Was wir aus Gesamtergebnisrechnung bzw. Other Comprehensive Income lernen können

Other Comprehensive Income - Gesamtergebnisrechnung

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Other Comprehensive Income - Gesamtergebnisrechnung

Die meisten von euch kennen bestimmt bereits die drei wesentlichen Bestandteile eines Konzernabschlusses bzw. Jahresabschlusses: Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), die Bilanz und die Kapitalflussrechnung. Darüber hinaus gibt es mit der Gesamtergebnisrechnung (im Englischen dem Statement of Other Comprehensive Income) nach IFRS bzw. US-GAAP jedoch noch eine weitere offizielle Rechnung, die ggf. für unsere Unternehmensbewertung bzw. die Einschätzung von Unternehmen höchst relevante Informationen beinhalten kann. Das gilt speziell für Unternehmen aus der Finanzbranche wie z.B. Banken und Versicherungen.

In diesem Artikel möchte ich einmal auf das im Rahmen der Gesamtergebnisrechnung ermittelte “Sonstige Ergebnis” bzw. “Other Comprehensive Income” eingehen und auch die Zusammenhänge zu GuV und Bilanz anhand einiger Beispiele darstellen.


Grundlagen der Gesamtergebnisrechnung

Wie schon gesagt ist die Gesamtergebnisrechnung nach GuV, Bilanz und Cash Flow Statement inzwischen der vierte Kernbestandteil des Jahresabschlusses nach IFRS / US-GAAP. Die Gesamtergebnisrechnung umfasst neben dem in der Gewinn- und Verlustrechnung abgeleiteten Nettogewinn weitere Erträge, Aufwendungen, Gewinne und Verluste, die gemäß IFRS nicht Bestandteil der Gewinn- und Verlustrechnung sind sondern stattdessen direkt ins Eigenkapital gebucht werden.

Somit hilft die Gesamtergebnisrechnung uns Investoren dabei, die nicht in der GuV enthaltenen Effekte auf das Eigenkapital besser zu verstehen. Als Einschränkung sei allerdings hinzugefügt, dass nicht notwendigerweise alle direkt auf das Eigenkapital wirkenden Effekte in der Gesamtergebnisrechnung sichtbar sind (hierfür verweise ich euch auf das Beispiel Bayer AG etwas weiter unten).

Das Gesamtergebnis (oder der Gesamterfolg) wird als Summe aus Nettogewinn und sonstigem Ergebnis ermittelt:

Gesamtergebnis = Nettogewinn + Sonstiges Ergebnis

Das sonstige Ergebnis bezeichnet dabei die Summe der im Eigenkapital erfolgsneutral erfassten Wertänderungen bzw. die Summe aller im Other Comprehensive Income (OCI) erfassten Ergebnisse.

Neben der Zusammenfassung des sonstigen Ergebnisses auf einer separaten Seite des Jahresabschlusses werden die einzelnen Ergebnisbeiträge übrigens auch schonmal am Ende der Gewinn- und Verlustrechnung aufgelistet.

Neben Nettogewinn und sonstigem Ergebnis bzw. OCI kann es noch andere Effekte geben, die an GuV und Gesamtergebnisrechnung vorbei direkt auf das Eigenkapital wirken. Für ein gutes Verständnis der Veränderungen des Eigenkapitals sollten wir also zusätzlich auch diese Effekte noch nachvollziehen.

Was wird typischerweise als “sonstiges Ergebnis” bzw. “Other Comprehensive Income” verbucht?

Grundsätzlich werden erstmal nur solche Ergebnisse in das Other Comprehensive Income (OCI) gebucht, die noch nicht realisiert wurden.

Die Einführung der Gesamtergebnisrechnung bzw. des Statement of Other Comprehensive Income hängt deshalb stark zusammen mit der Rechnungslegung auf Basis von beizulegenden Zeitwerten (ein etwas umständlicher Ausdruck für den aktuellen Marktpreis bzw. den Fair Value eines Vermögenswertes) wie sie in IFRS und US-GAAP zunehmend verankert ist.

Nach IFRS besitzen die Unternehmen nämlich in vielen Fällen ein Wahlrecht. D.h. sie können bestimmte Vermögenswerte entweder auf Basis der historischen Anschaffungskosten oder auf Basis des fairen Wertes bilanzieren. Das deutsche Handelsrecht nach HGB ist da um einiges konservativer bzw. restriktiver. Die wesentliche Frage, die wir uns als Investoren in diesem Zusammenhang stellen müssen, bezieht sich deshalb logischerweise auf die Werthaltigkeit der Vermögenswerte.

