ESG: Die Abkürzung ESG steht für Environmental, Social und Governance. Bei den gleichnamigen Kriterien handelt es sich um eine Reihe von Standards, die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens im Hinblick auf Nachhaltigkeit leiten und für an Nachhaltigkeit orientierte Investoren überprüfbar machen sollen. Dem entsprechend gibt es inzwischen auch spezialisierte Agenturen, die im Auftrag von individuellen Unternehmen oder auch nachhaltigen Fonds ein so genanntes ESG-Rating erstellen.
Nachhaltiges Investieren: Historie des ESG
Im Jahr 2004 rief der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan eine Initiative ins Leben, deren Ziel es war, Nachhaltigkeitskriterien in die Kapitalmärkte zu integrieren. Zu diesem Zweck forderte Annan über 50 CEOs bekannter Finanzunternehmen zur Teilnahme an der Initiative auf, die unter der Schirmherrschaft des UN Global Compact stehen sollte.
We are a voluntary initiative based on CEO commitments to implement universal sustainability principles and to take steps to support UN goals. – UN Global Compact
In der Folge wurden zwei wesentliche, von Banken und Finanzinvestoren in Auftrag gegebene Reports veröffentlicht, die sich mit der Relevanz von ESG-Themen für Finanzunternehmen und Investoren beschäftigen:
- Who Cares Wins vom UN Global Compact (2004)
- Navigating des ESG Investment Landscape von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer (letztes Update 2019)
Beide Berichte unterstreichen die Wichtigkeit von ESG-Kriterien für Investment-Returns sowie die finanzielle Bewertung und mündeten schließlich in den Principles for Responsible Investing (PRI) sowie der Sustainable Stock Exchange Initiative (SSEI) in 2006 und 2007.
Inzwischen ist das Thema Nachhaltigkeit auch bei den großen institutionellen Anlegern angekommen. Verschiedene Fonds- und ETF-Anbieter, aber auch Roboadvisors wie Wealthfront oder Betterment in den USA oder Liqid aus Deutschland haben das Thema für sich entdeckt und bieten entsprechende ESG-konforme Produkte an.
Die Schlagworte hier sind Impact Investing, Social Responsibility Investing, Sustainability Investing etc.
Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter beispielsweise integriert die ESG-Kriterien inzwischen auch in den traditionellen Investment-Prozess, wie ein kürzliches Zitat von Chairman und CEO Larry Fink zeigt:
…a company’s ability to manage environmental, social, and governance matters demonstrates the leadership and good governance that is so essential to sustainable growth, which is why we are increasingly integrating these issues into our investment process. – Larry Fink, Chairman and CEO von Blackrock
Gleiches gilt für die bekannte Investment-Frma T. Rowe Price:
Environmental, social and governance factors are important in any comprehensive investment research process. – Rob Sharps, CIO uns Co-Head of Global Equity bei T. Rowe Price
Der Nachweis der ESG-Konformität – die Fondsgesellschaften müssen ja irgendwie nachweisen, dass die Unternehmen in ihrem Portfolio tatsächlich nachhaltig wirtschaften – wird über ein so genanntes ESG Rating erbracht.
ESG Rating: Environmental, Social, Governance
Wie die Abkürzung schon sagt, handelt es sich bei einem ESG Rating um eine externe Einschätzung der Nachhaltigkeit eines beliebigen Unternehmens entlang von drei Kriterien:
- Umweltkriterien (Environmental): Umweltkriterien berücksichtigen den Verbrauch natürlicher Ressourcen und die Verschmutzung der Umwelt
- Soziale Kriterien (Social): Diese berücksichtigen die Beziehungen eines Unternehmens zu Mitarbeitern, Lieferanten, Kunden und den lokalen Communities
- Governance Kriterien (Governance): Die Governance befasst sich mit der Führung eines Unternehmens, der Vergütung von Führungskräften, Prüfungen, internen Kontrollen und Aktionärsrechten
Ganz ähnlich einem Credit Rating werden hier Unternehmen anhand eines Kriterienkataloges überprüft und mit einem entsprechenden Nachhaltigkeitsrating versehen. Fonds und ETFs werden entsprechend ihrer Zusammensetzung bewertet.
