Buch Review: Lights Out – Der lange Abstieg von General Electric

Inhalt

Lights Out: General Electric

Historisch war General Electric eine der Ikonen der amerikanischen Wirtschaft. Das auf die ursprünglichen Firmen von Thomas Edison zurückgehende Unternehmen wurde im Jahr 1896 als eins von 12 Unternehmen in den neu gegründeten Dow Jones Industrial Average (DJIA) Index aufgenommen und stellte so gut wie alles her, was man sich vorstellen kann. GE war dabei sowohl im B2B-, als auch im B2C-Bereich aktiv.

Ebenso bekannt wie das Unternehmen selbst war später auch der ikonische CEO Jack Welch (“Neutron Jack”), das das Unternehmen über einen Zeitraum von 20 Jahren leitete und in dieser Zeit den Unternehmenswert vervielfachte.

Man weiß heute nicht genau, wie viele versteckte Probleme Welch tatsächlich an seinen Nachfolger Jeff Immelt übergeben hat. Fakt ist jedenfalls, dass es mit GE seit Mitte der 2000er Jahre kontinuierlich bergab ging… bis hin zu aktuell geplanten Aufspaltung in drei separate und börsengelistete Unternehmen.

Es gibt nun ein sehr empfehlenswertes Buch, welches die Geschichte von GE – mit Fokus auf die Jahre nach Jack Welch – im Detail betrachtet: Lights Out: Pride, Delusion, and the Fall of General Electric. Ich kann das Buch jedem ans Herz legen, der sich schon immer gefragt hat, warum GE eigentlich quasi wie aus dem Nichts in so große Probleme hineingeraten ist (Spoiler: Das Thema Earnings Management ist hierbei nicht ganz unwichtig).

Was folgt ist eine kurze Ãœbersicht über die wesentlichen Entwicklungen bei GE… alles aber nochmal viel detaillierter nachzulesen im angesprochenen Buch.


Vor 2001: “GE schägt immer den Consensus”

Unter CEO Jack Welch war GE bekannt dafür, den Consensus der Analysten im Grunde immer zu übertreffen. Das Unternehmen performte quasi wie ein Uhrwerk… was ohne ein gewisses Maß an “Financial Engineering” bzw. Earnings Management nicht möglich gewesen wäre. Die wichtigste Geschäftseinheit diesbezüglich war GE Capital, die Finanzsparte von General Electric, die durch geschickte Asset-Verkäufe die manchmal etwas schwächeren Ergebnisse der Industriegeschäfte ausgleichen konnte.

Unter Welch hielt sich das Ganze aber zugegebenermaßen noch etwas im Rahmen.

Welchs Nachfolger Jeff Immelt hatte nun ab 2001 allerdings das Problem, dass die Gewinne nicht mehr so leicht zu managen waren, was insbesondere an der abnehmenden Performance der Industriegeschäfte lag. In den ersten Jahren unter Immelt musste GE Capital in Konsequenz immer aggressiver agieren, um die Gewinne auf das gewünschte Niveau “einzustellen”.

Von den echten operativen Cash Flows hatten sich diese schon seit einiger Zeit etwas abgekopppelt.


2008-09: Finanzkrise

Als in 2008 Lehman Brothers pleite ging und die Finanzkrise einsetzte, stand GE aufgrund der Aktivitäten der Finanzsparte GE Capital unter einem ähnlichen Druck wie viele andere Banken auch. Problematisch bei GE Capital war insbesondere das Exposure zum Commercial Paper, welches sich nicht mehr ohne Weiteres in die nächste Periode “rollen” ließ.

Aufgrund der starken Abhängigkeit vom Finanzgeschäft (GE Capital) wurde GE an der Börse nur noch mit einem Multiple analog zu einer Bank bewertet. Im Resultat waren auch die Aktienoptionen der meisten Mitarbeiter tief im Minus.

