Der neueste Berkshire Hathaway Aktionärsbrief von Warren Buffett wurde gerade veröffentlicht. Herunterladen und durchlesen könnt ihr ihn wie immer auf der Internetseite von Berkshire Hathaway. Darüber hinaus hat Warren Buffett bei CNBC ein zweistündiges Interview gegeben, welches ich euch weiter unten ansehen könnt.
Kurz die wesentlichen ökonomischen Fakten: Im Jahr 2019 hat Berkshire einen Gewinn von 81,4 Mrd. USD erzielt, wovon allerdings mehr als 50 Mrd. USD aus noch nicht realisierten Gewinnen aus Wertpapieren stammen… dafür verantwortlich ist eine neue Accounting-Regel, die Buffett bereits in seinem Brief vom letzten Jahr bemängelt hat.
Lasst uns aber hier einmal schauen, was in der 2020er Version des Aktionärsbrief für interessante Inhalte versteckt sind.
In diesem Jahr habe ich einmal fünf der für mich wesentlichen Inhalte herausgeschrieben. Es geht los mit Buffett’s Sicht auf das Thema Gewinnrücklagen (bzw. indirekt auch Dividenden, Steuerbelastungen, Zinseszinseffekte etc.).
1. Buffett über Retained Earnings
Buffett beleuchtet hier etwas die historische Entwicklung. Praktisch alle großen Industriellen der Frühzeit – Buffett nennt Carnegie (US Steel), Rockefeller (Standard Oil) und Ford – haben ihr Vermögen aufgebaut, indem sie die erwirtschafteten Gewinne über einen langen Zeitraum im Unternehmen beließen und in weiteres Wachstum reinvestierten.
Trotzdem ging dieser Fokus auf die Gewinnverwendung mit dem Aufkommen der Aktien (also der kleinteiligen Besitzanteile an großen Unternehmen) erstmal verloren. Aktieninvestments wurden stattdessen eher als kurzfristige Spekulationen auf Marktbewegungen verstanden. Erst ein Kommentar von John Meynard Keynes zu einem in den 1920er Jahren von einem Edgar Lawrence Smith veröffentlichten Buch änderte dies wieder:
I have kept until last what is perhaps Mr. Smith’s most important, and is certainly his most novel, point. Well-managed industrial companies do not, as a rule, distribute to the shareholders the whole of their earned profits. In good years, if not in all years, they retain a part of their profits and put them back into the business. Thus there is an element of compound interest operating in favour of a sound industrial investment. Over a period of years, the real value of the property of a sound industrial is increasing at compound interest, quite apart from the dividends paid out to the shareholders.
Wichtig ist hier aus meiner Sicht vor allem der Terminus “sound industrial investment”. Sofern erwirtschaftete Gewinne in profitable Wachstumsfelder reinvestiert werden können, ist das Einbehalten ebendieser der Auszahlung von Dividenden klar überlegen.
Dem entsprechend sieht auch Warren Buffett das Einbehalten der Gewinne als wesentlichen Treiber für zukünftiges Wachstum an:
Overall, the retained earnings of our investees are certain to be of major importance in the growth of Berkshire’s value.
Zum ersten Mal hat Buffett in seinem Aktionärsbrief auch Investoren aufgefordert, sich bei Berkshire zu melden, wenn sie ihr Aktienpaket abstoßen möchten. Offensichtlich sieht er also auch ein Investment in Berkshire Aktien (also einen Aktienrückkauf) aktuell als wertsteigerndes Investment an. Auf CNBC nannte er als Grund für diese Aufforderung die Tatsache, dass größere Tranchen von Berkshire Aktien im Markt tendentiell nur selten zu finden sind.
2. Buffett über Kaufkriterien
Im Zusammenhang mit dem Einbehalten von Gewinnen nennt Buffett auch nochmal seine wesentlichen Kriterien bei der Übernahme eines Unternehmens bzw. dem Kauf eines Minderheitsanteils:
In addition, we constantly seek to buy new businesses that meet three criteria. First, they must earn good returns on the net tangible capital required in their operation. Second, they must be run by able and honest managers. Finally, they must be available at a sensible price.
Obwohl die wesentlichen Themen bereits bekannt sind und an vielen Stellen darüber geschrieben wurde… Buffett spricht hier nochmal über die Attraktivität eines Geschäfts, abzulesen an einer hohen Rendite auf das materielle Kapital, als wesentlichem Auswahlkriterium für ein Investment.
3. Buffett über intrinsischen Wert
An anderer Stelle schreibt Buffett auch kurz über die Berechnung des intrinsischen Werts eines Geschäfts.
Calculations of intrinsic value are far from precise. Consequently, neither of us feels any urgency to buy an estimated $1 of value for a very real 95 cents.