ESG Kriterien
Aufgrund der Komplexität der Materie und der Vielzahl der Kriterien ist ein solches Rating wesentlich, um nachhaltige (Privat-)Investoren bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. In das Rating von MSCI, einer der größten und bekanntesten ESG-Ratingagenturen, gehen beispielsweise fast 40 individuelle Kriterien ein:
Andere ESG Ratingagenturen haben ähnliche Kriterien.
Zu den Umweltkriterien (Environmental Criteria) zählen neben den viel diskutierten direkten CO2 Emissionen unter anderem auch der gesamte Carbon Footprint der hergestellten Produkte, Wasserverbrauch und Landnutzung (Stichwort Biodiversität), Rohstoffverbrauch oder Luftverschmutzung und Abfälle. Darüber hinaus geht auch die Nutzung von Opportunitäten in den Bereichen Clean Tech, Green Buildings und erneuerbare Energien in die Bewertung ein. Wenn ein Unternehmen also an klimafreundlichen Produktionstechnologien forscht, dann wird das als positiver Faktor berücksichtigt, auch wenn der aktuelle Produktionsprozess (noch) nicht nachhaltig ist.
Die sozialen Kriterien (Social Criteria) beziehen sich auf die Beziehungen des betrachteten Unternehmens zu seiner Umwelt bzw. seinen Stakeholdern. Dazu gehören neben den eigenen Mitarbeitern unter anderem auch die lokalen Communities. Unter den sozialen ESG Kriterien werden dem entsprechend Themen wie Arbeitsschutzbestimmungen, Personalentwicklung, Produktqualität und Sicherheit, Datenschutz, soziales Engagement und verschiedene Gesundheitsthemen zusammengefasst.
Der Kriterienblock Governance schlussendlich beinhaltet im Wesentlichen die bekannten Themen “verantwortungsvolle Unternehmensführung” und “ethische Grundsätze”. Hier geht es neben der Zusammensetzung von Aufsichtsräten und der Höhe von Managergehältern auch um die Effektivität von Prozessen zur Vermeidung illegaler Bilanzmanipulationen, Korruption etc.
ESG Rating
Das eigentliche Rating entsteht analog zum Credit Rating der etablierten Rating-Agenturen vereinfacht in drei Schritten:
- Einschätzung der Performance für jedes einzelne Kriterium (z.B. auf einer Skala von eins bis fünf, unterscheidet sich je nach Rating-Agentur)
- Gewichtung der einzelnen Kriterien entsprechend ihrer Relevanz für das Gesamtrating (CO2 Emissionen erhalten unter Umständen eine andere Gewichtung, als die Höhe der Managergehälter)
- Aggregation der individuellen Kriterien zu einem Gesamtrating
Wie ihr der obigen Abbildung entnehmen könnt, ist die Rating-Einstufung ganz ähnlich einem Credit Rating. Das heißt mit einem Triple A (AAA) bewertete Unternehmen wirtschaften grundsätzlich sehr nachhaltig, mit einem Triple C (CCC) bewertete Unternehmen managen ihre ESG Risiken noch nicht adäquat.
Rating-Agenturen
Durch die zunehmende Bedeutung der ESG Ratings für Investoren und Unternehmen gleichermaßen, werden ESG Ratings sowie auch Second Party Opinions zunehmend auch von den etablierten Ratingagenturen wie Moody’s, Fitch oder Standard&Poor’s erstellt.
Diese gesellen sich zu den bereits etablierten (und spezialisierten) Anbietern wie MSCI, Sustainalytics, ISS ESG, ecovadis, imug oder RobecoSAM, wobei aktuell bereits eine erste Konsolidierung einsetzt. Die aktuellste Ãœbernahme ist die von RobecoSAM durch S&P im Dezember 2019. Zuvor hatte bereits Moody’s die Firma Vigeo Eiris übernommen.