Hier einmal die Aktienkursentwicklung seit 2005 (beachtet, dass GE in 2021 einen 1-zu-8 Reverse Stock Split durchgeführt hat, also aus jeweils 8 Aktien eine gemacht hat… mit dem entsprechenden Effekt auf den Kurs):

Aktienkursentwicklung General Electric [USD je Aktie]; Quelle: TIKR

Als Resultat musste Immelt den Gang nach Canossa antreten und bei der Regierung bzgl. eines Bailouts anfragen… Bemühungen, die schlussendlich allerdings ins Leere liefen. Stattdessen war es kurze Zeit später ein alter Bekannter, der GE mit einer Finanzspritze unter die Arme griff. Warren Buffett erhielt Vorzugsaktien mit einer festgelegten Dividendenrendite von 10% im Wert von ca. 3 Mrd. USD sowie das Recht, ca. 133 Mio. GE-Aktien zum Preis von 22,5 USD je Aktie zu kaufen (ebenfalls in Summe ca. 3 Mrd. USD). Wie ihr vielleicht wisst, machte Buffett in der Zeit ein paar ähnliche Deals… unter anderem half er ja auch Goldman Sachs mit ein paar Milliarden aus.

Allerdings schien die Unterstützung von Buffett noch nicht ausreichend gewesen zu sein, denn kurze Zeit später führte General Electric eine 12 Mrd. USD schwere Kapitalerhöhung durch (550.000 Aktien zu einem Kurs von 22,25 USD je Aktie).

Die Kapitalerhöhung an sich war in der Zeit vermutlich eher unproblematisch. Sehr wohl etwas schwierig waren allerdings zwei Tatsachen, nämlich

  • Erstens: dass GE nur 6 Tage vorher noch deutlich verneint hatte, dass es überhaupt eine Kapitalerhöhung geben würde
  • Zweitens: dass das Unternehmen in 2007 gerade erst eigene Aktien im Wert von ca. 15 Mrd. USD zurückgekauft hatte (und zwar zum damaligen Kurs von ca. 37,50 USD je Aktie)

Das war allerdings noch nicht alles: Bei einem Breakfast Event des Wall Street Journal am 5. Februar 2009 sagte Immelt, dass die Dividende aufgrund des starken Cash Flows stabil bleiben würde. Nur ca. 3 Wochen später – am 27. Februar 2009 – kürzte GE die Dividende dann doch… und zwar von bisher 31 auf nur noch 10 Cent je Aktie.

Diese Umstände trugen, wie ihr euch sicher denken könnt, nicht gerade dazu bei, dass der Kapitalmarkt ein großes Vertrauen in die Aussagen von Jeff Immelt hatte (von seinen Fähigkeiten zur effizienten Kapitalallokation ganz zu schweigen).


2011: (Not)Verkauf NBCUniversal

Auch nach den unmittelbaren Auswirkungen der Finanzkrise in 2009 hatte General Electric noch einen substantiellen Kapitalbedarf, weshalb das Unternehmen in 2011 51% der Anteile an NBCUniversal – einem der attraktivsten Geschäfte von GE – für 30 Mrd. USD an Comcast veräußern musste.

GE CEO Jeff Immelt höchstpersönlich hatte übrigens einige Jahre zuvor einen Deal mit Comcast über 45 Mrd. USD für NBCU ohne weitere Prüfung direkt abgewiesen.

Nur zum Hintergrund: GE hatte NBC im Jahr 1986 als Teil des RCA-Deals erworben und einige Jahre später (in 2004) dann mit Vivendi’s Universal Entertainment zusammengeführt. Erst in 2008 (also 3 Jahre vor dem Verkauf an Comcast) hatte GE für ca. 3,5 Mrd. USD den Weather Channel erworben… GE hatte RCA bzw. NBC übrigens in den Jahren 1919 bzw. 1926 selbst gegründet, musste die Anteile in 1930 aufgrund kartellrechtlicher Probleme allerdings abstoßen.