Da der intrinsische Wert in der Regel nur sehr grob ermittelt werden kann (also mit einer breiten Fehlerspanne), erscheint es aus seiner Sicht nicht sinnvoll, einen ungefähren Wert von einem USD für sehr reale 95 Cent zu erwerben.
Mit anderen Worten: Aufgrund der Unsicherheit in der Ermittlung des intrinsischen Wertes muss die Sicherheitsmarge ausreichend groß sein, um das Verlustrisiko zu minimieren.
4. Buffett über Akquisitionen
Im Aktionärsbrief 2020 geht Buffett auch nochmal kritisch auf seinen Track Record bei Akquisitionen ein:
In reviewing my uneven record, I’ve concluded that acquisitions are similar to marriage: They start, of course, with a joyful wedding – but then reality tends to diverge from pre-nuptial expectations. Sometimes, wonderfully, the new union delivers bliss beyond either party’s hopes. In other cases, disillusionment is swift. Applying those images to corporate acquisitions, I’d have to say it is usually the buyer who encounters unpleasant surprises. It’s easy to get dreamy-eyed during corporate courtships.
Gleichzeitig sagt er aber auch, dass – glücklicherweise – viele der Geschäfte, die er unter falschen Voraussetzungen gekauft hatte, im Berkshire Gesamtkontext über die Zeit immer mehr an Bedeutung verlieren, weil sie tendenziell eher stagnieren, während die guten Akquisitionen immer wieder attraktive Investitionsgelegenheiten finden und weiter wachsen können.
Am Beispiel Berkshire können wir aber mindestens eins erkennen: Obwohl Akquisitionen in den meisten Fällen nicht wirklich zu einer Wertsteigerung führen, gibt es doch Unternehmen, die die erforderlichen Skills für eine erfolgreiche Wachstumsstrategie auf Basis von Akquisitionen besitzen (ein anderes Beispiel ist z.B. Disney).
5. Buffett über Aufsichtsräte
Einen längeren Abschnitt widmet Buffett der Diskussion um die Qualität von Aufsichtsräten bzw. Verwaltungsräten (Boards of Directors).
Laut eigener Aussage saß Buffett über die Zeit in mehr als 20 Aufsichtsräten von gelisteten Firmen und hat über diese Zeit viele nette Menschen kennengelernt und auch Freundschaften geschlossen. Allerdings nahm er viele Direktoren auch als “business-fern” wahr, d.h. hätte sie selbst nicht unbedingt mit Geldfragen oder Ähnlichem betraut.
Aus diesem Grund sieht Buffett es als wichtig an, dass Direktoren bzw. Aufsichtsräte einen gewissen Geschäftssinn sowie auch ein konkretes Interesse am Unternehmen haben:
At Berkshire, we will continue to look for business-savvy directors who are owner-oriented and arrive with a strong specific interest in our company. Thought and principles, not robot-like “process,” will guide their actions.
Alles in allem sieht Buffett die wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrats darin, einen passenden und talentierten CEO zu finden und zu halten:
The bedrock challenge for directors remains constant: Find and retain a talented CEO – possessing integrity, for sure – who will be devoted to the company for his/her business lifetime. Often, that task is hard. When directors get it right, though, they need to do little else. But when they mess it up,……
Darüber hinaus geht Buffett auf ein paar weitere interessante Aspekte ein. Beispielsweise gibt es erst seit Kurzem so genannte “Executive Sessions”, also Board-Meetings bzw. Aufsichtsratssitzungen, bei denen der CEO selbst nicht anwesend ist. Vorher war es recht schwierig, in einem quasi-offiziellen Rahmen über die Skills, Übernahmeentscheidungen und Vergütung des Top-Managements zu sprechen.
Außerdem bemängelt Buffett, dass die zunehmende Vergütung von Aufsichtsräten – gerade wenn es sich wie Buffett es ausdrückt um “Non-Weathly Directors” handelt – ein Problem bzgl. der Unabhängigkeit (hiermit ist die Unabhängigkeit von CEO bzw. Management-Team gemeint) heraufbeschwören.
When seeking directors, CEOs don’t look for pit bulls. It’s the cocker spaniel that gets taken home.
CEOs haben nämlich in der Regel kein Interesse daran, einen unbequemen Direktor in den Verwaltungsrat zu berufen. Gerade wenn jemand also von der Aufsichtsratsvergütung abhängig ist und ggf. weitere Mandate annehmen will, könnte das zu einem Durchwinken von Entscheidungen führen.
2 Kommentare zu „Buffett’s Brief an die Berkshire Hathaway Aktionäre 2020: Meine 5 Take Aways“
Hallo,
Ich finde diesen Beitrag wirklich gut und ist eine tolle Zusammenfassung, die ich auf meine Seite mitnehmen werde.
Ich finde deine Seite wirklich klasse und konnte schon sehr viel lernen. Immer weiter so
Gruß Stefan
Pingback: Schmankerl der Woche KW09 2020 –