Darüber hinaus arbeiten die Ratinghäuser bereits an Ansätzen, die ESG Ratings in ihre klassischen Bonitätsanalysen zu integrieren… einerseits, weil Investoren ein stärkeres Augenmerk darauf richten, andererseits weil sich auch von regulatorischer Seite der Druck erhöht, diese ESG Kriterien stärker in die klassischen Ratinganalysen einfließen zu lassen. Diese Integration wurde beispielsweise von Fitch bereits mehr oder weniger umgesetzt.
Auch dies ist ein starker Indikator, dass die Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren im Rahmen eines ESG-Frameworks für Investoren immer weiter zunimmt.
Exkurs: Second Party Opinion (SPO)
Für die Ratingagenturen gibt es zudem noch ein weiteres Wachstumsfeld: So genannte grüne Anleihen bzw. Green Bonds. Um diese zu begeben, müssen Emittenten – also Unternehmen und / oder Banken – eine Art Gutachten erstellen lassen, eine so genannte Second Party Opinion (übersetzt: “zweite Meinung”), die die Nachhaltigkeit von Produkt und / oder Emittent bescheinigt.
Diese Second Party Opinions werden aktuell bereits von den beiden Platzhirschen S&P und Moody’s angeboten. Marktführer auf dem Gebiet sind jedoch Sustainalytics und ISS ESG.
Wer bekommt ein ESG-Rating?
Geht es um eine Second Party Opinion, dann haben Unternehmen grundsätzlich die Freiheit, sich die Rating-Agentur frei auszuwählen. Als Emittent eines Green Bonds treten die Unternehmen als Auftraggeber der SPO in Erscheinung.
Bei ESG Ratings gilt das allerdings nicht unbedingt. MSCI beispielsweise ratet regelmäßig alle Unternehmen, die Bestandteil der relevanten MSCI-Indizes sind. Aus diesem Grund werden Großunternehmen in der Regel von einer ganzen Reihe von ESG Rating-Agenturen gleichzeitig bewertet. Kleinere Unternehmen hingegen müssen ihre Ratings selbst in Auftrag geben, sofern sie ein ESG Rating benötigen (kann z.B. für die Beantragung grüne Finanzierungen relevant sein).
Vor- und Nachteile von ESG Ratings
Immer mehr Investoren nutzen ESG Ratings als Kriterium bei der Auswahl ihrer Investments, weil sie daran glauben, dass Nachhaltigkeit einen signifikanten Werttreiber darstellt. Schaut man in die individuellen Details der Ratings, kann man sich ein genaueres Bild über potenzielle Investitionsrisiken und Angriffspunkte für zukünftige Disruptionen machen.
Allerdings kann die Vielzahl und die aktuell noch fehlende Standardisierung der Ratings auch für Verwirrung unter den Anlegern sorgen. So kann es unter anderem vorkommen, dass die Rating-Agenturen zu erheblich abweichenden Schlussfolgerungen bzgl. der Einstufung eines Unternehmens kommen.
Ein weiteres bekanntes Problem resultiert außerdem aus der Tatsache, dass die Datenerhebung unter anderem durch eine freiwillige Selbstbewertung der Unternehmen bzgl. einzelner Kriterien erfolgt.
ESG: Key Takeaways
Die Abkürzung ESG steht für Environmental, Social und Governance. Hinter diesen drei Buchstaben steht eine ganze Reihe an Kriterien, mit deren Hilfe ESG Rating-Agenturen Unternehmen und Fonds hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsstratgie und -positionierung bewerten.
Auch große Investoren wie z.B. Blackrock schauen inzwischen verstärkt auf die Einhaltung von Umweltstandards und effektive Governance-Richtlinien, weshalb das Thema ESG schnell an Bedeutung gewinnt. Aus diesem Grund sind inzwischen auch die großen Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s und Moody’s auf diesem Feld aktiv.