Der anhaltende finanzielle Engpass von GE war auf mehrere Ursachen zurückzuführen:

  • Unter anderem hatte GE bereits 2008 eine Strafe i.H.v. 40 Mio. USD wegen Earnings Management bzw. Manipulation aufgebrummt bekommen
  • In 2010 musste das Unternehmen aufgrund einer Entscheidung der EPA insgesamt ca. 40 Meilen des Hudson River wegen PCB-Einleitungen in den Jahren bis 1977 ausbaggern, was in Summe ca. 2 Mrd. USD gekostet haben soll
  • Nach der Dodd-Frank Regulierung von GE Capital musste das Unternehmen außerdem auf Gewinne in der Größenordnung von ca. 400 Mio. USD jährlich verzichten

2012: GE’s neue Langfriststrategie: Fokus auf Industrials

Die Strategie von CEO Jeff Immelt bestand nach Dodd-Frank darin, GE viel stärker auf das Industriegeschäft auszurichten und die von Investoren zur damaligen Zeit als sehr risikoreich eingestufte Finanzsparte (GE Capital) zu schrumpfen. Im Zielzustand sollten die Industriegeschäfte zunächst 70% und die Finanzsparte nur noch 30% zum Gewinn beitragen. Später wurde dieser Zielwert für die Industrials dann auf 90% erhöht. Insgesamt wurde spätestens für das Jahr 2018 ein Gewinn von 2 USD je Aktie in Aussicht gestellt.

Allerdings lief es auch im Industriegeschäft nicht optimal. Teilweise gab es viele Redundanzen und Ineffizienzen sowie auch eine hohe Komplexität. Beispielsweise hatte GE:

  • Mehr als 500 P&Ls (d.h. separate Tochtergesellschaften mit eigenen Jahresabschlüssen)
  • Hunderte (verschiedener) ERP-Systeme
  • Ungefähr 3 Mrd. USD an Overhead-Kosten (ohne jedoch die Rolle von Corporate genau definiert zu haben)

Ganz generell wurde das Industriegeschäft von vielen Beobachtern als “nicht managebar” eingeschätzt. Viele Insider sorgten sich außerdem um den Cash Flow, der zu einem substantiellen Teil von GE Capital erwirtschaftet wurde, während die Industriegeschäfte eher “Papiergewinne” auswiesen, aber keinen bzw. keinen unmittelbaren Cash Flow generierten.

Als favorisierte Lösung dieses Problems kristallisierte sich recht schnell eine groß angelegte M&A-Strategie heraus, mit der einzelne Industriegeschäfte gestärkt werden sollten. Daneben gab es noch das Projekt “Simplification”, mit dem die Struktur des Unternehmens substantiell vereinfacht werden sollte.


2013-15: Umbau mit Fokus auf Industrials

Abverkauf / Schrumpfung GE Capital

Damit der geplante Umbau gelingen konnte, sollte in 2013 zunächst die Consumer Finance Sparte von GE Capital mit dem Namen Synchrony Financial im Rahmen eines Spin-Offs an die Börse gebracht werden. Schlussendlich wurde in 2014 ein IPO durchgeführt, bei dem GE fast 3 Mrd. USD einsammeln konnte.

Mitte 2015 wurde dann Projekt Hubble umgesetzt: GE verkaufte zunächst das Real Estate Geschäft von GE Capital inklusive des Finanzierungsgeschäfts (“Mortgages”) für ca. 23 Mrd. USD an Blackstone und Wells Fargo. Der Rest von GE Capital – mit Ausnahme von GECAS (Flugzeugleasing à la Air Lease) – sollte innerhalb von 24 Monaten verkauft werden.

Der Zeitdruck war insbesondere darauf zurückzuführen, dass der Wert von GE Capital vorrangig auf das vorhandene “Humankapital”, also die Skills und Kontakte der Mitarbeiter, zurückzuführen war. Durch Abwerbeaktionen der Konkurrenz konnte ein solches Geschäft daher auch relativ schnell wertlos werden.


2015: Ausbau Industriegeschäft: Der Alstom-Deal

Sozusagen als “Big Bang” Lösung für seine “Fokus auf Industrials”-Strategie hatte Jeff Immelt die Akquisition des französischen Wettbewerbers Alstom (bzw. das Power-Business von Alstom) vorgesehen.

