Goodbye Hoechst lesen) und dem Reiseveranstalter Touropa. Die Beratung von Touropa führte schließlich zu einer Konsolidierung der Reisebranche und dem Zusammenschluss von Touropa, Scharnow, Hummel und Dr. Tigges zum heute noch existierenden Reisekonzern TUI. Durch diesen Coup erlangte Roland Berger bereits relativ früh in seiner Karriere einen sehr hohen Bekanntheitsgrad.

Anschließend tummelte sich Roland Berger viel in der Brauerei-Industrie, wobei er zunächst die deutschen und anschließend auch die großen internationalen Brauerei-Gruppen beraten hat. Dem entsprechend war er natürlich auch in den größten Brauerei-Merger zwischen InBev und Anheuser Busch involviert (die Entstehungsgeschichte von AB InBev wird ja sehr gut im Buch Dream Big, der Story über 3G Capital, dargelegt).

Berger war auch relativ früh in die großen Restrukturierungen der deutschen Stahlindustrie involviert, zum ersten Mal in den 1980er Jahren bei Arbed Saarstahl… eine sehr schmerzhafte Geschichte, die schließlich in 1993 in einem sehr lange andauernden Konkursverfahren für die Saarstahl AG endete (angemeldet wurde der Konkurs interessanterweise u.a. von Guy Dollé, der später als CEO von Arcelor die Ãœbernahme durch Mittal Steel zu verhindern suchte… sehr gut beschrieben im Buch Cold Steel: Lakshmi Mittal and the Multi-Billion-Dollar Battle for a Global Empire).

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 arbeitete Roland Berger lange Jahre für die Treuhand an der Privatisierung und der Sanierung (bzw. im schlechtesten Fall auch der Abwicklung) der ostdeutschen Industrie. Hierzu gehörte auch die Zusammenführung mit den wesentlichen westdeutschen Staatsunternehmen… und wiederum deren nachgelagerte Privatisierung. Berger hatte also große Mandate bei der Lufthansa, der Telekom, der Deutschen Bahn etc. (bei der Post aufgrund der Nähe des Managements zu McKinsey allerdings nicht). Insbesondere die Restrukturierung / Sanierung der Lufthansa war damals eine Erfolgsgeschichte und festigte Bergers Ruf als exzellenter Restrukturierer.

Zu den diskussionswürdigsten Beratungsmandaten gehörte die Organisation bzw. die Budgetplanung für die Expo 2000 in Hannover. Weil am Ende weit weniger Besucher zur Expo kamen als geplant (nämlich nur 18 anstelle der geplanten 40 Mio. Besucher), entstand ein großes Loch im Budget, für welches am Ende unter anderem Roland Berger verantwortlich gemacht wurde (ob berechtigterweise oder nicht, sei hier einmal dahingestellt).

Eine weitere Welle der Kritik entstand, als bekannt wurde, dass die Agentur für Arbeit (unter der Führung von Florian Gerster) eine Reihe an Beratermandaten freihändig, d.h. ohne vorherige Ausschreibung, insbesondere an Roland Berger vergeben hatte.


Mehrheitlicher Verkauf an die Deutsche Bank im Jahr 1988

Im Jahr 1988 verkaufte Roland Berger 75,1% seiner Firma an die Deutsche Bank (damals noch unter Führung von Alfred Herrhausen). Der Kaufpreis lag angeblich in der Größenordnung von 100 Mio. DM.

Zu Beginn gab es in beiden Häusern wohl die Hypothese, dass durch die Zusammenarbeit substantielle Synergien gehoben werden könnten. Die Deutsche Bank hatte ja nicht nur durch ihre direkten Beteiligungen damals einen guten Zugang in die Unternehmenswelt (und auch Insights bzgl. potenzieller Restrukturierungen etc.), sondern war auch ein wichtiger Geldgeber für die meisten Unternehmen.