Wenn wir uns also einmal einige Gesamtergebnisrechnungen anschauen, dann stellen wir fest, dass speziell diejenigen Ergebniskategorien auftauchen, die mit Fair Value Bewertungen von Beteiligungen und finanziellen Vermögenswerten (oder Verbindlichkeiten) zu tun haben:

  • Keine spätere Umgliederung in die GuV
    • Aufwertungen von Sachanlagen bzw. Veränderungen im Aufwertungsgewinn bzw. in der Neubewertungsrücklage (IAS 16)
    • Neubewertung der Nettoverpflichtungen aus Pensionsplänen (leistungsorientiert bzw. Defined Benefit) (IAS 19)
    • Ergebnis aus at-equity bilanzierten Beteiligungen (Investments in assoziierte Unternehmen) (IFRS 9)
  • Ggf. spätere Umgliederung in die GuV
    • Ergebnis aus Cash Flow Hedges (IAS 39 bzw. IFRS 9)
    • Veränderungen des beizulegenden Zeitwertes (Fair Value) aus zur Veräußerung verfügbaren finanziellen Vermögenswerten (IFRS 5, IFRS 9)
    • Währungsumrechnungsdifferenzen (IAS 21)
    • Währungsdifferenzen aus der Folgebilanzierung von Ergebnissen aus at-equity bewerteten Beteiligungen (IFRS 9)
    • Änderungen des beizulegenden Zeitwerts, die auf Änderungen des Kreditrisikos der Verbindlichkeit zurückzuführen sind (für erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertete Verbindlichkeiten) (IFRS 9)

In Klammern seht ihr übrigens immer die jeweils relevanten IFRS Standards.

Eine Umgliederung bedeutet, dass das Ergebnis nach Abschluss der Transaktion (d.h. beispielsweise, wenn ein zur Veräußerung verfügbares Investment tatsächlich verkauft wurde), als realisierter Gewinn bzw. Verlust in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden und die Bilanz entsprechend korrigiert werden muss. Das Eigenkapital bleibt in Summe zwar konstant, der Ergebnisbeitrag wird aber je nach Darstellungsweise vom kumulierten sonstigen Ergebnis (Accumulated Other Comprehensive Income oder AOCI) in das Konzernbilanzergebnis (Retained Earnings) verschoben… wobei nicht alle Unternehmen das kumulierte sonstige Ergebnis separat ausweisen.

Bezüglich des Ausweises der steuerlichen Effekte gibt es zwei Möglichkeiten:

  • Die Ergebniseffekte können direkt unter Berücksichtigung der Steuern angegeben werden
  • Die Steuern werden separat ausgewiesen (einzeln oder in Summe)
Wichtig: Es gibt in den IFRS Rechnungslegungsvorschriften eine Reihe an Wahlmöglichkeiten und Freiheiten hinsichtlich der Bewertung einzelner Vermögenswerte und auch hinsichtlich der Berücksichtigung im Konzernabschluss. Welche Effekte deshalb in der GuV und welche im OCI auftauchen, kann sich je nach Unternehmen unterscheiden.

Welche Effekte finden wir weder in der GuV noch im Other Comprehensive Income?

Wie bereits angedeutet ist es leider so, dass wir mit Nettogewinn und sonstigem Ergebnis nicht zwangsläufig alle Veränderungen des Eigenkapitals erklären können.

Speziell dann nämlich, wenn ein Unternehmen regelmäßige M&A Transaktionen durchführt, also andere Unternehmen (teilweise oder komplett) übernimmt, verkauft oder Unternehmensteile in andere Unternehmen einbringt, kann es signifikante Einflüsse auf das Eigenkapital geben, die weder in der GuV noch im Other Comprehensive Income sichtbar sind.


Wie hängt das Gesamtergebnis mit GuV und Bilanz zusammen?