Allerdings gab es – auch GE-intern – bereits relativ früh Zweifel an der Nachhaltigkeit dieses Geschäfts. Alstom hatte den verfügbaren Cash Flow zwar regelmäßig dazu genutzt, um eigene Aktien zurückzukaufen (Share Buybacks), dann aber kurze Zeit später mehr oder weniger unter dem Radar des Kapitalmarktes eine Kapitalerhöhung in Höhe von ca. 350 Mio. USD durchgeführt (so ähnlich wie GE selbst in 2007-09). Darüber hinaus hatte Alstom ca. vier mal so viele FTEs je USD Umsatz wie die vergleichbare Sparte von General Electric GE Power. (Zur Info: FTEs steht für “Full Time Equivalents”, also Vollzeitmitarbeiter.)

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel konnte Alstom die dringend notwendige Restrukturierung nicht durchführen (die Schließung von unprofitablen Geschäften kann aufgrund der Abfindungszahlungen sehr teuer werden). Das Unternehmen musste außerdem mit einer aggressiven Preispolitik unprofitable Deals für den Bau von Kohle- und Gaskraftwerken an Land ziehen… einfach nur, um mithilfe der Anzahlungen das Tagesgeschäft aufrecht erhalten zu können.

Alstom war also im Vergleich zu GE nochmal substantiell schlechter aufgestellt. Dem entsprechend bestand der erste Ansatz von GE darin, Alstom günstig als Ganzes zu erwerben und die unpassenden Teile relativ zeitnah an andere Interessenten weiter zu veräußern. Später allerdings wurde klar, dass der Deal in Frankreich nur mit breiter Zustimmung sowohl der Politik als auch des bisherigen wichtigsten Shareholders – der Bouygues Group – funktionieren würde.

Dem entsprechend stellten die beratenden Investment Banker sicher, dass Bouygues beim Verkauf einen akzeptablen Return erwirtschaften würde. Den Aktionären von GE machten sie den Deal über das hohe Synergiepotenzial schmackhaft (geplant waren 3 Mrd. USD an Kostensynergien).

[Bankers] tried to make sure that the accounting of the enterprise value they finally aligned on truly made sense – or at least could be framed as reasonable when presented to shareholders. – Zitat aus dem Buch Lights Out

Nach einem kurzen Bieterwettstreit mit Siemens bzw. Mitsubishi Heavy Industries (MHI) und einer Erweiterung des Deals um ein Nuklear-Joint Venture mit Frankreich erhielt GE schließlich für ca. 9,7 Mrd. EUR (Enterprise Value) den Zuschlag für den Kauf von Alstom’s Energiegeschäft (Power & Grid).

Um die kartellrechtlichen Hürden aus dem Weg zu räumen, mussten PSM (eine Instandhaltungsfirma in Florida) sowie die Entwicklung der H-Turbine an einen Wettbewerber veräußert werden.

Wenn wir das mal kurz überschlagen: Der Anteil der geplanten Kostensynergien (~3 Mrd. USD) am Enterprise Value (EV) lag bei knapp 30%! Und das für ein Geschäft mit substantiellen Assets in Frankreich, wo harte Restrukturierungen ganz generell recht schwer durchzusetzen sind. Fraglich also, ob der Deal langfristig tatsächlich im Sinne der GE-Shareholder war.


Ab 2013: Ausbau Öl- und Gas-Geschäft

Parallel zu den Ãœberlegungen rund um die Möglichkeit einer Akquisition von Alstom baute General Electric seine Aktivitäten im Öl- und Gas-Geschäft – basierend auf der Annahme eines langfristigen Ölpreises von 100 USD je Barrel – substantiell aus. Stellenweise lag der Anteil des Öl- und Gas-Geschäfts am GE-Gesamtumsatz sogar bei mehr als 25%.

In einem ersten Schritt wurde im Jahr 2013 zunächst Lufkin Industries für ca. 3,3 Mrd. USD erworben, ein Hersteller von Equipment zur Förderung von Öl und Gas.