Obwohl anteilsseitig unterhalb der magischen Schwelle von 25% angesiedelt, hatte Berger über die Satzung der kombinierten Firma nach wie vor die Entscheidungsgewalt (diese sah für wichtige Entscheidungen eine Mehrheit von 80% der Stimmrechte vor). Aus diesem Grund blieb er auch über die gesamte Deutsche Bank-Episode hinweg weiterhin das Aushängeschild der Roland Berger Strategy Consultants.

Zu einem späteren Zeitpunkt erhöhte die Deutsche Bank ihren Anteil an Berger zwar nochmal weiter bis auf 95%, schlussendlich stieg sie im Jahr 1998 aber komplett aus. Die erwarteten Synergien hatten sich nicht eingestellt, obwohl die Bank rückblickend die weitere internationale Expansion der Beratung mindestens mit ermöglicht hat (mit Ausnahme der USA, denn hier durfte Roland Berger aufgrund der vorherrschenden Bankenregulierung im Grunde nicht beraten). Berger und weitere Partner der Firma kauften die Beratung im Rahmen eines Management Buy-Outs (MBO) zurück.


Unternehmens(mit)gründungen Roland Bergers

Roland Berger hat als Privatmann (also nicht im Kontext seiner Beratungsfirma) im Rahmen der Privatisierung der öffentlichen Krankenhäuser die Humaine Kliniken mitgegründet (einen Vorläufer der Helios-Klinikgruppe) und später an Fresenius verkauft. In der Folge saß Berger lange Jahre im Aufsichtsrat von Fresenius.

Bergers zweite (Mit-)Gründung ist das Bonusprogramm Payback, welches 1998 von seinem Partnerkollegen Alexander Rittweger gegründet und im Jahr 2011 für einen neunstelligen Betrag (also > 1. Mrd. EUR) an American Express verkauft wurde.

Gemeinsam mit Hapag Lloyd gründete Roland Berger außerdem ein Reisebüro-JV, zunächst um die Reisekosten seiner eigenen Firma zu optimieren (neben den Personalkosten der größte Kostenblock in einer Beraterfirma).


Politikberatung

Vor dem Hintergrund von Roland Bergers Expertise und seinen weitreichenden Kontakten in die Industrie liegt es natürlich nahe, dass seine Dienstleistung auch aus der Politik intensiv nachgefragt wurde. Berger hat über die Zeit immer parteienübergreifend, neutral und vor allem bro bono beraten… jedenfalls ist es im Buch so dargestellt.

Eine aus meiner Sicht aber sehr interessante und im Buch dargestellte Entwicklung bestand darin, dass externe Berater erst in der Ära Gerhard Schröder überhaupt ihren Weg in die Politik gefunden haben… und Roland Berger war nunmal der Berater, der Schröder am nächsten stand.

Heutzutage lässt sich die Politik offenbar bei den meisten wichtigen Themen durch externe Beratungen unterstützen (oder braucht externe Gutachten vielleicht sogar zur Entscheidungsfindung oder Absicherung). Ohne Beratungen ist Politik heute gar nicht mehr denkbar.


Fazit zur Biographie über Roland Berger

Das Buch Roland Berger – Der Consultant ist so wie ich es verstehe die offizielle Biographie von bzw. über Roland Berger bzw. wurde jedenfalls mit Bergers Mithilfe geschrieben. Dem entsprechend sind die einzelnen Stationen in Roland Bergers Leben auch relativ detailliert beschrieben und es werden denke ich einige bisher noch nicht bekannte Details berichtet… ihr solltet meinen obigen Fokus auf wesentliche Meilensteine in Roland Bergers professioneller Karriere auch nicht als abschließend interpretieren. Natürlich wird auch den persönlichen Aspekten der entsprechende Raum gegeben (z.B. wird ausführlich über die verschiedenen Stiftungen bzw. das soziale Engagement sowie auch das Privatleben etc. von Roland Berger berichtet).

Vor diesem Hintergrund würde ich sagen: Wer sich generell für die Geschichte der Deutschland AG interessiert, wer z.B. erfahren möchte, wie die Lufthansa damals saniert wurde oder wie der Begriff des Marketings nach Deutschland kam, der sollte sich die Biographie von Roland Berger unbedingt einmal zu Gemüte führen.


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