Das sonstige Ergebnis wird wie auch das Nettoergebnis auf der Passivseite der Bilanz im Eigenkapital-Block ausgewiesen. Neben dem Grundkapital (Issued Capital) und den Kapitalrücklagen (Capital Reserve) gibt es dort in der Regel noch drei weitere Positionen:

  • das Konzernbilanzergebnis (Retained Earnings)
  • das kumulierte sonstige Ergebnis (Accumulated Other Comprehensive Income oder AOCI)
  • die nicht beherrschenden Anteile (Minority Interest)

Wie ihr an den zwei folgenden Beispielen erkennen könnt, gibt es mehrere Möglichkeiten, wie das Other Comprehensive Income in der Bilanz berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus gibt wie gesagt ggf. es ein paar weitere das Eigenkapital beeinflussende Größen.


Beispiel Freenet Group

Bei Freenet können wir die Zusammenhänge recht leicht herstellen, da Freenet für das Konzernbilanzergebnis und auch das kumulierte sonstige Ergebnis (AOCI) separate Positionen im Eigenkapital ausweist:

Other Comprehensive Income - Gesamtergebnisrechnung

Zusammenhang zwischen GuV, Gesamtergebnisrechnung und Bilanz Freenet Group; Quelle: Geschäftsberichte

Auch die Entwicklung der Retained Earnings, also der über die Zeit aufgelaufenen und “auf neue Rechnung” vorgetragenen Gewinne lässt sich einfach nachvollziehen. Der Anstieg in den Retained Earnings in 2017 entspricht nämlich 1 zu 1 dem erzielten Nettogewinn abzüglich der für das Geschäftsjahr 2016 im Geschäftsjahr 2017 ausbezahlten Dividende.

Das sonstige Ergebnis aus der Gesamtergebnisrechnung fließt in das kumulierte sonstige Ergebnis ein. Freenet verbucht im Other Comprehensive Income vor allem Währungseffekte aus der Folgebilanzierung seiner at-equity Beteiligungen (i.W. Sunrise Communications) sowie Veränderungen der Pensionsverbindlichkeiten.

Die Veränderung der nicht beherrschenden Anteile lässt sich durch den (hier negativen) Gewinnanteil der Minderheitsaktionäre erklären.


Beispiel Bayer AG

Bayer auf der anderen Seite hat in der Bilanz keine separate Position, in der das OCI berücksichtigt wird. Stattdessen wird der den Bayer Aktionären zurechenbare Anteil als Teil des Konzernbilanzergebnisses bzw. der Retained Earnings ausgewiesen:

Gesamtergebnisrechnung - Other Comprehensive Income

Zusammenhang zwischen GuV, Gesamtergebnisrechnung und Bilanz Bayer AG; Quelle: Geschäftsberichte

Der nicht den Bayer Aktionären zurechenbare Anteil (Minority Interest) wird dem entsprechend in den nicht beherrschenden Anteilen in der Bilanz berücksichtigt.

Wie ihr außerdem sehen könnt, entspricht die Differenz im Eigenkapital zwischen 2016 und 2017 in diesem Fall nicht direkt der Summe aus Nettogewinn und sonstigem Ergebnis (also dem Gesamterfolg):

Gesamterfolg = 7.336 – 1.358 = 5.978 ist ungleich der Änderung der Retained Earnings = 25.026 – 18.558 = 6.468

Neben der Dividendenzahlung (analog zum Freenet Beispiel) liefert die Entkonsolidierung von Covestro den zweiten Erklärungsansatz für diesen Unterschied. Im Geschäftsjahr 2017 hat nämlich Bayer seinen Anteil an Covestro von über 60% auf unter 25% reduziert. Das heißt in Zukunft erscheint der Anteil nur noch als Equity-Beteiligung in GuV und Bilanz und wird nicht mehr konsolidiert.

Dies hat einen Einfluss auf eine ganze Reihe an Bilanzpositionen. Umsätze, Kosten, Lagerbestände, Forderungen, Verbindlichkeiten etc. wurden entsprechend um den Covestro-Anteil reduziert. Gleichzeitig gibt es zwei Effekte, die direkt auf das Eigenkapital wirken:

  • Durch den Verkauf der Anteile konnte Bayer einen Gewinn (über die Höhe der in den Büchern stehenden Vermögenswerte hinaus) von 2,7 Mrd. EUR verbuchen
  • Gleichzeitig wurde der Covestro-Anteil an den nicht-beherrschenden Anteilen aus der Bilanz entfernt (wenn das Unternehmen nicht mehr voll konsolidiert wird, müssen auch die Anteile der Minderheitsaktionäre nicht mehr aufgeführt werden)
Selbst die Gesamtergebnisrechnung erklärt im Zweifel also nicht alle Veränderungen des Eigenkapitals. Bestimmte z.B. auf M&A Aktivitäten zurückzuführende Veränderungen werden ggf. weder in der GuV noch im sonstigen Ergebnis erfasst.