Als sich herausstellte, dass der tatsächliche Ölpreis substantiell unterhalb der avisierten Marke von 100 USD liegen würde (tatsächlich waren es im Durchschnitt der Folgejahre nur etwa 50 USD je Barrel), musste GE ein “Right Sizing” des Öl- und Gas-Geschäfts anstoßen. Die unmittelbare Folge der niedrigen Ölpreise war nämlich, dass die großen Kunden ihre Orders entweder komplett cancelten oder aber den vereinbarten Preis nochmal nachverhandeln wollten.

Das von Lufkin akquirierte Orderbuch in der Größenordnung von 4 Mrd. USD war also schlussendlich nicht mehr besonders viel wert.

Nachdem Lufkin bzw. das gesamte O&G Business von GE einmal soweit möglich restrukturiert wurde, entschied sich GE dazu, das Geschäft in 2017 mit dem Wettbewerber Baker Hughes zu fusionieren. An dem daraus entstandenen und ebenfalls börsengelisteten Unternehmen hielt GE zunächst die Mehrheit.

Stand 2020 war GE zwar nicht mehr Mehrheitseigentümer von Baker Hughes, hielt aber noch ca. 30% der Anteile. Diese sollen allerdings laut Plan in den kommenden Jahren vollständig veräußert werden.


2015: Einstieg Trian Partners

Im Laufe des Jahres 2015 wurde bekannt, dass Trian Partners ca. 2,5 Mrd. USD in GE investiert hatte. Laut Trian-Mitgründer Nelson Peltz lag der Einstiegskurs damals bei ca. 23 USD je Aktie.

Im Zuge dieses Investments stieg der Aktienkurs innerhalb kurzer Zeit bis auf 32 USD an (Return also ca. 40%). Zu diesem Zeitpunkt liquidierte Trian ca. ein Drittel der Position. Später hat Nelson Peltz das als Fehler bezeichnet und gesagt, dass Trian besser direkt drei Viertel der Position hätte liquidieren sollten.

Wie dem auch sei. Nachdem der Aktienkurs in 2016 wieder unter den Einstandskurs von Trian gefallen war, forderte der Investor schuldenfinanzierte Aktienrückkäufe, um den Kurs der Aktie mithilfe des gesteigerten Gewinns je Aktie zu steigern. GE bzw. Immelt hielten das für keine gute Idee. Hinter verschlossenen Türen einigte man sich schließlich auf eine Verdopplung der Kostenziele sowie eine stärkere Verknüpfung der Boni mit den Gewinnen der Industriegeschäfte.


2017-18: John Flannery neuer General Electric CEO

In 2017 wurde der Druck auf Immelt schließlich zu groß und er wurde im August durch John Flannery, den damaligen Chef des Healthcare-Geschäfts, abgelöst. Für den Rausschmiss von Immelt gab es verschiedene Gründe.

GE kam zwar zunächst der Forderung von Trian nach und kaufte eigene Aktien im Wert von ca. 3 Mrd. USD zurück. Darüber hinaus verlief das Jahr 2017 aus Investorensicht allerdings wenig zufriedenstellend.

Zunächst blockierte (bzw. torpedierte) Trian einen 15 Mrd. USD Deal mit Rockwell Collins, i.W. aus Angst vor einem möglicherweise negativen Effekt auf den Aktienkurs.

Darüber hinaus lieferten die Industriegeschäfte überraschenderweise einen Cash Flow ab, der mehr als 1 Mrd. USD unterhalb der Analysten-Schätzungen lag. Wesentliche Ursachen:

  • das Energiegeschäft hatte seine Möglichkeiten für ein Upgrade von Service-Kontrakten im Grunde genommen ausgeschöpft
  • in Erwartung einer anziehenden Nachfrage hatte man im Energiegeschäft hohe Lagerbestände aufgebaut

All dies führte zu einer Situation, in der der Cash Flow nicht ausreichte, um das bisherige Niveau der Dividende aufrecht zu erhalten (welche nebenbei schon seit Jahren den erwirtschafteten Cash Flow überstiegen hatte).

In Konsequenz bestand eine der ersten Amtshandlungen von John Flannery im November 2017 zunächst darin, das von Immelt bis zuletzt hochgehaltene Gewinnziel von 2 USD je Aktie zu kassieren und die Dividende um 50% zu kürzen.