Worauf also achten?

Auf der einen Seite könnten wir natürlich argumentieren, dass die nicht in der GuV erfassten Effekte auf das Eigenkapital (ob nun in der Gesamtergebnisrechnung abgebildet oder nicht) nur auf dem Papier existieren, als nicht wiederkehrend angesehen werden können oder aber nicht als operativ eingestuft werden.

Wenn z.B. die entsprechenden zur Veräußerung vorgesehenen Finanzinvestitionen erstmal nur im Wert zugenommen haben, dieser Wert aber noch nicht realisiert wurde, dann können wir über eine Berücksichtigung z.B. bei der Berechnung des Buchwertes diskutieren… speziell dann, wenn der Wert der Investitionen ein übermäßig optimistisches Niveau angenommen hat.

Auf der anderen Seite ermöglicht uns die Betrachtung der Gesamtergebnisrechnung aber auch ein besseres Verständnis über die Qualität des Eigenkapitals. Das gilt vor allem für:

  • Unternehmen mit signifikanten finanziellen Vermögenswerten, also z.B. Banken und Versicherungen
  • Unternehmen mit signifikanten Geschäften bzw. Beteiligungen in anderen Währungsräumen
  • Unternehmen mit größeren Pensionsverpflichtungen
  • Unternehmen, die häufig M&A Transaktionen durchführen

Mögliche Fragen

Folgende Fragen können wir uns in diesem Zusammenhang stellen (und ggf. mit Hilfe der Gesamtergebnisrechnung bzw. der außerhalb der GuV auftretenden Eigenkapitalveränderungen beantworten):

  • Welcher Anteil der Vermögenswerte bezieht sich auf nicht realisierte Wertzuschreibungen oder -abschreibungen? Wird es in den kommenden Quartalen ggf. einen größeren positiven oder negativen Effekt auf den ausgewiesenen Gewinn geben (wenn die Gewinne oder Verluste realisiert werden)?
  • Welchen Effekt auf das Ergebnis von Tochtergesellschaften haben eigentlich Währungsumrechnungen? Wie signifikant werden zukünftige Währungsschwankungen das Ergebnis beeinflussen?
  • In welcher Form werden Derivate wie Hedging-Instrumente genutzt und was ist der Effekt daraus?
  • Wie groß ist der Effekt aus nicht gedeckten Pensionsverpflichtungen? Vergrößert sich die Unterdeckung über die Zeit?
  • Wie konservativ ist eigentlich das Management bzgl. der Bewertung von Vermögenswerten?
  • etc.

Alles in allem ist das Other Comprehensive Income vielleicht nicht der große Treiber für unsere Unternehmensbewertung (jedenfalls nicht, wenn es sich beim analysierten Unternehmen nicht um eine Bank oder eine Versicherung handelt). Die Analyse der Gesamtergebnisrechnung liefert uns in den meisten Fällen aber schon einige Insights über die Funktionsweise des Unternehmens und gibt uns Transparenz über bestimmte Bewertungsrisiken in der Bilanz.


Bottom Line

Die Gesamtergebnisrechnung bzw. das Other Comprehensive Income beinhaltet Ergebnisse mit Einfluss auf das Eigenkapital, die nicht Bestandteil der Gewinn- und Verlustrechnung sind. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um unrealisierte Gewinne oder Verluste aus Beteiligungen, Finanzinvestitionen bzw. Derivaten, um Veränderungen der Pensionsverpflichtungen und um Währungseffekte. Eigenkapitaleffekte aus der Konsolidierung und Entkonsolidierung von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen sind im Other Comprehensive Income jedoch typischerweise nicht enthalten.

Aus diesem Grund ist das Other Comprehensive Income vor allem bei der Analyse von Finanzunternehmen wie Banken oder Versicherungen relevant. Für Unternehmen mit regelmäßigen M&A Transaktionen sollten wir sogar noch einen Schritt weiter gehen und die direkt auf das EK wirkenden Effekte einmal verstehen.

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