Eine von Flannery formulierte neue Strategie beinhaltete außerdem die Neudefinition von Kern- und Nichtkerngeschäften:

  • zukünftige Kerngeschäfte: Power, Aviation, Healthcare (für letzteres war ein Spin-Off geplant)
  • zukünftig nicht mehr im Fokus: Transportation (Lokomotiven etc.), Lighting (Glühbirnen etc.), Öl & Gas (die Anteile an Baker Hughes sollten verkauft werden)

Auf den Aktienkurs hatte die Loslösung von den eher unattraktiven Geschäftsfeldern Lighting und Öl & Gas allerdings keinen positiven Einfluss. Nach der Ankündigung fiel der Aktienkurs zum ersten Mal seit der Finanzkrise wieder unter die 20 USD-Marke (umgerechnet in den oben dargestellten Kurs nach Reverse Split wären das 160 USD).

Im Rahmen seiner Bestandsaufnahme brachte Flannery darüber hinaus ein paar weitere Dinge ans Tageslicht. Z.B. stellte sich heraus, dass GE – entgegen des bisherigen Verständnisses – noch nicht vollständig aus dem Versicherungsgeschäft ausgestiegen war. Für die Verträge mit den höchsten Risiken war bisher kein Abnehmer gefunden worden… nach einem Auditor-Review ergab sich eine geschätzte Finanzierungslücke von ca. 15 Mrd. USD.

Auch wenn John Flannery sehr akribisch ans Werk ging, fehlte dem Kapitalmarkt am Ende doch ein konkretes Versprechen von Seiten des neuen CEO. Flannery’s Aussagen, dass das Energiegeschäft vor einer langen Restrukturierung stehen würde und die Dividende ggf. nochmals gekürzt werden müsste – obwohl natürlich richtig -, waren für die Investoren einfach nicht ausreichend.

Darüber hinaus wollte der negative Newsflow einfach nicht abreißen:

  • Im Energiegeschäft gab es Probleme mit den Reparaturen / dem Ersatz von defekten Rotorblättern
  • Die Cash Flow Ziele wurden zum wiederholten Mal nicht erreicht
  • Es musste eine Sonderabschreibung in Höhe von ca. 20 Mrd. USD (!!) vorgenommen werden (insbesondere Goodwill, u.a. aus der Alstom-Akquisition)
  • Die Dividende musste weiter bis auf 1 Cent je Aktie gekürzt werden

Im Resultat sackte der Aktienkurs weiter bis auf ca. 7 USD ab (~56 USD nach Reverse Split).


Seit 2018: Larry Culp CEO von General Electric

Im September 2018 wurde Flannery schließlich nach nur 14 Monaten als CEO von General Electric durch Larry Culp, zu dem Zeitpunkt bereits Chariman des GE-Boards, abgelöst. Culp war zuvor bei der Weiterentwicklung des etwas kleineren Konglomerats Danaher sehr erfolgreich gewesen. Nelson Peltz, Gründungspartner von Trian, dazu in 2019 auf CNBC:

I think Larry Culp is a star. I think he knows how to run a business. I think he knows how to deal with these issues. – Nelson Peltz (Trian Partners) in 2019

Wann die Restrukturierung von GE schlussendlich abgeschlossen sein wird ist noch etwas unklar. Jedenfalls wurden Teile der Geschäfte auch durch Covid-19 nochmal stark getroffen. Beispielsweise kamen die in vielen Flugzeugen installierten GE-Triebwerke in der Krise nur auf sehr wenige Flugstunden, was die Instandhaltungs- bzw. Serviceumsätze stark negativ beeinflusste.

Im November 2021 verkündete General Electric schließlich, dass die drei großen Sparten (Energy, Healthcare und Aviation) als jeweils unabhängige Unternehmen an der Börse gelistet werden sollen (hier der CNBC-Artikel dazu). Das Listing des Healthcare-Geschäfts ist für 2023, das des Energie-Bereichs für 2024 geplant… schauen wir also mal, wie sich das noch weiterentwickelt.


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